Giebelbrett (Heraldik)

Giebelbrett (Heraldik)
Dieser Artikel behandelt Pferdeköpfe als Giebelschmuck. Für allgemeine Informationen zum Kopf von Pferden, siehe: Pferde, Hauspferd, Kopf und Schädel
Giebelschmuck in der Wedemark bei Hannover
traditioneller Giebelschmuck in Mecklenburg-Vorpommern

Die Pferdeköpfe (seltener auch Köpfe anderer Tierarten), manchmal auch als Rossgoschen bezeichnet[1], sind ein an niedersächsischen Fachhallenhäusern häufig zu findende Verzierung der Windbretter am Giebel des Daches. Die Bretter sind etwa einen halben Meter über den Dachfirst herausgezogen und kreuzen sich in Form eines Schragens.

Inhaltsverzeichnis

Praktische Funktion

Oben am Giebel des Hauses befand sich traditionell oft eine Öffnung, das sogenannte "Eulenloch". Durch diese Öffnung konnte der Rauch des Herdes abziehen und es konnten Eulen zum Mäusefangen auf den Dachboden herein. Das Dach war traditionell mit Reet gedeckt. Um die Kanten (First, Grat, ...), des Reetdaches vor den Ausfransen durch Windböen zu schützen, wurden diese oft mit Windbrettern (auch: Windfedern) eingefasst. Am Eulenloch wurden diese Windbretter oft über die Spitze hinausgezogen, um Verzierungen anzubringen. Ob die Windbretter auch der Reduzierung von Windgeräuschen dienten, ist unklar.[2]

Gestaltung

In ihrer einfachsten Form wurden aus den Windbrettern zwei einfache, stilisierte Pferdeköpfe ausgesägt oder geschnitzt, die entweder einander zugewandt oder abgewandt waren.

Je nach Geschick und Ambition des Zimmermannes wurden die Köpfe plastisch modelliert, die Mähne und das Zaumzeug der Pferde entsprechend fein ausgearbeitet und die Pferde wurden mit anderen Symbolen (Vögel, Bäume, Blumen, Eichenlaub, Sterne, Sonnenräder, Herzen, ...) geschmückt. Manchmal waren die Giebelbretter derart verschnörkelt, dass sie kaum noch als Pferde zu erkennen waren. Manchmal wurde dem heidnischen Symbol als Zeichen der Christianisierung ein Kreuz aufgesetzt.

Geschichte und Symbolik

Die Symbolik hinter den Pferdeköpfen ist nicht klar überliefert. Der Volksglaube kennt verschiedene Deutungen, die sich aber historisch nicht schlüssig belegen lassen. [3][2] Auch ist unklar, wie weit die Tradition dieses Giebelschmuckes zurückreicht. Es gibt Anzeichen, dass die Köpfe deutlich jünger sind, als es die verbreitete Deutung als heidnisch-germanisches Symbol glauben machen will. In der Heimatbewegung - insbesondere im Nationalsozialismus - wurde diese Herkunft verherrlicht und verklärt. Tatsächlich gibt es aber keine Belege für eine Verbreitung als Giebelschmuck, die wesentlich älter als 400 Jahre ist.

Die Verwendung von Tierköpfen verschiedenster Art (Pferde, Hirsche, Wölfe, Schwäne, Widder, Hahn, ...) als Verzierung für den Giebel, die Türen und den Herd eines Wohnhauses war aber in den germanischen Gebieten (Nord-Deutschland, Süd-Skandinavien, Baltikum, ...) von je her weit verbreitet. Neben der verschönernden Wirkung als Schmuck wurde diesen Symbolen auch magische Wirkung zugesprochen: Die Tiere sollten als Apotropaion Feinde, böse Geister und Dämonen abwehren. Quellen berichten, dass es in Norddeutschland noch im 16. Jahrhundert Sitte gewesen sein soll, zur Gefahrenabwehr echte Pferdeköpfe auf Stangen neben einem Haus aufzustellen. Einige Volkskundler wenden dabei ein, dass ursprünglich Abbildungen aller möglichen Arten von tierischen und menschlichen Fratzen (siehe auch: Neidkopf) zur Gefahrenabwehr an Häusern angebracht wurden. In einigen norddeutschen Gebieten habe sich die Sitte dann zunehmend auf Pferdeköpfe eingeengt. So heißen diese Pferdeköpfe als Giebelschmuck in Mecklenburg heute noch „Muulapen“. (vgl. „muulapen“ = niederdeutsch: „gaffen“)

