Georges Méliès

Georges Méliès
Georges Méliès (ca. 1890)

Georges Méliès (* 8. Dezember 1861 in Paris; † 21. Januar 1938 ebenda) war ein französischer Illusionist, Theaterbesitzer und Filmregisseur. Er zählt zu den Pionieren der Filmgeschichte und gilt als Erfinder des „narrativen Films“ und der Stop-Motion-Filmtechnik.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit und Jugend

Marie-Georges-Jean Méliès wurde am 8. Dezember 1861 als dritter Sohn des wohlhabenden Schuhfabrikanten Jean-Louis-Stanislas Méliès und dessen Frau Johannah Catherine Schuering in Paris geboren.[1] Mit sieben Jahren wurde er im Lycée du Prince Imperial eingeschult und während des Deutsch-Französischen-Krieges 1870 in das Lycée Louis-Le-Grand umgeschult, wo er 1880 sein Baccalauréat erwarb. Bereits zu dieser Zeit zeigte sich sein künstlerisches Talent. Vom November 1881 bis November 1882 leistete er Militärdienst. Er hoffte anschließend die École des Beaux-Arts besuchen zu dürfen, was ihm sein Vater jedoch untersagte. Um sich auf die Arbeit in der väterlichen Manufaktur vorzubereiten und seine Englischkenntnisse zu verbessern, wurde er 1884 für ein Jahr von seinen Eltern nach London geschickt, wo er für einen Geschäftsfreund seines Vaters arbeitete. Da seine Sprachkenntnisse noch nicht genügten, Vorstellungen im Sprechtheater zu verstehen, besuchte er hier regelmäßig die magischen Vorstellungen in der Egyptian Hall von John Nevil Maskelyne und entwickelte eine große Leidenschaft für die Zauberkunst.

Am Théâtre Robert-Houdin

Nach seiner Rückkehr 1885 nach Paris trat Méliès als Aufseher über die Maschinen in den väterlichen Betrieb ein. Er entwickelte dabei technisches Geschick, das er neben seiner Arbeit beim Nachbau einiger Automaten des Zauberkünstlers Jean Eugène Robert-Houdin verfeinerte. Er begann zu dieser Zeit ebenfalls, magische Tricks einzuüben, und absolvierte erste Auftritte im Musée Grévin und der Galerie Vivienne. Noch 1885 heiratete er seine erste Frau Eugénin (geb. Genin). Sein Vater zog sich 1888 aus der Arbeit in der Manufaktur zurück und ermöglichte Méliès, seinen Erbanteil daran an seine beiden älteren Brüder zu verkaufen. Von diesem Geld kaufte Méliès das Théâtre Robert-Houdin.

Die Geschäfte am Theater gestalteten sich gerade zu Beginn sehr schwierig. Bis 1898 erzielte Méliès mit ihm keinen Gewinn. Das Programm bestand aus Zaubervorstellungen, kurzen Féerien, Pantomimen und der Vorführung einiger Automaten, die Méliès zusammen mit dem Theater erworben hatte. In den Vorstellungen traten auch bekanntere Zauberkünstler dieser Zeit auf, darunter Buatier de Kolta, der Zwerg La Fée Mab, Duppery und Legris. Zum festen Ensemble des Theaters gehörte ebenfalls Jeanne d'Alcy, die später in vielen von Méliès' Filmen spielte und seine zweite Frau wurde. Méliès selbst trat nur selten auf.

Karriere als Filmproduzent

Am 28. Dezember 1895 wohnte Méliès einer der ersten Vorführungen eines Kinematographen der Brüder Lumière bei. Der Kauf eines solchen wurde ihm jedoch mit der Begründung verwehrt, dass der wirtschaftliche Erfolg dieser Erfindung unklar sei und die Lumières sie selbst verwerten wollen, solange noch ein Interesse des Publikums an ihr bestehe. Méliès reiste daraufhin nach England, wo er von Robert W. Paul einen Projektor, einige Filme von Edison und unbelichtete Negative kaufte. Ab dem April 1896 zeigte Méliès Filme von Edison und Paul am Théâtre Robert-Houdin. Er kaufte bald einen weiteren Projektor und baute den von Paul in eine Kamera um.[2] Zusammen mit zwei Geschäftspartnern, Lucien Reulos und Lucien Korsten, patentierte er im September 1896 einen eigenen "Méliès-Reulos Kinétographe".

