Gestapo-Berichte

Gestapo-Berichte

Als Gestapo-Berichte werden die Schriftstücke der Geheimen Staatspolizei bezeichnet, in denen Ereignisse und Stimmungsberichte aus den Bezirken zusammengefasst waren. Sie wurden von 1933 bis 1936 meist monatlich angefertigt und dem Preußischen Ministerpräsidenten bzw. Reichsinnenminister Hermann Göring zugeleitet.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und Zweck

Bereits im Februar waren die politischen Abteilungen der preußischen Landeskriminalpolizeistellen ersucht worden, wichtige politische Beobachtungen von überörtlicher Bedeutung an eine Abteilung des Landeskriminalamts zu melden, aus der kurze Zeit später das Geheime Staatspolizeiamt hervorging. Die Lageberichte, die in der Regel monatlich abzuliefern waren, wurden ergänzt durch Ereignismeldungen, in denen über Angriffe auf die NSDAP und Zwischenfälle mit Verletzten berichtet werden sollte.

Als Heinrich Himmler im April 1934 die Führung der Geheimen Staatspolizei erhalten hatte, forderte Reinhard Heydrich als sein Stellvertreter Tagesberichte von den Dienststellen. Ergänzend war monatlich eine allgemeine Übersicht zur Stimmungslage in der Bevölkerung abzuliefern.

Informationen für diese Lageberichte sammelten Zuträger, die Gespräche in öffentlichen Orten wie Gaststätten und Verkehrsmitteln mithörten. In den Berichten sind viele Informationen zu antisemitischen Aktionen von Parteigenossen enthalten. Eingehend wird die Reaktion der Bevölkerung auf die Nürnberger Gesetze erörtert.

Da die öffentliche Meinung wegen der gelenkten Presse und der Gleichschaltung nicht mehr unmittelbar erkennbar war, versuchte die politische Führung, die „Volksmeinung“ auf diesem Wege zu erkunden. Die Lageberichte gingen auch den preußischen Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten zu und ihre Inhalte flossen wiederum oft in deren Berichte ein.

Beschluss zur Einstellung

Zwei Jahre später, am 8. April 1936, ließ Heydrich diese Berichterstattung einstellen. Göring hatte sich beschwert, die Berichte würden einzelne örtliche Schwierigkeiten und kritische Einzeläußerungen verallgemeinern und unnötig aufbauschen. Die Stimmung in der Bevölkerung werde überzeichnet, die Partei selbst könne das „unerschütterliche Vertrauen zum Führer“ besser beurteilen. Die Gestapo-Berichte seien einem größeren Personenkreis zugänglich und die überbewertete Kritik könne zur Verschlechterung der Stimmung beitragen.[1]

Quellenwert

Tatsächlich kann die Aussagekraft der Gestapo-Berichte nicht mit der heute üblicher demoskopischer Umfrageergebnisse gleichgesetzt werden. Die Informationen wurden nicht repräsentativ erhoben, sondern zufällig mitgehört. Ferner ist zu berücksichtigen, dass öffentlich geäußerte Meinungen im Dritten Reich oft durch eine vorsichtige Selbstzensur gefiltert wurden (vgl. Flüsterwitz). Die redaktionelle Auswahl und Zusammenstellung der Informationen kann vom Eigeninteresse geleitet sein, um etwa die Unentbehrlichkeit der eigenen Dienststelle bei der Abwehr von Gefahren hervorzukehren oder eigene Zielsetzungen als Forderung der Volksmeinung darzustellen. Während die Angaben in Einzelmeldungen teilweise als subjektiv geprägt und verzerrt eingeschätzt werden, wird den in den Jahren 1934 bis 1936 zusammengestellten Lageberichten eine gute Aussagekraft zugebilligt.[2]

Für die einzelnen Länder und Provinzen wie Pommern, Hessen-Nassau, Baden, Brandenburg (Potsdam), Karlsruhe, Hannover, Flensburg, Sachsen, Osnabrück, Münster und Oldenburg sind die Gestapo-Berichte fast vollständig erhalten. Sie sind in gedruckter Form zugänglich.[3]

Vergleichbare Aufzeichnungen

Bis 1936 gab es ferner die „Berichte der Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten“, die sich teilweise auf Material der Gestapo-Berichte stützen. Erhalten sind die „Lageberichte der Justiz“ für die Jahre 1940 bis 1944, die teils sehr unverblümt Aktionen kritisieren, bei denen Parteigenossen eigenmächtig gegen Juden vorgingen. Ab 1937 lieferte der Sicherheitsdienst SS (SD) regelmäßig Berichte, die ab Dezember 1939 als „Meldungen aus dem Reich" bezeichnet wurden. Daneben gab es ein geregeltes Berichtswesen der NSDAP, bei denen die Gauleitungen monatlich die Stimmung der Bevölkerung schildern sollte. Es ist keine der daraus kompilierten Zusammenstellungen erhalten geblieben, die in Goebbels’ Tagebuch als wichtige Quelle gelobt wurde.

Literatur

  • Peter Longerich: „Davon haben wir nichts gewusst!“ Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933-1945. Siedler, München 2006, ISBN 3-88680-843-2, (Überblick / zur Quellenkritik / Angaben zu gedruckten Quellen).
  • Otto Dov Kulka: Die Nürnberger Rassengesetze und die deutsche Bevölkerung im Lichte geheimer NS-Lage- und Stimmungsberichte. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 32, 1984, ISSN 0042-5702, S. 582–636, (zur kritischen Bewertung derartiger Quellen).
  • Rainer Eckert: Gestapo-Berichte. Abbildungen der Realität oder reine Spekulation? In: Gerhard Paul, Klaus-Michael Mallmann (Hrsg.): Die Gestapo - Mythos und Realität. Unveränderte Sonderausgabe. Primus Verlag, Darmstadt 2003, ISBN 3-89678-482-X, S. 200–215.
  • Rainer Eckert: Berichtswesen im Faschismus. Abriss der Berichterstattung von Gestapo, Sicherheitsdienst des Reichsführers SS, Regierungs- und Oberpräsidenten sowie General-staatsanwälten und Oberlandesgerichtspräsidenten unter Berücksichtigung der vorliegenden Quelleneditionen. In: Bulletin Faschismus - Zweiter Weltkrieg 1990, ZDB-ID 1013878-x, S. 67–116, (nicht eingesehen).
  • Margot Pikarski, Elke Warning (Hrsg.): Gestapo-Berichte über den antifaschistischen Widerstandskampf der KPD 1933 bis 1945, Dietz Verlag, Berlin, 1989-1990, Bd. 1-3. ISBN 978-3-320-01338-7.

Einzelnachweise

  1. Longerich, Davon..., Seite 33)
  2. Rainer Eckert: Gestapo-Berichte - Abbildungen der Realität oder reine Spekulation? In: Gerhard Paul, Klaus-Michael Mallmann: Die Gestapo.... Darmstadt 2003, ISBN 3-89678-482-X, S. 214
  3. siehe Longerich, Davon..., Seite 442)

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