Germanisches Nationalmuseum Nürnberg

Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
Haupteingang des Germanischen Nationalmuseums von Südwesten (Herbst 2003)

Das Germanische Nationalmuseum (GNM) in Nürnberg (Kartäusergasse 1) ist das größte kulturhistorische Museum Deutschlands und beherbergt eine der bedeutendsten Sammlungen zur deutschen Kultur und Kunst von der Vor- und Frühgeschichte bis zur unmittelbaren Gegenwart. Der Name germanisches Nationalmuseum deutet an, dass das Sammlungsgebiet nicht nur Deutschland, sondern alle Gebiete deutscher Sprache umfasst.

Inhaltsverzeichnis

Struktureller Aufbau des Museums

Dem eigentlichen Museum sind ein Archiv, eine Bibliothek, eine Restaurierungsabteilung (Institut für Kunsttechnik und Konservierung) und ein Pädagogisches Zentrum angegliedert. Als Zweigstellen betreut das Museum unter anderem die Spielzeugsammlung in der ehemaligen Kinderbewahranstalt der Kirchengemeinde von St. Lorenz (Kartäusergasse 20), das Kaiserburg-Museum auf der Nürnberger Burg und Schloss Neunhof, einen hervorragend erhaltenen Herrensitz nördlich von Nürnberg, in dem die Jagdsammlung untergebracht ist. Das Museum ist heute eine Stiftung des öffentlichen Rechts; 1921 in der Neufassung der Satzung erstmals als „öffentlich-rechtliche Stiftung“ genannt. Seit dem 2. Juli 1954 unterstützen Unternehmen und Einzelpersonen als „Fördererkreis“ die Arbeit des Museums; dieser Kreis ist seit 1984 ein eingetragener Verein und besteht aus ca. 300 Mitgliedern. Das Museum zählte im Jahr 2004 372.459 Besucher (2003: 351.280).

Als Forschungseinrichtung hat das GNM auch den Auftrag, die Sammlungsgegenstände und deren geschichtliches Umfeld zu erforschen und in Publikationen und Ausstellungen zu zeigen. Darüber hinaus sind verschiedene wissenschaftliche Projekte am Museum angesiedelt (Schrifttum zur Deutschen Kunst, Hessische Renaissanceschlösser – Online Katalog, Das Werk Albrecht Dürers / Teil 1: Das Frühwerk (Planungsphase)).

Das Museum unterhält den Verlag des Germanischen Nationalmuseums.

Geschichte des Museums

Von der Gründung bis 1945

Germanisches Nationalmuseum im Jahr 1884

Nach langjährigen Vorarbeiten begründete Freiherr Hans von und zu Aufseß im Jahre 1852 das Museum als „Generalrepertorium“. In dieser Bezeichnung kommt zum Ausdruck, dass Aufseß in erster Linie ein umfassendes, über den eigenen Bestand hinausgehendes Verzeichnis relevanter Objekte erstellen wollte; mithin hielt er das Sammeln von Originalen für nur nachgeordnet wichtig. Diese Gründung genehmigte der bayerische König nur wenig später als Stiftung. Ab 1852 nutzte das Museum den Tiergärtnertorturm als Lagerstätte seiner ersten Ausstellungsstücke. Bereits 1853 wurde die Literarisch-artistische Anstalt des germanischen Museums etabliert, dies ist der Vorläufer des noch heute hauseigenen Verlages.

Am 20. April 1857 überließen das Königreich Bayern und die Stadt Nürnberg das ehemalige Kartäuserkloster als Standort. Dabei übernahm der bayerische König mit einer Spende von 5000 fl. ein Drittel der Kosten, die an Bayern abzuführen waren; die städtischen Teile waren kostenfrei übereignet worden. Die Restschuld erließ Bayern 1861. 1862 trat Aufseß freiwillig von der Leitung des Museums zurück. Die Leitung übernahm nun Andreas Ludwig Michelsen, der die Sammlung schriftlicher Quellen in den Vordergrund rückte. 1866 wurde der Bauhistoriker und Architekt August Ottmar Essenwein Museumsleiter, der besonderen Wert auf die Anschaffung neuer Objekte und auf eine Neuordnung und Dokumentation der Sammlung legte. Damit war der Schritt hin zu einem kulturhistorischen Museum getan. Essenwein gab 1891 die Leitung auf und Nachfolger wurde Gustav von Bezold (1894–1920); in dieser Zeit wurde das Museum räumlich zunächst bis zum 50-jährigen Jubiläum 1902 und dann ab 1908/1913 bis 1920 durch den sogenannten Galeriebau von German Bestelmeyer stark erweitert.

