Glikl bas Judah Leib

Glikl bas Judah Leib
Bertha Pappenheim im Kostüm der Glikl bas Judah Leib. Pappenheim, eine entfernte Verwandte Glikls, übersetzte und veröffentlichte im Jahr 1910 deren Memoiren. Schwarz-weiß-Reproduktion eines Gemäldes von Leopold Pilichowski aus dem Jahr 1925.

Glikl bas Judah Leib (* 1646 in Hamburg; † 17. September 1724 in Metz), bekannt als Glückel von Hameln, war eine erfolgreiche deutsch-jüdische Kauffrau, die als erste Frau Deutschlands eine erhalten gebliebene bedeutende Autobiografie schrieb.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Glikl war die Tochter eines erfolgreichen, wohlangesehenen, jüdischen Diamantenhändlers aus Hamburg und einer Unternehmerin. Ihr Vater war einer der ersten Juden, die sich Wohnrecht in Hamburg erkaufen durften. Ihre Familie lebte in wohlhabenden Verhältnissen, Hamburg hatte den Dreißigjährigen Krieg fast unbeschadet überstanden und war eine aufblühende Handelsstadt. Trotzdem wurde Glikls Jugend von dem damals stets vorhandenen latenten Hass auf die jüdische Gemeinde überschattet.

Um 1661 wurde Glikl mit Chaijm Hameln (alias Hein Goldschmidt), einem einflussreichen Geschäftsmann, verheiratet. Die beiden führten eine glückliche, partnerschaftliche Ehe. Glikl war vierzehn Mal schwanger und brachte zwölf Kinder zur Welt. Während der Pest, die Hamburg 1664 heimsuchte, zog sie vorübergehend zu ihren Schwiegereltern nach Hameln. 1689 starb ihr Mann Chaijm, und Glikl war auf sich alleine gestellt. So führte sie den Gold- und Juwelenhandel ihres verstorbenen Mannes weiter, in dem sie allerdings auch vorher schon mitgearbeitet hatte: Sie war für die Einlösung der Pfänder von Kaufleuten zuständig. In der Folge wurde sie zu einer sehr erfolgreichen Geschäftsfrau, die mit Paris, Amsterdam, Wien, Leipzig, Berlin und Metz handelte.

Es gelang ihr, den Wohlstand der Familie zu mehren, alle ihre Kinder heirateten in wohlhabende und prominente jüdische Familien ein. Sie unterstützte ihre Kinder und deren Ehepartner bei Geschäftsgründungen, indem sie mit ihrem guten Namen für sie bürgte.

1700 heiratete Glikl in der Hoffnung auf ein behagliches Alter Cerf Isaac Levy Rabbin, einen reichen Bankier aus Metz. Dessen geschäftlicher Zusammenbruch stürzte beide jedoch in Armut. Sie starb 1724, selbst mittellos, im Haus ihrer Tochter in Metz.

Glikl schrieb für ihre Kinder ihr Leben auf. Ihre in jiddischer Sprache geschriebenen Memoiren sind die erste erhaltene und bekannte Autobiographie einer Frau in Deutschland und wurden eine herausragende Quelle der Forschung für die deutsch-jüdische Geschichte und Kultur.

1910, also noch vor dem Ersten Weltkrieg, wurden Glikls Memoiren durch Bertha Pappenheim, Gründerin des Jüdischen Frauenbundes in Deutschland, aus dem Jiddischen übersetzt und veröffentlicht. Bertha Pappenheim war eine entfernte Verwandte von Glikl bas Judah Leib, sie ließ sich 1925 von Leopold Pilichowski sogar im Kostüm der Glikl malen.

Als außergewöhnlich umfangreiches Beispiel eines nicht in künstlerisch-literarischer Absicht geschriebenen jiddischen Texts diente es auch als Basis sprachwissenschaftlicher Studien. Das Jüdische Museum Berlin widmet der hamburgischen Kauffrau ein Kapitel in der Dauerausstellung und zeigt anhand ihres Lebens die Schwierigkeiten vor der Jüdischen Emanzipation, der Integration der Juden in die Nation.

