Gonarthrose

Gonarthrose
Klassifikation nach ICD-10
M17 Gonarthrose (Arthrose des Kniegelenkes)
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Mit Kniegelenksarthrose oder Gonarthrose bezeichnet man einen vorzeitigen Verschleiß der knorpeligen Gelenkflächen des Kniegelenkes.

Das Kniegelenk ist mechanisch hochbelastet. Es besteht aus drei Abschnitten, die jeder für sich verschieden auf die im Lauf der Zeit auftretenden mechanischen Belastungen im Sinne eines Verschleißschadens reagieren können. Es handelt sich um das Kniescheibengelenk, das mediale oder innere Kompartment und das laterale oder seitliche Kompartment. Verschleißvorgänge sind zunächst keine Erkrankung, sondern ein normaler, zu erwartender Alterungsprozess. Wenn dieser Verschleiß aber das altersentsprechende Maß deutlich überschreitet, spricht man von einer Arthrose.

Inhaltsverzeichnis

Kniescheibengelenk (Femoropatellargelenk)

Femoropatellararthrose

Bei dem Bild rechts handelt sich um ein horizontales Schnittbild durch das Kniescheibengleitlager und dem unteren Ende des Oberschenkels, den Femurkondylen. Das Bild wurde mit einem NMR-Gerät erstellt. Zu sehen sind die dünne Knorpelschicht (die Kniescheibe ist nach außen verschoben), die Kniescheibengleitrinne und die Rückfläche der Kniescheibe. Diese hat mit Knochenausziehungen, den Osteophyten, auf die geänderten Belastungsverhältnisse reagiert: Der an den Knorpel angrenzende Knochen ist verdichtet.

Am Gleitlager der Kniescheibe kommt es vielfach zu einer ungleichmässigen Lastverteilung in diesem Gelenkabschnitt. Die Streckmuskulatur des Oberschenkels kann innerhalb kurzer Zeit (14 Tage) auf eine eingeschränkte Belastbarkeit des Knies reagieren, der körpermittig gelegene Bauch dieses Muskels (Quadriceps, der Vierköpfige) verliert schnell an Kraft mit der Folge, dass die Last auf die Kniescheibenrückfläche verlagert wird.

Der Knorpel der Kniescheibenrückfläche ist mit bis zu 7 mm die dickste Knorpelschicht im Körper. Dieser Knorpel wird nicht durchblutet, sondern nur über die Gelenkflüssigkeit ernährt. Bei dieser Dicke kann das nicht mehr durch Diffusion allein funktionieren. Hier kommt ein Walkvorgang zum Tragen: Unter Last wird Synovia (Gelenkflüssigkeit) in den Knorpel hinein- und wieder herausgedrückt. Damit ist ein genügender Austausch gegeben, solange die Auflagelast im physiologischen Bereich bleibt. Das System verträgt weder zu viel noch zu wenig Druck. Weicht dieser Druck weit genug vom Idealbereich ab, kommt es zu Knorpelernährungsstörungen. Der Knorpel degeneriert, fasert auf, wird rau: Das Gleitlager der Kniescheibe fängt an zu reiben. Man spricht nun von einer Demaskierung des Knorpels. Das erste Symptom hierbei ist der Schmerz auf der Treppe, beim Aufrichten aus der Hocke oder beim längeren Sitzen. Der Volksmund nennt diese Symptome „Theaterknie“, weil sie früher bei Menschen auftraten, die nach dem ersten Akt eines Stückes mit den Knien scharrten.