Ernst Heinrich Zimmermann (1920–1936) betrieb den systematischen Ausbau der Gemäldesammlung (Barockgalerie) und der Skulpturenabteilung, dabei finanzierte er Neuerwerbungen oft durch Verkäufe aus dem eigenen Bestand.

In der Zeit des Nationalsozialismus ließ sich die Leitung nicht zum Identifikationspunkt der Ideologie machen, es kam beispielsweise zu keinem Besuch von Adolf Hitler. Jedoch kam man zumindest teilweise den Forderungen oder Wünschen der NSDAP nach: Die Bücher des Verlags wurden in Inhalt und Form den Vorstellungen der Nationalsozialisten angepasst und Grußadressen an die neuen Machthaber sind zu verzeichnen. Nach dem Einmarsch in Polen 1939 stützte man das System durch die Ausstellung „Deutschtum am Weichselbogen“.

Von 1945 bis heute

Briefmarke (1951) zum hundertjährigen Bestehen des Museums
Großer Kreuzgang des ehem. Karthäuserklosters, Nordflügel, nach Osten. An der Wand Schattenbilder der Maßwerkfenster und zahlreiche Grabmäler, im Hintergrund ein modernes Kunstwerk

Unter dem neuen Direktor Ernst Günter Troche (1945–51) begann mit bescheidenen Mitteln die Sicherung der Gebäude und Rückführung der Sammlungsobjekte.

Ludwig Grote (1951–1962) wurde 1951 als Erster Direktor berufen. Er bewerkstelligte durch Aufnahme des Geistes und der Werke des Bauhauses den Anschluss an das international bedeutsame Kunst- und Kulturschaffen; er richtete aber auch so genannte „Heimatgedenkstätten“ für die Vertriebenen des Zweiten Weltkrieg ein. Dabei wurde der Wiederaufbau der Gebäude nach Plänen des Architekten Sep Ruf durchgeführt. Erich Steingräber übernahm 1962 die Leitung; 1964 wurde die Sammlungsgrenze vom Verwaltungsrat bis in den Expressionismus verschoben. Jüngere zeitgenössische Werke wurden zur Ausstattung von Empfangs-, Sitzungs- und Büroräumen verwendet. In den 1950er und 1960er Jahren schied man die meisten Abgüsse, so sie überhaupt den Krieg überstanden hatten, aus der Sammlung aus.

Bau für Kunst des 20. Jahrhunderts von Südosten

Im Dezember 1980 trat Gerhard Bott das Amt des Generaldirektors an (bis 1993). Für das Bekenntnis zur Internationalität steht das Bestreben, einen universellen Kontext herzustellen. So erhielt Dani Karavan beispielsweise den Auftrag, als Außenskulptur die „Straße der Menschenrechte“ („Way of Human Rights“) zu realisieren; dieses Werk ist somit dem Komplex Kunst am Bau zuzuordnen.

Der Generaldirektor ist seit 1994 G. Ulrich Großmann. Gebäudesanierungen und Neueinrichtung der Schausammlungen, Forschungsaktivitäten wie die 3-bändige Katalogisierung des graphischen Werks von Albrecht Dürer und öffentlichkeitswirksame Unternehmungen wie Ausstellungen und Begründung neuer Publikationsreihen sind in den letzten Jahren verwirklicht worden. Auch wurden neue Standorte bezogen und insbesondere die Architektur als Sammlungs- und Ausstellungsobjekt entdeckt. Zudem wurde die Internet-Präsenz in Kooperation mit Absolventen des Studiengangs Multimedia-Didaktik an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Nürnberg-Erlangen im Jahr 2005 überarbeitet. Eine ganze Reihe von Elementen aus diesem Projekt sind schließlich in den Relaunch der Seite Ende 2006 eingeflossen.

