Gottfried Küssel

Gottfried Küssel

Gottfried Heinrich Küssel (* 10. September 1958 in Wien)[1] ist ein österreichischer Holocaustleugner, rechtsextremer Publizist und Schlüsselfigur der österreichischen und deutschen Neonaziszene.[2] Er wurde vor allem für seine Führerschaft der „Volkstreuen außerparlamentarischen Opposition“ (VAPO) bekannt und unter anderem auch deshalb zu elf Jahren Freiheitsstrafe wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt.[3] Küssel wurde am 11. April 2011 im Zusammenhang mit den Ermittlungen um die rechtsextreme Homepage Alpen-Donau.info erneut unter dem Verdacht von Verbrechen nach §§ 3a ff. Verbotsgesetz und des Vergehens der Verhetzung festgenommen. Am 14. April wurde über ihn die Untersuchungshaft verhängt.[4]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Küssels Vater war Hofrat bei der niederösterreichischen Landesregierung.[5]

Gottfried Küssel heiratete 1994 während seiner Haftzeit. Er ist Vater von drei Kindern, darunter ein Sohn und eine Tochter, er betrieb nach seiner Haftentlassung 1999 gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin unter dem Namen Naturnah einen „nationalen Bioladen“ in der Unteren Donaustraße in der Wiener Leopoldstadt.[6] Das Geschäft ist mittlerweile nicht mehr im Firmenbuch eingetragen.[7]

Ideologie

Küssel bezeichnete sich selber in einem Interview mit Michael Schmidt in dem preisgekrönten Dokumentarfilm Heute gehört uns die Straße… als Nationalsozialist und wiederholte diese Aussage 1990 in einem Interview mit dem ORF-Magazin „Zick-Zack“:

Ich bin kein Faschist. Ich bin Sozialist, aber kein internationaler Sozialist, ich bin Nationalsozialist.[1][8]

Er war 1980 und 1981 der Herausgeber der rechtsextremen Zeitschrift „Halt“ in der auch Gerd Honsik publizierte.[1][2] Küssel gilt als Antisemit und Verfechter des Pangermanismus. 1986 verteilte er in Wien, anlässlich der Ausstellung Die Welt der Anne Frank, Flugblätter, in denen das Tagebuch der Anne Frank als von Juden erfundene „Lüge“ und „Fälschung gegen das Deutsche Volk“ bezeichnet wurde. Das Einschreiten der Polizei wurde durch die Weisung eines Staatspolizisten unterbunden.[1][9] In einem Interview mit einem US-Sender sagte Küssel über Österreich:

Wir werden diesen Staat zertrümmern.[2][3]

Erste Verurteilungen

Gottfried Küssel wurde 1983/84 erstmals wegen NS-Wiederbetätigung bedingt verurteilt.[1] 1990 wurde gegen ihn wegen Sachbeschädigung erneut eine bedingte Haftstrafe ausgesprochen.

