Gesetz großer Zahlen

Gesetz großer Zahlen

Gesetz der großen Zahlen ist eine Bezeichnung für bestimmte mathematische Sätze aus der Stochastik. In ihrer einfachsten Form besagen diese Sätze, dass die relative Häufigkeit eines Zufallsergebnisses im Sinne eines stochastischen Konvergenzbegriffs gegen die Wahrscheinlichkeit des Zufallsergebnisses konvergiert, wenn das Zufallsexperiment immer wieder durchgeführt wird.

Inhaltsverzeichnis

Beispiel: Wurf einer Münze

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Münze beim Werfen Kopf zeigt, betrage ½. Je häufiger die Münze geworfen wird, desto unwahrscheinlicher ist es dann, dass der Anteil der Würfe, bei denen Kopf erscheint, um mehr als ein beliebig vorgegebenes ε > 0 vom theoretischen Wert ½ abweicht. Demgegenüber ist durchaus wahrscheinlich, dass die absolute Differenz zwischen der Anzahl der Kopf-Würfe und der halben Gesamtzahl der Würfe anwächst.

Das Gesetz der großen Zahlen bedeutet also nicht, dass ein Ereignis, welches bislang nicht so häufig eintrat wie erwartet, seinen „Rückstand“ irgendwann ausgleichen und folglich in Zukunft häufiger eintreten muss. Dies ist ein bei Roulette- und Lottospielern häufig verbreiteter Irrtum, die „säumige“ Zahlenart müsse nun aber aufholen, um wieder der statistischen Gleichverteilung zu entsprechen.

Praktische Bedeutung

  • Versicherungswesen: Das Gesetz der großen Zahlen hat bei Versicherungen eine große praktische Bedeutung. Es erlaubt eine ungefähre Vorhersage über den künftigen Schadensverlauf. Je größer die Zahl der versicherten Personen, Güter und Sachwerte, die von der gleichen Gefahr bedroht sind, desto geringer ist der Einfluss des Zufalls. Das Gesetz der großen Zahlen kann aber nichts darüber aussagen, wer im einzelnen von einem Schaden getroffen wird. Unvorhersehbare Großereignisse und Trends wie der Klimawandel, die die Berechnungsbasis von Durchschnittswerten verändern, können das Gesetz zumindest teilweise unbrauchbar machen.
  • Medizin: Beim Wirksamkeitsnachweis von medizinischen Verfahren kann man es nutzen, um Zufallseinflüsse auszuschalten.
  • Naturwissenschaften: Der Einfluss von (nicht systematischen) Messfehlern kann durch häufige Versuchwiederholungen reduziert werden.

Siehe auch: Gesetz der kleinen Zahlen

Schwaches Gesetz der großen Zahlen

Man sagt, eine Folge von Zufallsvariablen X_1, X_2, X_3, \dots in \mathcal{L}^1 genüge dem schwachen Gesetz der großen Zahlen, wenn für \overline{X}_n=\sum_{i=1}^{n}(X_i-E ( {X}_i ))/n für alle positiven Zahlen \varepsilon gilt:

\lim_{n\rightarrow\infty}\operatorname{P}\left(\left|\overline{X}_n\right|>\varepsilon\right)=0.

Es gibt verschiedene Voraussetzungen, unter denen das schwache Gesetz der großen Zahlen gilt. Es gilt beispielsweise, wenn die Zufallsvariablen X_1, X_2, X_3, \dots endliche Varianzen \sigma_1^2,\sigma_2^2,\dots besitzen, die zudem durch eine gemeinsame obere Grenze beschränkt sind, und jeweils paarweise unkorreliert sind, also \operatorname{Cov}(X_i, X_j) = 0 für i\neq j erfüllen.[1]

Das schwache Gesetz der großen Zahlen von Chintschin nennt als Bedingung für die stochastische Konvergenz, dass die Zufallsvariablen einer Folge X_1, X_2, X_3, \dots unabhängig und identisch verteilt sind und einen endlichen Erwartungswert besitzen.[2][3]

Der Beweis der genannten Sätze lässt sich jeweils über die Tschebyschow-Ungleichung führen.

Starkes Gesetz der großen Zahlen

Man sagt, eine Folge von Zufallsvariablen X_1, X_2, X_3, \dots in \mathcal{L}^1 genüge dem starken Gesetz der großen Zahlen, wenn für \overline{X}_n=\sum_{i=1}^{n}(X_i-E ( {X}_i ))/n gilt:

\operatorname{P}\left(\limsup_{n\rightarrow\infty}|\overline{X}_n|=0\right)=1.

Das starke Gesetz der großen Zahlen impliziert das schwache Gesetz der großen Zahlen.