1999 wurde das Haus der ehemaligen Kinderbewahranstalt der Kirchengemeinde von St. Lorenz erworben (das Gebäude liegt gegenüber dem Südwestbau); seit dem 17. Mai 2002 ist dort die Spielzeugsammlung ausgestellt.

Der Sammlungsbestand

In der Sammlung werden Kunstwerke höchsten Ranges aufbewahrt und in den Räumen präsentiert; Beispiele sind: der Codex Aureus aus Echternach, mittelalterliche Goldschmiedearbeiten, Gemälde von Albrecht Dürer oder Skulpturen von Ferdinand Dietz. Weiterhin werden Volkskunst und Kunstgewerbe, wissenschaftliche Instrumente (Fernrohre, Zeitmesser und Globen), Musikinstrumente, Möbel (zum Beispiel Teile des Arbeitszimmers von Jacob und Wilhelm Grimm), Nürnberger Puppenhäuser, Spielzeug, eine Abgusssammlung, Architekturteile und vieles mehr großzügig ausgebreitet. Teile des Praunschen Kabinetts sind zu besichtigen und die Kunst des 20. Jh. ist in all ihren Facetten vertreten (z. B. Ernst Barlach, Hannah Höch oder Joseph Beuys). Mit dem Bayerischen Gewerbemuseum ist sogar der Bestand eines ehemals eigenständigen Museums in die Sammlung integriert.

Insgesamt beherbergt das Museum über 1,3 Millionen Einzelstücke (Stand 2006)[1]. Zahlreiche Stücke sind dem Museum leihweise zu Ausstellungszwecken überlassen worden; wichtige Leihgeber sind zum Beispiel die Stadt Nürnberg und die Bundesrepublik Deutschland.

Teile der 17 Fachabteilungen (Stand 2006) sind in thematisch erarbeiteten Schausammlungen für das Publikum zugänglich. Seit 2002 wurden die folgenden Zusammenstellungen neu eröffnet:

  • Bürgerliche Kunst und Kultur im 19. Jahrhundert. Vom Vorabend der Französischen Revolution bis zur Epoche der Weltausstellungen (2002).
  • Spielwelten. Kinderspielzeug und Erwachsenenspiele von 1550 bis 1950 (im Nebengebäude der ehemaligen Kinderbewahranstalt).
  • Kleiderwechsel. Frauen-, Männer- und Kinderkleidung des 18. bis 20. Jahrhunderts (2002).
  • Von Schätzen, Heiligen und Fabeltieren. Neueinrichtung der Sammlungen zum Mittelalter bis ca. 1430 (April 2006). Diese Schausammlung befindet sich im nördlichen Teil des Erdgeschosses des Galeriebaus; gezeigt werden Einzelstücke, doch diese oftmals in beeindruckenden Reihen (so z. B. Kruzifixe oder Madonnen, aber auch karolingische Siberdenare oder romanische und gotische Aquamanilien).
  • Vor- und Frühgeschichtliche Sammlung (Herbst 2006), im südlichen Teil des Erdgeschosses des Galeriebaus.

Im Gange ist momentan (März 2008) folgende Neueinrichtung:

  • Von der Dürerzeit bis zum Vorabend der Französischen Revolution. Neukonzeption der Schausammlung für die Kunst- und Kulturgeschichte 1500 bis 1800. Die Baumaßnahmen sollen 2008 beendet sein, Oktober 2009 ist mit der Eröffnung zu rechnen[2]. Zwischenzeitlich sind ca. 200 Hauptwerke dieses Bestandes nach vorübergehender Schließung in der großen Ausstellungshalle für einen Aufpreis zum eigentlichen Eintrittsgeld zugänglich.

Gemälde bis 1800

Idealbild Karl des Großen mit den Reichskleinodien, gemalt 1513 von Albrecht Dürer im Auftrag seiner Vaterstadt Nürnberg

Ende der 1870er Jahre gelang es, die Sammlung der Gemälde zu einer bedeutsamen Abteilung des Museums werden zu lassen. Einen Schwerpunkt bilden heute die spätmittelalterlichen Werke der Stadt Nürnberg, aber auch Hans Holbein der Ältere, Albrecht Altdorfer, Lucas Cranach der Ältere und viele andere Künstler des 15./16. Jh. sind vertreten.

