Gleichstellung der Geschlechter

Gleichstellung der Geschlechter
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Index für geschlechtsspezifische Ungleichheit (Gender Inequality Index), 2008 [1]
größere Ungleichheit
  •  0,74 - 0,84
  •  0,67 - 0,74
  •  0,59 - 0,67
  •  0,52 - 0,59
  •  0,45 - 0,52
  •  0,38 - 0,45
  •  0,31 - 0,38
  •  0,24 - 0,31
  •  0,17 - 0,24
  •  keine Daten
  • kleinere Ungleichheit

Gleichstellung der Geschlechter ist die faktische Angleichung der Geschlechter in allen Lebensbereichen, in denen Nichtgleichheit als Diskriminierung empfunden wird. Ziel der Gleichstellung ist es, vorhandene Barrieren zu beseitigen und fördernde Maßnahmen zu unterstützen. Gleichstellung ist kein bestehender Gleichheitszustand, sondern die bleibende Aufgabe des Ausgleichs (Gleichstellungsarbeit). Dabei steht Gleichstellung ganz allgemein im Gegensatz zur Diskriminierung. Ob positive Diskriminierung als kompensatorische Ausgleichshandlung geeignet ist, ist umstritten.

Statt der älteren Bezeichnung Gleichstellung von Frau und Mann wird in jüngerer Zeit der neutralere Ausdruck Gleichstellung der Geschlechter bevorzugt. Damit soll auf den gleichberechtigten Anspruch auf Gleichheit von Mann und Frau[2] verwiesen werden. Betont wird damit auch die Unterscheidung von biologischem und sozialem Geschlecht.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsbestimmung

  • Der Begriff der Gleichstellung geht über den der Gleichbehandlung hinaus. Gleichbehandlung meint die Vermeidung von direkter oder indirekter Diskriminierung von Menschen in allen Lebensbereichen. Er impliziert, Gleichbehandlung reiche nicht aus, um Chancengleichheit für alle herzustellen; zudem müsse die Gleichheit aktiv gefördert werden. Diese aktive Förderung nennt man Gleichstellung; die Maßnahmen Affirmative Action. 'Gleichstellung' impliziert also eine politische Forderung; der Begriff wird auch als politischer Kampfbegriff rezipiert.[3]
  • Der Begriff Gleichberechtigung hat die juristische Gleichbehandlung von Menschen zum Ziel. Auch hier greift der Terminus zu kurz, da die juristische Gleichbehandlung wiederum nicht automatisch zu einer faktischen Gleichbehandlung also Gleichstellung der Geschlechter führe.
  • Für den allgemeinen Begriff der Gleichstellung siehe die Begriffserklärung unter Gleichstellung, die auch auf die Formen von Gleichstellungsbemühungen im Zusammenhang mit anderen benachteiligten Bevölkerungsgruppen hinweist.

Kontroverse

Es gibt eine heftige und kontroverse politische Diskussion über das Thema Gleichstellung. Umstritten sind nicht nur einzelne Punkte in der Bewertung der Ausgangslage und, ursächlich damit verknüpft, der sinnvollen politischen Bestrebungen bzw. Mittelzuteilungen.

Umstritten ist – auf einer höheren Ebene – ob überhaupt die Kontroverse über die Bewertung der Ausgangslage legitim sei oder ob sie ein weiteres Merkmal der Nichtwahrnehmung der Ungleichstellung sei.

Voraussetzungen für Gleichstellungspolitik

Gleichberechtigung von Mann und Frau

Gleichstellungspolitik legitimiert sich

  • durch die Bekenntnisse der Völkergemeinschaft zur prinzipiellen Gleichberechtigung[4] (tatsächlichen Gleichstellung)[5] von Mann und Frau
  • durch eine tatsächliche Ungleichheit der Geschlechter
  • durch die Annahme, dass gewisse Ungleichheiten nicht biologisch und somit modifizierbar sind
  • durch die Annahme, dass die freie Entscheidung Benachteiligter selbst unter Bedingungen der juristischen Gleichberechtigung nicht gewährleistet ist (also dass die faktische Gleichstellung[5] noch nicht erreicht ist).

