Gereke

Gereke

Günther Gereke (* 6. Oktober 1893 auf dem Rittergut Gruna bei Delitzsch; † 1. Mai 1970 in Neuenhagen bei Berlin) war ein deutscher Jurist und Politiker (DNVP, CNBL, später CDU, GB/BHE).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Weimarer Republik

Gereke studierte nach dem Abitur ab 1912 Rechts- und Staatswissenschaften sowie Nationalökonomie an den Universitäten Leipzig, München, Würzburg und Halle-Wittenberg. Bei Ausbruch des Weltkriegs meldete er sich freiwillig und wurde mehrfach schwer verwundet. Die Erste juristische Staatsprüfung legte er 1915 vor dem Oberlandesgericht Naumburg ab. Nachdem er 1916 in Würzburg sowohl zum Doktor der Rechte als auch zum Doktor der politischen Wissenschaften promoviert worden war, absolvierte er 1918 in Berlin die Große juristische Staatsprüfung. Anschließend schlug er eine Verwaltungslaufbahn ein.

Ab 1919 war Gereke Landrat des Kreises Torgau; im selben Jahr wurde er Abgeordneter für die DNVP im Provinziallandtag der Provinz Sachsen. 1921 war er „wegen seiner nationalen völkischen Gessinung“[1] an die Regierung Hannover, wo er bis 1923 als Regierungsrat tätig war. Er schied aus dem Dienst, um das Familiengut in Pressel-Winkelmühle in der Dübener Heide zu bewirtschaften. Er gründete den preußischen Landgemeindeverbund, der später zum gesamtdeutschen Landgemeindeverbund mit seinem Vorsitz (bis 1933) wurde.[2] Der Landgemeindeverbund war seinerzeit ein Gegengewicht gegen den Deutschen Städtetag unter dessen Vorsitzenden Konrad Adenauer. Des weiteren wurde er zum Vorsitzenden des Kreislandbundes und zum Bezirksvorsitzenden der östlichen Landbünde der Provinz Sachsen gewählt und folgte einem Ruf an die Landwirtschaftliche Hochschule Berlin, wo er über Staats-, Verwaltungs- und Genossenschaftsrecht las. Nebenbei betätigte er sich im Stahlhelm-Bund sowie im Wehrwolf, für den er zum Gauvorsitzenden im Elbe-Estergau gewählt wurde.

Von Mai 1924 bis 1928 war er Mitglied des Reichstages für die DNVP, die er 1929 verließ. Anschließend war er an der Gründung der Christlich-Nationale Bauern- und Landvolkpartei (CNBL) beteiligt, zu derem stellvertretendem Vorsitzenden im Reich er gewählt wurde. Zudem wurde er Präsident des Deutschen Landgemeindetags und zum Bevollmächtigten zum Reichsrat für die Provinz Sachsen sowie stellvertretendes Mitglied des Preußischen Staatsrates und Mitglied des Reichswirtschaftsrates.

Als stellvertretender Vorsitzender vertrat er die CNBL von 1930 bis 1932 im Reichstag. 1932 war er Vorsitzender des überparteilichen Ausschusses zur Unterstützung der Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten. Darüber hinaus war er Mitglied des Provinziallandtages der preußischen Provinz Sachsen. Unter Reichskanzler Heinrich Brüning war er Staatskommissar für öffentliche Arbeiten. Dabei war er federführend an den Plänen für Arbeitsbeschaffungsprogrammen beteiligt, die in der NS-Zeit aufgegriffen wurden. Im Kabinett Schleicher wurde Günther Gereke Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung und Ostsiedlungskommissar und behielt dieses Amt auch bis Anfang 1933 über den Regierungswechsel hinaus.

NS-Zeit

Im März 1933 wurde er wegen einer angeblich 1932 begangenen Unterschlagung im Amt inhaftiert und in einem Schauprozess angeklagt, 1936 wurde er erneut verhaftet. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 kam er bis 1945 zum dritten Mal in Haft.

Nachkriegszeit

Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur wurde er 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht zum Präsidialdirektor bei der Provinzialregierung von Sachsen-Anhalt und Leiter der Innenabteilung ernannt. Im Sommer 1946 übersiedelte er in einem britischen Militärfahrzeug in Offiziersuniform nach Celle. Dort trat er der CDU bei, wurde zum Kreisvorsitzenden und später zum Vorsitzenden des CDU-Landesverbandes Hannover gewählt. 1946/47 war er Mitglied des ersten, noch von der Besatzungsmacht ernannten Landtages von Niedersachsen. Am 9. Dezember 1946 wurde er zum Innenminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten von Niedersachsen ernannt. Am 12. Februar 1947 wurde er von diesem Amt beurlaubt und am 11. April 1947 entlassen. Vom 9. Juni 1948 bis zum 21. Juni 1950 amtierte er als niedersächsischer Landwirtschaftsminister.