Aufstieg in der rechten Szene

Verbindungen

Küssel begann seine Laufbahn im rechtsextremen Milieu 1976 in der „Aktion Neue Rechte“.[1][3] Diese trat vor allem als neonazistische Studentenbewegung in Erscheinung. Daneben war er auch Mitglied der „Danubo-Markomannia“ und hatte Kontakte zum Ring Freiheitlicher Studenten.[10] Nach eigenen Angaben ist er seit 1977 Mitglied in der von Gary Lauck gegründeten NSDAP-Aufbauorganisation.[11] Von 1981 bis 1983 war Küssel in der Fußballhooligan-Szene in Wien aktiv, wo er versuchte, die Führung über die extreme Anhängerschaft des Fußballklubs Rapid zu erlangen, womit er jedoch scheiterte.[12] 1982 wurde er Einsatzleiter der Volksbewegung.[1] 1984 wurde er Mitglied der „Nationalen Front (NF)“. Außerdem war er in der „Kameradschaft Babenberg“ und der „Volkssozialistischen Partei“ (VSP) tätig.[2] Küssel nahm mehrfach an den Treffen der Ulrichsberggemeinschaft in Kärnten Teil,[3] hatte Kontakte zum Bund freier Jugend[13] und nahm an Gedenkveranstaltungen zu Ehren des Nationalsozialisten und Jagdfliegers Walter Nowotny teil.[14] Außerdem hatte er Kontakt zu Karl-Heinz Hoffmann, den Leiter der später verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann. Enge Verbindungen bestehen insbesondere zu Hans-Jörg Schimanek jr. und Franz Radl, beides Exponenten der neonazistischen Szene in Österreich. Er soll auch an Treffen mit dem britischen Holocaustleugner David Irving anwesend gewesen sein.[3] Gottfried Küssel verfügt des Weiteren über starke Verbindungen zu rechten Gruppierungen in Deutschland, insbesondere in Sachsen.[15]

Nach Michael Kühnens Festnahme 1990, übernahm Küssel die Planung des Parteitages der „Deutschen Alternative“ in Cottbus. Kühnen hatte ihn 1987 bei einem Treffen Frankfurt-Höchst zum „Bereichsleiter Ostmark“ ernannt.[1][16][2][17] In der Folge versuchte er die Leitung des Neonazi-Netzwerkes zu übernehmen. Hierbei stieß er jedoch auf heftigen Widerstand von Seiten der Führung der deutschen Neonaziszene.[3] Er nahm an verschiedenen Revisionistentreffen im Ausland teil und hielt dort auch Vorträge. 1991 wurde gegen Küssel ein Einreiseverbot nach Deutschland verhängt, was ihn aber nicht abhielt, noch im selben Jahr an einer Neonazidemonstration in Dresden teilzunehmen.[2] Gemeinsam mit Günther Reinthaler nahm er auch an Kühnens Beerdigung teil.[1] Er ist zurzeit Schriftführer und Kassier des Vereins „Wiener Akademische Ferialverbindung Reich“, die unter anderem einen „Reichswaffentag“ und ein „Karfreitagliches Stelzenessen“ abhielt.[7] Im Jahr 2002 wurden Informationen publik, dass sich die international agierende rechtsextreme Gruppierung Blood and Honour an Küssel gewendet haben soll, um eine „Niederlassung“ in der österreichischen Bundeshauptstadt aufzubauen.[12] 2009 nahm er an einer FPÖ-Veranstaltung teil, die als Ersatz für das Ulrichsbergtreffen anberaumt worden war.[7]

Wehrsportübungen

In der 90er Jahren begann Küssel mit anderen Gesinnungsgenossen im Raum Langenlois sogenannte Wehrsportübungen abzuhalten.[1][18] Von einer dieser Wehrsportveranstaltungen existiert ein Video, das Küssel und andere - teils vermummte - Exponenten der rechtsextremen Szene zeigt, und das später in die Öffentlichkeit gelangte, wo es für Diskussionen sorgte. An einem der Treffen nahm auch der spätere FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache teil.[12] Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Fotos, die Strache in Tarnkleidung bei eben dieser Übung zeigten, bezeichnete der damalige Abgeordnete zum Nationalrat und oberösterreichische FPÖ-Chef Lutz Weinzinger Küssel als „Idioten“, weil er davon ausging, dieser habe die Herausgabe der Fotos lanciert. Als sich dies als unrichtig herausstellte, schickte er an diesen eine Ehrenerklärung, in der er seine Motive für die getätigte Äußerung darlegte. Auf die Frage der Tageszeitung Der Standard, ob Küssel mit Klage gedroht habe, antwortete Weinzinger:

Nein gar nicht, ich habe ganz einfach eine Behauptung aufgestellt, die nicht gestimmt hat. Als Mann der Ehre, der keinen anderen Ehrenmann in seiner Ehre anpatzt, habe ich gewusst, was sich gehört.[19]

