Gouges

Gouges
Olympe de Gouges

Olympe de Gouges, eigentlich Marie Gouze (* 7. Mai 1748 in Montauban; † 3. November 1793 in Paris), war eine Revolutionärin, Frauenrechtlerin, Schriftstellerin und Autorin von Theaterstücken. Sie ist die Verfasserin der Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin von 1791.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit

Marie Gouze wurde in der Region der Midi-Pyrénées in Südfrankreich, dem heutigen Département Tarn-et-Garonne, geboren und verbrachte dort ihre Jugend. Ihre Mutter, die Wäscherin Anne-Olympe Mouisset, war seit 1756 mit dem Metzger Pierre Gouze verheiratet, der aber nicht Maries biologischer Vater war. Anzunehmen ist eher, dass sie einem Verhältnis ihrer Mutter mit Jean-Jacques Lefranc, Marquis de Pompignan, einem reichen Landadeligen und bekannten Widersacher Voltaires, entsprang. Dieser war jeglicher gesetzlicher Vaterpflicht für seine 'Bastard'-Tochter enthoben. Der Katholik Pompignan fühlte sich der damaligen Zeit entsprechend auch moralisch nicht verpflichtet, Mutter und Tochter materiell zu unterstützen.

Ehe

Mit 17 Jahren wurde Marie Gouze – gegen ihren Willen – mit dem Pariser Wirt Louis-Yves Aubry verheiratet, der dank ihrer Mitgift eine Gastwirtschaft eröffnen konnte. 1766 gebar sie einen Sohn, Pierre (1793 Offizier in der Rhein-Armee). Sein Vater starb bald, wahrscheinlich bei einer Überschwemmung des Tarn. Die junge Witwe Aubry zog nach Paris, wo Schwester und Schwager sich bereits niedergelassen hatten. Sie heiratete kein zweites Mal; bekannt ist lediglich eine freie, langjährige Verbindung mit Jacques Biétrix de Rozières,Erbe eines Privilegs auf Militärtransporte.

Schaffensphase

Im 18. Jahrhundert war der Analphabetismus in Frankreich weit verbreitet, besonders unter Frauen. Hinzu kamen die unglücklichen Familienverhältnisse von Marie Gouze. Deshalb ist anzunehmen, dass sie in ihrer Kindheit lediglich Grundkenntnisse in Lesen und Schreiben erwerben konnte. In ihrer Heimat wurde überdies okzitanisch gesprochen, das Französisch des Nordens war hier ungebräuchlich. Die Jahre zwischen ihrer Ankunft in Paris (etwa 1768) und dem Zeitpunkt, da sie ihr erstes Theaterstück bei einer Bühne einreichte (1784), nutzte sie zu intensivem Selbststudium: der Kultivierung des Französischen durch Konversation, Lektüre literarischer und politischer Schriften, Theaterbesuche und schließlich eigener literarischer Versuche. So verfasste sie bereits 1774 eine Denkschrift, die sich gegen die Sklaverei wandte. Wegen des umstrittenen Themas und des Geschlechts der Autorin konnte diese Schrift erst nach der Revolution 1789 veröffentlicht werden. Weiterhin schrieb sie über das Scheidungsrecht und das Recht, sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe zu führen. Diese Schriften ließen bereits ihren feministischen und gegen die Scheinmoral ihrer Zeit gerichteten Standpunkt erkennen.

Als Künstlernamen, mit dem sie auch viele ihre Texte unterzeichnete, benutzte sie den Vornamen ihrer Mutter und eine abgewandelte Form ihres Familiennamens, den auch ihre Schwester Jeanne Gouges gebrauchte. Sie fand Zugang zu Kreisen der Frondeur-Opposition, die sich unter dem Schutz oppositioneller Prinzen versammelte; eine solche Enklave war das Palais Royal, wo Philippe Égalité, Herzog von Orléans residierte, wo Mme de Gouges sehr wahrscheinlich Louis-Sébastien Mercier kennenlernte.

Die Französische Revolution

1785 reichte die Autorin ihr Stück Zamore et Mirza bei der Comédie Française ein; überaus mutig behandelte sie darin die Sklaverei in den Kolonien, mit der Folge, dass sie jahrelang in Rankünen und Verleumdungen verwickelt und sogar in die Bastille abgeführt wurde. Erst im Dezember 1789 hatte das brisante Stück Premiere, die zu einem politischen Krawall ausartete: schleunigst wurde es vom Spielplan abgesetzt.

Von Beginn an war de Gouges konfrontiert mit Anfeindungen aus diversen politischen Richtungen, die es vor allem maßlos irritierte, dass eine 'femme auteur' sich mit literarisch seriösen Theaterstücken politischen Inhalts an die Öffentlichkeit wagte. Frauenfeindliche Kritiker diskreditieren und diffamieren viele bekannte Frauen von Mme de Staël, Mme Roland, Mary Wollstonecraft und auch diese Autorin. Trotz Verleumdungen und größter Schwierigkeiten war de Gouges vielseitig und produktiv: 1793 erschienen ihre Werke in zwei Bänden.