Insbesondere die Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt bildet eine Basis, auf der Ungleichheiten entstehen und fortbestehen können.

Ungleiche Situation von Mann und Frau

Gleichstellungspolitik setzt voraus, dass die Situation von Frauen und Männern in der Gesellschaft ungleich ist. So heißt es zum Beispiel im Chancengleichheitsgesetz des Landes Baden-Württemberg:[6]

Ziel des Gesetzes ist die berufliche Förderung von Frauen unter Wahrung des Vorrangs von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (Artikel 33 Abs. 2 GG), insbesondere die Verbesserung der Zugangs- und Aufstiegschancen für Frauen, eine deutliche Erhöhung des Anteils der Frauen in Bereichen, in denen sie geringer repräsentiert sind als Männer sowie die Beseitigung bestehender Benachteiligungen […].

Die ungleiche Situation von Mann und Frau in vielen beruflichen Zweigen ist nicht immer die Folge einer "Ungleichbehandlung". Die unterschiedlichen Frauenanteile in den Studienfächern sind oft Ausdruck einer unterschiedliche Interessenlage. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes [7] finden sich zum Beispiel 7907 männliche Studienanfänger im Studium Elektrotechnik, während sich nur 555 Frauen eingeschrieben hatten. Umgekehrt schrieben sich 8148 Frauen und dagegen nur 1948 Männer in das Fach Germanistik ein.

Institutionalisierte Maßnahmen, die eine gezielte Gewährung bestimmter Vorteile an benachteiligte Gruppen beinhalten und auf diese Weise auf eine Gleichstellung abzielen, werden als Affirmative Action bezeichnet.

Benachteiligungen von Frauen

Die ungleiche Situation bezüglich beruflicher Förderung, Aufstiegsbedingungen und Beteiligungsquoten werden zum Beispiel in einem Dokument des Gleichstellungsbüros der Stadt Basel wie folgt quantifiziert (komprimierte Darstellung):[8]

Kriterium Studie Frauen Männer beide andere
Matura oder noch höhere Bildung Basel, 2000 36,4 % 40,8 % - -
Eintritt Universität Schweiz, 2001 49,8 % 50,2 % - -
Eintritt Fachhochschule Schweiz, 2001 43,1 % 56,9 % - -
Erwerbsquote Basel, 2000 71,1 % 82,6 % - -
Vollzeittätigkeit Basel, 2001 49 % 87 % - -
Arbeitnehmende in Unternehmensleitung Basel, 2000 19,6 % 80,4 % - -
Lohndifferenz Privatwirtschaft Schweiz, 2000 - 21 % - - -
Haushalthauptverantwortung Schweiz, 2000 87 % 2 % 10 % 1 %
Stadtparlament Basel 2004 32,3 % 67,7 % - -

Im produzierenden Gewerbe in Deutschland bestehen zwischen Arbeiterinnen und Arbeitern Einkommensunterschiede von 26%, zwischen weiblichen und männlichen Angestellten von 29%. Dies hängt nur teilweise mit Unterschieden bei den ausgeübten Tätigkeiten zusammen. Frauen werden bereits dadurch benachteiligt, dass sie stärker als Männer in den unteren Leistungsgruppen vertreten sind; aber selbst bei angenommener gleicher Leistungsgruppenstruktur würden die Unterschiede bei Arbeiter/innen 20% und bei Angestellten 17% betragen. [9]

Die aufgeführten Beispiele führen Ungleichheiten auf, die in der allgemeinen Bewertung als Ungleichheiten zu Ungunsten der Frauen dargestellt werden. Eine andere Gruppe häufig angeführter, eher unterschwelliger Ungleichheiten zu Ungunsten von Frauen bezieht sich auf Sprache und visuelle Kommunikation:

  • Einschluss von Frauen in die grammatisch maskuline Form (Lehrer statt Lehrerinnen und Lehrer)
  • Im Plural grammatisch maskuline Form des Adjektivs in romanischen Sprachen aufgrund eines einzigen Mannes
  • Ungleiche Zuordnung von Berufen zu Geschlechtern in gedruckten Medien
  • Tendenziöse Vordergrund-/Hintergrund- bzw. Oben-/Unten-Positionierung in graphischen Produkten
  • Klischeehafte Geschlechterrollen in Werbung und Film

Gerade im Kontext des Feminismus und der Frauenbewegung stellt die Gleichstellung der Frau ein zentrales und in seiner Umsetzung kontrovers diskutiertes Thema dar. Besonders Fragen nach den konkreten Zielen und Mitteln und neuerdings auch deren Situation im Kontext von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krisen sind dabei von Bedeutung.[10]

In weiten Teilen der islamischen Welt herrscht eine allgemeine Benachteiligung der Frau. Frauen sind auf kultureller, wirtschaftlicher und/oder politischer Ebene oft benachteiligt. So gilt beispielsweise in Saudi-Arabien die Zeugenaussage einer Frau nur halb so viel wie die eines Mannes.

Benachteiligungen von Männern

Als Ungleichgewichte zu Ungunsten von Männern werden zum Beispiel angeführt[11] [12]:

  • Männer profitieren weniger vom Sozialsystem als Frauen[13]
  • Eine geringere Lebenserwartung von Männern im Vergleich zu Frauen (ca. 6 Jahre), die nicht genetisch bedingt ist.
  • Dienstpflicht (Wehrpflicht, Feuerwehrpflicht, etc., inkl. Pflicht zur Leistung von Ersatzzahlungen)
  • Nachteile bei der Scheidung in der gegenwärtigen Gerichtspraxis (Sorgerecht, Besuchsrecht)
  • Erschwerter Erhalt des Sorgerechts für uneheliche Kinder (Antrag, Augenschein, Kosten)
  • Benennung unehelicher Kinder nach dem Namen der Mutter
  • Unter dem Deckmantel einer "Gleichstellungspolitik" werden explizit nur die Frauen gefördert.
  • Einseitige Quotenregelung zulasten von Männern vor allem im öffentlichen Dienst
  • Höheres Renteneintrittsalter (z. B. Schweiz, Österreich und in Resten in Deutschland)
  • Gefängnisinsassen sind fast ausschließlich Männer, Hingerichtete in den USA sind zu 99 % Männer, obwohl 10 % der Morde von Frauen begangen werden.
  • Benachteiligung in der Schule bei gleichen Kompetenzen gegenüber Mädchen z.B. bei der Notengebung [14] und größere Schwierigkeiten von Jungen in der Schule: Z. B. waren in Deutschland 2001 65 % der Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss verließen, männlich, aber nur 44 % der Abiturienten (Quelle: Statistisches Bundesamt)

Auch hier werden (teils unterschwellige) Ungleichheiten angeführt, die auf traditionelle westliche Geschlechterrollen zurückzuführen sind. Beispiele:

  • Klischeehaftige Zuordnung bestimmter Charaktereigenschaften als männliche Eigenschaften
  • Mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz von Zärtlichkeiten von Männern in der Öffentlichkeit
  • Erwartung von bestimmten ritualisierten Verhaltensnormen (Initiative bei der Partnerwahl, Knigge u. a.)
  • Presse-Floskeln der Art "20 Tote, darunter 10 Frauen"
  • die Überrepräsentierung von Frauen in Bildungsberufen, insbesondere im Primarschulbereich

Biologische Faktoren

Gleichstellungsbemühungen ergeben nur dort Sinn, wo Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen nicht unmittelbar vom biologischen Geschlecht abhängig sind und somit von einer gesellschaftlichen, historischen oder erziehungsbedingten Ungleichheit ausgegangen werden kann.

