Geschichte Armeniens

Geschichte Armeniens
Größte Ausdehnung Armeniens unter Tigranes

Armenien wird in der Geschichte Armeniens als kleinasiatisches Land erstmals Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. unter der heutigen Landesbezeichnung erwähnt.[1]

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

In Armenien existierte zwischen 3400 und 2000 v. Chr. die Kura-Araxes-Kultur. Auf diese folgte die Trialeti-Kultur. Aus der Höhle von Areni I. (Provinz Wajoz Dsor) im Süden des Landes stammt einer der ältesten bekannten Schuhfunde. Er wird auf ca. 3630–3380 datiert.[2]

Der Name Jerewan/Eriwan (urartäisch Erebuni), späterer Name der armenischen Hauptstadt, ist als Name einer Siedlung seit 782 v. Chr. nachweisbar. Archäologische Fundstücke aus der Umgebung der Stadt weisen darauf hin, dass dort bereits im 8. Jahrhundert v. Chr. eine Festung der Urartäer bestand. Deren Reich, das zwischen den drei Meeren Vansee, Urmia-See und Sewansee von etwa 860 v. Chr. bis mindestens 547 v. Chr. bestand, umfasste auch etwa die Hälfte des heutigen Armeniens.[3]

Ab 700 v. Chr. brechen kurzfristig bis etwa 672 v. Chr. die Kimmerer vom Kaukasus über die Westküste des Kaspischen Meeres kommend in die Region ein.[4] 547 v. Chr. wird Urartu von Kyros II. erobert und Teil des persischen Achämenidenreiches.

Dareios I. nennt erstmals 521 v. Chr. den Namen Armeniens (altpersisch Arminia, elamisch Harminuja), obwohl es in der babylonischen Sprache weiter nach der alten Namensbezeichnung Uraštu geführt wird.[1] Nach Einverleibung des Landes durch Alexander im Jahr 334 v. Chr. regieren einheimische Dynastien in Armenien unter Oberhoheit der Seleukiden.

Die Orontiden- und Artaxidendynastie

Nach der Aufteilung des Alexander-Reiches unter den Generälen des makedonischen Eroberers gründete Seleukos I. im Jahre 312 v. Chr. in Syrien und Mesopotamien ein Reich. Seine Nachfolger, Seleukiden genannt, betrieben eine expansive Politik und drangen über Armenien bis zum Indus-Tal vor. Armenien gliederte sich damals in vier unabhängige Königtümer: Armenia Maior (Großarmenien), regiert von den Königen der Orontidendynastie, umfasste das Kernland östlich des Oberlaufs des Euphrat um das Van-Gebiet und den Aras bis zum Sewansee. Zu Armenia Minor (Kleinarmenien) zählten die Distrikte Sivas und Erzincan. Im Südwesten lagen die beiden kleinen Königreiche von Sophene und Kommagene, deren Regenten mit den Orontiden Großarmeniens verschwägert waren und sich das fruchtbare Gebiet um Melitene teilten. Hauptstadt von Sophene wurde Arsamosta um Arazan, das König Arsames (260–228 v. Chr.) gegründet hatte. Von einzelnen Fürsten des feudal regierten Armenien erhoben die Seleukiden Tributzahlungen und verliehen dafür den Titel „Strategos“. Über das gesamte armenischsprachige Gebiet aber konnten sie trotz wiederholter militärischer Aktionen keine direkte Herrschaft erlangen. Unter dem Seleukidenherrscher Antiochos III. (223–187 v. Chr.) gelangte in Sophene ein Fürst Zareh als Strategos an die Macht – in Großarmenien trat ein Fürst Artaxias I. nach dem Tod des letzten Orontidenherrschers Orontes IV. (212–200 v. Chr.) die Regentschaft an. Sehr bald bot sich beiden Fürsten die Möglichkeit einer Lossagung vom Seleukiden-Reich: als Antiochos III. Hellas angriff, geriet er mit den Römern in Konflikt, der 189 v. Chr. mit einer schweren Niederlage von Antiochos endete. Der Senat in Rom bestätigte 188 v. Chr. den unabhängigen Status des Herrschaftsgebietes von Zareh und Artaxias.

König Artaxias I. (190–159 v. Chr.) begründete die Dynastie der Artaxiden, die Armenien zum Zenit seiner wirtschaftlichen und politischen Macht führte, unter der es die glanzvollste Periode seiner Geschichte erlebte. Artaxias I. entschied, die von Jerwant IV. am Aras gegründete Hauptstadt Jerwandaschat aufzugeben (Armawir blieb das religiöse Zentrum des armenischen Königreiches), um weiter stromabwärts eine neue Metropole zu gründen, die er Artaschat nannte. Wie Strabon und Plutarch berichten, soll Hannibal, der um 188 v. Chr. nach der Schlacht bei Magnesia an den Hof Artaxias' geflüchtet war, den armenischen König bei diesem Vorhaben maßgeblich beraten und sogar Pläne für Artaschat entworfen haben. Ausgrabungen der Armenischen Akademie der Wissenschaften brachten die Mauern der auf neun Hügeln gelegenen Stadt, Gebäude mit Wandmalereien, den Palast, Reste der Kasernen und Unterkünfte für Krieger mit Familien, Waffen, Pfeile, Schleudersteine, Pech, eine Truhe mit Silbermünzen, Darstellungen von Göttern und Reittieren mit silbernen Masken, Ziergegenstände aus Ton, nicht zuletzt aus Ton gebrannte Wasserleitungsrohre ans Licht. Terrakottagefäße und Leuchter aus urartäischer Zeit beweisen, dass die neugegründete Hauptstadt schon auf eine ältere Geschichte und Tradition als Siedlung zurückblicken durfte. Unter Artaxias I. vollzog sich die endgültige Konsolidierung armenischer Kultur. Die Landessprache war Armenisch; für literarische und religiöse Texte verwendete man die griechische Schrift, Regierungsdekrete wurden jedoch in Aramäisch verfasst. Das Herrscherhaus, der Adel und die gebildete Bürgerschicht beherrschten mehrere Sprachen. Dazu gehörten Armenisch, Griechisch und Persisch. Mit einer Reorganisation der Verwaltung führte der Herrscher eine Vielzahl von Gesetzen ein, die Recht und Ordnung im Lande sicherten.

