Grabmal

Grabmal
Die Igeler Säule, Grabmal einer römischen Familie

Ein Grabmal (mhd. meil „Zeichen“) ist ein Gedenk- und Erinnerungsmal an der Grabstätte eines Toten. Grabhügel, Grabhäuser und Grabkammern sind Grabmäler im weiteren Sinne. Ein architektonisch gestaltetes Grabmal kann Bestandteil eines Grabes oder eines Grabbaus sein.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vor- und Frühgeschichte

Der Brauch Grabmäler zu errichten, lässt sich in Europa erst für die Jungsteinzeit (nach 6000 v. Chr.) mit Sicherheit belegen. Der Menhir, ein aufrecht stehender unbehauener hoher Stein von kultischer Bedeutung, wurde auch auf oder neben Gräbern errichtet. Man findet ihn in England, Frankreich und Deutschland. Figurenmenhire, Steinplatten mit Relieffiguren in Menschengestalt, gibt es in Südfrankreich und auf Korsika. Die einfachste Form der Megalithgräber (gr. „Großsteingräber“) ist der Dolmen, ein vorgeschichtlicher Grabbau unter einem mächtigen Deckstein, der früher von einem Erdhügel überwölbt war.

In Ägypten ist seit Beginn des Alten Reiches (ca. 2800 v. Chr.) die Pyramide die Form des Königsgrabmals und die Mastaba das Grabmal für hohe Beamte. In der Vorgeschichte des Mittelmeerraums ist das Kuppelgrab als Form des Fürstengrabes weit verbreitet. Seit dem späten 16. Jahrhundert v. Chr. in der mykenischen Kultur entwickelt, findet man es von Spanien im Westen bis nach Kleinasien. Der schönste und am besten erhaltene Vertreter dieses Typs ist das als Schatzhaus des Atreus bekannte Grabmal in Mykene. Neben den in einen Hang hineingebauten Kuppelgräbern mit einer steinernen Kuppel über einem kreisförmigen Grundriss gibt es die Kammergräber. Diese in den Felsen gehauenen oder in der Erde aufgemauerten Grabmäler kommen in zahlreichen Formen vor; die sehr tief eingegrabenen nennt man Schachtgräber.

Antike

Bis in die Zeit des Hellenismus (4.–1. Jh. v. Chr.) kennt die griechische Kultur kein architektonisch gestaltetes Grabmal. Die Grabstätte wird durch eine Statue auf einem Sockel markiert oder durch eine Grabstele, eine aufgestellte Platte aus Stein mit dem als Relief gestalteten Bildnis des Toten im Kreis seiner Familie. Diese zum Teil künstlerisch wertvollen Grabmäler werden im 4. Jahrhundert v. Chr. als Gräberluxus verboten und durch marmorne Grabvasen (Amphore) ersetzt, schlanke kannenförmige Gefäße, die manchmal mit Darstellungen des Grabkultes verziert sind. Erst unter römischer Herrschaft (nach 146 v. Chr.) tauchen in Griechenland wieder größere Grabreliefs auf.

Im 6. Jahrhundert v. Chr. hat sich in Kleinasien eine Form des Turmgrabes entwickelt, eine mit Reliefs versehene Grabkammer auf einem hohen Steinpfeiler (Harpyengrabmal bei Xanthos in Lykien). Später ist dann ein hochgelegter Sarkophag von einer reliefgeschmückten steinernen Umfriedung umgeben (Gjölbaschi in Lykien). Aus der Vereinigung dieser beiden Typen entsteht der Grabtempel auf einem hohen Sockel mit Reliefschmuck (Nereidenmonument von Xanthos). Diesem neuen Typ gehörte auch das Grabmal des Königs Mausolos von Karien († 353 v. Chr.) an, das Mausoleion oder Mausoleum, das allen späteren monumentalen Grabmälern den Namen gab. Die Formen des Turmgrabes und des Grabtempels haben sich im römisch beherrschten Mittelmeergebiet verbreitet; die Grabmäler an der Via Appia bei Rom und das Grabmal des Theoderich in Ravenna sind Beispiele. Es gibt aber auch Monumente, denen das alte Rundgrab Vorbild war, beispielsweise das Augustusmausoleum und die als Grabmal für Kaiser Hadrian († 138 n. Chr.) begonnene Engelsburg in Rom. Der Grabstein war im Alten Rom ein Grabdenkmal für den Soldaten, der in der Ferne ums Leben gekommen war. Die Steinplatte mit dem Brustbild des Verstorbenen im Relief ist meist in der Nische eines Grabbaus angebracht. Gelegentlich wird neben alten mythologischen Themen auch das Leben des Toten in einem Relieffries geschildert (Igeler Säule).

