Alfil

Alfil
Elefant des Charlemagne-Spiels (Abbildung aus dem 19. Jahrhundert)

Der Alfil oder Elefant war eine Spielfigur des persisch-arabischen Schatrandsch und des aus diesem hervorgegangenen europäischen Schachspiels im Mittelalter. Für den Alfil waren in Europa verschiedene Bezeichnungen üblich. Außerdem unterlag die Darstellung der Figur starken Veränderungen.

Im neuzeitlichen Schach wurde der Alfil vom Läufer abgelöst. Damit war eine Ausweitung der Zugmöglichkeiten verbunden.

Inhaltsverzeichnis

Bezeichnung und Darstellung der Figur

Darstellung des Alfil bei J. Publicius, Ars oratoria (1482)

Der Name der Figur entstand durch die (zunächst im Spanischen vorgenommene) Zusammenziehung des arabischen Artikels al- mit ‏فيل‎ / Fīl, vom persischen Pilپيل‎, der Bezeichnung für Elefant. Die Benennung war in vielen europäischen Sprachen im Laufe der Jahrhunderte uneinheitlich. Auf Lateinisch hieß der Alfil zumeist alphinus. Es handelt sich um eine lautähnliche Ableitung. Dies gilt ebenfalls für die im mittelalterlichen Deutsch verbreitete Namensform der Alte.

Der Elefant existierte bereits im indischen Schachspiel, dem Chaturanga. Dort bildeten die unterschiedlichen Figuren die Streitkräfte ab. Der Alfil stand für die Kriegselefanten, die nahe dem Zentrum des Heeres aufgestellt wurden. Für die Gaja (Elefant) genannte Figur werden in der alten Literatur verschiedene Zugweisen beschrieben, darunter bereits der Zweifelderzug in beliebiger diagonaler Richtung, welcher der Spielart des Alfil entspricht. Dies stellt vermutlich die älteste Zugweise dar.[1]

Die Ausführung der Figur zeigte viele Veränderungen und Abweichungen. Beim Übergang des Schachspiels nach Europa wurde anfangs noch die Gestalt des Elefanten bewahrt. Dies belegt das Beispiel der sogenannten Charlemagne-Figuren, die Ende des 11. Jahrhunderts in Unteritalien hergestellt wurden.[2] Später wurde der Alfil in der Regel durch zwei nach oben gerichtete symbolisierte „Stoßzähne“ charakterisiert. Diese erscheinen in den Diagrammen der europäischen Handschriften und frühen Druckwerke als steil aufragende Hörner. Im mittelalterlichen Europa war mit Ausnahme Russlands die ursprüngliche Bedeutung der Spielfigur als (berittener) Elefant nicht mehr geläufig.

In der westlichen Schachform fand letztlich eine Umdeutung statt. Die Franzosen erkannten der Figur eine Narrenkappe zu (die Bezeichnung fou, der Narr, für den Läufer ist eine Entstellung von Fil). Auf den britischen Inseln und in anderen Gebieten Europas tauchte frühzeitig die Form einer Bischofsmitra auf, wie etwa im Falle der Lewis-Schachfiguren. Die heutige englische Bezeichnung des Läufers ist bishop.

Zugweise und Einsatzmöglichkeit

Chess zhor 26.png
Chess zver 26.png
a8 b8 c8 d8 e8 f8 g8 h8
a7 b7 c7 d7 e7 f7 g7 h7
a6 b6 c6 d6 e6 f6 g6 h6
a5 b5 c5 d5 e5 f5 g5 h5
a4 b4 c4 d4 e4 f4 g4 h4
a3 b3 c3 d3 e3 f3 g3 h3
a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2
a1 b1 c1 d1 e1 f1 g1 h1
Chess zver 26.png
Chess zhor 26.png
Der Alfil (betrachtet ist hier die Figur auf c1) kann lediglich acht Felder des Schachbretts betreten. Er hat mit den anderen Alfil-Figuren (f1, c8, f8) keine gemeinsamen Zugfelder.

Der Alfil sprang diagonal ins übernächste Feld. Dies war unabhängig davon, ob auf dem dazwischen liegenden Feld eine Figur stand oder nicht. Die Zugweise des Elefanten wies damit eine Parallele zu derjenigen des Springers auf. Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass die Reichweite des Alfil im Vergleich mit dem beweglichen Springer, der sämtliche Felder des Schachbretts erreichen kann, äußerst beschränkt war.

Tatsächlich verbleiben dem Alfil nur acht Felder auf dem gesamten Schachbrett, die er überhaupt erreichen kann. Der Alfil des Anziehenden auf c1 vermag z.B. lediglich die Felder a3, e3, g1, c5, g5, a7 und e7 zu betreten. Seine größte Beweglichkeit entfaltet er auf den beiden Feldern e3 und c5. Auffällig ist ferner, dass er mit keiner der anderen drei Alfil-Figuren über gemeinsame Zugfelder verfügt, insbesondere nicht mit seinem (in europäischer Darstellung eines zweifarbigen Bretts) „gleichfarbigen“ Widerpart auf f8. Zwei Alfile konnten also in der Partie nicht gegeneinander abgetauscht werden.