VAPO

Ideologische Ausrichtung

Gottfried Küssel gründete 1986 die Volkstreue außerparlamentarische Opposition (VAPO).[16] Die VAPO organisierte Kundgebungen und Wehrsportübungen. Sie war eine der radikalsten und somit auch, auf spätere Gruppierungen, einflussreichsten Neonazigruppierungen in Österreich.[20]

In einem Interview, das er am 1. Dezember 1991 in Langenlois mit dem deutschen Fernsehsender Tele 5 führte, trat Küssel für die „Zulassung der NSDAP als Wahlpartei“ ein.[21] Nach weiteren neonazistischen Aussagen gegenüber US-amerikanischen Sendern wurde er im Jänner 1992 verhaftet und wegen NS-Wiederbetätigung angeklagt.[22] Er hatte gegenüber der TV-Anstalt ABC in einem in Österreich aufgenommenen Interview unter anderem gesagt:

Adolf Hitler war einer der größten Männer in der Geschichte Deutschlands, besonders in der Geschichte des 20.Jahrhunderts [...] er verlor und mit ihm verlor ganz Deutschland den Zweiten Weltkrieg, aber die Ideologie war sehr gut und es war eine äußerst nationale Ideologie und ich denke, daß sie für die ganze weite Welt gut ist [...] er gab der deutschen Nation einen neuen Aufstieg, und er gab ihr die Mehrheit in ihrem eigenen Land, und das ist für ihre eigene Identität sehr notwendig.[21]

Auf die Frage, ob er glaube, dass der Holocaust stattgefunden habe, meinte Küssel schließlich: „Nein, die Konzentrationslager hat es gegeben, aber es hat dort niemals ein organisiertes Töten oder organisiertes Vergasen gegeben.“ Auf die Frage, ob er Rassist sei, antwortete er: „Selbstverständlich bin ich das, ja.“[21] Küssel klagte gegen die Länge seiner U-Haft, da er sich in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit beschnitten sah. Der Klage wurde zunächst vom Oberlandesgericht Wien stattgegeben, der Oberste Gerichtshof verwarf sie jedoch infolge. Die Anklageschrift warf Küssel vor, er habe

im Jahre 1986 eine Verbindung, nämlich die Volkstreue Außerparlamentarische Opposition (VAPO), deren Zweck es ist, durch Betätigung ihrer Mitglieder im nationalsozialistischen Sinn die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Österreich zu untergraben, gegründet [...] anläßlich der Gründung der Kameradschaft Gmunden am 20. April 1991 in Baumgarten, Bezirk Gmunden, als Redner die Ziele der "VAPO" aufzeigte und erklärte, in etwa 10 Jahren wolle er die "VAPO" in "NSDAP" umbenennen, er habe weiters vor, mit dieser "NSDAP" ins Parlament und in weiterer Folge an die Macht zu kommen; sollte dies mit legalen Mitteln nicht möglich sein, dann werde er versuchen, mit einem Putsch die österreichische Regierung zu stürzen, die rechtsstaatlichen Einrichtungen auszuschalten und die Macht in Österreich zu ergreifen;[21]

Der VAPO-Prozess

Aufgrund seiner Aussagen und Tätigkeiten im Rahmen der VAPO wurde Küssel schließlich in erster Instanz in einem Geschworenenprozess wegen des Verbrechens der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Der OGH hob das Urteil nach Anhörung der Generalprokuratur jedoch wegen mangelnder Rechtsbelehrung der Geschworenen 1994 in Teilen auf[23] und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an die ersten Instanz zurück, durch die Küssel erneut, diesmal zu elf Jahren Haft, verurteilt wurde.[2][24] Im Zuge der Verfahren rund um die VAPO, wurden auch andere Personen aus dem rechtsextremistischen Lager wegen Wiederbetätigung angeklagt und verurteilt. Da die VAPO weder Mitgliederlisten führte, noch behördliche eingetragen war, sondern sich als Fundamentalopposition verstand, ging sie mit der Verhaftung und Verurteilung ihrer führenden Exponenten de facto unter.[24] Nachdem Küssel verurteilt worden war, bildeten diverse NeonaziGruppen „Solidaritätskomitees“ und forderten seine Freilassung. Diese stellten ihre Arbeit aber nach einigen Jahren wieder ein. Der deutsche Neonazi Thomas Brehl schrieb dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes über eine angeblich geplante Solidaritätsbekundung:

Eine solche Veranstaltung ist nicht geplant, unsere Initiative hat jede Öffentlichkeitsarbeit für den Kameraden Gottfried Küssel eingestellt, zu seiner vorzeitigen Freilassung konnten alle unsere Maßnahmen [...] nicht beitragen, im Gegenteil liegt die Vermutung nahe, daß unsere (öffentlichen) Aktivitäten kontraproduktiv sein würden und die Chance für Gottfried Küssel nach zwei Dritteln seiner Strafe vorzeitig entlassen zu werden, eher mindern als fördern würden. Da unsere Initiative kein Selbstzweck ist, war eine Einstellung der Aktivitäten nicht nur geboten, sondern erste Kameradenpflicht![25]

Im Sommer 1999 wurde er wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen.[3]

Nach der Haftentlassung

Rückkehr in die rechte Szene

Bei einem Routineeinsatz im Fritz-Stüber-Heim der Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP) anlässlich eines Treffens von 50 Rechtsextremisten traf die Polizei auch auf Küssel und dessen vormaligen VAPO-Stellvertreter Gerd Endres. Bei der anschließenden Durchsuchung wurde einschlägiges rechtsextremistisches Propagandamaterial sichergestellt. In den Jahren nach seiner Haftentlassung wurde Küssel wieder in der rechten Szene aktiv, um - so der österreichische Verfassungsschutz - „Nachwuchs zu rekrutieren“.[26] Er nahm laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) 2001 an einer Sonnwendfeier der rechtsextremen „Österreichischen Landsmannschaft“ (ÖLM) und des „Wiener Korporationsringes“ (WKR) teil. 2006 war er Teilnehmer einer vom FPÖ-Mandatar Lutz Weinzinger organisierten „burschenschaftlichen Palm-Gedenkfeier“ in Braunau am Inn. Das DÖW berichtet weiters von Auftritten „an den Gräbern der (Neo-)Nazi-"Helden" Walter Nowotny (2004, 2008) und Otto Skorzeny (2006), beim Sommerfest des neonazistischen Bundes freier Jugend (BFJ, 2007), beim "Fest der Völker" in Jena (2007) und am "Anti-Kriegstag" in Dortmund (2008, 2010).“[27]

Vortragstätigkeiten

Seit 2007 trat Küssel vermehrt als Teilnehmer und Redner bei rechtsextremen Veranstaltungen und Aufmärschen, darunter dem europaweiten Neonazi-Treffen Fest der Völker am 8. September 2007 in Jena,[28] dem neonazistischen sogenannten „Antikriegstag 2008“ in Dortmund oder beim neonazistischen 1. Mai-Aufmarsch im tschechischen Brünn,[29][30] bei dem 650 Neonazis aus mehreren Ländern zusammenkamen, auf. Die Leiterin des Dokumentationsarchives des Österreichischen Widerstandes Brigitte Bailer-Galanda bezeichnet ihn als gefragten Referenten in der rechten Szene.[31] Küssel ist auch Mitglied und Schriftführer der rechtsextremen Wiener Akademischen Ferialverbindung Das Reich.[32] Am 6. Juni 2009 sprach Küssel vor den „Freien Kräften“ in Leipzig und beklagte den „Genozid des deutschen Volkstums in Österreich“, da sich nur noch 4,3% der Österreicher als Deutsche sähen.[33] Anfang 2011 wurde Gottfried Küssel als einer der Redner einer geplanten neonazistischen Demonstration "Fremdarbeiterinvasion stoppen – Arbeitsplätze zuerst für Deutsche" am 1. Mai 2011 in Heilbronn angekündigt, die von den Jungen Nationaldemokraten und der regionalen Neonaziszene organisiert wird.[34] Die Versammlung wurde von den deutschen Behörden jedoch verboten.[15]