Das von König Artaxias I. gefestigte Reich schien gefährdet, als sich dessen Enkel, König Artawasd I. (123–95 v. Chr.), den von Osten eindringenden Parthern beugen musste. Als Geisel kam der Thronfolger, Prinz Tigranes, an den parthischen Hof. Gegen die Abtretung von 70 Tälern im Osten Armeniens entließen die Parther Tigranes nach dem Tode von König Artawasd. Im Jahre 95 v. Chr. bestieg er als Herrscher von Armenien den Thron der Artaxiden.

Arsakiden

Karte Armeniens im Altertum

Die Parther versuchten bald nach dem Ende der Artaxidendynastie Mitglieder des eigenen Herrscherhauses der Arsakiden als Vasallenkönige auf den Thron zu setzen. Diese werden ab dann Arshakuni bezeichnet. Die Römer waren dagegen zunächst erfolgreich mit eigenen Verbündeten, zuletzt aus dem iberischen (georgischen) Königshaus. Rhadamistos, der letzte Vertreter, kam durch Verwandtenmord an die Macht, wobei die Römer nicht einschritten. In der Folge gelang es dem parthischen Großkönig, seinen Bruder Trdat I. (Tiridates) als Kandidaten gegen den römischen Kandidaten, Tigranes von Kappadokien, durchzusetzen. Jedoch musste dieser 63 n. Chr. die römische Oberhoheit anerkennen (Krönung von Trdat I. 66 in Rom durch Nero). Dennoch blieb die Oberhoheit über Großarmenien umstritten; ob es zu einer vertraglichen Regelung kam, der zufolge der parthische Großkönig einen Kandidaten präsentiert und der Kaiser ihn einsetzt, wie einige Forscher annehmen, ist fraglich. Als 114 der parthische Großkönig Osroes I. den armenischen König absetzte und seinen Neffen zum König machte, erkannte Kaiser Trajan diesen nicht an. Es gelang ihm sogar für kurze Zeit, das Land als römische Provinz einzugliedern.

Doch die Arsakidendynastie herrschte weiterhin bis 428 in Armenien. 224 wurden die Arsakiden in Persien von den Sassaniden besiegt und verdrängt, und die Sassaniden begannen wieder eine aggressivere Westpolitik. Im Feldzug von 252 gelang es Schapur I., 296 noch einmal seinem Sohn Narseh, Großarmenien zu erobern, doch vermochten sie nicht, ihre Herrschaft auf Dauer zu etablieren; zeitweilig gab es zumindest in Westarmenien arsakidische Könige. Als Diokletian die Sassaniden 297 besiegte, mussten diese die Oberhoheit über Großarmenien aufgeben – Trdat III. aus dem Haus der Arshakuni bestieg den Thron, der in der Folge das Christentum in Armenien förderte. Im 4. Jahrhundert kam es dann zu heftigen Kämpfen zwischen Römern und Sassaniden um Armenien, vor allem zwischen Constantius II. und Schapur II., die sehr wechselhaft verliefen (siehe Römisch-Persische Kriege).

Christianisierung

Das Kloster Chorvirap; hier war Krikor Lusavoritsch eingekerkert, der später den König Trdat III. zum Christentum bekehrte

Die Armenische Apostolische Kirche feierte im September 2001 ihr 1700-jähriges Bestehen, da 301 der Überlieferung nach die Annahme des Christentums unter König Trdat III. und der geistlichen Führung des Hl. Grigor Lusaworitsch, dem "Erleuchter" erfolgte (tatsächlich dürfte aus verschiedenen Gründen das Datum der Christianisierung auf 313/314 anzusetzen sein, unter anderem deshalb, weil Trdat III. als König von Roms Gnaden kaum während der diokletianischen Christenverfolgung diesen Glauben angenommen hätte). Armenien wurde so der erste stark christlich geprägte Staat der Welt. Das sollte dazu führen, dass Armenien trotz oftmaliger Besetzung, Teilung und Eroberung seinen Nationalcharakter behielt. So teilten Rom und das persische Reich der Sassaniden das armenische Königreich 387 untereinander auf, obwohl es in dieser Region während der gesamten Spätantike noch zu Kämpfen zwischen diesen beiden Großmächten kam. Dennoch entwickelten die Armenier eine hochstehende Kultur, Literatur und Baukunst – vor allem nach der Schaffung eines eigenen Alphabets durch Mesrop Maschtotz im Jahr 405. Das Christentum ist bis heute eine entscheidende Komponente armenischer Identität.