Bei den Etruskern und in frühchristlicher Zeit werden Tote in Katakomben bestattet. In die Wände der unterirdischen Gänge sind neben- und übereinander rechteckige Grabnischen in den Fels gehauen. Durch eine Steinplatte mit dem Namen des Verstorbenen wurden sie verschlossen. Der Sarkophag, ein meist kunstvoll verzierter Sarg, war bei fast allen Völkern des Altertums in Gebrauch. Der Typus des reliefgeschmückten Sarkophags der Etrusker wird von den Römern übernommen und variiert. Dem heidnisch-römischen Sarkophag fügen die frühen Christen ihre Symbole hinzu und bald auch neue Motive.

Mittelalter

Im Mittelalter ist die Kirche der Ort für das künstlerisch gestaltete Grabmal. Ursprünglich gab es hier nur das Märtyrergrab in der Krypta, dann wurden dort auch hohe Geistliche, Gründer und Stifter beigesetzt. Es folgten die Gräber im Chor und in anderen Bereichen der Kirche. Grabplatten bilden die älteste und zahlenmäßig größte Gruppe der Grabmäler. Aus Stein oder Bronze gefertigt, bedecken sie das Grab des Verstorbenen. Die Inschrift überliefert seinen Namen und den Todestag, die Wappen bezeugen seine Herkunft. Bei der Tumba ist die Grabplatte nicht in den Boden eingelassen, sondern sie liegt über dem Grab auf einem rechteckigen Unterbau aus Stein. Später hat die Tumba einen sarkophagartigen Aufbau und ist häufig von einem Baldachin überdeckt. In Deutschland wird es seit dem 11. Jahrhundert üblich, auf der Grabplatte die Gestalt des Toten darzustellen. Jetzt gewinnt das Grabmal an künstlerischer Bedeutung. Die Bronzegrabplatte Rudolfs von Schwaben († 1080) im Merseburger Dom ist das früheste erhaltene Beispiel. Für die zunehmende Körperlichkeit und Natürlichkeit der Figuren ist das Doppelgrabmal Heinrichs des Löwen und seiner Gemahlin im Braunschweiger Dom (1230–1240) ein herausragendes Zeugnis.

In Frankreich entwickelte sich die Grabmalkunst erst seit dem 13. Jahrhundert. Im Chor der Kathedrale von Saint-Denis, in dem von jetzt an die französischen Könige beigesetzt wurden, wird die Entwicklung deutlich. Auch in England hat die Grabfigur einen großen Anteil an der überlieferten mittelalterlichen Skulptur. In Italien wird seit dem späten 13. Jahrhundert das Grabmal immer aufwändiger gestaltet, und der Gedanke an Ruhm und Ehre des Verstorbenen gewinnt an Bedeutung (Skaligergräber in Verona). Im 14. Jahrhundert ist die Figur des Verstorbenen vollplastisch ausgebildet (Przemyslidengräber im Veitsdom in Prag).

Die Tumba bekommt im 14. Jahrhundert ein neues Gesicht: Klagende Gestalten (Pleurants) erscheinen auf ihren Wänden im Relief. Später umschreiten sie vollplastisch gestaltet die Tumba, oder sie tragen die Platte mit der Liegefigur des Toten (Claus Sluter, Grabmal Philipps des Kühnen in Dijon). In Deutschland kommt gegen Ende des Jahrhunderts ein anderer Typ des Grabmals auf, das Epitaph als Grabdenkmal. Das in Italien und Frankreich verbreitete Wandgrabmal bekommt in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts den Charakter eines weltlichen Denkmals (Santa Croce und San Miniato al Monte in Florenz).

Neuzeit

Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert wird auf Grabmälern die Vergänglichkeit alles Irdischen betont; der Tod wird als Knochenmann bildnerisch dargestellt. Der Gedanke an die Schrecken des Todes bestimmt neben dem Bemühen um Repräsentation auch noch die Barockzeit. Das ändert sich im späten 18. Jahrhundert. Nun werden die Empfindungen der trauernden Hinterbliebenen in allegorischen Szenen und in der Inschrift zum Ausdruck gebracht, und der Knochenmann wird vom sanften Engel abgelöst, der sich um die Seele des Verstorbenen kümmert. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts werden künstlerisch gestaltete Grabmäler in den Kirchen des Nordens nur noch selten errichtet; auch Adelige und Geistliche werden nun meist auf dem Friedhof begraben.