Während der Revolution wurde Olympe de Gouges eine leidenschaftliche Verfechterin der Menschenrechte der Frauen, der Bürgerinnenrechte, denn sie erkannte sofort, dass die Revolutionäre 1789 - mit Ausnahmen wie dem Marquis de Condorcet[1] - das gesamte weibliche Volk von den „Rechten des Mannes und Bürgers“ ausgeschlossen hatten.

Sie nahm teil am Cercle de la bum, eine Gesellschaft, wahrscheinlich gegründet von Sophie de Condorcet und Antoine de Condorcet, der 1789 einen Artikel 'Über die Zulassung der Frauen zum Bürgerrecht' publiziert hatte; Etta Palm d'Aelders, eine niederländisch stämmige Aufklärerin, gehörte auch zu dieser Gesellschaft. Madame de Gouges veröffentlichte in diesen Jahren viele politische Texte zu brennenden aktuellen Ereignissen, die sie als Broschüren, Flugblätter und Plakate druckte und verbreitete.

Werk

Mme de Gouges Signatur

Erst 1791 verfasste sie in großer Eile die Déclaration des droits de la Femme et de la Citoyenne (Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin), die als Protest gegen die Männer-Privilegien, die nun in Verfassungsrang erhoben waren, zu begreifen ist. Ihre feministisch-revolutionäre „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ war noch im Druck, als die männlich geprägte bürgerliche Verfassung bereits angenommen und das Vaterland eine konstitutionelle Monarchie geworden war.

Zum Zeitpunkt des politischen Sieges des Dritten Standes und damit der Idee der Rechtsgleichheit aller Männer, erging an die Regierung und die Abgeordneten eine neue, radikale Proklamation von Freiheits- und Gleichheitsrechten – für das weibliche Volk. Da der Souverän alle Frauen von der Volkssouveränität ausschloss, nannte Olympe de Gouges das neue Regime Tyrannei. Sie forderte von der Nationalversammlung im Namen der Mütter, Töchter und Schwestern der Nation, ihre Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin, die Anerkennung privater und politischer Bürgerinnenrechte, schnellstens zu verabschieden. Sie verlangte: Diese neue, universal-egalitäre Verfassung, denn die gerade in Kraft getretene, sei illegitim und nichtig, weil das weibliche Volk nicht vertreten, folglich an deren Ausarbeitung gar nicht beteiligt sei.

Das Dokument besteht aus mehreren Teilen, veröffentlicht im September 1791 unter dem Titel „Die Rechte der Frau“:

Brief an die Königin
Die Rechte der Frau (Anrufung: „Mann bist du im Stande gerecht zu sein...“)
Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin (an die Nationalversammlung)
Präambel
Artikel I bis XVII
Postambel
Form des Sozialvertrages zwischen Mann und Frau
Zwei Postskripte

Auszug: „Das an Schönheit wie an Mut, die Beschwernisse der Mutterschaft betreffend, überlegene Geschlecht ... erklärt die folgenden Rechte der Frau und Bürgerin:

Artikel 01: Die Frau wird frei geboren und bleibt dem Manne gleich in allen Rechten. Die gesellschaftlichen Unterschiede können nur im allgemeinen Nutzen begründet sein. ...

Artikel 04: Freiheit und Gerechtigkeit beruhen darauf, dass dem anderen abgegolten wird, was ihm zusteht. So stößt die Frau bei der Wahrnehmung ihrer natürlichen Rechte nur an die ihr von der Tyrannei des Mannes gesetzten Grenzen; diese müssen durch die von der Natur und Vernunft diktierten Gesetze neu gezogen werden. ...

Artikel 06: Das Gesetz soll Ausdruck des Willens aller sein; alle Bürger und Bürgerinnen sollen persönlich oder über ihren Vertreter zu seiner Entstehung beitragen. ...

Artikel 10: Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen. Gleichermaßen muss ihr das Recht zugestanden werden, eine Rednertribüne zu besteigen. ...

Artikel 13: Zu Fron und lästigen Pflichten wird die Frau ohne Unterschied herangezogen und muss deshalb bei der Zuteilung von Stellungen und Würden, in niederen und höheren Ämtern sowie im Gewerbe berücksichtigt werden. ...

Artikel 16: Eine Verfassung aber, an deren Ausarbeitung nicht die Mehrheit der Bevölkerung [der Frauen] mitgewirkt hat, ... wird null und nichtig.“

Verhaftung und Todesurteil

Olympe de Gouges vor der Guillotine

Im Sommer 1793 verhaftet, wurde Olympe de Gouges monatelang in verschiedenen Revolutionsgefängnissen eingekerkert. Der öffentliche Ankläger Antoine Fouquier-Tinville machte vor dem Sondergericht für politisch Andersdenkende, dem Revolutionstribunal, kurzen Prozess mit ihr. Der Historiker Karl Heinz Burmeister gibt an: „Ihre Neigung zu den Girondisten, ihr Bekenntnis zum Föderalismus und zur Monarchie, ihre Gegenerschaft zu den Jakobinern, ihre persönliche Feindschaft zu Robespierre, hatten zu ihrer Hinrichtung geführt; sie büsste aber auch für ihren Einsatz für die Rechte der Frau. Man empfand darin eine unerwünschte Einmischung in die den Männern vorbehaltene Politik.“[2]

Das Todesurteil wurde am 3. November 1793 auf dem Place de la Concorde durch die Guillotine vollstreckt.