„Hinausblickend über die Sorgen des Alltags, die für Juden der damaligen Zeit fast erdrückend waren, erscheint uns Glückel von Hameln als kluge, starke Frau, die trotz des Herzeleides, das sie erlebte, trotz der schweren Schicksalsschläge, die sie erduldete, aufrecht blieb.“ (Bertha Pappenheim)

Werk

  • Ziḵrônôt mārat Gliql Hamil (jiddisch). Hrsg. von David Kaufmann. J. Kauffmann, Frankfurt am Main 1896
  • Glikl. Zikhronot 1691-1719 (Glikl. Memoires 1691-1719), Edited and Translated from the Yiddish by Chava Turniansky, The Zalman Shazar Center for Jewish History and The Ben-Zion Dinur Center for Research in Jewish History, The Hebrew University, Jerusalem 2006.

Übersetzungen:

  • Denkwürdigkeiten der Glückel von Hameln. Übersetzt und hrsg. von Alfred Feilchenfeld. Jüdischer Verlag, Berlin 1913 (Nachdrucke der 4. Auflage 1923: Athenäum, Frankfurt 1987, ISBN 3-610-04699-6 u. a.; zuletzt: Philo, Bodenheim 1999, ISBN 3-8257-0073-9)
  • Die Memoiren der Glückel von Hameln. Übersetzt von Bertha Pappenheim nach der Ausgabe von David Kaufmann. Meyer & Pappenheim, Wien 1910 (Nachdruck mit Vorwort von Viola Roggenkamp: Beltz, Weinheim 1994, ISBN 3-89547-040-6; Taschenbuchausgabe: Beltz, Weinheim 2005, ISBN 3-407-22169-X; E-Text bei de.wikisource)

Glikls Memoiren wurden auch in hebräischer (1929), französischer (1971), englischer (1932, 1962 und 1963) und russischer (2001) Übersetzung veröffentlicht. In den USA erschienen zwei fiktionale Bearbeitungen des Werks: 1941 das Theaterstück Glückel of Hameln von Margoa Winston (Pseudonym für Minnie Hannah Winer Epstein), 1967 der Roman The adventures of Glückel of Hameln von Paul Sharon.

Literatur

  • Elvira Grözinger: Glückel von Hameln. Kauffrau, Mutter und erste jüdisch-deutsche Autorin. Teetz 2004, ISBN 3-933471-61-3.
  • Ulla Hinnenberg: Die Kehille. Geschichte und Geschichten der Altonaer jüdischen Gemeinde. Hamburg 1996, ISBN 3-871-66-043-4.
  • Barbara Honigmann: Das Gesicht wiederfinden. Über Schreiben, Schriftsteller und Judentum. Essays Hanser, München 2006, ISBN 3-446-20681-7, ISBN 978-3-446-20681-6 (Reihe: Edition Akzente).
  • Gabriele Jancke: Die זכרונות (sichronot, Memoiren) der jüdischen Kauffrau Glückel von Hameln zwischen Autobiographie, Geschichtsschreibung und religiösem Lehrtext. Geschlecht, Religion und Ich in der Frühen Neuzeit. In: Magdalene Heuser (Hrsg.): Autobiographien von Frauen. Beiträge zu ihrer Geschichte. (= Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte 85). Niemeyer, Tübingen 1996, ISBN 3-484-32085-0, S. 93-134.
  • Israela Klayman-Cohen: Die hebräische Komponente im Westjiddischen am Beispiel der Memoiren der Glückel von Hameln. Hamburg 1994, ISBN 3-87548-076-7.
  • Monika Richarz (Hrsg.): Die Hamburger Kauffrau Glikl. Jüdische Existenz in der Frühen Neuzeit. Hamburg 2001, ISBN 3-7672-1389-3.
  • Natalie Zemon Davis: Mit Gott rechten. Das Leben der Glikl bas Judah Leib, genannt Glückel von Hameln. Berlin 2003, ISBN 3-8031-2485-9.
  • Nathanael Riemer: Some parallels of stories in Glikls of Hameln "Zikhroynes". In: PaRDeS. Zeitschrift der Vereinigung für Jüdische Studien e.V. (2008) Nr. 14 , S. 125-148.

Weblinks

 Wikisource: Glikl bas Judah Leib – Quellen und Volltexte

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