Gewährträgerhaftung

Gewährträgerhaftung

Gewährträgerhaftung ist in Deutschland eine auf Gesetz und/oder Satzung beruhende, subsidiäre Haftung des Trägers einer bundesunmittelbaren, landesunmittelbaren oder kommunalen Anstalt des öffentlichen Rechts für den Fall, dass deren Vermögen für die Forderungen ihrer Gläubiger nicht ausreicht. In diesem Ausnahmefall hat jeder Gläubiger einen Anspruch auf Erfüllung seiner Forderung gegen die öffentlich-rechtliche Anstalt durch den jeweiligen Anstaltsträger (die Kommune, das Bundesland oder die Bundesrepublik Deutschland). Die Gewährträgerhaftung soll bezwecken, dass die dauerhafte Zahlungsfähigkeit auch der Anstalt als einer von ihrem Träger errichteten juristischen Person des öffentlichen Rechts ebenso gewährleistet ist wie die ihres Trägers selbst. Sofern nicht in der jeweiligen Satzung geregelt, ist die Gewährträgerhaftung gesetzlich vorgesehen (z. B. § 114 a Abs. 5 Gemeindeordnung NRW). Da jedoch alle Anstalten mit hoheitlichen Aufgaben ausgestattet sind und in dieser Funktion das (gesetzlich oder satzungsmäßig) zugestandene Recht auf Abgaben- oder Gebührenerhebung wahrnehmen und gleichzeitig dem kameralistischen Deckungs- und Eigenfinanzierungsprinzip unterliegen, ist der Eintritt des Haftungsfalls einer Gewährträgerhaftung eher unwahrscheinlich. Gewährträgerhaftung und Anstaltslast bilden das nach deutschem öffentlichen Verwaltungsorganisationsrecht typische Haftungssystem für öffentliche Unternehmen in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts.

Inhaltsverzeichnis

Gewährträgerhaftung für Landesbanken und Sparkassen

Auch gesetzlich vorgesehen war die kommunale Gewährträgerhaftung für die Sparkassen und die Gewährträgerhaftung für Landesbanken. Anders als die oben beschriebenen bundes- und landesunmittelbaren oder kommunalen Anstalten des öffentlichen Rechts unterliegt diese Gruppe der Kreditinstitute jedoch dem allgemeinen Wettbewerb in der Kreditwirtschaft. Diese Gewährträgerhaftung verschaffte den begünstigten Kreditinstituten allerdings Wettberwerbsvorteile etwa bei den Refinanzierungskosten wegen der relativ guten langfristigen Ratings im Vergleich zu den privaten Banken. Dagegen richtete sich eine exemplarische Beihilfe-Klage der EU-Kommission vom April 2000 vor dem Europäischen Gerichtshof. Die nachfolgende Brüsseler Konkordanz vom 17. Juli 2001 sah vor, dass bis zum Jahresende 2002 in den deutschen Bundesländern alle zur Umsetzung der für die Abschaffung von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung bei Sparkassen und Landesbanken („Brüssel I“) erforderlichen Gesetzesänderungen fristgerecht zu verabschieden waren. Im Rahmen einer Besitzstandsregelung („Grandfathering“) – während einer Übergangszeit vom 19. Juli 2001 bis zum 18. Juli 2005 – fielen neue Verbindlichkeiten noch unter die Gewährträgerhaftung, sofern sie nicht nach dem 31. Dezember 2015 fällig werden.

Umstellung

Diese „Brüsseler Konkordanz“ vom 17. Juli 2001 sah vor, dass nach einer mehrjährigen Übergangsfrist die Anstaltslast, wie sie bis dahin bestand, ersetzt und die Gewährträgerhaftung für Sparkassen und Landesbanken abgeschafft wird. Nunmehr ist in den regionalen Sparkassengesetzen die Trägerschaft und Haftung klarstellend so geregelt, dass weder eine Verpflichtung des Trägers besteht, der Sparkasse Mittel zur Verfügung zu stellen, noch der Träger für die Verbindlichkeiten der Sparkasse haftet (z. B. § 7 Abs. 2 Sparkassengesetz NRW).

Forderungen vor Beginn der Übergangsphase am 18. Juli 2001 unterliegen vollständig der Gewährträgerhaftung. Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit bis maximal 31. Dezember 2015, die während der Übergangsphase (18. Juli 2001 bis 18. Juli 2005) eingegangen wurden, unterliegen ebenfalls der Gewährträgerhaftung. Verbindlichkeiten, die nach der Übergangsphase oder in der Übergangsphase mit einer Laufzeit über den 31. Dezember 2015 hinaus eingegangen werden, unterliegen nicht mehr der Gewährträgerhaftung.

Für die Zeit nach dem Wegfall der Gewährträgerhaftung hat die Ratingagentur Moody's den Sparkassen, Landesbanken und Landesbausparkassen ein Mindest-Rating in Höhe von A1 (sog. „Rating-Floor“) in Anerkennung des solidarischen Sparkassen-Haftungsverbundes erteilt.

Kreditgeschäft

Der Wegfall der Gewährträgerhaftung hat folgende Auswirkungen auf das Kreditgeschäft der Sparkassen/Landesbanken:

  • Die wahrscheinlich erhöhten Refinanzierungskosten werden – bei unveränderten Zinsmargen – zu einer Verteuerung der herausgelegten Kredite führen.
  • Dadurch werden Kreditkonditionen der Sparkassen denen der Privatbanken tendenziell angeglichen. Ein sinkender Marktanteil im Kreditgeschäft kann nicht ausgeschlossen werden.
  • Da nunmehr auch die Sparkassen die vollen Refinanzierungskosten tragen müssen, ist eine zunehmende, bankbetrieblich erwünschte Risiko-Rendite-Orientierung im Kreditgeschäft denkbar.
  • Um die Ratings zu verbessern, können Sparkassen versuchen, das haftende Eigenkapital zu erhöhen. Dieses ist im Vergleich zu privaten Banken bisher relativ niedrig.

Refinanzierung

  • Höhere Refinanzierungskosten bei neuen Verbindlichkeiten, da Gläubiger für ein erhöhtes Ausfallrisiko der Sparkasse entlohnt werden möchten. Höhere Zinsangebote für Geldanlagen könnten jedoch tendenziell steigende Einlagen zur Folge haben.
  • Keine höheren Refinanzierungskosten bei bestehenden Verbindlichkeiten, da diese im Rahmen einer Übergangsfrist („Grandfathering“) bis 2015 unter die Gewährtägerhaftung fallen.
  • Grundsätzliche Diskussion über Rechtsform von Sparkassen zur Flexibilisierung der Eigenkapitalbeschaffung und Erleichterung von Fusionen (Umwandlung in private Rechtsformen usw.)

unveränderte Gewährträgerhaftung

Zugunsten der übrigen bundesunmittelbaren, landesunmittelbaren und kommunalen Anstalten des öffentlichen Rechts besteht weiterhin unverändert die Anstaltslast und Gewährträgerhaftung im bisherigen Umfange, sofern sie föderale Verwaltungsaufgaben oder Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge erfüllen. Diese Aufgaben unterliegen nicht dem Wettbewerb und wurden deshalb auch nicht von der „Brüsseler Konkordanz“ erfasst (siehe auch: Liste der deutschen Bundesbehörden).

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