Gerhard Kienbaum

Gerhard Kienbaum

Gerhard Kienbaum (* 12. Oktober 1919 in Barmen; † 24. Februar 1998 in Köln) war Deutschlands erster Unternehmensberater. Zudem war er in der Politik auf kommunaler, Landes- und Bundesebene tätig (FDP, CDU). Kienbaum wurde während des Zweiten Weltkriegs in der Marine zum Ingenieur-Offizier ausgebildet und studierte Maschinen- und Kriegsschiffbau an der Technischen Hochschule Danzig.

Inhaltsverzeichnis

Kienbaum als Kind und Jugendlicher

Am 12. Oktober 1919 wurde Gerhard Kienbaum in Barmen als Kind von Walter und Frieda Bertha (geb. Kämpfer) geboren. Walter Kienbaum erhielt von seiner damaligen Firma, einer Barmer Bandweberei, das Angebot, in Brasilien eine Dependance zu errichten, und nahm es an. Wie viele Deutsche brachen Walter und Frieda Bertha mit dem damals vierjährigen Gerhard und dem zweijährigen Bruder Horst ins Ausland auf. Weil Horst an Malaria erkrankte und sich die Erledigungen der Einreiseformalitäten in die Länge zogen, konnte Walter Kienbaum seinen Job nicht rechtzeitig antreten.

Die Familie beschloss, nach Deutschland zurückzukehren, und zog in das Elternhaus von Walter nach Gummersbach. 1926 wurde Gerhard Kienbaum in die evangelische Volksschule eingeschult. Als guter Schüler entdeckte er bald seine Sympathie für die Fächer Geschichte, Mathematik und Erdkunde. 1930 wechselte er auf die Oberrealschule. Als Jugendlicher widmete Kienbaum dem Sport viel Zeit: Neben dem traditionellen Mannschaftssportarten betrieb er diverse Leichtathletik-Disziplinen. Beim Radfahren versuchte er sein Fernweh zu stillen. Nach dem Abitur wurde Kienbaum zum Reichsarbeitsdienst eingezogen.[1]

Der Historiker Hans-Ulrich Wehler ist ein Vetter Kienbaums.[2]

Kienbaum als Kadett und Studierender

Weil Kienbaum eine Ingenieurlaufbahn einschlagen wollte, das Geld seiner Eltern für ein Studium jedoch nicht reichte, bewarb er sich für eine Baubeamtenlaufbahn. Am 1. Oktober 1938 trat er seinen Dienst in der Marine an, im Februar 1939 wurde er nach Flensburg an die Marineschule Mürwik verlegt. Anschließend ging es für den jungen Kadetten mit dem Schulschiff „Schleswig-Holstein“ zur See. Am 1. September 1939 befand sich Gerhard Kienbaum auf der „Schleswig-Holstein“, als sie mit ihren Schüssen auf die polnische Westerplatte bei Danzig den Zweiten Weltkrieg eröffnete. Im Oktober begann er an der Technischen Hochschule Danzig sein Ingenieurstudium. Schon damals handelte Kienbaum in der Rolle eines Geschäftsmannes, knüpfte vielerorts Kontakte und präsentierte kleinere Erfindungen.

Nach dem Studium arbeitete Kienbaum hauptamtlich als Assistent am Lehrstuhl für Werkzeugmaschinenbau und für Betriebswirtschaft an der Technischen Hochschule Danzig. Zu Kriegszeiten lernte er Lore Schwarzer kennen, die im Städtischen Krankenhaus zu Danzig eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester absolviert hatte. Anfang 1944 wurden sie ein Paar. Noch im selben Jahr verlobten sie sich und heirateten in Lores Heimatort Wintzingerode. Später entschlossen sie sich, nach Gummersbach zu ziehen. Kienbaum nahm eine Ingenieurstelle bei der Papierfabrik Zander an, überlegte jedoch schon damals, sich selbstständig zu machen.[1]

Kienbaum als Unternehmer

Am 15. Oktober 1945 gründete Gerhard Kienbaum im Alter von 26 Jahren die Unternehmensberatung Kienbaum – die Geburtsstunde der Unternehmensberatung in Deutschland. Gerade aus dem Krieg heimgekehrt, zog er mit Fahrrad und Schreibmaschine los. In der Anfangszeit beriet er mittelständische Unternehmen im Oberbergischen Land bei technischen und kaufmännischen Problemen. Erster Auftraggeber für Kienbaum war eine Firma aus Engelskirchen. Dort war der Heizkessel im letzten Kriegswinter durch Frost geborsten. Kienbaum analysierte die Lage und fand schnell Lösung und Fachmann – drei Tage später war die Arbeit erfolgreich abgeschlossen. Schon in den 1950er und 1960er Jahren richtete Kienbaum sein Beratungsunternehmen international aus: Rund um den Globus war er in der Entwicklungshilfe tätig und zählte Persönlichkeiten wie Aga Khan zu seinen Kunden.