Die Glasmalerei ist seit April 2006 zum Teil in die Mittelalter-Schausammlung integriert (zuvor konnte man diese Werke in einem eigenen Raum studieren); die Werke dieser Gattung beginnen ab dem 13. Jh.

Die neuzeitlichen Objekte dieses Bestands sind derzeit (Januar 2007) nicht ausgestellt.

Skulpturen bis 1800

Auch für die Skulpturensammlung schuf Aufseß den Grundstock; Gipsabgüsse integrierte er gleichrangig in die Sammlung. Zahlenmäßig überwogen die Abgüsse die Originale schnell bei weitem. 1875 und auch noch später erhielt das Museum hervorragende Stücke als Dauerleihgabe aus den historischen Sammlungen der Stadt Nürnberg (z. B. bedeutende Arbeiten von Adam Kraft). Vom Ausbau der Abgusssammlung nahm man erst unter Bezold (1894–1920) Abschied; zudem entwickelte er ein Konzept, dass zwischen „hoher“ und „angewandter“ Kunst unterschied – dieses Konzept blieb jedoch nicht unwidersprochen. Nach dem Ersten Weltkrieg konnten der Sammlung systematisch Werke des Barock und des Rokoko hinzugefügt werden.

Das Münzkabinett

Mit der Museumsgründung 1852 wurde auch eine Münz- und Medaillensammlung begonnen; in der Frühzeit wurden, wie auch bei anderen Abteilungen, Abgüsse anstelle der Originale in die Sammlung aufgenommen. Zahlreiche Stücke aus mittelalterlichen Fundkomplexen konnten erworben werden.

Als Leihgabe gehörte auch die Münzsammlung der Stadt Nürnberg (ca. 7000 Stück) zum derzeitigen Bestand.

Vor- und Frühgeschichte

Die bekanntesten Stücke dieser Abteilung sind der Goldkegel und die gotische Adlerfibel von Domagnano in Oberitalien (um 500 n. Chr.).

Kunsthandwerk

Kunsthandwerk des Mittelalters

Unter Essenwein (1866ff.) konnte das Sammlungsgebiet der mittelalterlichen Schatzkunst, die auf den kirchlichen Kultus bezogenen Gerätschaften, eine gewisse Bedeutung erlangen; allerdings bestand der Zuwachs zunächst hauptsächlich in Gipsabgüssen. Erst der Ankauf der Sammlung des Bremer Arztes Dr. Hermann Freiherr von Eelking (1818–1884) konnte 1880 den Wert dieser Abteilung deutlich steigern. Danach kamen nur noch Einzelstücke hinzu: zum Teil höchst bedeutende Objekte wie 1894 eines der seltenen karolingischen Vortragekreuze (das sogenannte Ardennenkreuz, wohl um 830), 1955 ein Echternacher Prachtevangeliar (der Codex Aureus, aus ottonischer Zeit) und eine hochromanische Armilla. Zu dieser Abteilung gehört auch der Heiltumsschrein, der ehemals die Reichskleinodien barg.

Kunsthandwerk der Neuzeit

Die Stücke des neuzeitlichen Kunsthandwerks (16. bis 18. Jahrhundert) gehören vornehmlich dem profanen Bereich an; viele Gegenstände sind bereits seit dem 19. Jahrhundert Bestandteil des Museums: italienische Majoliken der Renaissance beziehungsweise Fayence und Porzellan.

Das Schlüsselfelder Schiff, eine große Goldschmiedearbeit, von 1503 kam 1875 zur Sammlung.

Spielzeug

Die Spielzeugsammlung ist seit 2002 in dem separaten Haus Kartäusergasse 20 aufgestellt. Zuvor war diese Abteilung seit 1968 in drei Räumen über dem Refektorium am Kleinen Kreuzgang untergebracht. Neben Kinderspielzeug sind auch historische Spiele für Erwachsene Gegenstand dieser Sammlung. Die vier großen Nürnberger Puppenhäuser aus dem 17. Jahrhundert bilden das Zentrum dieser Abteilung.

Historische Musikinstrumente

Historische Instrumentenbauerwerkstatt

Das Museum verfügt über einen bedeutenden Bestand an historischen Musikinstrumenten (ca. 2.500 Stücke). Folgende Einzelsammlungen wurden in die Museumssammlung integriert:

  • Sammlung historischer Musikinstrumente Dr. Dr. h.c. Ulrich Rück (1962 aufgenommen)
  • Klavierhistorische Sammlung Neupert (1968),
  • Sammlung Karl Schreinzer (MI 403) (1967),
  • Sammlung Will Jansen (Kürzel MIJ) (1971 angekauft).