Im Sommer dieses Jahres drehte Méliès seinen ersten Film mit dem Titel Partie de cartes, der einem gleichnamige Film der Lumières stark ähnelte. Anschließend filmte er zuerst nur kurze Aufnahmen von alltäglichen Szenen, ergänzte sein Repertoire aber bald auch um inszenierte Szenen, den sogenannten scènes composées. Seine Filme zeigte er nicht nur im Théâtre Robert-Houdin, sondern vertrieb sie ebenfalls an Jahrmarktskünstler, die sie zusammen mit anderen Attraktionen vorführten.

Ende 1896 begann er mit dem Bau eines Filmstudios – neben Edisons Black Maria eines der ersten der Welt – auf dem Grundstück seiner Familie in Montreuil und eröffnete es Anfang 1897. Hier entstanden von nun ab fast alle seiner Filme. Das Studio glich in seinen Maßen dem Théâtre Robert-Houdin und wie dessen Bühne war auch seine mit Falltüren und anderen Mechanismen ausgestattet, um Bühnenillusionen zu erzeugen. Die Wände und das Dach waren wie bei einem Fotoatelier aus Glas gefertigt, um eine ausreichende Beleuchtung der Bühne zu gewährleisten. Bewegliche Jalousinen erlaubten es, den Lichteinfall zu beeinflussen. Im Jahre 1905 erweiterte Méliès sein Filmstudio um ein weiteres, das er direkt daneben baute.

1897 gründete Méliès seine Produktionsfirma Star Film, mit der er bis 1912 über 500 Filme drehte. Zu Beginn war er mit ihnen wirtschaftlich relativ erfolgreich, doch schon bald wurde er von der Konkurrenz und Raubkopierern bedroht. Um in Amerika seine Filme besser vertreiben und seine Rechte wahren zu können, eröffnete die Star Film 1903 in New York ein Büro, das von Méliès' Bruder Gaston Méliès geleitet wurde. In Frankreich erwuchs ihm insbesondere mit der Produktionsfirma Pathé ein starker Konkurrent. Als sich im Jahr 1909 deren Vertriebssystem durchsetzte, bei dem die Filme nicht mehr verkauft, sondern verliehen wurden, waren Méliès' teuer produzierten den günstigen, schnell und industriell gefertigten Filmen wirtschaftlich nicht mehr gewachsen. Ab 1911 konnte er eigene Filme nur noch im Auftrag der Pathé produzieren, ab 1912 kam seine Filmproduktion vollends zum Erliegen.

Nach der Filmkarriere

Während des ersten Weltkrieges trat Méliès als Varietékünstler auf und verlor sein gesamtes Vermögen. 1925 heiratete er seine zweite Frau Jehanne d'Alcy (Fanny Manieux), Eugénin war bereits 1913 gestorben, und betrieb mit ihr bis 1932 einen Spielzeugladen in der Metrostation Montparnasse, den sie kurz zuvor erworben hatte. Als Filmschaffender war er zu dieser Zeit vergessen, bis 1929 einige seiner Werke auftauchten und Filmjournalisten wieder über ihn berichteten. 1931 bekam er das Kreuz der Ehrenlegion verliehen, das ihm von Louis Lumière angehängt wurde. Ab 1932 ermöglichten andere Filmschaffende ihm und seiner Frau den Aufenthalt in einer Altersresidenz in Orly. Hier starb er am 21. Januar 1938.

Werk

Das Werk von Georges Méliès zeichnet sich durch eine große Vielfalt, Phantasie und technisches Geschick aus. Die mehr als 500 Filme, die er zwischen 1896 und 1912 drehte – knapp 250 sind noch heute erhalten – stammen aus verschiedenen Genres. Sein bekanntester Film ist wahrscheinlich Voyage dans la lune (Die Reise zum Mond), mit dem er 1902 in Anlehnung an den gleichnamigen Roman von Jules Verne den ersten Science-Fiction Film schuf. Neben solchen bekannten Féerien, drehte er allerdings auch kurze dokumentarische Aufnahmen ähnlich den Brüdern Lumière, nachgestellte Ereignisse der Zeitgeschichte und kurze Trickfilme.