Erneute Verurteilungen

Illegaler Waffenbesitz

Am 16. Februar 2005 wurde Gottfried Küssel vom Berufungssenat im Wiener Landesgericht wegen illegalen Waffenbesitzes zu einer Geldstrafe von 360 Euro verurteilt. Die von ihm eingelegten Rechtsmittel wurden verworfen und die erstinstanzliche Strafe (120 Euro) erhöht. Der Staatsanwalt forderte für die in Küssels Wohnung im September 2002 bei einer Durchsuchung vorgefundene Waffen (zwei indische Dolche, drei Bajonette) und auch in Anbetracht der Vorstrafen von Küssel und wiederholter Übertretung seiner Auflagen eine Freiheitsstrafe. Bei der Durchsuchung war auch ein SS-Ehrendolch mit der Aufschrift „Meine Ehre heißt Treue“, dem Leitspruch der SS, gefunden worden, der jedoch im Verfahren als Ziergegenstand und nicht als Waffe eingestuft wurde. Da seit 1982 ein Waffenverbot über Küssel ausgesprochen wurde, kam es zur Verurteilung. Küssel gehörte der deutschnationalen Studentenverbindung Danubo Markomannia zu Wien an (Vertretertag akademischer Korporationen).[35]

Wirtshausschlägereien

Im Sommer 2010 fiel Küssel auf, als er bei einer Schlägerei zwischen rechtsnationalen Burschenschaftern in einem Wiener Rotlichtlokal gemeinsam mit der Chefsekretärin aus Heinz-Christian Straches Büro gesehen wurde.[36][37] Am 17. Oktober 2010 wurde Gottfried Küssel erneut von der Polizei einvernommen, nachdem er zuvor in einer Bar mit drei Kameraden unter anderem Naziparolen gerufen, den Hitlergruß gezeigt und die venezolanische Lokalbesitzerin geschlagen hatte.[38]

„Alpen-Donau.info“

Ermittlungen

Bereits im Juli 2010 wurde Küssel mit neonazistische Website Alpen-Donau.info, die seit April 2009 betrieben wurde, in Verbindung gebracht. Das Nachrichtenmagazin profil berichtete damals:

Nach Analyse der Einträge auf der „Alpen-Donau“-Homepage, die den Auftritten Küssels jeweils großen Raum geben, vermutet das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW), dass Neonazis um Küssel sowie Aktivisten des inzwischen aufgelösten „Bund Freier Jugend“, die eine Zeit lang in den Reihen der FPÖ-Jugend ihr Unwesen trieben, involviert sein könnten.[36]

Am 30. Oktober 2010 fand schließlich im Zusammenhang mit den Ermittlungen um die Website die größte Polizeiaktion gegen die rechtsradikale Szene Österreichs seit den 90er Jahren statt. In mehreren Bundesländern wurden insgesamt 18 Wohnungen durchsucht und Computer, Laptops, Speicherkarten, Mobiltelefone, Gewehre, Kalaschnikows, Munition, Messer und Schlagringe, sowie NS-Devotionalien sichergestellt. Eine der Hausdurchsuchungen fand bei Gottfried Küssel statt.[39] Die Webseite hatte auch Informationen über Küssels Vortragstätigkeiten publiziert.[12] Ein Informant des Abwehramtes hatte im Zusammenhang mit der Website bereits im April 2009 den Verfassungsschutz auf Küssel und den „Bund Freier Jugend“ (BFJ) aufmerksam gemacht.[26] Im Zusammenhang mit den Ermittlungen war das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) immer wieder der Kritik ausgesetzt, es sei von Maulwürfen aus der rechtsradikalen Szene unterwandert. Das „profil“ veröffentlichte am 13. November 2010 einen Bericht, in dem es unter anderem hieß:

Der Sohn eines Beamten des Verfassungsschutzes, der erst im Sommer 2010 an eine andere Dienststelle versetzt wurde, war 2009 in Bundesheeruniform mit Küssel und Schimanek junior [...] auf den Ulrichsberg gepilgert, eine Aktion, zu der ebenfalls Alpen-Donau aufgerufen hatte.[26]

Verhaftung

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen rund um „Alpen-Donau.info“ wurde Küssel schließlich am Abend des 11. April 2011 durch das Einsatzkommando Cobra mit anderen Personen der rechten Szene während einer erneuten Hausdurchsuchung angetroffen und verhaftet. Der Festnahme waren monatelange Ermittlungen des BVT und eine Weisung der damaligen Justizministerin Claudia Bandion-Ortner vorangegangen, in der sie der zuständigen Staatsanwaltschaft eine Frist zum Abschluss der Untersuchungen gesetzt hatte. Von Seiten der Ermittlungsbehörden wurde ein Zusammenhang zwischen der Weisung und der Polizeiaktion jedoch verneint. Der Zugriff sei von langer Hand geplant gewesen. Bei der mit Küssels Verhaftung einhergehenden Hausdurchsuchung wurden auch „Unterlagen, Computer und Datenträger, Waffen und NS-Devotionalien“ beschlagnahmt.[40] Infolge wurde am 14. April 2011 auf Antrag der Staatsanwaltschaft über Küssel die Untersuchungshaft verhängt. Vorgeworfen werden ihm nationalsozialistische Wiederbetätigung und Verhetzung.[41]