Besonders reizvoll sind die Darstellungen musikalischer Gesellschaftsereignisse, die sich auf und in den Deckeln einiger älterer Tasteninstrumente befinden.

Wissenschaftliche Instrumente

Aus unterschiedlichen Quellen zusammengekommen - unter anderem gehört zu dieser Sammlung der Nachlass des Mathematikers und Astronomen Regiomontanus - findet man hier Fernrohre, Zeitmesser, Weltmaschinen sowie Erd- und Himmelsgloben – darunter auch der älteste heute noch erhaltene Erdglobus von Martin Behaim aus dem Jahr 1492 (Martin Behaims Erdapfel).

Volkskunde

Kleienkotzer, Karnevalsmaske wohl 18. Jh.

Diese Abteilung umfasst unter anderem Trachten und Möbel zur ländlichen Wohnkultur sowie Alltagsgegenstände des 19. und 20. Jahrhunderts (zum Beispiel industriell hergestellter Wandschmuck).

Historische Bauteile (Architektur)

Zu diesem Gebiet gehören so unterschiedliche Dinge wie bauplastische Fragmente (Kapitelle, Konsolen, Gewände), Brunnen, Treppen, Öfen oder Tapeten, aber auch nur einfache Backsteine und Dachziegeln. Großobjekte wie Kapellen in Teilen oder Stuben und Zimmer sind ebenso Teil dieser Sammlung. Pläne zur Architektur komplettieren diesen Bestand.

Hervorzuheben von den Objekten sind das Chörlein des Sebalder Pfarrhofs in Nürnberg, um 1370 (seit 1902 im Museum, am originalen Standort durch eine Kopie ersetzt), und bedeutende Überbleibsel des Schönen Brunnens, 1385–1392 (ebenso am originalen Standort 1902 beziehungsweise nach 1945 durch eine rekonstruierte Kopie ersetzt).

Die Gebäude des Museums

Ansicht vom Kornmarkt, v. NO (Okt. 2003): Heuß-Bau, Alter Eingang, Bibliotheksbau

Baugeschichte

Das spätmittelalterliche Kartäuserkloster bildet den Kern der Anlage.[3] Das zwischenzeitlich profan genutzte Kloster konnte ab 1857 in die Museumsplanungen einbezogen werden. Um- und Erweiterungsbauten aus der Entstehungszeit des Museums (2.H.19.Jh.) sind kaum noch vorhanden. Die nächste erhaltene Zeitschicht bilden die im 1. Viertel des 20. Jahrhunderts hinzugebauten speziellen Museumsgebäude („Alter Eingang“, Lapidarium und Galeriebau). Nach dem Zweiten Weltkrieg schuf Sep Ruf Zusatzbauten; dabei wurde historische Substanz zu erheblichen Teilen überformt oder gar vernichtet und nur einige Bauten wurden restaurierend wiederaufgebaut.

Der großzügige Erweiterungsbau entstammt den Jahren 1983/1988–1996. Dieser so genannte Kartäuserbau mit dem Museumsforum verursachte Kosten von 140 Mio. DM.

Das 1910 erbaute Haus der ehemaligen Kinderbewahranstalt der Kirchengemeinde von St. Lorenz wurde 1999 erworben und bis 2002 restauriert, um die Spielzeugsammlung aufzunehmen. Das Gebäude liegt westlich dem Südwestbau gegenüber und ist weiterhin baulich eigenständig.

Baubeschreibender Rundgang durch die Sammlung

Straße der Menschenrechte und Haupteingang v. NW

Von der „Straße der Menschenrechte“, die zwischen den durch Glasflächen gekennzeichneten Erweiterungsbauten hindurchführt, betritt der heutige Besucher die zunächst verwirrend vielfältigen Gebäudeeinheiten des Museums. In der Eingangshalle liegen am Rande die Museumskasse sowie engbedrängt der Museumsbuchladen. Im Kellergeschoss befinden sich die Garderoben, Toiletten und das Museumsbistro sowie der Durchgang zu den Räumlichkeiten für Wechselausstellungen und Vorträge.