Grundsätzlich werden heute viel mehr Ungleichheiten als gesellschaftsbedingt und nicht-biologisch eingestuft als zum Beispiel noch im 19. Jahrhundert (z. B. Geschlechterrollen, Gehirnaufbau). Im Einzelnen gehen die Einschätzungen auseinander, und es bestehen kulturelle Unterschiede, auch innerhalb Europas.

Partizipation

Eine Gleichstellung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen setzt eine entsprechende politische Partizipation voraus. (Zur Geschlechterrepräsentation in der Politik siehe Frauen in der Politik.)

Methodik der Gleichstellung

Rechtsumsetzung und Handlungsautonomie

Politische Gleichstellungsbemühungen nehmen an, dass die Gleichberechtigung (rechtliche Gleichstellung) nicht ausreiche, um die faktische Gleichstellung zu erreichen. Dies könne durch verschiedene Faktoren entstehen:

Zum einen würden Verfassung und Gesetze nicht, verzögert oder einseitig umgesetzt. Oft wird die Begründung in der angeblich bereits bestehenden Ungleichheit der politischen Entscheidungsträger (z. B. Parlamente und Ministerien mit geringem Frauenanteil) gesucht.

Zum anderen wird argumentiert, dass Personen des benachteiligten Geschlechts aus psychologischen, ansozialisierten, strukturellen oder anderen Gründen Schwierigkeiten hätten, die Möglichkeiten der rechtlichen Gleichstellung auszuschöpfen. Aus diesem Bereich erwächst von beiden Geschlechtern Kritik: Personen des (mutmaßlich) benachteiligten Geschlechts empfinden die zugeordnete Opferrolle als Ausdruck mangelnden Ernstnehmens und als weitere Beschneidung ihrer Handlungsfreiheit, wenn die Zuschreibung als Opfer von Außen geschieht. Personen des (mutmaßlich) begünstigten Geschlechts wiederum gehen in der Argumentation davon aus, dass das Verhalten aller Personen im Rahmen des geltenden Rechts der freien Wahl unterliege, der nicht durch Maßnahmen erzwungen werden könne oder soll.

Dem halten an politischen Gleichstellungsbemühungen Interessierte entgegen, dass auch eine rechtliche Chancengleichheit nicht zu einer faktischen Gleichstellung führen könne, wenn - wie sie annehmen - die Wahrnehmung von Chancen durch geschlechterbedingte Sozialisation ungleich möglich sei.

Paradigma des Gender Mainstreaming

Moderne Gleichstellungspolitik arbeitet nach dem Ansatz des Gender Mainstreaming. Darunter wird der Top-Down-Ansatz verstanden, bei dem Institutionen des Staates (oder sogar von überstaatlichen Institutionen) die Aktivitäten tragen, und nicht etwa private Gruppierung, die ihre Aktivitäten unter Umständen gegen jene des Staates richten würden. Die Chancengleichheit von Frauen und Männern wird als Querschnittsaufgabe betrachtet und in jedem politischen Konzept, bei jeder staatlichen Maßnahme und bei jedem Entwicklungsschritt berücksichtigt.[15][8]

Aus feministischer Perspektive wird kritisiert, dass de facto Gender Mainstreaming oftmals zu einer Reduzierung frauenfördernder Maßnahmen, Projekte und Politiken führt, wenn die konkrete strukturelle Benachteilung von Frauen aus den Augen verloren wird. So ist es als Konzept relativ wässerig, und aus der gesetzlichen Festschreibung von Gender Mainstreaming folgen selten konkrete und effektive Positivmaßnahmen. Des Weiteren schafft es auch Gender Mainstreaming nicht, die soziale, politische und ökonomische Ungleichheit, die sich durch die gesellschaftlich zugeschriebene Geschlechterrolle in allen Bereichen des Lebens manifestiert, positiv, d.h. neutralisierend im Sinne eines dekonstruktivistischen (Dekonstruktion) Ansatzes, zu beeinflussen.