Solidaritätsaktionen

30 deutsche Rechtsextremisten protestierten noch am selben Abend in Dortmund gegen die Inhaftierung Küssels.[31] Auch vor dem österreichischen Konsulat in München demonstrierten am 13. April mehrere Rechtsradikale gegen seine Festnahme und veranstalteten eine „Solidaritätsmahnwache“. Ein rechtsradikaler Internetversand produzierte „Solidaritätsaufkleber für Gottfried“ mit dem Versprechen einen Teil des Erlöses für Küssels zu erwartende Prozesskosten zu spenden.[27] Am 20. April - dem Geburtstag Hitlers - ging die inkrimierte Website wieder online und veröffentlichte gleichfalls Proteste gegen die Verhaftung.[42] Am 30. April wurden auf der B37 bei Gneixendorf von der Polizei zwei Plakate entfernt, auf denen Küssels Freilassung gefordert wurde.[43] In Amstetten wurden Ende Mai 2011 in Anspielung auf Küssels Festnahme Plakate mit der Aufschrift „Lasst unsere Kameraden frei!“ an verschiedenen öffentlichen Orten angebracht und damit ein Sachschaden von mehreren tausend Euro verursacht. Zuvor waren in Melk 17 ähnliche Sujets entfernt worden. In der Folge nahm das niederösterreichische Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Ermittlungen gegen Unbekannt auf.[44] Im Zuge einer Anti-EU-Demonstration forderte am 22. Oktober eine politische Gruppierung, die unter dem Namen „Österreichische Bürgerpartei“ auftritt und vom ehemaligen FPÖ-Nationalratsabgeordneten Werner Königshofer unterstützt wird, in Flugblättern unter anderem die Freilassung Küssls und weiterer Exponenten der rechtsextremen Szene.[45]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes - Rechtsextreme Funktionäre, Aktivisten und Ideologen
  2. a b c d e f g orf.at - Küssel: Schlüsselfigur der NS-Szene
  3. a b c d e f g Die Presse - Küssel: Schlüsselfigur der Neonazi-Szene
  4. Der Standard - U-Haft über Küssel verhängt
  5. NÖ Pressehaus Druck- und VerlagsgmbH: Die neue NÖN, Ausgabe Pielachtal. Ausgabe Nr. 3 vom 14. Jänner 1992, Seite 5
  6. Der Standard - ‚Starke Indizienkette‘ gegen Gottfried Küssel
  7. a b c Die Presse - U-Haft verhängt: Die Umtriebe des Gottfried Küssel
  8. Michael Schmidt: Heute gehört uns die Strasse. Der Inside-Report aus der Neonazi-Szene. Düsseldorf–Wien 1993, S. 61
  9. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes - Anne Frank
  10. Völkische Verbindungen, Beiträge zum deutschnationalen Korporationswesen in Österreich. ISBN: 978-3-200-01522-7, S. 63
  11. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes - Volkstreue außerparlamentarische Opposition (VAPO)
  12. a b c d Der Standard - Der Wehrsportler mit dem braunen Herzen
  13. Völkische Verbindungen, Beiträge zum deutschnationalen Korporationswesen in Österreich. ISBN: 978-3-200-01522-7, S. 78
  14. Völkische Verbindungen, Beiträge zum deutschnationalen Korporationswesen in Österreich. ISBN: 978-3-200-01522-7, S. 67
  15. a b Der Standard - Tief verwurzelt in der deutschen Szene
  16. a b Tobias Haas: Gottfried Küssel und die VAPO – Auch der BFJ hat seine Vorbilder
  17. Völkische Verbindungen, Beiträge zum deutschnationalen Korporationswesen in Österreich. ISBN: 978-3-200-01522-7, S. 63
  18. Völkische Verbindungen, Beiträge zum deutschnationalen Korporationswesen in Österreich. ISBN: 978-3-200-01522-7, S. 63
  19. Der Standard - Erregung unter Ehrenmännern
  20. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes - Volkstreue außerparlamentarische Opposition (VAPO)
  21. a b c d OGH - Geschäftszahl 13Os41/93(13Os42/93, 13Os43/93, 13Os44/93, 13Os45/93, 13Os46/93)
  22. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes - Volkstreue außerparlamentarische Opposition (VAPO)
  23. OGH - Geschäftszahl 13Os4/94
  24. a b Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes - Volkstreue außerparlamentarische Opposition (VAPO)
  25. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes - Ende der Küssel-Solidarität?
  26. a b c Profil - Geschützte Radikale: Neonazi-Homepage „Alpen-Donau“
  27. a b Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes - Gottfried Küssel verhaftet
  28. „Heil Deutschland, Heil Europa“ – Fest der Völker in Jena
  29. dokmz.wordpress.com
  30. dokmz.wordpress.com
  31. a b „Jetzt muss man die Hintermänner finden“
  32. [1]
  33. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes - Küssel und Schimanek bei deutschen Neonazis
  34. [2]
  35. Heribert Schiedel: Der rechte Rand. Extremistische Gesinnungen in unserer Gesellschaft. Wien 2007, S. 228
  36. a b Profil - Die Alpennazi-Saga
  37. Profil - FPÖ: Wilde Schlägerei bei einer Party der Burschenschaft "Silesia"
  38. oe24.at: Großer Schlag gegen Neonazi-Szene; abgerufen am 12. April 2011
  39. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes - Artikelsammlung
  40. orf.at - Neonazi Küssel in Wien verhaftet
  41. Der Standard - U-Haft über Küssel verhängt
  42. orf.at - Neonazi-Website Alpen-donau wieder online
  43. "Freiheit für Küssel" auf Plakaten gefordert
  44. orf.at - Aufregung um "rechte" Plakate in Amstetten
  45. Der Standard - Rechtsextreme Unterstützung für Anti-EU-Demo am Samstag

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