Glomuci

Glomuci

Mit dem Namen Glomuci wird das Hauptheiligtum eines elbslawischen Volkes der Daleminzier bezeichnet.

Durch die Bodenverhältnisse und unzureichender Drainage besteht auch heute noch bei starkem Niederschlag oder Schneeschmelze die Möglichkeit, den vormals Heiligen See zu beobachten. Wasseransammlung 2011 unmittelbar gegenüber der historischen Lage des Sees.

Inhaltsverzeichnis

Erwähnung

Laut Bischof Thietmar von Merseburg (975-1018) haben die Daleminzier die Landschaft um dieses Heiligtum „Glomaci“ bzw. „Glomuzi“, auch „Zlomizi“ genannt. Thietmar schreibt:

„... von den Deutschen Daleminzien, von den Slawen aber Glomaci genannt.“

„Glomaci ist eine Quelle, die ... nicht weiter als zwei Meilen von der Elbe entfernt ...“

„Sie speist einen See, der nach der Versicherung der Einheimischen und Bestätigung vieler Augenzeugen häufig wunderbare Erscheinungen hervorbringt.“

Geschichte

Blick auf die historische Stelle des Heiligen Sees. An jener Stelle beginnt der 1984 teils verrohrte Seegraben, der heute die dauerhafte Seebildung durch Wasserabzug verhindert.

Die Geschichte dieses Sees reicht weit bis über die Besiedlung durch slawische Stämme heraus, wie eine Vielzahl von Funden um die Stelle des Sees bestätigen. Die Ufer des Sees waren seit dem Neolithikum besiedelt[1]. In der frühen Bronzezeit wurde bereits der See für religiöse Riten verwendet, worauf ein im See versenkter Schatz aus Armreifen schließen lässt. Der Name des Sees dagegen ist schwer deutbar. Eine häufig gemutmaßte Ableitung durch verschiedenen Lautwandel von dem eventuell aus vorslawischer Besiedlungszeit stammenden Wort Daleminzien gilt als allgemein schlüssigste Wortherkunft, lässt sich jedoch nicht endgültig feststellen. Intensiv befasste sich u.a. der Sorabist Ernst Eichler mit der Namensherkunft, der auch verschiedene andere Ansätze lieferte, die eine Bedeutung des Wortes auf See ansich nahelegen[2]. Einfacher ist die Ableitung des Ortsnamens Lommatzsch, da der See ursprünglich im altsorbischen *Głomač ausgesprochen wurde, was in der polnischen Schreibung Głomacz überliefert ist. Durch den in der obersorbischen Sprache typischen Lautwechsel von G zu H entstand wohl hier das in das moderne Sorbisch korrekt übertragene Wort Hlomač, was sprachlich schon fast dem Ortsnamen Lommatzsch entspricht. Nach der Christianisierung und des Erlöschens der sorbischen Sprache in diesem Landesteil durch Sprachverbote im 14. Jahrhundert wurde der See auch Paltzchener See nach der benachbarten Ortschaft, Heiliger See oder Baalscher See nach dem alttestamentlichen Götzen Baal genannt[3]. Als Heiligtum diente der See bis zur Christianisierung und war zuletzt wohl eine Immunitätszone, worauf die Fundleere an der Seestelle schließen lässt[4]. Der nahegelegene, gegen 1976 eingeebnete Burgwall von Paltzschen, auch Tanzplatz genannt, hatte eine fast viereckige Form und diente wohl eher zu religiösen Zwecken, als zur Verteidigung, worauf seine Lage, wie auch der formgleiche erhaltene Wall von Hohenwussen[5], indem bezeichnenderweise heute die Ortskirche steht, schließen lässt. Aber auch nach der Christianisierung wurde der See von der umliegenden Bauernschaft laut verschiedenen Chroniken noch häufig als Orakelsee aufgesucht und erst allmählich verlor sich dieser Brauch[6]. Der Dörschnitzer Pfarrer Johann David Pielitz berichtete 1744 ausführlich in der Curiosa Saxonica über den See und beschreibt ausführlich noch sonderbare Eigenschaften des Sees, wie auch verschiedene Funde, wie den Fund einer kleinen Götzenfigur, die er den Slawen zuschreibt, vermutlich aber, im Vergleich zu ähnlichen Funden, aus wesentlich älterer Zeit stammte. Bis 1700 ungefähr war er auch als Fischteich nutzbar. Laut einer Notitz im Pfarrarchiv Dörschnitz wurde mit der Trockenlegung des Sees im Winter 1807 durch einen Abzugsgraben begonnen. Laut Flurkarten von 1838 war die Trockenlegung bereits weitestgehend abgeschlossen und von dem See lediglich einige versumpfte Stellen mit Baumbewuchs übrig geblieben[7]. Später wurde im Areal die Eisenbahnstrecke Riesa-Lommatzsch (1875/77) gebaut. Der Abzugsgraben wurde von der Bevölkerung jedoch Seegraben genannt und führt bis heute das Wasser ab, welches ursprünglich sich zum See sammelte. 1984/1985 wurde dieser Graben größtenteils verrohrt[8].