Schon 1946 hatte Adenauer Bedenken gegen die Wahl Gerekes geäußert, weil dieser 1932 in eine Unterschlagungsaffäre verwickelt gewesen sein sollte. Anfang 1949 kam es dann zu Auseinandersetzungen und zum Zerwürfnis zwischen Adenauer und Gereke, weil dieser öffentlich die Politik der CDU/CSU im Parlamentarischen Rat kritisierte und nach den Bundestagswahlen eine Große Koalition forderte. Gereke lehnte die Westintegration als Hemmnis für eine Wiedervereinigung strikt ab und bezeichnete die Bundesregierung öffentlich als „Spalteregierung“.[3]

Anfang 1950 fuhr Gereke ohne Absprache mit politischen Freunden nach Ost-Berlin und konferierte im „Gesamtdeutschen Arbeitskreis für Land- und Forstwirtschaft“ mit Walter Ulbricht über die Lieferung von Konserven. Daraufhin wurde er auf Intervention Adenauers im Juni 1950 aus Landesregierung , Partei und Landtagsfraktion ausgeschlossen. Er blieb zunächst fraktionslos, schloss sich am 5. Oktober 1950 als Abgeordneter dem BHE an, verließ die Partei jedoch wieder, um einem Ausschluss zuvorzukommen. Im November 1950 gründete er die Deutsche Soziale Partei (DSP). Bei der niedersächsischen Landtagswahl 1951 errang die DSP 1,1 % und einen Sitz, den er bis zum 26. Februar 1952 als Mitglied der Fraktion der Unabhängigen (FdU) innehatte.

Im verdeckten Auftrag des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen startete im Mai 1951 der Volksbund für Frieden und Freiheit unter seinem Vorsitzenden Jürgen Hahn-Butry eine Verleumdungskampagne gegen Gereke mit Plakaten und Flugblättern: „Wer Gereke wählt, wählt Moskau“ oder„Ostagent Gereke“. Dieser wehrte sich mit einer Klage gegen Jürgen Hahn-Butry; Hahn-Butry wurde am 5. April 1952 vom Landgericht Hannover zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, ging aber in Revision. Das Bundeskabinett unter Vorsitz von Bundeskanzler Adenauer interessierte sich für die weitere Entwicklung und ließ sich berichten, so auf der Sitzung am 22. April 1952. Die Hahn-Butry entstandenen Prozesskosten wurden aus dem Geheimetat des Bundeskanzlers, dem sogenannten „Reptilienfonds“, erstattet. Am 2. August 1954 wurde das Verfahren gegen Hahn-Butry ohne abschließendes Urteil eingestellt.[4]

Am 26. Juli 1952 siedelte Gereke in die DDR über. Er begründete seinen Übertritt mit unüberbrückbaren Differenzen zur Bonner Politik und einer Kampagne des Volksbunds für Frieden und Freiheit, namentlich durch Jürgen Hahn-Butry und Eberhard Taubert, die nicht vor seiner physischen Vernichtung zurückschrecken würden, so Gereke auf einer Pressekonferenz des DDR-Informationsamtes in Ost-Berlin. In der DDR wurde er propagandistisch gegen die Bundesrepublik und seinen Intimfeind Adenauer tätig. Er wurde Mitglied der Blockpartei CDU und saß für diese im Präsidium des Nationalrates der Nationalen Front der DDR. Er war Vorsitzender des Bezirksausschusses der Nationalen Front in Bezirk Frankfurt (Oder). Außerdem widmete er sich der Pferdezucht.

Schriften

  • Ich war königlich-preußischer Landrat. Union-Verlag, Berlin 1970.

Siehe auch

Literatur

  • Winterhager, Friedrich: Günther Gereke. Ein Minister im Spannungsfeld des Kalten Krieges. Ludwigsfelde, 2. Aufl. 2003.
  • Winterhager, Friedrich: „Günther Gereke - der erste Innenminister Niedersachsens - ein Wanderer zwischen den politischen Welten“. 1996 (Zeitschriftenaufsatz in Juristische Zeitgeschichte. Jahrbuch, Bd. 1, 2000, S. 356–368)
  • Friedel: Der Volksbund für Frieden und Freiheit, ISBN 3-89796-054-0
  • Der Spiegel, 10. August 1950: „Günter Gereke - Auf Kurs gegen Adenauer“
  • Der Spiegel, 1. November 1950: „Gereke. Aus dem Rezeptbuch“

Einzelnachweise

  1. So die Einträge in den Handbüchern des Reichstags für die 2. und 3. Wahlperiode. Im biographischen Eintrag für die 5. Wahlperiode fehlt diese Begründung.
  2. http://www.kossa-sachsen.de/index.php?fra=pressel.htm
  3. Friedel: Der Volksbund für Frieden und Freiheit, Seiten 130–138, siehe Literatur
  4. Friedel: Der Volksbund für Frieden und Freiheit, Seiten 130–138, siehe Literatur

Weblinks



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