Durchschreitet man die großzügig bemessene Eingangshalle, so gelangt man rechter Hand in den Komplex des ehemaligen Klosters; vom Kloster selbst sind noch die Kirche sowie der große und der kleine Kreuzgang mit anliegenden Räumen erhalten. Weiter nach Süden schließen sich die eingeschossige Mittelalterhalle und der Südwestbau an. Der Südwestbau ist mehrgeschossig und wird u. a. durch eine barocke Treppenanlage aus Würzburg nach oben erschlossen.

Wendet man sich von der Eingangshalle nach links, gelangt man in die vormalige Eingangshalle und den sog. Galeriebau, in dessen Erdgeschoss seit 2006 die Schausammlungen zur Vor- und Frühgeschichte und zum Mittelalter aufgebaut sind.

Raumklima

Bei der Konzeption der Bauten der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts hat man offensichtlich kaum bedacht, dass sommerliche Temperaturen die Räume sehr schnell aufheizen können. In zahlreichen Raumfolgen ist der Aufenthalt für Wachpersonal und Besucher in den Sommermonaten eine kräftezehrende Angelegenheit. Es gibt offensichtlich kein Konzept, die tagsüber aufgestaute Wärme nachts und in den Morgenstunden (oder auch nur an kühleren Tagen) abzuführen.

Eine moderne Klimatechnik ist seit Ende 2006 im Erdgeschoss des Galeriebaus eingebaut.

Die Archive

Historisches Archiv

Von Aufseß war dem Archiv die erste Stelle im Abteilungsgefüge des Museums zugedacht, es sollte die Aufgabe eines deutschen Zentralarchivs übernehmen, indem es weniger die Originalurkunden, sondern Kopien und Faksimiles (bis 1650) verwahren sollte. Dies Projekt überforderte zur damaligen Zeit jedoch die Beteiligten; nur die Siegelabgusssammlung machte schnell gute Fortschritte.

Bald wandte man sich der Sicherung originaler Quellen zu; dabei wollte man bewusst nicht in Konkurrenz zu den staatlichen Archiven treten, sondern man verstand sich in erster Linie als Auffangbecken für Adels- und Privatarchive, um so zu verhindern, dass Pergament- und Papierdokumente einer Zweitverwertung (Blattgoldmacher, Papierhersteller) zugeführt würden.

Der Bestand reicht heute unter anderem von hochmittelalterlichen Kaiser- und Papsturkunden über Adelsarchive wie das der Grafen von Wolckenstein-Rodenegg (13.–18. Jahrhundert) bis zu Stadt- und Rechnungsbüchern, aber auch Gerichtsakten.

Übernommene Archivalienbestände wurden nie aufgelöst (nur Pergamenturkunden wurden aus dem jeweiligen Komplex herausgenommen); allerdings wurden vornehmlich in den 1970er Jahren „Flurbereinigungen“ mit dem Ziel vorgenommen, versprengte Einzelstücke und Reste zuständigen Archiven zuzuführen.

Seit 1966 ist auch das Deutsche Glockenarchiv ein Teil des Archivs; vergleiche Claus Pese: Mehr als nur Kunst. Das Archiv für Bildende Kunst im Germanischen Nationalmuseum, Ostfildern-Ruit 1998, S. 136–145.

Deutsches Kunstarchiv

Das seit dem 1. Januar 2008 umbenannte Deutsche Kunstarchiv wurde 1964 als Archiv für Bildende Kunst gegründet und beherbergt knapp 1.400 Vor- und Nachlässe von Künstlern, Kunstwissenschaftlern und -kritikern, aber auch von Mäzenen und Institutionen wie Kunstvereinen und schriftliche Quellen aus dem Bereich der bildenden Kunst überhaupt. Zu nennen sind unter anderem die folgenden Nachlässe: Wilhelm Worringer, Franz Marc, August Macke, Erich Heckel, Richard Riemerschmid, Ernst Wilhelm Nay, Rudolf Ortner oder Otto Dix.

Seit 1976 stellt das Archiv bedeutende Nachlässe aus, die es erwerben konnte; dabei wird stets eine Werkauswahl gezeigt und es erscheint eine erläuternde Publikation. Neuzugänge werden im Anzeiger mitgeteilt.