Lage und Gestalt[9]

Nach 1807 wurde der See trockengelegt. Blick in den Seegraben unterhalb des Bahndamms, ungefähr an der Stelle des Kleinen Sees.

Der See befand sich etwas mehr als 2 km nördlich von Lommatzsch zwischen den Dörfern Paltzschen und Dörschnitz. Der Seegraben an der Stelle bildet heute die Flurgrenze zwischen den Orten. Dabei lag der See nicht in der Mitte der natürlichen Senke, den die Landschaft hier bildet, sondern er befand sich knapp neben der Straße Lommatzsch-Riesa ungefähr an der Stelle, an welcher heute der Seegraben noch immer offen liegt. Der Boden besteht an dieser Stelle aus diluvialer Löß- und Lößlehmboden, mit Neigung zur Dichtschlämmung, weshalb die Dichte des Bodes bis heute für Wasseransammlungen sehr geeignet ist und lediglich durch Drainagen und den Abzugsgraben trocken und landwirtschaftlich nutzbar bleibt. Ursprünglich hatte der See keinen Abfluss und bildete sich aus einer Quelle durch das Grundwasser. Größe und Form des Sees waren sehr variabel. Bei niedrigem Wasserstand blieb von dem See nur eine kleine Wasserlache von 5 - 15 m Breite, bei hohem Wasserstand dagegen konnte es sogar vorkommen, dass sich die Wasserfläche über mehrere 100 m bis in den Ort Dörschnitz hinein ausdehnen konnte. In der ersten Abbildung des Sees auf einer Karte im Ur-Öder um 1600 erscheint der See als elliptische Fläche ca. 360 mal 250 m Ausdehnung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass unabhängig vom Wasserstand als Seefläche zu dieser Zeit der gesamte Bereich des Sees aufgefasst wurde, der durch Schilfbewuchs und ähnliches nicht anderweitig nutzbar war. Bei niedrigem Wasserstand, so auch in der letzten Zeit seines Bestehens, zerfiel der See in zwei Teile, dem Großen und Kleinen See, wobei der Große See an der genannten Stelle neben der Straße lag, der Kleine See dagegen befand sich ungefähr an jener Stelle, wo heute der Bahndamm vom Seegraben durchquert wird. Der Kleine See war laut Überlieferungen eher selten mit Wasser gefüllt und glich wohl mehr einem Sumpf oder Tümpel. Der Zerfall des Sees in zwei Teile war laut der Notitz im Pfarrarchiv Dörschnitz von 1807, inwelcher auch die Trockenlegung nach einem Beschluss vom 28. Februar 1807 überliefert ist, Folge einer Senkung der Erde in dieser Gegend. Was genau darunter zu verstehen ist, bleibt noch Gegenstand der Forschung. Außerdem soll der See in alter Zeit die Quelle der Brunnen in Altlommatzsch gewesen sein. Der hohe Grundwasserstand in den umliegenden Dörfern, wie in Scheerau, der sich teils nur mit Abzugsgräben regulieren lässt, macht diese Überlieferung durchaus denkbar. Neben dem See befand sich der 1976 eingeebnete Burgwall von Paltzschen, dessen Zerstörung als schweres Vergehen gegen das nationale Kulturerbe der DDR bewertet wurde[10]. 7 km westlich befand sich auch die Hauptburg der Daleminzier: Burg Gana.

