Gertrud von den Brincken

Gertrud von den Brincken

Gertrud von den Brincken (* 18. April 1892 auf dem Familiengut Brinck-Pedwahlen/Kurland im Russischen Kaiserreich; † 17. November 1982 in Regensburg) war eine deutsch-baltische Schriftstellerin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Als Tochter des Baron Maximilian von den Brincken und seiner Ehefrau Louise geb. Baronesse von Bistram entstammt Gertrud von den Brincken einer alteingesessenen deutschbaltischen, protestantisch-lutherischen, akademisch und musisch gebildeten Gutsbesitzerfamilie aus Kurland, die in Brinck-Pedwahlen ihr Familiengut besaß. Dort und auf dem väterlichen Gut Neuwacken verbrachte Gertrud von den Brincken die ersten 10 Lebensjahre. Krankheit und der Tod des Vaters 1904 zwang die Mutter zu einem Umzug in die nahe Kreisstadt Mitau, wo die Familie zurückgezogen in bescheideneren Verhältnissen lebte und wo Gertrud und ihre zwei Jahre ältere, lebenslang kränkliche Schwester Margarethe eine Privatschule besuchten.

Schon als Kind begann Gertrud von den Brincken, ihre Gedanken und Erfahrungen aufzuschreiben. Im Alter von 19 Jahren (1911) veröffentlichte sie ihren Gedichtband Wer nicht das Dunkel kennt, mit dem sie den Grundstein für ihre Karriere als Lyrikerin und Schriftstellerin legte. Schreiben war ihr zeitlebens innerstes Anliegen, auch unter widrigsten persönlichen und politischen Umständen.

Während des Ersten Weltkrieges arbeitete sie, um den Lebensunterhalt für Mutter, verwitwete Schwester und Nichte zu verdienen, als Krankenschwester und später als Englischlehrerin. Bis in ihr Todesjahr hinein galt ihre große Sorge der Familie im Baltikum, die sie, zuletzt noch ihre Nichte, unter großen Opfern monatlich finanziell und mit Sachspenden unterstützte.

1925 heiratete Gertrud von den Brincken den aus Österreich stammenden Ordinarius für Philosophie an der Dorpater Universität Walther Schmied-Kowarzik (1885-1958) und wirkte dort mit ihm zusammen an der Herausgabe des Estländisch-Deutschen Kalenders, bis 1927 ein Ruf ihres Mannes an die Pädagogische Akademie einen Umzug nach Frankfurt a.M. nötig machte. Weit entfernt von ihrer kurländischen Familie drängte sich Gertrud von den Brincken das Thema des Trennungsschmerzes von ihrer geliebten Heimat auf, das sich wie ein roter Faden durch viele ihrer Werke zieht.

In Frankfurt wurde 1929 der älteste Sohn Wieland geboren, 1934 in Bad Nauheim die Tochter Ilse-Roswith.

Nach der Schließung der Päd. Akademie 1933 zog die Familie über Gießen nach Friedberg, wo Walther Schmied-Kowarzik eine Dozentenstelle an der Lehrerbildungsanstalt angeboten wurde, die ihm aber bereits in der Probezeit nach einer Sigmund-Freud-Vorlesung 1934 entzogen wurde. In dieser Not legte Walther Schmied-Kowarzik – zum Teil bei seinen ehemaligen Universitätskollegen – Lehramtsprüfungen in Geschichte und Geographie ab und erhielt danach eine Anstellung als Studienassessor am Friedberger Aufbaugymnasium.

1939 wurde das dritte Kind Wolfdietrich geboren.

Ein halbes Jahr nach seiner Geburt zog die Familie nach Mödling bei Wien, der Heimatstadt Walther Schmied-Kowarziks.

Die Jahre der Umbrüche und großer Bedrängnis wurden für Gertrud von den Brincken zugleich Erfolgsjahre als Schriftstellerin. Ihre Lyrikbände und Romane erlebten mehrere Auflagen; für den Roman Niemand gab es sogar ein Angebot zur Verfilmung.

Aus Mödling musste Gertrud von den Brincken mit ihren Kindern 1944/45 vor der einmarschierenden sowjetischen Armee in die Oberpfalz/Bayern fliehen, wo sie Unterschlupf in Schloss Unterbruck bei der Cousine Lia von Bistram fanden. Fünf entbehrungsreiche Flüchtlingsjahre folgten, zumal Walther Schmied-Kowarzik von den Amerikanern in Moosburg interniert worden war. Wieder halfen Gertrud von den Brincken Aufträge als Englischlehrerin, den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder zu bestreiten. Auch hatte sie ein englisches Lehrbuch ausgearbeitet 2222 English Words für den Unterricht an Schulen in der amerikanischen Besatzungszone.

Mit der Übersiedlung 1949 nach Regensburg begann sich allmählich das Alltagsleben zu normalisieren, das bedeutete für Gertrud von den Brincken verstärkte Zuwendung zu ihrem eigentlichen Anliegen, dem literarischen Schreiben. Persönlich überschattet wurde ihr Schicksal vom plötzlichen Tod ihres Mannes bei einem Besuch in Mödling 1958, 1970 starb ihre Schwester und 1982 ihre Nichte in Tuckum/Lettland, Menschen, die ihr sehr viel bedeuteten.