Grabmale unterliegen den Einflüssen wie die weltliche Architektur, die Entwürfe bei der Grabmalgestaltung folgen dem Klassizismus und den Strömungen der Romantik. Säulen, Pyramiden, Stelen und Cippi mit Schmuckobjekten werden zum zeitgenössischen Grabmal. Der oft individuelle künstlerische Entwurf weicht vielfältigen Typengrabmalen aus Katalogen industrieller Fertigung. Trotzdem werden aus Repräsentationsmotiven der Grabeigentümer bis nach 1900 aufwändige Grabanlagen errichtet. Erst die Reformbewegungen zwischen vom Beginn des 20. Jarhunderts bringen Veränderungen in der Grabmalgestaltung, die die familiäre Repräsentation in den Mittelpunkt stellt. Eine besondere Rolle bringt die Einführung der Feuerbestattung mit sich: Urnengrabmale und Kolumbarien.[1][2]

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewinnt das Reihengrab mit gleichförmigen Grabmalen an Bedeutung. Jüngste Entwicklungen kommen mit den halbanonymen Gemeinschaftsgrabanlagen, wobei das Grabmal für eine Gruppe von Bestatteten verwendet und mit deren Namen versehen wird.[3] In der Sepulkralkultur des beginnenden 21. Jahrhunderts bestehen zwei Entwicklungen, einerseits Designergrabmale mit expressiven Lösungen und andererseits der völlige Verzicht auf individuelle Gedenkzeichen.[4] Eine spezielle Form neuzeitlicher Grabmalgestaltungen ergibt sich mitunter aus Grabpatenschaften, bei denen eine bestehende, nicht mehr belegte Grabanlage neu vergeben wird und im Einzelfall behutsam verändert werden kann.

Siehe auch

Literatur

  • Joachim Poeschke, Britta Kusch-Arnhold, Thomas Weigel (Hrsg.): Praemium Virtutis II – Grabmäler und Begräbniszeremoniell in der italienischen Renaissance. Rhema-Verlag, Münster 2005, ISBN 3-930454-56-4.
  • Magdalene Magirius: Figürliche Grabmäler in Sachsen und Thüringen von 1080 bis um 1400. Ed. Rust, 2002.
  • Gabriele Böhm: Mittelalterliche figürliche Grabmäler in Westfalen von den Anfängen bis 1400. LIT- Verlag, Münster/Hamburg 1993.
  • Jörg Garms, Andrea Sommerlechner, Werner Telesko: Die mittelalterlichen Grabmäler in Rom und Latium vom 13. bis zum 15. Jahrhundert: Die Monumentalgräber. Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1994.
  • Gerlinde Volland: Trauer in weiblicher Gestalt. Grabplastik um 1900 am Beispiel des Kölner Friedhofs Melaten. In: Denkmalpflege im Rheinland. 1/1998.

Einzelnachweise

  1. Gerold Eppler: Die Auswirkungen der Industriealisierung auf die Grabmalkultur. In: Grabmalkultur in Deutschland. Berlin 2009, ISBN 978-3-496-02824-6, S. 127–149.
  2. Helmut Schoenfeld: Reformgrabmale des frühen 20. Jahrhunderts. In: Grabmalkultur in Deutschland. Berlin 2009, ISBN 978-3-496-02824-6, S. 163–178.
  3. Barbara Leisner: Das Gemeinschaftsgrabmal. In: Grabmalkultur in Deutschland. Berlin 2009, ISBN 978-3-496-02824-6, S. 260-261
  4. Norbert Fischer: Glasgrabmal-Urnenpyramide-Baumbestattung: Über neue Grabstättenkultur zu Beginn des 21. Jahrhunderts. In: Grabmalkultur in Deutschland. Berlin 2009, ISBN 978-3-496-02824-6, S. 397-405

Weblinks

  • Forschungsprojekt Requiem der Humboldt-Universität zu Berlin: DIE RÖMISCHEN PAPST- UND KARDINALSGRABMÄLER DER FRÜHEN NEUZEIT: [1]
  • Forschungsprojekt Requiem der Humboldt-Universität zu Berlin: Grabmäler–Grabmalstypen: [2]
 Commons: Tomb – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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