Mediales Kompartment

NMR-Bild einer medial betonten Kniearthrose, von vorne gesehen

In diesem Bild ist erkennbar, dass der Knorpel im medialen Bereich des Gelenkes aufgebraucht ist und im medialen Bereich des Schienbeinkopfes der unter dem Knorpel gelegene Knochen verdichtet ist. Dies wird „sklerosiert“ oder „eburnisiert“ genannt. Sowohl im lateralen als auch im medialen Gelenkanteil ist es zu osteophytären Reaktionen gekommen. Der Körper versucht, durch eine Verbreiterung der Auflagefläche den auf den Gelenkknorpel lastenden Druck zu mindern. In der höheren Auflösung sind auf diesem Bild die Muskelzüge um das Knie deutlich zu sehen, in der verkleinerten Abbildung kommt das nicht zur Darstellung. Durch die "Höhenminderung des medialen Gelenkspaltes" (klinischer Jargon, gemeint ist die Höhenminderung des Knorpels) kommt es zu einer Fehlstellung des Kniegelenkes, das Bein weicht in die Varus- oder O-Fehlstellung ab. Die Lotlinie vom Hüftkopf durch das Sprunggelenk wandert aus dem Zentrum des Knies in Richtung mediales Kompartement aus, der Auflagedruck in dem schon verschlissenen Teil des Gelenkes nimmt weiter zu, das Krankheitsbild verschlimmert sich selbst.

Reizerguss, NMR-Bild einer Kniearthrose im Längsschnitt.

Die Darstellungstechnik ist etwas anders als auf den oberen Bildern, der Reizerguss - im Prinzip Wasser - kommt hier weiß zur Darstellung. Zu sehen ist die Verteilung der Gelenkflüssigkeit (Synovia), dazu zeigen sich, besonders am oberen Pol der Kniescheibe, Osteophyten.

Ein gesundes Knie braucht eine Valgus- oder X-Stellung von 8 Grad. Schäden am medialen Meniskus sind insbesondere bei Leistungssportlern (z. B. Fußballern) häufig. Wird der Meniskus verletzt, bietet sich die operative Entfernung des zerrissenen Anteils an. Das ist sinnvoll, weil das Meniskusgewebe die gleiche Oberflächenhärte hat wie der Knorpel des Gelenkes. Bleibt das Fragment im Knie, führt das in kurzer Zeit zu Knorpelschäden.

Wenn dieses Gewebe operativ entfernt wird, verkleinert sich aber die Auflagefläche der Oberschenkelrolle auf dem Schienbeinkopf. Im Zusammenspiel mit dem vorausgegangenen Meniskusschaden bewirkt das einen Knorpelschaden oder Defekt an der Oberschenkelrolle. Diese Abriebsprozesse führen dazu, dass der mediale Gelenkspalt zusammensackt, das Knie verformt sich im Sinne eines O-Beines oder Varus-Fehlstellung. Diese bewirkt, dass die Lotlinie, die vom Zentrum des Hüftkopfes durch das Knie ins Sprunggelenk fällt, weiter in den mittigen Bereich des Knies verlagert wird. Dieser Bereich wird mehr, der äußere Bereich weniger stark belastet. Der Verschleiß in diesem schon geschädigten medialen Anteil des Knies schreitet fort, die Fehlstellung wird stärker, die Lastverteilung verlagert sich weiter, der Kreis schließt sich. Das Endstadium ist die Varusgonarthrose, die oft nur noch operativ zu behandeln ist.

Laterales Kompartment

Röntgenbild einer lateralen Gonarthrose (oben) im Vergleich zu einem normalen Kniegelenk (unten)

Ebenso wie der innere Bereich des Kniegelenkes kann sich auch der äußere degenerativ verändern. Die Abriebsprozesse führen auch hier zu einer sich selbst verstärkenden Verformung, die Traglinie des Beines wandert diesmal in den äußeren Bereich des Knies, eine X-Bein- oder Valgus-Fehlstellung ist die Folge. Meist ist der Bandapparat bei Valgus-Deformitäten lockerer als bei O-Beinen. Das macht die operative Behandlung schwieriger.

Im Röntgenbild zeigt sich die Verschmälerung des äußeren Kniegelenkspaltes und auch die X-Bein-Stellung. Am Schienbeinkopf ist eine Ausziehung zu sehen. Die Röntgenzeichen der Gonarthrose sind meistens eindeutig, so dass eine Kernspin-Untersuchung in der Regel nicht notwendig ist.

Pangonarthrose

Natürlich kommen diese drei Formen der Gonarthrose auch in Kombination vor, in ungünstigsten Fall sind alle drei Kompartments betroffen. In einem solchen Fall spricht man von der Pangonarthrose.