Zitate

  • Vorrede zur Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin, 1791 (bearbeitet): „Mann, bist du überhaupt imstande, gerecht zu sein? ... Kannst du mir sagen, wer dir die unumschränkte Macht verliehen hat, die Angehörigen unseres Geschlechts zu unterdrücken? ... Schau auf den Schöpfer in seiner Weisheit, (...) betrachte die Geschlechter in der Ordnung der Natur. ... Allein der Mann (...) will in diesem Jahrhundert der Aufklärung und des klaren Verstandes in durch nichts mehr zu rechtfertigender Unwissenheit despotisch über ein Geschlecht herrschen, das über alle geistigen Fähigkeiten verfügt. Er nimmt für sich in Anspruch, die Revolution für sich allein zu nutzen und seine Rechte auf Gleichheit einzufordern, um nur so viel zu sagen.“

Ehrung

Bibliographie

Œuvres

Literatur

Primärliteratur (Deutsche Übersetzungen)

  • Olympe de Gouges, Die Rechte der Frau 1791. Herausgegeben von Karl Burmeister, Wallstein, 2003, ISBN 978-3892447368
  • Olympe de Gouges: Die Rechte der Frau und andere Schriften./ Les droits de la femme. Herausgegeben von Gabriela Wachter, Parthas, Berlin 2006, ISBN 978-3-86601-273-8
  • Olympe de Gouges: Mensch und Bürgerin. „Die Rechte der Frau“. (1791), Herausgegeben von Hannelore Schröder, ein-fach-verlag, Aachen 1995, ISBN 3-928089-08-0
  • Olympe de Gouges: Denkschrift der Madame de Valmont./ Mémoire de Madame de Valmont. (1788) Herausgegeben von Gisela Thiele-Knobloch, Helmer, Frankfurt a.M. 1993, ISBN 3-927164-44-5
  • Olympe de Gouges: Schriften. Herausgegeben von Monika Dillier, Stroemfeld/Roter Stern, Basel/Frankfurt a.M. 1989, ISBN 3-87877-147-9
  • Olympe de Gouges: Die Frau ist frei geboren. Texte zur Frauenemanzipation, 1789-1870, Band I, Herausgegeben und kommentiert von Hannelore Schröder, München 1979

Sekundärliteratur

  • Mousset, Sophie: Women's Rights and the French Revolution: A Biography of Olympe de Gouges: A Biography of Olympe De Gouges. Transaction Publ, 2006, ISBN 978-0765803450
  • Kraus, Gerlinde: Bedeutende Französinnen. Schröder Verlag, Mühlheim am Main, Norderstedt 2006, ISBN 978-3-9811251-0-8
  • Blanc, Olivier: Marie-Olympe de Gouges, Une humaniste à la fin du XVIIIe siècle, Editions René Viénet, Cahors, 2003
  • Doormann, Lottemi: Ein Feuer brennt in mir. Die Lebensgeschichte der Olympe de Gouges., Beltz, 2003, ISBN 978-3407807250
  • Schröder, Hannelore: Menschenrechte für weibliche Menschen. ein-fach-verlag, Aachen 2000
  • Blanc, Olivier: Olympe de Gouges. Promedia Verlag, Wien 1989, ISBN 3-900478-31-7
  • Kestenholz, Salomé: Die Gleichheit vor dem Schafott: Porträts französischer Revolutionärinnen. Luchterhand, Darmstadt 1988

Weblinks

Quellen

  • Olympe de Gouges: Mutter der Menschenrechte für weibliche Menschen, Herausgegeben und kommentiert von Hannelore Schröder, Aachen 2000
  • Olympe de Gouges: Mensch und Bürgerin: Die Rechte der Frau, Paris 1791 (mit vollständigem Quellentext in französisch/deutsch. Herausgegeben und kommentiert von Hannelore Schröder, Aachen 1995
  • Olympe de Gouges: Die Frau ist frei geboren. Texte zur Frauenemanzipation, 1789-1870, Band I, Herausgegeben und kommentiert von Hannelore Schröder, München 1979
  • Luise F. Pusch: 300 Porträts berühmter Frauen, Insel Verlag, 1999, S. 111

Einzelnachweise

  1. Obwohl ein glühender Anhänger der Revolution wurde Condorcet in den 1790er Jahren, evtl. wegen seiner adligen Herkunft, vielleicht auch wegen politischer Sympathien mit Mme de Gouge - da er selbst ebenfalls mehrfach für gleiche Rechte jenseits der Geschlechtergrenzen plädiert hatte, z.B. auch bei Erziehung/Bildung - selbst ins Gefängnis geworfen und starb dort unter ungeklärten Umständen
  2. Burmeister, Karl Heinz: Olympe de Gouges. Die Rechte der Frau 1791. Stämpfli Verlag, Bern 1999, S.8

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