Üblicherweise wird Méliès die Erfindung des Stoptricks zugesprochen. Dass er diesen entdeckte, als er während einer Aufnahme auf dem Place de l'Opera filmte und seine Kamera stockte, muss aber wahrscheinlich als Legende betrachtet werden. Mit Hilfe des Stopptricks dreht er viele Filme, die an Zauberkunststücke erinnern, wie sie im Théâtre Robert-Houdin gezeigt werden. Neben ihm bediente er sich auch anderer filmischer Tricks wie Doppelbelichtungen und Modellaufnahmen.

Einen wichtigen Platz in seinem Schaffen nehmen die actualitées reconstituées ein, in denen er Ereignisse der Zeitgeschichte nachstellte. Unter anderem filmte er eine zwölfteilige Reihe über die Dreyfus-Affäre (L'Affaire Dreyfus (1899)) und inszenierte 1902 die Krönung Eduard VII., bevor diese überhaupt stattfand.

Da Méliès massive finanzielle Probleme hatte und keine Geldgeber für seine Filmprojekte fand, musste er die Negative der meisten Filme als Rohmaterial an die Schuhindustrie verkaufen, wodurch diese vernichtet wurden. Daher sind viele seiner über 500 Filme verloren.

Einige Ausschnitte seines Films Die Reise zum Mond sind im Musikvideo zu Heaven for everyone von Queen aus dem Jahr 1995 zu sehen. [3]

Filmgeschichtliche Einordnung

Die filmgeschichtliche Einordnung von Méliès' Werken gestaltet sich schwierig. Klassischerweise unterscheidet diese Méliès' inszenierte Stücke von den dokumentarischen der Lumières und sieht hierin den wichtigsten Gegensatz im frühen Film. Diese Unterscheidung wird heute jedoch nicht mehr so scharf gezogen, da auch Méliès zu Beginn hauptsächlich dokumentarisch filmte und die Lumière ebenfalls kurze Szenen inszenierten. Eine weitere Unterscheidung wird häufig zwischen den primitiven frühen Filmen, wie denen von Méliès, und dem späteren, elaborierten Kino nach D. W. Griffith vorgenommen. Méliès' Filme stehen hierbei als Beispiele für ein „primitives“ Kino, das noch keine filmische Sprache mit Schnitten und unterschiedlichen Aufnahmegrößen kennt. Auch diese Unterscheidung wurde in den letzten Jahren häufig abgelehnt und statt ihrer gefordert, das frühe Kino nicht mit den Begriffen des späteren narrativen zu analysieren, sondern es als ein „Kino der Attraktionen“[4] zu betrachten, das eigenen ästhetischen Regeln folgt.

Filme (Auswahl)

Einzelnachweise

  1. Die Darstellung von Méliès’ Leben basiert hauptsächlich auf: Elisabeth Ezra: Georges Méliès: The Birth of the Auteur. Manchester University Press, Manchester, 2000. S. 6-23.
  2. Nach eigenen Angaben hatte er seine erste Kamera selbstständig entworfen und erbaut. Dies ist allerdings dem jüngsten Stand der Forschung zufolge unwahrscheinlich. Vgl. Laurent Mannoni: "1896, Les premières appareils cinématopgraphiques de Georges Méliès". In: Fondation Électricité de France (Hrsg.), Cinémathèque française (Hrsg.), Cinémathèque Méliès (Hrsg.): Méliès: Magie et cinéma. Paris musées, Paris 2002. S. 118-133.
  3. http://www.moviereporter.net/specials/68/kolumne_die_geschichte_des_kinos_und_wohin_die_reise_noch_geht__teil_1.html
  4. Vgl. Tom Gunning: "The Cinema of Attraction: Early Films, Its Spectator and the Avant-Garde". In: Wide Angle, Bd. 8, Nr. 3 / 4, 1986, S. 63 - 70.

