Germanistentag

Germanistentag

Germanistentag ist der Name zweier Versammlungen in den Jahren 1846 und 1847. 1846 war die Tagung in Frankfurt am Main, 1847 vor dem Hintergrund der Schleswig-Holstein-Frage und als Erfolg einer heute als Jung-Lübeck bezeichneten Erneuerungsgruppe in Lübeck. Der Ausbruch der Märzrevolution verhinderte weitere Germanistentage. Sie waren eine Initiative deutscher Hochschulwissenschaftler im Zuge der Entwicklung eines deutschen Nationalgefühls. Im Gegensatz zu heute hatte der Begriff Germanistik im Vormärz eine weitergehende Bedeutung: Er verband Historiker, Juristen und Sprach- und Literaturwissenschaftler, die sich mit deutscher Geschichte, deutschem Recht und deutscher Sprache befassten.

Zu den Teilnehmern gehörten bei den Germanistentagen im 19. Jahrhundert nicht nur Sprachforscher, sondern eigentlich mehr Rechtsgelehrte[1] und Historiker. Die Germanistentreffen werden daher auch als Vorläuferveranstaltung der seit 1860 regelmäßig stattfindenden Deutschen Juristentage angesehen. Begleitet wurden die Juristentage in den 1840er Jahren von anderen Veranstaltungen mit wissenschaftlich-nationaler Ausrichtung wie dem Gutenberg-Fest 1840, der Feier zum tausendjährigen Jubiläum des Vertrags von Verdun oder Luthers dreihundertstem Todestag 1846.

Tagungsort Römer in Frankfurt

Inhaltsverzeichnis

Germanistentag 1846 in Frankfurt

Auf dem ersten, 1846 von dem Tübinger Juristen August Ludwig Reyscherin Frankfurt initiierten Germanistentag [2] sprachen etwa Friedrich Christoph Dahlmann, Georg Waitz und Johann Gustav Droysen über die Unteilbarkeit Schleswig-Holsteins. Jacob Grimm redete Über den Werth der ungenauen Wissenschaften[3], sein Bruder Wilhelm Über das deutsche Wörterbuch[4]. Die Tagungen wurden im Römer zu Frankfurt abgehalten.

Tagungsort Lübecker Rathaus

Germanistentag 1847 in Lübeck

1847 wurden auf dem Germanistentag in der Zeit vom 27.-30. September 1847 unter Leitung von Jacob Grimm in Lübeck vor 170 Wissenschaftlern Vorträge über die nationale Bedeutung der Hanse, die deutsche Ostkolonisation und über die Erneuerung der deutschen Gerichtsverfassung[5] gehalten. Tagungsort war die im Stil der Revolutionsarchitektur erbaute Reformierte Kirche. Am letzten Tag forderte der Darmstädter Hofrat Heinrich Karl Jaup[6] ein allgemeines deutsches Bürgerrecht als einen Schritt zur geistigen Einheit Deutschlands. Heinrich von Treitschke bezeichnete die Germanistenversammlung in Lübeck als einen geistigen Landtag des deutschen Volkes. Die Veranstaltung endete mit einem Festbankett in einem der Gewölbekeller des Ratskellers zu Lübeck unter dem Lübecker Rathaus, der seither Germanistenkeller genannt wird.

Nachwirkung

Viele der Teilnehmer der Germanistenversammlungen zogen 1848 als Abgeordnete in die Frankfurter Nationalversammlung ein.

Anmerkungen

  1. Eben Germanisten als "Deutschrechtler" im Gegensatz zur sog. Historischen Rechtschule mit dem Schwerpunkt im Römischen Recht verstanden; insofern blieben die Anhänger des Römischen Rechts der Veranstaltung auch fern.
  2. Wehler, S. 407
  3. J. Grimm: Über den Werth...(Auszüge)
  4. W. Grimm: Über das deutsche Wörterbuch
  5. Die Forderungen gingen zunächst auf die Öffentlichkeit und die Mündlichkeit des Verfahrens. In Strafsachen wurden Geschworene und Schöffen gegeneinander abgewogen. Die Forderung nach dem Schwurgericht verklausulierte die Forderung nach dem Parlament.
  6. Siehe auch: Karl Wippermann: Jaup, Carl. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 13, Duncker & Humblot, Leipzig 1881, S. 733–736.

Literatur


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