Grafschaft Wied

Grafschaft Wied

Die Grafschaft Wied (seit 1784 Fürstentum Wied) war ein historisches Territorium des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Bereich des Westerwaldes und des heutigen Landkreises Neuwied. Es war nach dem rechtsrheinischen Nebenfluss Wied benannt und bestand etwa von Anfang des 12. bis Anfang des 19. Jahrhunderts.

Im Laufe seiner Geschichte wurde es zwischen den verschiedenen Zweigen des wiedischen Grafenhauses mehrfach geteilt und wiedervereinigt. Die Obergrafschaft lag um die Zentren Dierdorf und Runkel an der Lahn, die Residenz der Niedergrafschaft war bis 1653 die Burg Altwied, anschließend bis 1806 die Stadt Neuwied.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ursprünge und erstes Grafenhaus

Die Anfänge der Grafschaft Wied liegen im Dunkeln. Ihr Territorium wie auch das der späteren Grafschaft Sayn, die rechts- und linksrheinischen Gebiete der Kölner und Trierer Kurfürsten sowie die dort gelegenen Besitzungen des späteren Herzogtums Jülich, des Hauses Nassau und der Pfalzgrafen bei Rhein waren Bruchstücke der ehemals salischen und staufischen großen Pfalzgrafschaft (Palatia maior), die ihrerseits aus dem fränkischen Lotharingien hervorgegangen war. Eine Grafschaft Wied als eigenständiges Territorium wird erst fassbar, als diese ursprüngliche Pfalzgrafschaft zerbrochen war. Sie galt aber stets als Lehen der Pfalzgrafen bei Rhein.

Als Begründer der Hauses Wied gilt Metfried, der Graf im Engersgau war. Er und sein Bruder Richwin von Kempenich werden 1103 in einer Urkunde des Stiftes Münstermaifeld als Zeugen genannt. 1129 erscheint derselbe Metfried in einer Urkunde des Klosters St. Thomas in Andernach, diesmal unter der Bezeichnung „Meffridus de Widhe“. Dies ist der erste Hinweis auf eine eigenständige Herrschaft dieses Namens. In ihr verband Meffried wahrscheinlich Eigenbesitz um die später Altwied genannte Burg, deren Bau in dieser Zeit vollendet worden sein dürfte, mit Herrschaftrechten, mit denen ihn der Pfalzgraf belehnt hatte.

Graf Dietrich von Wied (1158–1200), ein Sohn oder Enkel Metfrieds, tritt in einer am 26. April 1158 in Sinzig ausgestellten Urkunde neben dem Pfalzgrafen Konrad als Zeuge in Erscheinung. Es wird nicht überliefert, dass der Pfalzgraf Dietrich von Wied belehnt hätte. In einer wiedischen Urkunde vom 25. Dezember 1190 dagegen trägt ihm der kölnische Erzbischof ein Lehen zu Olbrück im heutigen Kreis Ahrweiler auf. Den Söhnen des Grafen wird darin das Erbrecht an dem Lehen zugestanden, aus der Sorge vor einer möglichen Entfremdung nicht aber seiner Tochter Theodora, die den Grafen Bruno von Isenburg geheiratet hatte.

Wahrscheinlich beerbte Georg von Wied (1201–1217) seinen Vater Dietrich. Er nahm am 4. Kreuzzug teil und trat urkundlich öfter an der Seite der Grafen von Sayn und der Pfalzgrafen auf. Da er offenbar keine direkten Erben hinterließ, erlangte sein Bruder Lothar um 1212 die Herrschaft, wie eine Urkunde aus Rommersdorf belegt. Lothar scheint die Grafschaft Wied als Lehen von Pfalzgraf Ludwig dem Kelheimer (1215–1231) erhalten zu haben. Auch er hinterließ offenbar keinen erbberechtigten Nachkommen. Da die übrigen Söhne und Töchter Dietrichs in den geistlichen Stand getreten waren, blieb nur seine schon erwähnte Tochter Theodora als Erbin der Grafschaft Wied übrig.