Durch den Ausbau zu einer Firmengruppe für Planung, Beratung und Betriebsführung in allen Bereichen der Wirtschaft, des Verkehrs und der Agrarwirtschaft sowie der integrierten Regionalentwicklung erreichte das Unternehmen Kienbaum innerhalb von zehn Jahren eine Spitzenstellung in Deutschland. Die Unternehmensgruppe Kienbaum & Partner leitete Gerhard Kienbaum bis 1988 und blieb bis 1992 Gesellschafter und Vorsitzender des Beirats der Firma. Heute steht sein Sohn Jochen Kienbaum an der Unternehmensspitze. Außerdem war er Mitglied im Aufsichtsrat der Kali und Salz AG und gehörte 1975 bis 1986 dem Präsidium und Vorstand der deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz an.

Kienbaum als Politiker

Seit 1948 Mitglied der FDP, war Kienbaum von 1952 bis 1969 Kreistagsabgeordneter im Oberbergischen Kreis und zwischen 1954 und 1969 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Von Juli 1962 bis Dezember 1966 amtierte er als Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr in der CDU-geführten Landesregierung unter Ministerpräsident Meyers. Nach dem Ausscheiden aus dem Kabinett war er von 1969 bis 1972 Mitglied des Deutschen Bundestags und dort Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft. Nach seinem Austritt aus der FDP im Zuge des gescheiterten Misstrauensvotums gegen Bundeskanzler Willy Brandt schloss er sich 1975 der CDU an.

Gerhard und Lore Kienbaum Stiftung

Zusammen mit seiner Ehefrau Lore Kienbaum gründete er 1994 die „Gerhard und Lore Kienbaum Stiftung“. Die Stiftung widmet sich der Förderung des Standorts Deutschland und nimmt sich ökonomischer und sozialer Zukunftsfragen, mit einem starken Fokus auf Bildung und Nachwuchs, an. Als Vorsitzender des Kuratoriums engagiert sich Jochen Kienbaum für die von seinem Vater gegründete Stiftung. Zu den Themen Globalisierung, Internationalisierung und Mittelstand veranstaltet sie Kongresse und gibt Bücher heraus.

Schriften

Gedruckte Quellen und Literatur

  • Die Kabinettsprotokolle der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen 1966 bis 1970 (Sechste Wahlperiode) (Veröffentlichungen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen 8), hrsg. von Christoph Nonn, Wilfried Reininghaus und Wolf-Rüdiger Schleidgen, eingel. u. bearb. von Andreas Pilger, Siegburg 2006, ISBN 3-87710-361-8

Weblinks

Belege

  1. a b "Am Anfang war der Rat".
  2. Interview in der Weltwoche vom 17. September 2008.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kienbaum Consultants International — Rechtsform GmbH Gründung 15. Oktober 1945 …   Deutsch Wikipedia

  • Kienbaum Consultants International — Création 15 octobre 1945 Fondateurs Gerhard Kienbaum Forme juridique SARL (GmbH) …   Wikipédia en Français

  • Kienbaum (Begriffsklärung) — Kienbaum steht für: die Unternehmensberatung Kienbaum einen Ortsteil der Gemeinde Grünheide (Mark) im Landkreis Oder Spree in Brandenburg Kienbaum ist der Familienname folgender Personen: Gerhard Kienbaum (1919–1998), Unternehmensberater und… …   Deutsch Wikipedia

  • Kienbaum — steht für: Kienbaum Consultants International, eine Unternehmensberatung einen Ortsteil der Gemeinde Grünheide (Mark) im Landkreis Oder Spree in Brandenburg Bundesleistungszentrum Kienbaum im oben genannten Ortsteil Kienbaum ist der Familienname… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Ki — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Abgeordnete des 5. Landtags von Nordrhein-Westfalen — Die Abgeordneten des nordrhein westfälischen Landtags in der 5. Wahlperiode vom 23. Juli 1962 bis zum 23. Juli 1966 Parlaments und Fraktionsvorsitzende Landtagspräsident: Wilhelm Johnen (CDU), ab 19. April 1966 Josef Hermann Dufhues (CDU)… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Söhne und Töchter der Stadt Wuppertal — Die Liste der Söhne und Töchter der Stadt Wuppertal enthält eine Übersicht bedeutender, im heutigen Wuppertal geborener Persönlichkeiten, chronologisch aufgelistet nach dem Geburtsjahr. Ob die Personen ihren späteren Wirkungskreis in Wuppertal… …   Deutsch Wikipedia

  • Söhne und Töchter der Stadt Wuppertal — Die Liste der Söhne und Töchter der Stadt Wuppertal enthält eine Übersicht bedeutender, im heutigen Wuppertal geborener Persönlichkeiten, chronologisch aufgelistet nach dem Geburtsjahr. Ob die Personen ihren späteren Wirkungskreis in Wuppertal… …   Deutsch Wikipedia

  • Abgeordnete des 4. Landtags von Nordrhein-Westfalen — Die Abgeordneten des nordrhein westfälischen Landtags in der 4. Wahlperiode vom 21. Juli 1958 bis zum 20. Juli 1962 Parlaments und Fraktionsvorsitzende Landtagspräsident: Josef Gockeln (CDU), ab 13. Januar 1959 Wilhelm Johnen Fraktionsvorsitzende …   Deutsch Wikipedia

  • Artikel 115 h Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland — In einer parlamentarischen Demokratie bezeichnet man als Misstrauensvotum einen mehrheitlichen Parlamentsbeschluss, der die Regierung, den Regierungschef oder einen bestimmten Minister absetzt, wenn die Verfassung es entsprechend regelt. Ein… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”