Literatur

  • Michaela Fries: Bon Voyage, Monsieur Méliès! Die Wechselbeziehung der Künste in der Belle Époque, überprüft anhand der Ausstattung von Georges Méliès Le voyage dans la lune. Diplomarbeit an der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, 2008 (Online-Version)
  • Georges Sadoul: Georges Méliès. Éditions Seghers, Paris 1961.
  • Maurice Bessy, Lo Duca: Georges Méliès. Pauvert, Paris 1961.
  • Jacques Deslandes: Le Boulevard du Cinéma à l'Epoque de Georges Méliès. Les Éditions des Cerf, Paris, 1963.
  • Paul Hammond: Marvellous Méliès. Gordon Fraser Gallery, London 1973.
  • John Frazer: Artificially Arranged Scenes: The Films of Georges Méliès. G. K. Hall, Boston (MA) 1979.
  • Pierre Jenn: Georges Méliès cinéaste: Le montage cinématographique chez Georges Méliès. Éditions Albatros, Paris 1984.
  • Autorenkollektiv: Georges Méliès. Magier der Filmkunst. KINtop, Band 2. Stroemfeld/Roter Stern, Basel und Frankfurt am Main 1993, 207 S., ISBN 3-87877-782-5
  • Elisabeth Ezra: Georges Méliès: The Birth of the Auteur. Manchester University Press, Manchester, 2000. ISBN 0-7190-5396-X
  • Fondation Électricité de France (Hrsg.), Cinémathèque française (Hrsg.), Cinémathèque Méliès (Hrsg.): Méliès: Magie et cinéma. Paris musées, Paris 2002.
  • Laurent Mannoni (Hrsg.), Jacques Malthête (Hrsg.): L'oeuvre de Georges Méliès. Éditions de la Martinière / La Cinématheque française, Paris 2008. ISBN 978-2-7324-3732-3

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Georges Méliès – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Georges Méliès — Born Marie Georges Jean Méliès December 8, 1861(1861 12 08) Paris, France Died Januar …   Wikipedia

  • Georges Melies — Georges Méliès (* 8. Dezember 1861 in Paris; † 21. Januar 1938 ebenda) war ein französischer Illusionist, Theaterbesitzer und Filmregisseur. Er zählt zu den Pionieren der Filmgeschichte und gilt als Erfinder des „narrativen Films“ und der Stop… …   Deutsch Wikipedia

  • Georges Melies — Georges Méliès Georges Méliès Georges Méliès Nom de naissance Marie Georges Jean Méliès Naissance 8 décembre 1861 …   Wikipédia en Français

  • Georges Meliès — Georges Méliès Georges Méliès Georges Méliès Nom de naissance Marie Georges Jean Méliès Naissance 8 décembre 1861 …   Wikipédia en Français

  • Georges Mélies — Georges Méliès Georges Méliès Georges Méliès Nom de naissance Marie Georges Jean Méliès Naissance 8 décembre 1861 …   Wikipédia en Français

  • Georges Méliès — Nombre Marie Georges Jean Méliès …   Wikipedia Español

  • Georges Méliès — Cet article concerne le réalisateur français. Pour la salle de cinéma à Montreuil, voir Georges Méliès (salle de cinéma). Georges Méliès …   Wikipédia en Français

  • Georges Melies (salle de cinema) — Georges Méliès (salle de cinéma) Cinéma Georges Méliès Lieu Montreuil (Seine Saint Denis) Inauguration 1987 Nombre de salles 3 Capacité 500 Direction Stéphane Goudet Le cinéma Georges Méliès est le cinéma municipal de la v …   Wikipédia en Français

  • Georges méliès (salle de cinéma) — Cinéma Georges Méliès Lieu Montreuil (Seine Saint Denis) Inauguration 1987 Nombre de salles 3 Capacité 500 Direction Stéphane Goudet Le cinéma Georges Méliès est le cinéma municipal de la v …   Wikipédia en Français

  • Georges Méliès (salle de cinéma) — Cinéma Georges Méliès Lieu Montreuil (Seine Saint Denis) Coordonnées …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”