Von der Männerbewegung männer.ch wird kritisiert, dass in den Gleichstellungsbüros der Schweiz fast nur Frauen und bloß 3 Männer arbeiten. Zudem gibt es in der gesamten Bundesverwaltung keine Stelle, die sich spezifisch mit männerrelevanten Fragen und Benachteiligungen auseinandersetzt. Kritisiert wird weiter, dass Männer erst post-konzeptionell in Gleichstellungsarbeit einbezogen würden. [16] Demgegenüber wird von Frauenseite argumentiert, dieses Ungleichgewicht sei wegen der größeren Ungleichheiten zu Ungunsten der Frauen gerechtfertigt, und zudem würde auch Männern der Weg zu aktiver Männerpolitik offen stehen (entsprechend Abschnitt "Handlungsautonomie": Opferrolle von Männern).

Ob berechtigt oder nicht, führen solche Positionen letztlich auch wieder zu einem Bottom-Up-Ansatz, bei dem Interessengruppen, in diesem Falle Männerbewegungen, gegen in den Staat integrierte Institutionen agieren.

Geschichte und Ausblick

Die Geschichte der Gleichstellung ist verknüpft mit der Geschichte der Gleichberechtigung. Ihr Beginn wird oft mit der Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin von Olympe de Gouges im Jahr 1791 gleichgesetzt.

Insofern, als Gleichstellungspolitik im Grunde genommen auf der Gleichberechtigung aufbaut (s. Definition), kann der Beginn ihrer Geschichte aber zum Beispiel auch mit dem Frauenwahlrecht (D: 1918, A: 1919, CH: 1971, FL: 1984) gleichgesetzt werden. Gleichstellungspolitik ist in dieser Sichtweise ein Thema des 20. und 21. Jahrhunderts.

Gleichstellungspolitik ist in ihrer ersten Phase zunächst die Geschichte der Frauenbewegung, die mit dem Feminismus der 1960er Jahre erstmals über das ursprüngliche Ziel der juristischen Gleichberechtigung hinaus geht. Gleichstellungspolitik ist in dieser Zeit eine Politik der Frauenförderung, nicht so sehr eine Politik der Gleichstellung beider Geschlechter im eigentlichen Sinn des Wortes.

Seit den 1990er Jahren existieren gleichstellungspolitische Institutionen und Initiativen, die auf die Gleichstellung in Bereichen der von Männern wahrgenommenen Benachteiligungen abzielen.

Eine echte Synthese der beiden Lobbys steht noch aus, ist aber gegenwärtig beabsichtigt oder zum Teil im Gange.

Einzelne Forderungen der Gleichstellungspolitik sind in der Zwischenzeit realisiert worden. So ist zum Beispiel die ausgeglichene Geschlechterverteilung beim Eintritt in die Universität (mindestens im oben angeführten Fall) erreicht. Auch die Erwerbsquote wird z. B. in Basel-Stadt und Basel-Landschaft etwa zwischen 2010 und 2015 ausgeglichen sein, wenn man die Entwicklung von 1970 bis 2000 extrapoliert.[8]

Angesprochen auf die Motivation, eine Jubiläumsbroschüre silbern zu gestalten, antwortet eine lokale Gleichstellungsbeauftragte: "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Wenn wir nicht mehr von Gleichstellung reden müssen, ist es Zeit für Gold."[17]

Staatliche und überstaatliche Rechtslage und Organisationen

Weltweit

1980 ist das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women/CEDAW) in Kraft getreten, das bisher (2006) 184 Staaten der Erde unterzeichnet haben. Es basiert auf der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Es definiert den Begriff Diskriminierung der Frau, verurteilt diese ausdrücklich, und schafft Rahmenbedingungen und Maßnahmen, diese zu beseitigen. Es ist völkerrechtlich verbindliche Rechtsgrundlage für alle Unterzeichnerstaaten für nationale und bilaterale Gesetzgebung und Rechtsprechung.

Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (Committee on the Elimination of Discrimination against Women/CEDAW) der Vereinten Nationen ist das Gremium, das dessen Einhaltung überwacht. Die Umsetzungen des CEDAW sind aber durchaus langwierig, und das Übereinkommen selbst ist auch nicht unumstritten und wurde nur unter zahlreichen Vorbehalten angenommen.