Vollends deutlich wird das geschichtliche Bild der Grafschaft Wied am 8. März 1237: An diesem Tag bestätigte Pfalzgraf Otto, der Sohn Ludwigs des Kelheimers, dass er nach Lothars Tod Theodoras Mann Bruno und ihren Sohn Dietrich von Isenburg mit der Grafschaft Wied belehnen wolle. Die Urkunde besagt, der wiedische Graf befinde sich nunmehr dank der Großzügigkeit des Pfalzgrafen in der Pflicht eines Vasallen (Ledigmann). Mit Lothar starb 1244 das erste Grafenhaus aus, so dass die Hälfte der Herrschaft an die beiden Isenburger überging. Als Erben der anderen Hälfte treten die Herren von Eppstein auf, deren Anteil bereits 1306 an die Grafen von Virneburg verkauft wurde.

Zweites und drittes Grafenhaus bis zum 19. Jahrhundert

Als zweites Grafenhaus kann man somit die Nachkommen des Bruno von Isenburg bezeichnen, die Grafen von Wied-Isenburg, die von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts die Geschicke der Grafschaft lenkten. Der rechtliche Zustand als Lehen der Pfälzer Kurfürsten blieb auch für die nächsten Jahrhunderte erhalten. Daher bekannte Philipp von Isenburg im Jahre 1352 (25. August), dass er die Freiheit des Gerichts zu Bendorf von dem Pfalzgrafen Ruprecht erhalten hätte.

Ein 1773 gesetzter Grenzstein der Grenze Wied-Runkel zu Oranien-Nassau

Da Wilhelm II. von Wied-Braunsberg-Isenburg 1462 ohne männlichen Erben starb, fiel die Grafschaft an Dietrich IV. von Runkel, der mit einer Nichte Wilhelms, Anastasia von Wied-Isenburg, verheiratet war. Schon 1460 jedenfalls belehnte der Pfalzgraf Friedrich Friedrich IV. von Runkel, den ältesten Sohn Dietrichs, „aus besonderer Gnade für seine geleisteten treuen Dienste“ mit der halben Grafschaft Wied. Dieser Graf erhielt dann 1473 aus der Hand des erwähnten Pfalzgrafen als Lehen sogar die ganze wiedische Grafschaft. 1477, nachdem Pfalzgraf Philipp die Regierung übernommen hatte, wiederholte er diese Belehnung der ganzen Grafschaft Wied an Friedrich von Wied-Runkel.

Friedrich IV. († 1487) wurde somit zum Stammvater des dritten und letzten Grafenhauses, des Hauses Wied-Runkel. Er hatte vier erbberechtigte Söhne, von denen zunächst, 1488, der älteste als Wilhelm III. die Herrschaft antrat. Da er 1526 ohne legitime Söhne starb, erbte sein Bruder Johann III. die Grafschaft. Die beiden jüngeren Brüder, Hermann und Friedrich, waren Geistliche geworden: Hermann war seit 1515 Erzbischof von Köln, Friedrich Bischof von Münster. Obwohl Hermann und Friedrich im Zuge der Reformation ihre Ämter niederlegten, traten sie nicht wieder in die Erbfolge ein.

Beim Tode Johanns teilten dessen Söhne, Johann IV. und Philipp, die Grafschaft Wied in die sog. „obere“ und „untere“ Grafschaft. Diese Teilung wurde endgültig, denn obwohl die verschiedenen Seitenlinien im 16. und 17. Jahrhundert zum Teil nur eine oder zwei Generationen fortbestanden, wurde beim Rückfall jedes Mal in der nächsten Generation wieder unter den beiden ältesten Söhnen diese Teilung erneuert: Friedrich III., der 1653 die Stadt Neuwied gründete, teilte 1640 mit seinem Bruder Moritz Christian ebenfalls nach diesem Schema die Grafschaft. Friedrich III. wurde somit der Gründer der Linie Wied-Neuwied, Moritz Christian der der jüngeren Linie Wied-Runkel.