Die Bibliothek

Die Bibliothek ist ihrer Bestimmung nach zugleich eine Sammlung wie auch eine öffentlich zugängliche Handbibliothek, die nunmehr in die Systematik integrierte Bibliothek des Gründers (Aufseß-Bibliothek) bildete dazu den Grundstock.

Im 19. Jahrhundert baute sich der Bestand hauptsächlich durch Freiexemplare der Verlage auf. Im 20. Jahrhundert ließ die Spendenfreudigkeit mehr und mehr nach. 1978 umfasste der Bestand ca. 400.000 Bände; Ende 2006 war ein Zuwachs auf über 650.000 Bände zu verzeichnen und zudem 1695 laufende Zeitschriften, 3380 Handschriften, etwa 1000 Inkunabeln sowie 3000 Drucke des 16. Jahrhunderts verfügbar[4].

Größter privater Leihgeber des Museums ist die Merkelsche Familienstiftung, siehe Bibliothek der Paul Wolfgang Merkelschen Familienstiftung.

Der Verlag des Germanischen Nationalmuseums

Neben dem „Anzeiger“ erscheinen heute zwischen 5 und 10 Bände jährlich im hauseigenen Verlag. Bei großen Publikationen geht man aus Kostengründen und wegen besserer Vertriebsmöglichkeiten oft Kooperationen mit Fachverlagen ein.

Öffentlichkeitsarbeit

Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit erstellt das Museum unter anderem zahlreiche Flyer und ein Programmheft, das ab 2004 im vierteljährlichen Rhythmus erscheint und neben Informationen zum Museum auf acht von 48 Seiten Fremdwerbung enthält. Das Programmheft wird regelmäßig an die über 5.500 Mitglieder des Museums versandt.

Alle drei Monate erscheint das zwölfseitige Heft KulturGUT in einer Auflage von 4.500 (Stand 2007); dieses Heft liegt kostenfrei im Museum und an anderen Orten aus und ist zudem als PDF-Download verfügbar[5]. Im KulturGUT werden die monatlichen „Blickpunkt“-Objekte vorgestellt, die zumeist in der Eingangshalle zu sehen sind.

Regelmäßig führen Mitarbeiter des Museums durch die ausgestellten Bestände. Zweimal jährlich werden private Kulturobjekte fachlich begutachtet (keine Wertschätzung!).

Stiftung zur Förderung des Germanischen Nationalmuseums

Die Stiftung zur Förderung des Germanischen Nationalmuseums wurde mit Unterstützung der Hypovereinsbank gegründet und nahm am 14. Februar 2006 die Arbeit auf. Man hofft bereits im ersten Jahr ein Stiftungsvermögen von 4 Millionen Euro zu erreichen. Eine Zustiftung ist für jedermann ab 10.000 Euro möglich.

Literatur

Hauptartikel: Literatur zum Germanischen Nationalmuseum

Gesamtdarstellungen

  • Germanisches Nationalmuseum. In: Meyers Konversations-Lexikon. Bd. 7, 4. Aufl. Leipzig: Bibliographisches Institut, 1885–1892, S. 181
  • Bernward Deneke und Rainer Kahsnitz (Hg.): Das Germanische Nationalmuseum. Nürnberg 1852–1977. Beiträge zu seiner Geschichte, München/Berlin 1978. – Ein umfassender Sammelband (1242 Seiten).
  • G. Ulrich Großmann: Germanisches Nationalmuseum – Führer durch die Sammlungen, Nürnberg 2001.