Europa

Grundlage der Gleichstellungspolitik der Europäischen Union ist die Gleichbehandlungsrichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die als 76/207/EWG 1976 verfasst wurde und heute in der Form RL 2006/54/EG gültig ist[18]. Sie basiert auf dem Artikel 6 Grundrechte im Vertrag über die Europäische Union („Vertrag von Maastricht“).

Die Generaldirektion Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit (Employment, Social Affairs & Equal Opportunities Directorate-General DG EMPL) der Europäischen Kommission in Brüssel bietet eine Rahmenstrategie der Gemeinschaft zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und leistet innerhalb eines Aktionsprogramms finanzielle Förderung europäischer Netze von Frauenvereinigungen, die sich die Förderung der Geschlechtergleichstellung zur Aufgabe gemacht haben.[19]

Innerhalb der Generaldirektion gibt es zwei Referate:

  • Das Referat Chancengleichheit für Frauen und Männer: Strategie und Programm (Unit Equal Opportunities for Women and Men: Strategy and Programme): Es „koordiniert die Gender Mainstreaming-Politik insgesamt und unterstützt andere Dienststellen der Kommission dabei, die Mainstreaming-Strategie auf ihre Politikfelder anzuwenden.“ Es erstellt auch „den künftigen Fahrplan für die Gleichstellungspolitik“ und koordiniert das Aktionsprogramm der Kommission.[20]
  • Das Referat Gleichbehandlung von Frauen und Männern: Rechtsfragen (Unit Equality of treatment between Women and Men: Legal Questions) „überwacht die Umsetzung und Durchführung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften und bringt, wenn nötig, neue Vorschläge ein“.[20]

Es gibt für die EU juristische Regelungen gegen die Geschlechterdiskriminierung, die weitreichend und verbindlich sind. [21] Trotzdem ist eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an dem materiellen Wohlstand wie auch die gleichberechtigte Teilnahme in Politik und Gesellschaft unerreicht, was sich vor allem mit der mangelhaften Umsetzung von EU-Richtlinien in der nationalen Politik begründen lässt, aber auch durch konzeptionelle Unzulänglichkeiten und tiefliegende soziale, politische und kulturelle Strukturen zu erklären ist.[22]

Deutschland

Gleichstellungspolitik ist in Deutschland im Arbeitsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angesiedelt. Die Bundesregierung plant, einmal pro Legislaturperiode einen Gleichstellungsbericht der Bundesregierung zur Darstellung der allgemeinen Gleichstellungssituation zwischen Männern und Frauen zu veröffentlichen. Der erste Bericht soll 2011 erscheinen.

Siehe auch: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland.

Österreich

In Österreich ist die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben im Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (GlBG) geregelt, dass ein Gleichbehandlungsgebot, ein Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung und ein Benachteiligungsverbot ausspricht, Sexuelle Belästigung wie auch allgemeine geschlechterspezifische Belästigung klärt, sowie Entlohnungskriterien festlegt. Besonderes Augenmerk legt es dabei in einem eigenen Gesetzesteil auf die Arbeitswelt in Land- und Forstwirtschaft.
Die Gleichbehandlung im Bereich des Bundes (als Arbeitgeber) regelt das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG), das neben allgemeinen dienstrechtlichen Aspekten ein Frauenförderungsgebot ausspricht, um die geforderte Frauenquote von 50% zu erreichen, und spezielle Frauenförderungspläne einfordert. Als Institutionen der Gleichbehandlung werden Gleichbehandlungsbeauftragte, Kontaktfrauen und Arbeitsgruppen für Gleichbehandlungsfragen etabliert.

Eine eherechtliche Gleichstellung wurde 1999 mit der Halbe-halbe-Kampagne erzielt.

Auf Bundesebene ist der Senat I der Bundes-Gleichbehandlungskommission am Bundeskanzleramt unter Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek zuständig (bis 2007 im Bundesministerium für Gesundheit und Frauen).