Neben der Gefahrenabwehr sollten die Tiere vor allem auch als symbolisches Opfer die Götter ehren und milde stimmen. Beim Dachgiebel war hier besonders der Gott Odin (Wotan) angesprochen, der in seiner Funktion als (Un-)Wettergott das Haus von Sturmschäden und Blitzschlag verschonen sollte.

Im Stammesgebiet der Sachsen, insbesondere in Niedersachsen, war und ist das Pferd das mit Abstand am häufigsten verwendete Tiersymbol. Dies ist wohl einerseits darauf zurückzuführend, dass das Sachsenross das Wappentier der Sachsen ist und andererseits darauf, dass Wotan bei Sturm auf seinem Ross Sleipnir über den Himmel reitet. Wotan gilt als Sturm- und Totengott manchmal auch als Anführer der Wilden Jagd, die bei Herbststürmen über den Himmel tobt.

Auch die Symbolik hinter der Blickrichtung der Pferde (nach innen oder nach außen) und der Anzahl der Zügel ist unklar.[3] Im Volksglauben sind verschiedene Deutungen verbreitet, die sich aber allesamt nicht historisch oder statistisch belegen lassen.[4]

Verwendung als Wappensymbol

Insbesondere in neuerer Zeit (ab Anfang des 20 Jahrhunderts) hielten die gekreuzten Pferdeköpfe im Rahmen der "Heimatbewegung" Einzug in die Heraldik. Viele Gemeinden verwendeten die gekreuzten Giebelbretter im Wappen als Zeichen einer germanischen oder (nieder-)sächsischen Tradition.

Als gemeine Figur werden zwei Bretter gekreuzt, die an ihren oberen zum Schildhaupt zeigenden Enden überwiegend in stilisierte Pferdeköpfe auslaufen. Diese können auswärtsgekehrt, abgewendet oder zugewendet sein, das heißt sie blicken nach rechts und links oder sehen sich an. Es sind auch andere Enden der gekreuzten Bretter möglich. Alle heraldischen Farben können angewendet werden.

Beispiele

Genossenschaften

Die Pferdeköpfe sind auch das Markenzeichen der Raiffeisen-Genossenschaften. Die Raiffeisengenossenschaften, insbesondere die Raiffeisenbanken in Deutschland, Österreich und Südtirol verwenden ein stilisiertes Giebelkreuz aus gekreuzten Pferdeköpfen als ihr Markensymbol. In Deutschland gibt es seit 2002 ein gemeinsames Logo von Volksbanken und Raiffeisenbanken, das aus einem halben Volksbanklogo und einem halben Giebelkreuz zusammengesetzt ist.

Nach einer Eintragung auf der Internetseite der Raiffeisenzentralbank Österreich wurde dieses Schutzzeichen deshalb eingeführt, weil es Schutz und Sicherheit für die Mitglieder symbolisiert.[5] Das Giebelkreuz war in Deutschland seit 1935 als einheitliches Markenzeichen von Raiffeisen gebräuchlich. Laut einem Bericht der Oberösterreichischen Raiffeisenlandesbank haben es die österreichischen Raiffeisengenossenschaften von 1942 bis 1944 eingeführt.[6]

Einzelnachweise

  1. Das grosse Kunstlexikon von P.W. Hartmann - Pferdeköpfe, gekreuzte
  2. a b Walderlebniszentrum Ehrhorn-No1 - Pferdeköpfe als Giebelschmuck
  3. a b Historikhaus.de - Deutungsversuche der Pferdeköpfe
  4. Fachwerk.de - Pferdeköpfe an Fachwerkhausgiebeln
  5. Erläuterung des Schutzzeichens
  6. Giebelkreuz als Raiffeisen-Symbol

Siehe auch

In anderen Regionen sind andere Formen des Giebelschmuckes verbreiteter:


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