Ein starkes Gesetz der großen Zahlen gilt beispielsweise, wenn die Folge unabhängig ist und die Zufallsvariablen identisch verteilt sind. Eine Form des starken Gesetzes der großen Zahlen für abhängige Zufallsvariablen ist der Ergodensatz.

Die Geschichte des starken Gesetzes der großen Zahlen ist lang. Sie hat mit dem Satz von N. Etemadi[4] 1981 einen gewissen Abschluss gefunden. Der Satz von Etemadi zeigt die Gültigkeit des starken Gesetzes der großen Zahlen unter der Annahme, dass die Zufallsvariablen integrierbar sind (also einen endlichen Erwartungswert besitzen), jeweils dieselbe Verteilung haben und je zwei Zufallsvariablen unabhängig sind. Die Existenz einer Varianz wird nicht vorausgesetzt.

Literatur

  • H.-O. Georgii: Stochastik, 2. Auflage, de Gruyter, 2004.
  • R. Durrett: Probability: Theory and Examples, 3rd ed., Duxbury, 2004.

Einzelnachweise

  1. H.-O. Georgii: Stochastik, 2. Auflage, de Gruyter, 2004, S. 120 Satz (5.6) Schwaches Gesetz der großen Zahlen, \mathcal L^2-Version.
  2. Marek Fisz: Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1989, S 260 Satz 6.11.4 ( Chintschin)
  3. H.-O. Georgii: Stochastik, 2. Auflage, de Gruyter, 2004, S. 121 Satz (5.7) Schwaches Gesetz der großen Zahlen, \mathcal L^1-Version.
  4. Zeitschrift für Wahrscheinlichkeitstheorie und Verwandte Gebiete (jetzt: Probability Theory and Related Fields), Band 55(1), S. 119-122, (1981)

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gesetz der grossen Zahlen — Gesetz der großen Zahlen ist eine Bezeichnung für bestimmte mathematische Sätze aus der Stochastik. In ihrer einfachsten Form besagen diese Sätze, dass die relative Häufigkeit eines Zufallsergebnisses im Sinne eines stochastischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Gesetz der großen Zahl — Gesetz der großen Zahlen ist eine Bezeichnung für bestimmte mathematische Sätze aus der Stochastik. In ihrer einfachsten Form besagen diese Sätze, dass die relative Häufigkeit eines Zufallsergebnisses im Sinne eines stochastischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Gesetz der großen Zahlen — Gesetz der großen Zahlen,   Stochastik: Bezeichnung für die empirische Erfahrungstatsache, dass der Mittelwert einer genügend großen Zufallsstichprobe mit großer Wahrscheinlichkeit in der Nähe des wahren Mittelwerts liegt. Eine Folge von… …   Universal-Lexikon

  • Gesetz von Benford — Das benfordsche Gesetz, auch Newcomb Benford’s Law (NBL) beschreibt eine Gesetzmäßigkeit in der Verteilung der Ziffernstrukturen von Zahlen in empirischen Datensätzen, zum Beispiel ihrer ersten Ziffern. Es lässt sich etwa in Datensätzen über… …   Deutsch Wikipedia

  • Gesetz der großen Zahlen — Visualisierung des Gesetzes der großen Zahlen: Auf der y Achse ist die relative Häufigkeit, eine Sechs zu würfeln, aufgetragen, während auf der x Achse die Anzahl der Durchgänge angegeben ist. Die graue Linie zeigt die theoretische… …   Deutsch Wikipedia

  • Gesetz der kleinen Zahlen — Das Gesetz der kleinen Zahlen, Zwei Drittel Gesetz oder Gesetz des Drittels ist ein Satz aus der Stochastik, der einen Sonderfall der Poisson Verteilung beschreibt. Die Bezeichnung Gesetz der kleinen Zahlen geht auf den russisch deutschen… …   Deutsch Wikipedia

  • Gesetz des Drittels — Das Gesetz der kleinen Zahlen, Zwei Drittel Gesetz oder Gesetz des Drittels ist eine Konsequenz aus der Poisson Verteilung. Die Bezeichnung Gesetz der kleinen Zahlen geht auf den russischen Mathematiker Ladislaus von Bortkewitsch (1898) zurück.… …   Deutsch Wikipedia

  • Großer Terror (Sowjetunion) — …   Deutsch Wikipedia

  • Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende — Arbeitslosengeld II (Alg II) ist die Grundsicherungsleistung für erwerbsfähige Hilfebedürftige nach dem SGB II. Es wurde in Deutschland zum 1. Januar 2005 durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt eingeführt und wird… …   Deutsch Wikipedia

  • Gesetz der Serie — Paul Kammerer Paul Kammerer (* 17. August 1880 in Wien; † 23. September 1926 in Puchberg am Schneeberg) war ein österreichischer Biologe, der durch seine Versuche mit Geburtshelferkröten, mit denen er die Vererbung erworbener Eigenschaften… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”