Schweiz

In der Schweiz existieren ein zentrales Gleichstellungsbüro in Bern, sowie 17 kantonale und 4 städtische Gleichstellungsbüros. Die Büros werden durch öffentliche Gelder finanziert. Das Prinzip der gleichen Rechte von Mann und Frau wurde am 14. Juni 1981 in der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft verankert.

Liechtenstein

Im Fürstentum Liechtenstein koordiniert die Stabsstelle Chancengleichheit (SCG) alle Maßnahmen der Gleichstellung, basierend auf dem Gleichstellungsgesetz 1999. Es führt auch die Kommission für Chancengleichheit.

Norwegen

Als erstes Land der Welt hat Norwegen 2003 eine Geschlechterquote für Aufsichtsräte eingeführt. Seit Anfang 2006 müssen alle staatlichen Unternehmen mindestens 40 Prozent ihrer Aufsichtsratsmandate mit Frauen besetzen. Und ab Januar 2008 betrifft die Frauenquote auch alle börsennotierten norwegischen Aktiengesellschaften. [23]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. UNDP (Indikator: "Gender Inequality Index (updated)") [1]
  2. und möglichen dritten Geschlechtern, siehe Transgender
  3. Ferdinand Knauß (Historiker): Gleichheit, Gleichberechtigung und Gleichstellung
  4. etwa UN-Menschenrechtscharta 1948
  5. a b etwa Österreichisches Bundes-Verfassungsgesetz, Art. 7(1)
  6. Chancengleichheitsgesetz. Landtag Baden-Württemberg , 2005
  7. Statistisches Bundesamt Genesis online. Abgerufen am 4. Februar 2011.
  8. a b c G. Fuchs, E. Füller, S. Lask (2004). Zahlen? Bitte., Gleichstellungsbüro Basel-Stadt, Basel. PDF-Dokument
  9. Statistisches Bundesamt (Hg.) 2004: Datenreport 2004. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 353-355.
  10. Brigitte Rauschenbach, 2008, Gleicheit, Differenz, Freiheit? Bewusstseinswendung im Feminismus nach 1968, in: gender politik online abgefragt am 27. August 2009.
  11. MANNdat: Ist Gender Mainstreaming wirklich eine Geschlechterpolitik für Frauen UND Männer? von Dr. Bruno Köhler; Januar 2006
  12. MANNdat Studie: Jungen und Männer in Deutschland 2007: Daten zu Jungen und Männern im Ländervergleich(PDF) ; 1. März 2007
  13. „Frauen profitieren stärker vom Sozialsystem als Männer“ in spiegel.de am 8. September 2008
  14. Studie des Bundesministerium für Bildung und Forschung: Bildungs(Miss)erfolge von Jungen und Berufswahlverhalten bei Jungen/männlichen Jugendlichen, S. 11 ff.
  15. C. Arn, D. Hättenschwiler (2003). Männer als Mitgestalter des Gleichstellungsprozesses?, Eidgenössische Kommission für Frauenfragen, Bern.
  16. männer.ch: mann und gleichstellung - Männerbeauftragte in Verwaltung und Betriebe!, 12. März 2007
  17. S. Kubli: Goldene Zeit der Gleichstellung ist noch nicht da. Basler Zeitung, 3. November 2005
  18. Webdokument, pdf – auf chancen-gleichheit.at
  19. Webpräsenz DG EMPL
  20. a b Zitate: Webpräsenz DG EMPL
  21. europa.eu:50 Jahre EU-Gleichstellungsrecht
  22. Claudia Neusüß, Anna Holz: Die EU-Gleichstellungsstandards: Reformmotor für nationale Frauen- und Geschlechterpolitik in der erweiterten Europäischen Union? Webdokument, pdf
  23. Das norwegische Experiment - eine Frauenquote für Aufsichtsräte von Aagoth Storvik und Mari Teigen (Friedrich-Ebert-Stiftung, Juni 2010)

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