Das Ende des antiken Staates

Sowohl im römischen Teil als auch im sehr viel größeren sassanidischen Teil des alten Großarmenien wurde die Dynastie der Arshakuni (Arsakiden) 390 bzw. 428 abgesetzt, die Sassaniden setzten einen Marzban (eine Art Markgraf) als Vertreter des Großkönigs ein. Als die Sassaniden unter Yazdegerd II. versuchten, die zoroastrische Staatsreligion in Armenien einzuführen, kam es zu einem Aufstand der Armenier unter dem adeligen Haus der Mamikonian. 451 unterlag aber das armenische Adelsaufgebot in der Schlacht von Avarayr den persischen Truppen; sein Anführer Vardan Mamikonian wurde getötet. Es folgte ein langer Guerillakrieg, der schließlich mit der Anerkennung des Christentums und des Vahan Mamikonian als Marzban 484 endete.

Armenien zwischen Byzanz und Persien

Julians Persienfeldzug 363

Im Jahre 363 unternahm Julian einen Feldzug gegen das Sassanidenreich, der mit einer Niederlage endete. Sein Nachfolger Jovian musste einem für die Römer ungünstigen Frieden zustimmen. Schapur III. (383–388) stellte die Christenverfolgungen ein und vereinbarte mit dem römischen Kaiser im Osten, Theodosius I., wohl 387 die Teilung des stets umstrittenen Armeniens, wobei die erstarkte Stellung Persiens auch dadurch deutlich wurde, dass die Sassaniden rund vier Fünftel des Landes erhielten (so genanntes Persarmenien). Hauptstadt des persischen Teils wurde Dvin, welches noch im weiteren Verlauf der armenischen Geschichte eine wichtige Rolle spielen sollte.

Mit den Lösungen in Nordmesopotamien und Armenien scheinen aber auch die Römer zufrieden gewesen zu sein, sodass es im fünften Jahrhundert zu einer friedlichen Koexistenz der beiden Großmächte kam, die nur von zwei kurzen Kriegen unter Theodosius II. unterbrochen wurde.

Im 6. Jh. wurde Armenien wieder zu einem der Hauptkampfgebiete zwischen Ostrom und den Sassaniden, verschiedene Mitglieder des armenischen Adels wechselten mehrmals die Seiten (siehe Römisch-Persische Kriege). Unter Kaiser Maurikios (582–602) von 591 bis 602 und Kaiser Herakleios (610–641) von 630–637/640 gelang es dem Byzantinischem Reich, den Großteil von Großarmenien unter seine Kontrolle zu bringen – allerdings führten die Verwaltungsmaßnahmen der Byzantiner und ihre Versuche, die Armenier zur Annahme der Beschlüsse des Konzils von Chalkedon (451), die die armenische Kirche in zwei Synoden 506 (in Dvin) und 555 abgelehnt hatte, zu bewegen, zu Aufständen des armenischen Adels.

Aufgrund des religiösen Schismas betrieb Byzanz eine armenienfeindliche Politik. Kaiser Maurikios (582–602) schloss mit dem Sassanidenherrscher Chosrow ein Abkommen zur Entvölkerung der Grenzgebiete, um durch die Schaffung einer toten Zone weitere Konflikte mit seinem Gegner zu vermeiden. Die betroffenen Armenier siedelte er in Thrakien und Makedonien an, wo sie als kriegserprobtes Volk die Feinde jenseits der Donau sowie Bulgaren abwehren sollten. Doch auf diese Weise hatte Maurikios gegen die Interessen des eigenen Reiches gehandelt; seine Verteidigungskraft im Osten gegen die Sassaniden war nunmehr stark geschwächt. Wie sich seine Soldaten bei der Durchführung der kaiserlichen Befehle in Armenien verhielten, beschreibt Michael der Syrer: „Das Heer des Maurikios warf frech die Kreuze zu Boden, beraubte Kleriker und Laien, schändete Mädchen und schnitt die Ohren der Frauen samt Ringen ab.“

Die Georgier fürchteten, dass sie durch ihre Verbindung mit der Armenischen Kirche ein ähnliches Schicksal erleiden könnten, und schlossen sich im Jahre 602 dem Patriarchat von Konstantinopel an. Kaiser Herakleios, der den byzantinischen Thron im Jahre 610 bestieg, war armenischer Abstammung. Ihm gelang es durch zielstrebige wirtschaftliche und verwaltungstechnische Reformen dem drohenden Ruin seines Reiches entgegenzuwirken. Über die Sassaniden errang der Kaiser um 624 in Armenien glänzende Siege, bis das Jahr 628 endlich Frieden brachte: große Teile Armeniens kamen mit den von den Persern besetzten Gebieten wieder an das Byzantinische Reich zurück. Nun strebte der Herrscher auch eine Entspannung in Glaubensfragen an. Er reiste im Jahre 633 nach Garin, um mit Katholikos Esr sowie zahlreichen Bischöfen eine Konferenz abzuhalten, in der Chalcedon bewusst nicht im Mittelpunkt der Gespräche stand. Doch die Pläne des Kaisers, der die Mauern der religiösen Differenzen niederreißen und Ruhe in das Reich bringen wollte, konnten nicht mehr zur Ausführung gelangen, denn der erste militärische Ansturm des Islam verdüsterte den politischen Horizont.

Armenien zur Zeit der Araberinvasion

Im Jahre 636 brachen die Araber in Syrien ein, 638 eroberten sie Palästina. Nach der Unterwerfung des Perser-Reiches besetzten sie 639/640 Mesopotamien. Von hier aus drangen sie unter ihrem Befehlshaber Habib Ibn Maslama nach Armenien vor und erstürmten im Oktober 640 die Hauptstadt Dvin. Die Fürsten der gefährdeten Gebiete verhandelten mit den Arabern, die religiös duldsamer als die Byzantiner waren, um das Land und die Bevölkerung vor Zerstörung und Verlusten zu bewahren. Der Adel behielt seinen Besitz und seine Position, als Gegenleistung mussten Abgaben entrichtet und Waffenhilfe geboten werden. In Dvin etablierten die Araber den Sitz ihres Statthalters und seiner Beamten, sie ließen daher die zerstörte Stadt wieder aufbauen und mit starken Befestigungen versehen.

