Gonzo-Journalismus

Gonzo-Journalismus

Der Gonzo-Journalismus (gonzo steht im amerikanischen Englisch für außergewöhnlich, exzentrisch, verrückt) wurde von dem US-amerikanischen Schriftsteller und Journalisten Hunter S. Thompson Anfang der 1970er Jahre begründet. Charakterisiert wird diese Form des New Journalism durch das Wegfallen einer objektiven Schreibweise. Es wird aus der subjektiven Sicht des Autors berichtet, der sich selbst in Beziehung zu den Ereignissen setzt. So vermischen sich reale, autobiographische und oft auch fiktive Erlebnisse. Sarkasmus, Schimpfwörter, Polemik, Humor und Zitate werden als Stilelemente verwendet. Nach journalistischen Kriterien handelt es sich beim „Gonzo-Journalismus“ nicht um Journalismus, sondern um Literatur. Die Arbeitsweise entspricht nicht den Anforderungen an Journalisten, die zum Beispiel der deutsche Pressekodex vorgibt.

Die „Gonzo-Faust“, eine zur Faust geballte Hand mit zwei Daumen die einen Peyote-Kaktus halten, wurde zu einem Symbol von Hunter S. Thompson und dem Gonzo-Journalismus.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der erste Gonzo-Artikel war „The Kentucky Derby is Decadent and Depraved“, erschien 1970 in Warren Hinckles kurzlebigem Magazin Scanlan's Monthly, und entstand, als Thompson es bis zum Redaktionsschluss nicht schaffte, seinen Artikel zu schreiben. Um wenigstens noch etwas an die Redaktion senden zu können, schickte er notgedrungen seine unbearbeiteten Notizen. Sein Kollege Bill Cardoso nannte das Ergebnis dann „Gonzo“ („I don't know what the fuck you're doing, but you've changed everything. It's totally gonzo“). Im Artikel wurde nicht wie beauftragt über das Pferderennen berichtet, sondern über die Atmosphäre des Derbys sowie die Eskapaden des Autors.[1]

Thompson wurde durch sein weiteres Schaffen zum bedeutendsten Vertreter des Gonzo-Journalismus. Er definierte den Gonzo-Stil für sich selbst als einen „professionellen Amoklauf“. Der Journalist möchte über ein bestimmtes Ereignis schreiben, das im Extremfall, sollte es gar nicht eintreten, auch selbst arrangiert werden kann. Statisten können zu Hauptpersonen entwickelt werden. Es ist gewissermaßen eine Realitätssicht, bei der größtenteils das, was möglich wäre, zur Entfaltung kommt. Bei seiner populärsten „Forschungsreise“ Fear and Loathing in Las Vegas reiste Thompson nach Las Vegas, um herauszufinden, inwiefern seine (vom Hippiedasein inspirierte) Sicht vom amerikanischen Traum noch existiert. Er schildert in einer Erlebniswelt aus provoziertem Chaos, eingefärbt durch exzessiven Drogenkonsum, sowohl sein persönliches Scheitern als auch das Scheitern des amerikanischen Traumes. 1972 begleitete Thompson den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf (unter anderem mit Edward Muskie, George McGovern und Richard Nixon). Die Fortsetzung der Methode deckte in Fear and Loathing: On the Campaign Trail '72 schonungslos die Intrigen, Exzesse und Mechanismen des politischen Machtkampfes auf.

Gonzo-Journalismus heute

Einhergehend mit dem großen Popularitätsschub, den Thompsons Werk nach der Verfilmung von Fear and Loathing in Las Vegas im Jahr 1998 genoss, sowie durch die Technik der Neuen Medien wie z. B. Weblogs, erlebt der Gonzo-Journalismus zurzeit eine Renaissance. Ein heutiger Vertreter dieses Stils im deutschsprachigen Raum ist Helge Timmerberg.[2]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. The Kentucky Derby is Decadent and Depraved . Erster Gonzo-Artikel von Hunter S. Thompson auf http://www.kentuckyderby.info. Abgerufen am 1. Juni 2010.
  2. taz: Per High Peak ins Glück vom 2. Juni 2003, abgerufen am 21. Juli 2011

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