Ge’ez-Ritus

Ge’ez-Ritus

Äthiopischer Ritus meint den Gottesdienst der aus dem spätantiken Christentum Aksums hervorgegangenen Ostkirchen (Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche, Eritreisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche, Äthiopisch-Katholische Kirche).

Inhaltsverzeichnis

Liturgiegeschichte

In ihrem gegenwärtigen Entwicklungsstand ist die Äthiopische Liturgie hinsichtlich von Ordnung und Texten eine Variante des Alexandrinischen Ritus' (die andere Variante umfasst den Koptischen Ritus), der im Lande einiges an äthiopischem „Heimatgut“ aufgenommen hat. Offen ist, in welchem Umfang es sich dabei um altchristliches Material handelt, das bald nach der Missionierung Aksums im 4. Jh. ins Land kam, und nicht erst um mittelalterliche Übersetzungen über das Arabische. Die äthiopischen Originaltexte der Liturgie sind selten älter als das 14./15. Jh.

Grundsätzlich gilt auch hier das sog. Taft'sche Gesetz, nach dem das, was dem heutigen Beobachter besonders typisch erscheint, hier z.B. Rundkirchen und Sabbatheiligung, gerade das ist, was liturgiegeschichtlich jüngeren bis jüngsten Entwicklungsstufen angehört.

Sakramentliche Feiern

Eucharistie

Die heutige Ordnung der äthiopischen Eucharistie- oder Messfeier entspricht einer entkernten koptischen Basilius-Liturgie. An die Stelle der Basilius-Anaphora ist im Regelfall die „Anaphora der Apostel“ eingefügt. Dabei handelt es sich um eine redigierte Fassung des Eucharistischen Hochgebetes der Traditio Apostolica. Als Austauschformulare sind zahlreiche weitere Anaphoren in Gebrauch, zu einem Teil importierte altkirchliche Texte, zum anderen äthiopische Originalkompositionen aus der Zeit unseres Mittelalters. Dazu gehören die eigentümlichen Marien-Anaphoren sowie die Chrysostomos-Anaphora (nicht identisch mit der byzantinischen Liturgie gleichen Namens).

Texte:

Studien:

  • S. B. Mercer: The Ethiopic Liturgy: its Sources, Development, and Present Form. AMS Press, New York 1970 (= 1915) (unzuverlässig und überdies veraltet). Originalausgabe von 1915 im Internet
  • Hugo Duensing: Rezension von S. A. B. Mercer. In: Göttinger gelehrte Anzeigen 178. 1916, 625-656 (grundlegend).
  • Ernst Hammerschmidt: Studies in the Ethiopic Anaphoras. Second revised edition (Äthiopistische Forschungen 25), Stuttgart 1987.
  • Verena Böll: ,Unsere Herrin Maria‘. Die traditionelle äthiopische Exegese der Marienanaphora des Cyriacus von Behnesa (Äthiopistische Forschungen 48), Wiesbaden 1998.
  • Getatchew Haile: Religious Controversies and the Growth of Ethiopic Literature in the Fourteenth and Fifteenth Centuries. In: Oriens Christianus 65 (1981) 102-136 (zur einheimischen Anaphorenproduktion).
  • Maija Priess: Die äthiopische Chrysostomos-Anaphora. Harrassowitz, Wiesbaden 2006. ISBN 3-447-05428-X

Krankensalbung

Die äthiopische Kirche kennt zwei verschiedene liturgische Ordnungen:

  • das Mashafa Bārey („Buch der Perle“), in Äthiopien entstanden im 8. Regierungsjahr des Kaisers Zarʼa Yāʿqob (1441/42).
  • das Mashafa Qandil („Buch des Leuchters“), eine jüngere Übersetzung des entsprechenden Rituales der koptischen Liturgie.
A. Gladel: Übersetzung des Buches des Leuchters, d. i. der Gebete bei der Spendung der letzten Ölung nach äthiopischem Ritus. In: Theologisch-Praktische Quartalschrift 77 (1924) 650-665.

Bußsakrament

Die Liturgie zur kirchlichen Versöhnung (Rekonziliation) schwer schuldig gewordener Christen, z. B. nach Apostasie und Ehebruch, findet sich im Mashāfa Qēdar, das auf eine koptisch-arabische Vorlage, den „Ritus des Kruges“, zurückgeht.

  • Gebre Māryām Emān: Il rito del Sacramento della Penitenza nella Chiesa etiopica. Diss. Roma: Pont. Ist. Orientale 1964 (ungedruckt).
  • Roger Cowley: Rez. Getatchew Haile, A Catalogue of Ethiopian Manuscripts ... Vol. VIII. In: Journal of Semitic Studies 32. 1987, 372-374 (Analyse).

Begräbnisfeier

  • Friedrich Erich Dobberahn: Der äthiopische Begräbnisritus. In: H. Becker - H. Ühlein (Hrsg.): Liturgie im Angesicht des Todes. Judentum und Ostkirchen. EOS, St Ottilien 1997. Bd 1, 137-316. 657-683 (Ausgabe des äthiopischen Textes mit Kommentar), Bd. 2, 859-1036 (deutsche Übersetzung mit Erläuterungen).
  • Getatchew Haile: The Mashafa Genzat as a Historical Source Regarding the Theology of the Ethiopian Orthodox Church. In: Scrinium 1 (St. Petersburg 2005) 58-76.

Feste und Festzeiten

  • Emmanuel Fritsch: The Liturgical Year of the Ethiopian Church. The Temporal: Seasons and Sundays (= Ethiopian Review of Cultures. Special Issue 9-10). Addis Ababa 2001.

Das Synaxarium Aethiopicum (vergleichbar dem abendländischen Martyrologium) wurde um 1400 nC. aus ägyptischer Vorlage übersetzt und in Äthiopien verschiedentlich mit Sondergut angereichert.

  • H. Duensing: Liefert das äthiopische Synaxar Materialien zur Geschichte Abessiniens?, Diss. Göttingen (1900).
  • Gérard Colin: Le synaxaire éthiopien. État actuel de la question. In: Analecta Bollandiana 106 (1988) 273-317.
  • Gérard Colin: L’édition indigène du synaxaire éthiopien. In: Analecta Bollandiana 119 (2001) 48-58.

Literatur

  • J. M. Harden: An introduction to Ethiopic Christian Literature (1926)
  • Habtemichael-Kidane: Bibliografia della liturgia etiopica (Orientalia Christiana Analecta 280). Roma : Pontificio Istituto Orientale, 2008. ISBN 978-88-7210-360-6.
  • Habtemichael-Kidane: L'ufficio divino della Chiesa etiopica : studio storico-critico con particolare riferimento alle ore cattedrali (Orientalia Christiana Analecta 257). Roma : Pontificio Istituto Orientale, 1998. ISBN 88-7210-320-7.

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