Die Invasion der Araber unterbrach die kurze Friedensperiode, in der sich in Armenien eine rege kulturelle Tätigkeit entfaltet hatte. Eine Vielzahl literarischer Werke war entstanden, die in Klöstern von Mönchen abgeschrieben wurden und so weite Verbreitung fanden. Historiker hatten die politischen Ereignisse vergangener Jahrhunderte festgehalten und kommentierten sie; religiöse und philosophische Schriften nahmen auf das geistige Leben einen nachhaltigen Einfluss. Unter den armenischen Gelehrten des 7. Jahrhunderts hatte Ananias von Schirak als bedeutendste Gestalt grundlegende Werke zur Kosmographie, Geographie, Arithmetik, über den Kalender, über Maße und Gewichte verfasst, die Ursachen der Sonnen- und Mondfinsternis erklärt und die zeitgenössische Astrologie kritisiert. Eine damals bereits hochentwickelte Musiktradition Armeniens erlebte durch die Verbesserung der aus dem 4. Jahrhundert stammenden Notationen eine neue Blütezeit. Neben den Volksliedern, deren Thematik teilweise noch aus heidnischer Zeit übernommen war, erweiterten zeitgenössischen Komponisten das Repertoire der Kirchengesänge, die sich durch außergewöhnlichen melodischen Reichtum auszeichneten.

St. Hripsime aus dem 7. Jahrhundert

Einen Zenit erreichte die klassische armenische Architektur (5. bis 7. Jahrhundert), als man nach der Erbauung der großen Kuppelkirche St. Hripsime bei Etschmiadsin durch Katholikos Komitas im Jahre 618 unweit davon die Palastkirche Swartnoz im Auftrag von Katholikos Nerses III.(641–661) errichtete. Nerses, der in den bewegten Zeiten der Araberinvasion sein Amt angetreten hatte, verlegte seine Residenz aus dem heimgesuchten Dvin nach Swartnotz und verewigte sich in der Geschichte des Landes als Bauherr der schönsten architektonischen Schöpfung Armeniens seiner Zeit. Die Aktivitäten des Katholikos (der wegen seiner regen Bautätigkeit den Namen Nerses Schinogh, „der Erbauer“, erhielt) belegen, dass die Araber zunächst keine Islamisierung betrieben. Sie setzten jedoch ihre Eroberungszüge fort und eroberten weitere Gebiete Armeniens und Grusiniens; sie brachten Kaukasisch-Albanien unter ihre Gewalt und marschierten schließlich 642/643 nach Kappadokien. Um Armenien nicht zu verlieren, dass wie ein Wall zwischen dem Byzantinischen Reich und den Arabern lag, versprach Kaiser Konstans II. (641–668) Truppen zur Unterstützung jener Fürsten, die sich gegen die Araber verteidigen wollten. Sicherlich wäre Armenien der stärkste und beste Verbündete des Byzantinischen Reiches gewesen, wenn der Kaiser die Eigenständigkeit des fähigen christlichen Volkes anerkannt hätte. Doch der Patriarch Paulos II. von Konstantinopel (641–654) forderte die Armenier in einem Schreiben auf, die Bedingungen von Chalcedon anzunehmen. Katholikos Nerses III. und Fürst Theodor Rschtuni beriefen 648 eine Kirchenversammlung ein, um die Situation zu besprechen. Während der byzantophil gesinnte Katholikos die Waffenhilfe des Kaisers als Rettung vor dem Islam betrachtete, reagierte der armenische Adel und Klerus auf das in Aussicht gestellte Bündnis bei religiöser Unterordnung mit Entrüstung und eisiger Ablehnung. Angesichts der drohenden Verfolgung der Christen durch die Muslime schien den Armeniern die intolerante Haltung der Byzantiner zur Glaubensfrage und ihr Kampf um das Primat eine ungeheure Provokation des christlichen Gewissens. Da nach dem Ablauf des Waffenstillstandes zwischen den Arabern und Byzantinern weitere arabische Einfälle zu erwarten waren, übten die kirchenpolitischen Bestrebungen von Byzanz einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Entscheidung armenischer Adeliger zur freiwilligen Anerkennung der arabischen Oberhoheit aus.

Bagratiden

Kloster Haghbat, eine Begräbnisstätte der Bagratiden

Aschot I. Bagratuni gelang es dann unter Ausnutzung der allmählichen Schwächung des Kalifats 885/886 wieder ein armenisches Königreich zu errichten, das sowohl vom Kalifen als auch vom byzantinischen Kaiser anerkannt wurde. Der Nachfolger Aschots, Smbat (892–914) wurde von den Arabern getötet, Aschot II. (915–928) brachte die Freiheitskämpfe zum Abschluss.