Gegen Ende ihres Lebens trat Gertrud von den Brincken nochmals in eine ausgeprägte Schaffensperiode ein, 1981 erschien ihr letzter großer baltischer Roman Nächte. Trotz großer Ehrungen konnte sie jedoch nicht mehr an die vorhergehenden Erfolge anknüpfen.

Geschwächt durch die Gebrechen des hohen Alters, starb Gertrud von den Brincken im 91. Lebensjahr in ihrer Regensburger Wohnung und wurde auf dem Mödlinger Friedhof neben ihrem Mann beigesetzt.

Auszeichnungen

  • 1975: Preis des Ostdeutschen Kulturrates
  • 1976: Nordgau-Preis der Oberpfalz
  • 1977: Albertus-Magnus-Medaille der Stadt Regensburg [1]
  • 1979: Ehrengabe des Andreas-Gryphius-Preises
  • 1982: Bundesverdienstkreuz

Themen

Menschen in schicksalhaften Grenzsituationen sind die Protagonisten ihrer Romane, insbesondere vor, während und nach den Wirren des Ersten Weltkriegs im Baltikum, Menschen, die trotz großer Not und Bedrängnis ihrer Heimat treu geblieben sind. Ihre Gedichte ringen inhaltlich um den Schmerz einer Liebe, einer Sehnsucht nach Heimat, ringen um und mit Gott, ihre Balladen erzählen leidvolle und tragische Geschichten. Durch ihr Werk zieht sich wie ein roter Faden das Motiv des Dunklen in der Welt, das nur der Mensch durch sein Handeln erhellen kann. Siehe hierzu ihre Selbstdarstellung "Zwischen 19 und 90 - Ein Rückblick" [2].

Werke

  • 1911: Wer nicht das Dunkel kennt. Gedichte.
  • 1917: Lieder und Balladen
  • 1920: Aus Tag und Traum. Gedichte
  • 1924: Schritte. Gedichte
  • 1926: Das Heimwehbuch. Gedichte
  • 1937: März. Roman
  • 1939: Herbst auf Herrenhöfen. Roman
  • 1941: Unsterbliche Wälder. Roman
  • 1942: Unterwegs. Gedichtband
  • 1942: Der Kanzelstein. Novelle
  • 1943: Niemand. Roman
  • 1949: Stimme im Dunkel. Gedichte
  • 1950: Heimwehbuch (II). Gedichte
  • 1950: Helmut sucht einen Freund. Jugendbuch
  • 1951: Die Sintflut steig. Schauspiel
  • 1958: Aina. Novelle
  • 1959: Der Kinderring (Wasser der Wüste). Hörspiel
  • 1961: Abschied. Auswahlband
  • 1971: Ismael - Fünf Fragmente aus dem noch unveröffentlichten Roman Alle Ismaele
  • 1974: Judas Ischarioth. Lyrischer Zyklus
  • 1975: Daß wir uns trennen mussten. Gedichte
  • 1976: Land unter. Autobiografische Aufzeichnungen
  • 1976: Wellenbrecher - Zweistimmige Lyrik
  • 1977: Die Sintflut steigt. Schauspiel
  • 1977: Wasser der Wüste. Schauspiel
  • 1980: Eine Handvoll Alltäglichkeiten. Erzählungen
  • 1981: Nächte. Roman. ISBN 3-87013-012-1
  • 1992: Gezeiten und Ausklang. Lyriksammlungen aus dem Nachlass, hg. von Winno von Löwenstern. ISBN 3-929081-05-9
  • 2011: Gesamtauswahl der Lyrik aus sieben Jahrzehnten in vier Bänden. I: Halt beschützend über mir die Hand. Frühe Gedichte (1911-1927), hg. von Iris von Gottberg. ISBN 978-3-934377-12-7. [3]
  • 2011: Gesamtauswahl der Lyrik aus sieben Jahrzehnten in vier Bänden. II: Durch die Lande geht ein großes Raunen. Balladen und lyrische Zyklen (1917-1942), hg. von Iris von Gottberg. ISBN 978-3-934377-13-4
  • 2011: Gesamtauswahl der Lyrik aus sieben Jahrzehnten in vier Bänden. III: Doch auch ein Wort kann viel sein. Gedichte aus der Wanderschaft (1928-1958), hg. von Iris von Gottberg. ISBN 978-3-934377-14-1

Sekundärliteratur

  • Michael Garleff: "Verlorene Welt und geistiges Erbe. Geschichtsdeutung deutschbaltischer Schriftsteller. Siegfried von Vegesack und Gertrud von den Brincken", in: Carola L. Gottzmann (Hg.): Unerkannt und (un)bekannt. Deutsche Literatur in Mittel- und Osteuropa, Tübingen 1991, Seite 299-322.
  • Wilhelm Bortenschlager: Deutsche Literaturgeschichte, Bd. 2 "Von 1945-1983", 5. erw. Aufl., Wien 1998, Seite 517-521.
  • Vergessene Literatur - Ungenannte Themen deutscher Schriftstellerinnen (Hrsg. Petra Hörner)2001
  • Gero von Wilpert: Deutschbaltische Literaturgeschichte, München 2005, Seite 216-217 und Seite 265-266.
  • Caroline von Gottberg: Gertrud von den Brincken. Nächte und Niemand, Magisterarbeit, Institut für Germanistik der Universität Leipzig 2006.
  • Carola L. Gottzmann, Petra Hörner: Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburg. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, 3 Bde., Berlin/New York 2007, ISBN 978-3-11-019338-1

Weblinks


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