Laufende Publikationen

  • Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums (Jahrbuch seit 1852); Abstracts und Inhaltsangaben ab 1996[6].
  • Kulturgeschichtliche Spaziergänge im Germanischen Nationalmuseum (Jahresgabe):
    • Bd.1: G. Ulrich Großmann: Architektur und Museum – Bauwerk und Sammlung, Ostfildern-Ruit 1997.
    • Bd.2: Claus Pese: Mehr als nur Kunst. Das Archiv für Bildende Kunst im Germanischen Nationalmuseum, Ostfildern-Ruit 1998.
    • Bd.3: Ursula Peters: Moderne Zeiten. Die Sammlung zum 20. Jahrhundert, in Zusammenarbeit mit Andrea Legde, Nürnberg 2000.
    • Bd.4: Petra Krutisch: Aus aller Herren Länder. Weltausstellungen seit 1851, Nürnberg 2001.
    • Bd.5: Anette Scherer (Red.): Mäzene, Schenker, Stifter. Das Germanische Nationalmuseum und seine Sammlungen, Nürnberg 2002.
    • Bd.6: Arnulf v. Ulmann (Hg.): Anti-Aging. Restaurieren – Umgang mit den Spuren der Zeit, Nürnberg 2004.
    • Bd.7: Jasmin Doosry: Käufliche Gefühle. Freundschafts- und Glückwunschbillets des Biedermeier, Nürnberg 2004.
    • Bd.8: Daniel Hess: Mit Milchbrei und Rute. Familie, Schule und Bildung in der Reformationszeit, mit Beiträgen von Max Liedtke, Manfred Prenzel und Werner Röcke, Nürnberg 2005.
    • Bd.9: Heidi A. Müller: Ein Idealhaushalt im Miniaturformat. Die Nürnberger Puppenhäuser des 17. Jahrhunderts, Nürnberg 2006.
  • KulturGUT. Aus der Forschung des Germanischen Nationalmuseums, erscheint ab April 2004 vierteljährlich; auch online als PDF[7].

Aktuelle Bestandskataloge und Publikationen zu den Schausammlungen (Auswahl)

  • Kurt Löcher: Die Gemälde des 16. Jahrhunderts. Mitarbeit von Carola Gries, technologische Befunde von Anna Bartl und Magdalene Gärtner, Ostfildern 1997.
  • Andreas Tacke: Die Gemälde des 17. Jahrhunderts im Germanischen Nationalmuseum, Mainz 1995.
  • Claudia Maué: Die Bildwerke des 17. und 18. Jahrhunderts im Germanischen Nationalmuseum:
    • Teil 1: Franken, Mainz 1997.
    • Teil 2: Bayern, Österreich, Italien, Spanien, Mainz 2005.
  • Jutta Zander-Seidel: Kleiderwechsel. Frauen-, Männer- und Kinderkleidung des 18. bis 20. Jahrhunderts, Nürnberg 2002 (= Die Schausammlungen des Germanischen Nationalmuseums, Bd. 1).
  • Jutta Zander-Seidel, Daniel Hess, Frank Matthias Kammel, Ralf Schürer u.a: Mittelalter. Kunst und Kultur von der Spätantike bis zum 15. Jahrhundert, Nürnberg 2006 (= Die Schausammlungen des Germanischen Nationalmuseums, Band 2).

Spezialarbeiten zur Sammlungsgeschichte

  • Dietrich Hakelberg: Adliges Herkommen und bürgerliche Nationalgeschichte. Hans von Aufseß und die Vorgeschichte des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, in: Zur Geschichte der Gleichung „germanisch-deutsch“, hg. von Heinrich Beck u. a. (RGA Ergbd. 34), Berlin/NY 2004, S. 523–576 [nicht eingesehen].
  • Birgit Jooss: Das Deutsche Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum. In: Kunstchronik. Monatsschrift für Kunstwissenschaft, Museumswesen und Denkmalpflege. Hrsg. vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Bd. 61, München 2008, Heft 7, S. 346-347

siehe auch

Weblinks

Quellen

  1. http://www.gnm.de/faq.html (eingesehen 2007-01-03); 2003 wurden 1,2 Mio. angegeben.
  2. http://www.gnm.de/vorschau.php (eingesehen 08.03.2008).
  3. Jörn Bahns, Die Museumsbauten von der Übernahme der Kartause im Jahre 1857 bis gegen 1910, in: Deneke/Kahsnitz (Hg.) 1978, 357ff., hier 358ff.
  4. http://www.gnm.de/bibliothek.html (eingesehen 2007-01-01)
  5. http://forschung.gnm.de/htm/htm3/p022.html (eingesehen 2007-01-01)
  6. http://forschung.gnm.de/htm/htm3/p021.html (eingesehen 2007-01-01)
  7. http://forschung.gnm.de/htm/htm3/p022.html (eingesehen 2007-01-01)

49.44824444444411.0754888888897Koordinaten: 49° 26′ 54″ N, 11° 4′ 32″ O


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