Religiöse Bedeutung

Die religiösen Vorstellungen der alten Sorben ist nur sehr sporadisch überliefert und bleibt daher kaum fassbar. Die bereits im 9. Jahrhundert beginnende christliche Mission und bereits davor stattgefundene Berührung altslawischer religiöser Vorstellung mit dem Christentum lässt ohnehin die Frage offen, wie weit das Christentum die Glaubensvorstellungen der Slawen beeinflusst hat[11]. Auf jeden Fall war der Glauben der sorbischen Stämme im Bereich des heutigen Sachsen eher eine Naturreligion, worauf die in Sagen überlieferten Naturgeister der Sorben schließen lassen. Wasser als heilig gewertetes Element hat dabei offenbar eine zentrale Rolle gespielt. So galt nicht nur der Paltzschener See als heilig sondern ähnliches ist auch vom Göttwitzer See[12] und dem Mühlteich von Mockritz bei Dresden[13], der heute ein Badesee ist, überliefert. Dabei diente der See Glomaci als Orakelsee. Laut Sagen sollen bei bevorstehenden ernte- und ertragreichen Jahren auf der Wasseroberfläche Weizen, Hafer und Eicheln erschienen sein, dagegen bei einem bevorstehenden Krieg soll sich die Wasseroberfläche blutrot verfärbt haben[14]. Diese Überlieferung ist natürlich in nachchristlicher Zeit entstanden und hat entsprechend wenig Anspruch auf Wahrheit. Außerdem wurde überliefert, dass der See niemals ganz trocken lag und bei Dürre sogar noch an Wasserstand zunehmen konnte. Wenigstens diese Aussage findet eine Bestätigung in der Beschreibung des Pfarrers Pielitz. Jedoch lag der See im 18. Jahrhundert tatsächlich hin und wieder bei Dürren ebenfalls fast trocken. Das dem See in slawischer Zeit geopfert wurde, wird durch die Fundleere im Seebereich abgelehnt. Vermutet wird eher eine Tabuzone um den See, also ein heiliger Bezirk, der Priestern vorbehalten war.

Literatur

  • Werner Trillmich in: Thietmar von Merseburg. Chronik. Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters, Bd. 9. 8. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002, ISBN 3-534-00173-7.
  • Reinhard Spehr: Christianisierung und früheste Kirchenorganisation in der Mark Meißen. Ein Versuch. In: Judith Oexle (Hrsg.): Frühe Kirchen in Sachsen. Ergebnisse archäologischer und baugeschichtlicher Untersuchungen (Veröffentlichungen des Landesamtes für Archäologie und Landesmuseum für Vorgeschichte 23) Stuttgart 1994, S. 8-63, hierzu S. 31. ISBN 3-8062-1094-2 .
  • Günter Naumann: Der Paltzschener See nördlich von Lommatzsch in Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz e.V. 2/2006
  • Johann Georg Theodor Grässe Der Sagenschatz des Königreiches Sachsen, 1874, Nummer 86

Einzelnachweise

  1. Reinhard Spehr: Christianisierung und früheste Kirchenorganisation in der Mark Meißen. Ein Versuch. In: Judith Oexle (Hrsg.): Frühe Kirchen in Sachsen. Ergebnisse archäologischer und baugeschichtlicher Untersuchungen (Veröffentlichungen des Landesamtes für Archäologie und Landesmuseum für Vorgeschichte 23) Stuttgart 1994, S. 8-63, Anmerkung 111. ISBN 3-8062-1094-2
  2. Ernst Eichler Slawische Ortsnamen zwischen Saale und Neiße Band II, Seite 145 - 146
  3. Günter Naumann: Der Paltzschener See nördlich von Lommatzsch in Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz e.V. 2/2006
  4. Siehe Einzelnachweis 1
  5. G. Bierbaum in Mitteilungen des Landesverein Sächsischer Heimatschutz, Band XXI Heft 1/3, 1932
  6. Johann Georg Theodor Grässe Der Sagenschatz des Königreiches Sachsen, 1874, Nummer 86
  7. Günter Naumann: Der Paltzschener See nördlich von Lommatzsch in Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz e.V. 2/2006
  8. Ebenda
  9. Ebenda
  10. Siehe Veröffentlichung des Umweltzentrum Ökohof Auterwitz e.V. Anlage 9 Ausführliche flächenspezifische Ergebnisse der archäologischen Schadenerhebung
  11. Joachim Herrmann (Hrsg.) Welt der Slawen Urania-Verlag Leipzig Jena Berlin, 1986, ISBN 3-332-00005-5
  12. Wilfried Baumann, Ausgrabungen im Gebiet des ehemaligen Göttwitzer Sees bei Mutzschen, Kr. Grimma in Arbeits-Forsch.ber. sächs. Bodendenkmalpflege 19, 1971, 113 ff.
  13. Johann Georg Theodor Grässe Der Sagenschatz des Königreiches Sachsen, 1874, Nummer 86, Fußnote
  14. Johann Georg Theodor Grässe Der Sagenschatz des Königreiches Sachsen, 1874, Nummer 86


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