Die Blütezeit des Reiches der Bagratiden fällt unter Gagik (990–1020). In der zweiten Hälfte des 11. Jhd. ging das Reich durch unglückliche Kriege und innere Zwistigkeiten zugrunde. Ab dem späten 10. Jh. drangen die Byzantiner wieder aus Kleinasien vor und konnten ein armenisches Königreich nach dem anderen in ihr Reich eingliedern, 1045 schließlich auch das Gebiet von Ani selbst. Den armenischen Königen wurden neue Güter im Inneren Kleinasiens angeboten, wohin nun zehntausende Familien umsiedelten. Erneut kam es dort und auch in Armenien zum Streit mit der orthodoxen Reichskirche, nachdem vorher Versuche, durch Gespräche eine Union zu erreichen, scheiterten. Wieder herrschte politische und kirchliche Uneinigkeit, als mit den türkischen Seldschuken aus Zentralasien eine neue expansive muslimische Macht auftrat. Am 16. August 1064 eroberten und verwüsteten die Seldschuken Ani, die armenische Hauptstadt (wegen ihrer vielen imposanten Sakralbauwerke auch Stadt der 1001 Kirchen genannt), 1071 besiegten sie den byzantinischen Kaiser in der Schlacht von Mantzikert nordwestlich des Vansees und eroberten dann den Großteil von Kleinasien und Armenien.

Siehe auch Liste der Herrscher von Armenien

Das Königreich in Kilikien

In der Folge gründeten armenische Flüchtlinge 1080 in Kilikien ein unabhängiges Fürstentum unter den Rubeniden. Diese verbündeten sich mit den Kreuzfahrern gegen Byzantiner und Türken und umgekehrt. Leo II. (1189–1219) erhielt 1199 den Königstitel. 1342 fiel das Armenische Königreich von Kilikien an die katholischen Lusignans von Zypern. Als die Hauptstadt Sis im Jahr 1375 von den ägyptischen Mamluken erobert wurde, ging mit Kilikien das letzte eigenständige Staatsgebilde der Armenier bis zum 20. Jahrhundert unter. Kilikien fiel 1515 an das Osmanischen Reich.

Das Armenische Königreich von Kilikien wird von westlichen Historikern oft mit Kleinarmenien verwechselt, das am Euphrat in der heutigen Türkei lag.

Das armenische Kernland im späten Mittelalter und der Neuzeit

Der Großteil der Armenier lebte auch nach der türkischen Eroberung des 11. Jh.s im Kernland, wo sie aber wechselnde turkmenische Herrschaften über sich ergehen lassen mussten. Eine christliche Fremdherrschaft brachte die Blüte des benachbarten Georgischen Königreiches im 12. und 13. Jh., das einen großen Teil Armeniens erobern konnte (1184 nahmen die Georgier Ani ein). Der Einfall der Mongolen ab 1223 beendete die georgische Macht und brachte erneute Verwüstungen über das Land. In den folgenden Jahrhunderten wechselten unter mongolischen und türkischen Dynastien Zeiten relativ friedlicher Herrschaft mit Kriegen und Invasionen neuer Nomadenstämme; die schlimmsten Verwüstungen brachten wohl die Feldzüge des Timur Leng um 1400. Zu Beginn des 15. Jh.s waren die Armenier durch Flucht, Vertreibung und Ansiedlung türkischer und kurdischer Stämme in vielen Gegenden des alten Armeniens zu einer Minderheit geworden. Nur mehr in wenigen Gebieten hatten sich einige der alten Adelsfamilien erhalten.

Das armenische Kernland erlebte nach 1500 eine erneute Teilung zwischen dem Osmanischen Reich im Westen, das auch nach und nach alle von Armeniern bewohnten Gebiet in Kleinasien und Syrien unterwarf, und dem neuen schiitischen Safavidenreich im Iran im Osten; 1639 wurde im großen und ganzen die bis heute geltende Grenze zwischen dem persischen Ostarmenien und dem Osmanischen Reich festgelegt. In Ostarmenien schwand der Anteil der Armenier an der Bevölkerung weiter dahin, vor allem nachdem der Schah Abbas I. 1604 ca. 250 000 Armenier in den Iran deportierte, wo sie in Neu-Dschulfa eine bis heute bestehende Kolonie gründeten. Seit dem 18. Jh. unterhielten die Armenier und das Katholikosat Kontakte zum nach Süden vordringenden Russischen Kaiserreich.

Russische Herrschaft in Nordostarmenien

Grenzen im Jahre 1882

Im Russisch-Türkischen Krieg 1828 bis 1829 kam der östliche Teil Armeniens unter die Oberhoheit des Russischen Reiches. Nach dem zehnten Russisch-Türkischen Krieg 1877 bis 1878 im Kontext der Balkankrise musste das Osmanische Reich im Frieden von San Stefano weitere Teile Ostarmeniens und die Provinzen Kars und Ardahan an Russland abtreten. Kulturell und auch sprachlich hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt erhebliche Unterschiede zwischen Westarmenien und Ostarmenien gebildet, die sich heute in der Teilung der armenischen Sprache in das Ost- und das Westarmenische sowie in den manchmal spannungsvollen Beziehungen zwischen der aktuellen Republik Armenien und der armenischen Diaspora widerspiegeln.

Die Entwicklung in Westarmenien bis 1914

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts war es unter den im Osmanischen Reich lebenden (West-)Armeniern unter westeuropäisch-aufklärerischen Einflüssen zu einer Wiederentdeckung der eigenen Kultur und ihrer Wurzeln gekommen. Dazu trug auch die Tatsache bei, dass durch eine vor allem von den USA ausgehende protestantische Missionsbewegung, die zunächst den türkischen Muslimen gegolten hatte, dann aber in den christlichen Armeniern dankbarere Adressaten gefunden hatte, ein dichtes Netz von Schulen entstanden war. In Konstantinopel und anderen Großstädten entstand eine breite Schicht von Intellektuellen, die diesem Wiedererwachen literarisch und auch politisch Ausdruck verliehen. Auf der anderen Seite empfanden die in den sogenannten armenischen Provinzen in Ostanatolien lebenden Armenier ihre Diskriminierung im Millet-System des Osmanischen Reiches immer stärker und begannen, sich gegen übermäßige Steuerlast und ständige Übergriffe lokaler (vor allem kurdischer) Stammesführer zur Wehr zu setzen. Gleichzeitig traten die europäischen Mächte als Schutzherrn der orientalischen Christen, vor allem der Armenier auf, verfolgten dabei jedoch in erster Linie eigene koloniale Interessen. So brachten weder die im Zuge des Tanzimat eingeleiteten Reformen noch die auf dem Berliner Kongress vertraglich fixierten Reformen für die Armenier eine Besserung ihrer Lage.