Therapie

Das Knie ist häufig von Verletzungen betroffen. Jeder, auch vorübergehende, Schmerzzustand führt zu einer Schwächung der Oberschenkelmuskulatur. Der erste, wesentliche Schritt besteht also darin, durch ein geeignetes Trainingsprogramm die Streckmuskulatur des Oberschenkels wieder aufzubauen. Reizstrom, elektrische Muskelstimulation sind hier brauchbar und schädigen weder das Knie noch den Patienten.

Injektionen

Es ist technisch relativ einfach, Medikamente in ein Knie zu spritzen. Hierbei ist peinlich genaue Hautdesinfektion und Hygiene wichtig. Ein in das Knie verschleppter Keim kann zu schwerwiegenden Infektionen – bis zur Sepsis – führen. Es gibt Stimmen, die fordern, die Durchführung solcher Injektionen auf Unfallchirurgen und Orthopäden zu beschränken.

Häufig wird für diese intraartikulären Injektionen kristallines Cortison verwendet. Das bringt recht schnell eine Linderung des Reizzustandes, die Schmerzen und der Erguss werden deutlich weniger. An der prinzipiell schlechten Verfassung des Gelenkes ändert sich allerdings nichts, dazu kommt der Schmirgeleffekt, den die Kristalle auf den Knorpel ausüben.

Etwa seit 1998 gibt es ein Verfahren, körpereigenen Interleukin 1-Antagonisten aus einer Blutprobe herzustellen und in ein krankes Gelenk zu spritzen. Das Verfahren bietet etliche Vorteile, kostet allerdings etwa zehnmal soviel wie die Cortisonbehandlung.

Eine weitere Therapie zur Stabilisierung des Knorpels stellt die Injektion von Hyaluronsäure dar.

Operationen

Wenn ein Kniegelenk zwar geschädigt ist, aber noch nicht restlos zerstört, wird man immer versuchen, gelenkerhaltend zu operieren. Dazu gibt es eine Reihe von Verfahren wie zum Beispiel

  • Umlagerung der Kniescheibe,
  • Korrektur der Beinachse,
  • Glätten des Knorpels oder
  • Rekonstruktion der Bänder.

Lässt der Zustand des Knies eine solche Operation nicht mehr sinnvoll erscheinen, wird man sich für einen Gelenkersatz, eine Knieprothese, entscheiden. Es gibt Teilprothesen, die nur einen Bereich des Gelenkes ersetzen sowie ungekoppelte oder gekoppelte Prothesen, die dann auch den Bandapparat ersetzen.

In Studien zeigte sich die arthroskopische Therapie der Gonarthrose (Debridement) einer arthroskopischen Placebotherapie (Lavage) [1] bzw. einer konservativen Therapie [2] nicht überlegen. Ein Vorteil der Arthroskopie konnte nicht festgestellt werden. Der Eingriff ist nur dann indiziert, wenn neben der Gonarthrose noch weitere Schäden im Kniegelenk bestehen, die arthroskopisch behoben werden können.[3]

Medikamente

Zur Schmerzlinderung und als antiinflammatorisches Agens eignen sich nichtsteroidale Antirheumatika (NSAIDs). Diese weisen jedoch auch eine Reihe an Nebenwirkungen auf und sollten daher gezielt und vorsichtig verschrieben werden.

Quellen

Einzelnachweise

  1. Moseley JB, O'Malley K, Petersen NJ, et al: A controlled trial of arthroscopic surgery for osteoarthritis of the knee. In: N. Engl. J. Med.. 347, Nr. 2, July 2002, S. 81–8. doi:10.1056/NEJMoa013259. PMID 12110735
  2. Kirkley A, Birmingham TB, Litchfield RB, et al: A Randomized Trial of Arthroscopic Surgery for Osteoarthritis of the Knee. In: N. Engl. J. Med.. 359, Nr. 11, September 2008, S. 1097–1107. doi:10.1056/NEJMoa0708333. PMID 18784099
  3. Kirkley A, Birmingham TB, Litchfield RB, et al: A Randomized Trial of Arthroscopic Surgery for Osteoarthritis of the Knee. In: N. Engl. J. Med.. 359, Nr. 11, September 2008, S. 1097–1107. doi:10.1056/NEJMoa0708333. PMID 18784099 zitiert nach D. Einecke, MMW

Weblinks

Siehe auch

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