Bis weit ins 18. Jahrhundert wurden die Grafen von Wied weiterhin von den Pfalzgrafen belehnt, zuletzt 1721 Graf Friedrich Wilhelm durch Kurfürst Carl Philipp. Dabei war die Grafschaft spätestens seit Einführung der Reformation wie ein reichsunmittelbares Fürstentum behandelt worden. Bis zu ihrer Auflösung gehörte sie zum Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis und ihre jeweiligen Herrscher waren als Mitglieder der westfälischen Grafenbank am Reichstag vertreten. Erst mit der Erhebung von Graf Johann Friedrich Alexander, dem Enkel Friedrichs III., in den Reichsfürstenstand im Jahr 1784 scheinen die Belehnungen durch Kurpfalz ausgeblieben zu sein.

Johann Friedrich Alexanders Sohn Friedrich Karl war aber auch der letzte regierende Fürst zu Wied. Nachdem er sich geweigert hatte, dem Rheinbund beizutreten, wurde das Fürstentum 1806 auf Druck der französischen Kaisers Napoléon aufgelöst und dem Herzogtum Nassau zugeschlagen. 1815 fielen beide wiedischen Territorien an Preußen.

Die Fürsten zu Wied seit dem 19. Jahrhundert

Nach dem Verlust ihrer Souveränität behielten die Fürsten zu Wied-Neuwied die Standesherrschaft über ihr ehemaliges Fürstentum im Rahmen des Königreichs Preußen. Als 1824 die Linie Wied-Runkel (Dierdorf) ausstarb, beerbten sie diese und vereinigten die beiden wiedischen Teilgrafschaften nach fast 300 Jahren erneut.

1846 beantragte Fürst Hermann bei der preußischen Regierung die Aufhebung der Standesherrschaft, weil das kleine Fürstentum sich nicht selbst wirtschaftlich unterhalten ließ. 1848 bewilligte Preußen diesen Verzicht. Damit hatte auch der letzte Rest der eigenständigen Grafschaft Wied aufgehört zu bestehen.

Wichtige Vertreter des Hauses Wied

Zu den bekanntesten Vertretern des Fürstenhauses.[1] gehört der 1782 geborenen Prinz Maximilian Alexander, der mit seinen beiden großen Reisen nach Nord- und Südamerika 1815-17 und 1832-34 auf den Spuren Alexander von Humboldts wandelte.

Prinzessin Elisabeth, geboren 1843, hatte zu ihrer Zeit als Schriftstellerin unter dem PseudonymCarmen Sylva“ einigen Erfolg. Sie heiratete 1869 Karl von Hohenzollern-Sigmaringen, der seit 1858 König von Rumänien war.

Prinz Wilhelm (1876-1945) akzeptierte 1914 die Krone als Fürst von Albanien, musste das Land aber nach Ausbruch des Ersten Weltkriegesbereits nach wenigen Monaten wieder verlassen.

Das heutige Oberhaupt des Fürstenhauses ist Carl Prinz zu Wied.

Siehe auch


Quellen und Literatur

  • Gensicke, Hellmuth, Landesgeschichte des Westerwaldes, Wiesbaden 1958, Seite 331-338
  • Hardt, Albert, Im Wiedischen Land, Wolfenacker 1989, Seite 26-38
  • Akten und Urkunden des Fürstlich Wiedischen Archivs in Neuwied (FWA)
  • Kurt Becker u. a.: Heimatchronik des Kreises Neuwied, Köln 1966
  • Albert Meinhardt: Neuwied Einst und Heute, Verlag P. Kehrein, 1995, ISBN 3-9803266-4-0
  • Johann Stephan Reck: Geschichte der gräflichen und fürstlichen Häuser Isenburg, Runkel, Wied verbunden mit der Geschichte des Rheintales zwischen Koblenz und Andernach von Julius Caesar bis auf die neueste Zeit, Weimar 1825
  • Werner Troßbach: „Im Kleinen ein ganz wohl eingerichteter Staat“. Aufgeklärter Absolutismus in der Grafschaft Wied-Neuwied, in Journal für Geschichte 5 (1985), S. 26–32
  • Wilhelm Tullius: Die wechselvolle Geschichte des Hauses Wied. Neuwied, 2. Auflage 2003.
  • Stefan Volk: Peuplierung und religiöse Toleranz. Neuwied von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 55 (1991), S. 205–231

Einzelnachweise

  1. Quelle: Stammbaum der Familie zu Wied

Weblinks


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