1885 wurde in Van, damals das Zentrum Westarmeniens, die erste armenische politische Partei gegründet, die Demokratisch-Liberale Partei (unter dem damaligen Namen Armenakan). Allerdings verschlechterte sich die Situation der Armenier unter Sultan Abdülhamid II. weiter. 1894–1896 gab es eine erste Welle systematischer Massaker, denen schätzungsweise 200.000–300.000 Armenier zum Opfer fielen. So setzen die Armenier um die Jahrhundertwende vielfach auf die Bewegung der Jungtürken, von denen sie sich endlich Gleichberechtigung innerhalb des immer mehr vom Zerfall bedrohten osmanischen Staates erhofften. Doch gerade diese vermeintlichen Verbündeten sollten wenig später die Vernichtung armenischen Lebens auf türkischem Boden beschließen und auch durchführen. Vorbote war das Massaker von Adana 1909.

Das osmanisch beherrschte Südwestarmenien im Ersten Weltkrieg

Hauptartikel Völkermord an den Armeniern

Zizernakaberd, Denkmalkomplex zum Gedenken der Opfer des Völkermords an den Armeniern

Am 24. April 1915 veranlasste die 1908 an die Macht gekommene jungtürkische Bewegung die Verhaftung, Deportation und Ermordung armenischer Intellektueller in Istanbul und leitete damit den Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern – zwei Dritteln des im Osmanischen Reich seit Jahrtausenden lebenden christlichen Volkes – ein. Die Überlebenden gingen ins Exil; zehntausende (vor allem junge Mädchen und Waisenkinder) wurden zwangsislamisiert. Die Region Dersim, türkisch Tunceli, war bis zu seiner Vernichtung durch die türkische Armee 1937/38 ein wichtiges Refugium für viele Armenier. Nach dem Militärputsch 1980 wurde versucht, auch die Armenier in Dersim zu islamisieren. 1994 wurden etwa 200 Dörfer in Dersim durch türkisches Militär und Para-Militär zerstört. Heute leben in der Türkei circa 60.000 Armenier, fast ausschließlich in Istanbul.

Die Türkei bestreitet die Tatsache des Völkermordes bis heute. Er wurde jedoch seit Mitte der 60er Jahre durch eine zunehmende Zahl nationaler Parlamente anerkannt – darunter auch vom Deutschen Bundestag und dem Schweizer Nationalrat, der französischen Nationalversammlung, dem Europarat und dem Europäischen Parlament. 2005 fand in Istanbul eine Konferenz statt, die sich mit dem Thema beschäftigte, obwohl es im Vorfeld und während der Konferenz zu scharfen Protesten von türkischen Nationalisten gekommen war.[5]

Die Erste Republik in Nordostarmenien 1918–1920

Դեմոկրատական Հայաստանի Հանրապետություն
Demokratakan Hajastani Hanrapetut'jun
Demokratische Republik Armenien
Flagge Armeniens: oben rot, dann blau und unten orange Wappen Armeniens
(Details) (Details)

Als Folge des Ersten Weltkrieges entstand eine Reihe unabhängiger Staaten in Gebieten, die vormals zum Deutschen Kaiserreich, zum Osmanischen Reich und Russisches Kaiserreich gehört hatten. Einer dieser Staaten war die am 28. Mai 1918 ausgerufene Demokratische Republik Armenien (ein ähnlicher Fall ist Estland), die sich der Entente gegen die Mittelmächte anschloss. Im Vertrag von Sèvres vom 10. August 1920, einem der Pariser Vorortverträge, die den Ersten Weltkrieg beendeten, war die Unabhängigkeit Armeniens vorgesehen. Der Vertrag ist jedoch nie in Kraft getreten, weil er nicht von allen Vertragsstaaten ratifiziert wurde. Die Flagge und das Wappen sind seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 wieder Symbole der heutigen Republik Armenien. Ende 1920 marschierte von Norden die Rote Armee ein, während von Westen die Truppen der neuen türkischen Gegenregierung Mustafa Kemal auf die Hauptstadt Jerewan vorrücken. Am 29. November 1920 wurde die Armenische SSR ausgerufen.

Sowjetische Herrschaft

Hauptartikel: Armenische SSR

Infolge des Griechisch-Türkischen Krieges (1919–1922) wurde der Vertrag von Sèvres im Vertrag von Lausanne zugunsten der Türkei revidiert. 1920 wurde Armenien zwischen der Türkei und Sowjetrussland aufgeteilt. Dies wurde im Vertrag von Kars vom 23. Oktober 1921 fixiert. Nach Gründung der UdSSR 1922 wurde die Armenische SSR ein Teil der Transkaukasischen Sozialistischen Föderalen Sowjetrepublik.