Damit verbunden ist bereits die Frage nach dem materiellen Wert der Figur und ihren konkreten taktischen oder strategischen Einsatzmöglichkeiten. Als strategisches Motiv kommt die Blockade eines isolierten Bauern in Betracht, die jedoch nur auf einer geringen Anzahl von Feldern erfolgen konnte. Der Eindruck drängt sich auf, dass der Alfil nur unter Schwierigkeiten sinnvoll einzusetzen war. Der Gegner musste in erster Linie darauf achten, dass nicht eine seiner stärkeren Figuren gegen einen „lauernden“ Alfil abgetauscht wurde. Materiell entsprach der Alfil maximal einem Gegenwert von anderthalb Bauern.

Der Schachhistoriker Tassilo von Heydebrand und der Lasa nahm an, die Verwendung der schwächsten Figur des mittelalterlichen Schachspiels habe „hauptsächlich darin bestanden, eine feindliche Bauernreihe womöglich zu brechen. Für zwei Bauern gab man (den Alfil) dabei mit Vorteil hin.“[3] Dem wahren Sachverhalt in der Partie komme aber vermutlich die Bemerkung eines mittelalterlichen Kopisten näher, der in einem Manuskript notierte:[4]

„En inter scaccos alphinus inutilis adstat.“ (Zwischen den Schachfiguren steht der Alfil nutzlos herum!)

Schachkomposition

Eine größere Bedeutung hatte der Alfil jedoch in den künstlichen Schachaufgaben. Die Ausnutzung der eigentlich geringen Wirkungskraft des Elefanten war aus ästhetischen Gründen beliebt (siehe etwa das bekannte Matt der Dilaram).

In den altarabischen Mansuben belegte der Alfil noch ausschließlich die für ihn erreichbaren Felder. Im mittelalterlichen Europa nahmen sich die Komponisten dann zunehmend die Freiheit, die Figur beliebig auf Plätzen aufzustellen, die eigentlich nach der Beschränkung durch die Zugweise nicht erreicht werden konnten − zuweilen erschienen in den Aufgaben sogar zwei Alfile einer Partei auf derselben Farbe.[5]

Ersetzung durch den modernen Läufer

Personifizierung des „Alten“
Mennel, Schachzabel Spiel (1520)

Die Beschränkungen und die geringe Beweglichkeit des Alfil bildeten offenbar eine der Ursachen für den Niedergang der mittelalterlichen Spielform und die daraus folgende Reform des Schachspiels am Beginn der Neuzeit.

Bereits im 13. Jahrhundert trat in einer historischen Schachvariante, dem Kurierspiel, der spätere Läufer, hier Kurier (also „Läufer“) genannt, dem Alfil als Konkurrent zur Seite. Der moderne Läufer wurde möglicherweise mehrfach „erfunden“. Jedenfalls stand eine Erweiterung der gehemmten Zugmöglichkeiten des Alfil so lange auf der Tagesordnung, bis schließlich im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts der Übergang zum modernen Schach erfolgte. Die Stelle des Alfil nahm der moderne langschrittige Läufer ein. Die zweite Figur, deren Bewegungsoptionen schlagartig erweitert wurden, war die Dame, deren mittelalterliche Vorläuferfigur, ursprünglich als Fers (Ratgeber) bezeichnet, nur jeweils ein Feld diagonal ziehen konnte.

In der spanischen Sprache ist die Bezeichnung „Alfil“ auf den modernen Läufer übergegangen. Im Italienischen heißt der Läufer „Alfiere“. Im Russischen wird der neue Läufer unverändert als слон (slón = Elefant) bezeichnet. Schließlich lebt in dem englischen bishop, wie erwähnt, eine Erinnerung an den Alfil und seine zur Mitra uminterpretierten „Stoßzähne“ fort.

Hinweis auf andere Schachvarianten

Der Elefant im Xiangqi („Elefanten-Brettspiel“) zieht ähnlich dem Alfil. Im chinesischen Schach kann der Elefant jedoch nicht über einen dazwischenstehenden Stein springen; außerdem darf er den „Fluss“ in der Mitte des Spielfelds nicht überschreiten. Im koreanischen Schachspiel besteht dagegen eine veränderte Zugweise des Elefanten, die Figur zieht ein Feld horizontal/vertikal und zwei Felder diagonal in Zugrichtung.

Im Märchenschach wird der Name „Elefant“ oder Alfil gleichfalls für Spielfiguren verwendet, die zwei Felder diagonal ziehen oder springen können.

Anmerkungen

  1. Thieme, S. 51ff.
  2. siehe die Reproduktion oben und eine Fotografie der vier Alfile
  3. von Heydebrand und der Lasa, S. 61
  4. von Heydebrand und der Lasa, a.a.O.
  5. Thieme, S. 31f.; von Heydebrand und der Lasa, a.a.O.

Literatur

  • Tassilo von Heydebrand und der Lasa: Zur Geschichte und Literatur des Schachspiels. Forschungen. Veit, Leipzig 1897 (3. Nachdruck. Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik, Leipzig 1984).
  • Paul Thieme: Zur Frühgeschichte des Schachs.Promos-Verlag, Pfullingen 1994, ISBN 3-88502-015-7 (Tübinger Beiträge zum Thema Schach 1).

Weblinks


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