Am 5. Dezember 1936 wurde Sowjetarmenien eine formal eigenständige Unionsrepublik der Sowjetunion und hieß von nun an Armenische Sozialistische Sowjetrepublik. Sie entwickelte sich zu einem wichtigen Standort der chemischen Industrie, der Schuhindustrie und der Informatik. Viele elektronische Bauteile für die sowjetische Raumfahrt und auch Roboter wurden hier entwickelt. Außerdem wurden Früchte und Tabak in andere Teile der Sowjetunion exportiert, und international insbesondere Armenian Brandy. Im Ararattal wird seit dem 19. Jahrhundert Brandy hergestellt, der auch international wegen seiner ungewöhnlichen Milde geschätzt wird. In der Sowjetunion war die Armenische SSR unter anderem wegen des warmen Klimas ein beliebtes Reiseziel.

Die Armenische SSR war seit dem Ende der achtziger Jahre neben der Estnischen SSR, der Lettischen SSR und der Litauischen SSR ein Zentrum der separatistischen Bewegungen innerhalb der UdSSR, die die Auflösung beschleunigten. Zu dieser Zeit flammte auch der Konflikt um Bergkarabach, ein mehrheitlich armenisch besiedeltes Gebiet innerhalb der Aserbaidschanischen SSR, wieder auf. Armenien und Aserbaidschan haben seit 1988 militärische Auseinandersetzungen um Bergkarabach geführt (Gebiet in Aserbaidschan, in dem mehrheitlich Armenier leben).

Am 7. Dezember 1988 erschütterte um 11.41 Uhr (Ortszeit) ein schweres Erdbeben die Region Lori im Norden der Armenischen SSR, das den Wert 6,8 auf der Richterskala erreichte. Neben der Stadt Spitak, die nahezu vollständig zerstört wurde, wurden auch die Städte Leninakan (heute Gjumri) und Kirowakan (heute Wanadsor) sowie viele umliegende Dörfer schwer beschädigt. Viele Gebäude, insbesondere Schulen und Krankenhäuser, hielten dem Erdbeben nicht Stand und 25.000 Menschen ließen ihr Leben. Hinzu kamen die winterlichen Temperaturen und die Unvorbereitetheit der Behörden. Die Regierung ließ ausländische Helfer ins Land. Dies war der erste Fall, in dem die Sowjetunion ausländische Hilfe in größerem Ausmaß annahm. Die wirtschaftliche Entwicklung dieser Region wird durch die nachhaltige Schädigung der Infrastruktur nach wie vor behindert.

Am 23. August 1991 wurde die Armenische SSR in Anlehnung an die erste Republik in Republik Armenien umbenannt. Nach der Unabhängigkeitserklärung am 21. September 1991 entstand die heutige Republik Armenien (siehe Armenien). Der südwestliche, weitaus größte Teil des historischen Siedlungsgebietes der Armenier blieb unter türkischer Herrschaft – darunter auch der Berg Ararat, auf dem nach biblischer Überlieferung die Arche Noah gelandet ist. Er gilt bis heute als Nationalsymbol der Armenier und taucht auch im Staatswappen auf (siehe oben).

Die erneute Unabhängigkeit seit 1991

Am 21. September 1991 erklärte sich Armenien von der sich in Auflösung befindlichen Sowjetunion für unabhängig. Das Parlament, die Nationalversammlung, wird alle vier Jahre gewählt. Es gibt nur eine Kammer.

Am 6. Oktober 1991 wurde Lewon Ter-Petrosjan zum ersten Präsidenten der armenischen Republik gewählt. Am 22. September 1996 wurde er wiedergewählt. Seine Popularität sank jedoch zunehmend. Seit einem Waffenstillstand im Mai 1994, der einer Besetzung eines Sechstels Aserbaidschans durch armenische Truppen folgte, hat sich die Situation im Konflikt um Bergkarabach nicht wesentlich verbessert. Es hat bislang keinen Durchbruch in der Beziehung beider Staaten gegeben, ein Zustand, der ihre wirtschaftliche Entwicklung negativ beeinflusst. Im Februar 1998 wurde Ter-Petrosjan zum Rücktritt gezwungen, weil er im Bezug auf Arzach – so der armenische Name für Bergkarabach – als zu weitgehend empfundene Zugeständnisse an Aserbaidschan zur Lösung des Konflikts gemacht hatte. Lewon Ter-Petrosjans Minister, angeführt von seinem Premierminister und späterem Nachfolger im Präsidentenamt Robert Kotscharjan, lehnten einen Friedensplan ab, den internationale Vermittler im September 1997 vorgeschlagen hatten und den Lewon Ter-Petrosjan und Aserbaidschan befürworteten.

Kotscharjan, der zuvor Präsident der Republik Bergkarabach, eines stabilisierten De-facto-Regimes, gewesen war, gewann 1998 die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen. Seine Wiederwahl 2003 war von Unregelmäßigkeiten begleitet. Im Januar 2006 trat eine vom Europarat schon seit langem geforderte Verfassungsänderung in Kraft, die dem Parlament mehr Rechte einräumt. Der Präsident darf beispielsweise nach wie vor den Ministerpräsidenten ernennen, er muss nun aber vom Parlament bestätigt werden. Die Opposition wirft der Regierung vor, das im Zusammenhang mit der Verfassungsänderung abgehaltene Referendum massiv manipuliert zu haben. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Mai 2007 statt; internationale Wahlbeobachter bescheinigten diesmal einen formal weitgehend den westlichen Standards entsprechenden Hergang der Wahl. Die Republikanische Partei, die bereits zuvor Anführerin einer Koalitionsregierung war und auch den Ministerpräsident stellt, kann als Gewinner der Wahl bezeichnet werden. Im Februar 2008 fanden Präsidentschaftswahlen statt. Verfassungsgemäß konnte Amtsinhaber Kotscharjan dabei nicht mehr antreten. Mit knapp über 50 % der Stimmen wurde bereits im ersten Wahlgang der bisherige Premierminister Sersch Sarkissjan ins Amt des Staatsoberhauptes gewählt. Sarkissjan gilt als enger Vertrauter Robert Kotscharjans. Oppositionskandidat Lewon Ter-Petrosjan erkannte das Wahlergebnis nicht an und sprach von Fälschung. Auf die Wahl folgten mehrtägige Demonstrationen von Anhängern Ter-Petrosjans. Am 1. März 2008 wurde eine Demonstration mit Polizeigewalt aufgelöst. Ter-Petrosjan wurde unter Hausarrest gestellt und Staatspräsident Kotscharjan verhängte den Ausnahmezustand.

Die wirtschaftliche Entwicklung Armeniens wird seit dem Karabach-Konflikt vor allem durch die Blockade seiner Grenzen nicht nur seitens Aserbaidschans, sondern auch seitens der Türkei stark behindert. Die Regierung Armeniens ist zur vorbehaltlosen Aufnahme diplomatischer Beziehungen und zur Öffnung der Grenzen mit der Türkei bereit; diese macht jedoch eine Lösung des Konfliktes um Karabach zur Bedingung und besteht zudem darauf, dass Armenien zuerst den Vorwurf des Genozids während des Osmanischen Reiches fallen lässt und formell auf jede Form von Reparation verzichtet. Aufgrund der unsicheren Verhältnisse in Georgien ist der Landweg nach Iran die Haupttransportroute für alle Wirtschaftsgüter von und nach Armenien.

Am 10. Oktober 2009 unterzeichneten die Außenminister der Türkei und Armeniens in Zürich zwei Protokolle zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen und zur Öffnung der Grenzen. Die Annäherung war unter Vermittlung der Schweiz und unter diplomatischem Druck der USA und der EU zustande gekommen. Der Umgang mit dem Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich war nach den als "historisch" bewerteten Abkommen nach wie vor ebenso strittig wie der Konflikt um Bergkarabach. Bereits im August 2009 hatten die Länder jedoch vereinbart, dass Historiker die Ereignisse des Ersten Weltkrieges aufarbeiten sollen.

Die Diaspora

Eine große Rolle spielt nach wie vor auch die armenische Diaspora (7 Millionen Menschen). Geldtransfers der zahlreichen Auslandsarmenier stützen die Wirtschaft. Im Jahre 2005 überwiesen Diasporaarmenier nach Schätzung der Armenischen Zentralbank rund eine Mrd. US-Dollar. Davon kamen 45 %. aus Russland und 15 %. aus den USA [1] Die neue Verfassung (im Januar 2006 in Kraft getreten) verbietet die doppelte Staatsbürgerschaft nicht mehr. (Dies ist aus der Sorge heraus so gewesen, dass die Diasporaarmenier, wenn sie wahlberechtigt wären, die Außenpolitik der Republik Armenien bestimmen könnten. Aus diesem Grund kann das aktive Wahlrecht nach den neuen Bestimmungen nur vor Ort ausgeübt werden; es ist also keine Briefwahl möglich.) Eine Vielzahl von Stiftungen und anderen Organisationen bemüht sich, die Verbindung zwischen Mutterland und Diaspora zu intensivieren.

Literatur

  • Robert Rollinger: ''The Median Empire, the End of Urartu and Cyrus the Great Campaigne 547 v. Chr. in Nabonaid Chronicle II 16. In: Proceedings of the 1st International Conference on Ancient Cultural Relations between Iran and West-Asia hier online. Teheran 2004.
  • Dietz Otto Edzard: Geschichte Mesopotamiens. Von den Sumerern bis zu Alexander dem Großen. München 2004, ISBN 3-406-51664-5
  • Richard G. Hovannisian (Ed.): The Armenian People from Ancient to Modern Times. 2 Volumes, New York 1997, ISBN 0-312-10169-4
  • Tessa Hofmann: Die Armenier. Schicksal-Kultur-Geschichte. Nürnberg 1993, ISBN 3-922619-25-8
  • René Grousset: Histoire de l´Arménie des origines à 1071. Paris 1995 (Nachdruck), ISBN 2-228-88912-1
  • A. A. Martirosian: Armenia in the Bronze and Early Iron Ages. Eriwan 1964
  • Simon Payaslian: The History of Armenia: From the Origins to the Present. Palgrave Macmillan, New York 2007. ISBN 0-230-60064-6

Weblinks

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. a b Robert Rollinger: The Median Empire, the End of Urartu and Cyrus the Great Campaigne 547 v. Chr. in Nabonaid Chronicle II 16. In: Proceedings of the 1st International Conference on Ancient Cultural Relations between Iran and West-Asia, Teheran 2004, S. 9–12.
  2. Ron Pinhasi, Boris Gasparian, Gregory Areshian, Diana Zardaryan, Alexia Smith, Guy Bar-Oz, Thomas Higham, First Direct Evidence of Chalcolithic Footwear from the Near Eastern Highlands. PLoS ONE 5/6, 2010, doi:10.1371/journal.pone.0010984
  3. Dietz Otto Edzard: Geschichte Mesopotamiens. Von den Sumerern bis zu Alexander dem Großen. München 2004, S. 192–195.
  4. vgl. hierzu:Geschichte Armeniens. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica (englisch, inkl. Literaturangaben)
  5. http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,379188,00.html

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