George Szell

George Szell
George Szell, 5. Januar 1954
Fotografie von Carl van Vechten, aus der Van Vechten Collection der Library of Congress

George Szell (eigentlich György Széll, * 7. Juni 1897 in Budapest; † 30. Juli 1970 in Cleveland, Ohio) war ein US-amerikanischer Dirigent ungarischer Abstammung, Pianist und auch Komponist.

Inhaltsverzeichnis

Künstlerischer Werdegang

George Szell begann sehr früh mit seiner musikalischen Laufbahn. Bereits 1908, also mit elf Jahren, gab er seinen ersten öffentlichen Auftritt als Pianist. In Wien vertiefte er sein Wissen in Musiktheorie und Komposition.

Als Siebzehnjähriger leitete er selbst die Aufführung einer eigenen Komposition durch die Berliner Philharmoniker. Richard Strauss holte ihn als Korrepetitor an die Berliner Oper (1914–1917). Anschließend wurde Szell als Nachfolger Otto Klemperers Chefdirigent der Straßburger Philharmoniker (1917–1919). Es folgten Stationen beim Deutschen Theater in Prag (1919–1921), in Darmstadt (1921–1922) und in Düsseldorf (1922–1924), bevor er als Erster Kapellmeister an die Staatsoper Berlin engagiert wurde (1924–1929). Gleichzeitig leitete er das Rundfunk-Symphonieorchester Berlin und unterrichtete an der Berliner Hochschule für Musik (1927–1930) und machte auch Aufnahmen mit den Wiener Philharmonikern.

1939 kehrte Szell als Generalmusikdirektor und Opernchef nach Prag zurück. 1936–1939 übernahm er die Leitung des Scottish National Orchestras und 1937–1939 gleichzeitig das Residenzorchester von Den Haag. In den Jahren 1940–1942 spielte er als Pianist mit Paul Hindemith und Rudolf Serkin als Partnern auch Kammermusik. 1940 dirigierte er erstmals die New York Philharmonic. Von 1942 bis 1946 arbeitete Szell regelmäßig an der Met und von 1943 bis 1956 mit den New Yorker Philharmonikern. 1946 übernahm er als Chefdirigent das Cleveland Orchestra, das er bis zu seinem Tode 1970 leitete und zu einem der besten Orchester der Welt formte.

Mit diesem Orchester nahm er hauptsächlich für Epic Records fast das komplette Standard-Repertoire der klassischen Musik auf, erreichte dabei aber fast nie die Verkaufszahlen von Leonard Bernstein, der mit den New Yorker Philharmonikern für Columbia Records und damit für denselben Mutterkonzern (CBS) aufnahm. Der CBS-Geschäftsleitung wird in diesem Zusammenhang das Wortspiel „Szell never sells“ („Szell verkauft sich nicht“) zugeschrieben. Dagegen spricht, dass CBS ihn die großen Klassiker massenweise einspielen ließ, u. a. alle Beethoven-Sinfonien und Konzerte (mit Leon Fleisher, ein zweites Mal für EMI mit Gilels am Klavier), alle Brahms-Sinfonien und die Konzerte (mit Leon Fleisher sowie auch hier ein zweites Mal mit Serkin am Klavier, Oistrach und Rostropowitsch an der Violine und am Cello), die Dvorak-Sinfonien 7–9, alle Schumann-Sinfonien (in eigener Bearbeitung), die „Unvollendete“ und die „Große“ von Schubert, Haydn und viele Werke von Mozart (Sinfonien 28, 33, 35, 39, 40 & 41, Posthornserenade, "Eine kleine Nachmusik" u.a.).

Nach dem Zweiten Weltkrieg war er häufig Gast der Salzburger Festspiele, wo er 1954 Penelope, 1957 die Die Schule der Frauen von Rolf Liebermann und 1955 die Irische Legende von Werner Egk zur Uraufführung brachte. Aber auch hier konzertierte er v. a. mit den österreichischen Klassikern wie Haydn, Mozart und Beethoven. So sah er sich selbst als einen der größten Beethoven-Interpreten seiner Zeit.

Zu Beginn der Saison 1969/1970 wurde er Music Advisor des New York Philharmonic Orchestra.

Zusammenarbeit mit anderen Künstlern

In den 1950er und 1960er Jahren konzertierte er häufig mit dem Cellisten Pierre Fournier, mit dem er auch das Dvorak-Cellokonzert mit den Berliner Philharmonikern aufnahm. Vor seiner Erkrankung spielte auch der amerikanische Pianist Leon Fleisher seine Konzertaufnahmen mit Szell ein, darunter die Beethoven- und Brahms-Konzerte, die Konzerte von Grieg und Schumann und auch Werke von Rachmaninov und Mozart. Der bekannte amerikanische Dirigent James Levine, der spätere Leiter der Met, der Münchner Philharmoniker und des Boston Symphony Orchestra, war in den 1960er Jahren Gehilfe bei George Szell und seinem Clevelander Orchester. Auch der Chor-Dirigent und spätere Leiter des Atlanta Symphony Orchestra, Robert Shaw, wurde zuerst durch seine Leitung des Chors des Clevelander Orchesters bekannt.

Szell als Komponist

Neben seinen eigenen Kompositionen bearbeitete er auch bekannte Werke der klassischen Musik: Diese spielte er auf Platte ein, so u. a. Smetanas Streichquartett „Aus meinem Leben“ und seine Bearbeitung der vier Sinfonien von Schumann. Sein erster Kontakt mit den Berliner Philharmonikern (s. o.) war im Alter von 17 Jahren, als diese eine seiner Kompositionen unter seiner Leitung spielten. Er schrieb eine Sinfonie in Es-Dur, eine Quintett in D-Dur, eine Rondo für Klavier und andere Werke.

Die Wiederentdeckung

Seit dem Jahre 1990 wurden viele Aufnahmen von Szell durch Sony BMG Music Entertainment, das Teile von CBS übernahm, durch die Reihe „Essentials Classics“ digital remastered zu recht günstigem Preis (ca. 5 Euro) der jüngeren Generation zugänglich gemacht und sorgten für eine Wiederentdeckung Szells durch die jüngere Generation. Weitere Aufnahmen von Szell findet man bei Phillips mit dem Koninklijk Concertgebouworkest, bei Decca mit seinem Clevelander Orchester und mit dem London Symphony Orchestra.

Bewertung seiner Leistungen

Szell war der Dirigent, der nach Eugene Ormandy am längsten im 20. Jahrhundert eines der amerikanischen „Big Five“-Orchester leitete, und der aus dem Cleveland Orchester erst ein Orchester von Weltruhm machte. Neben Solti, Ormandy, Dorati und Reiner war er Teil der „hungarian connection“, welche die amerikanischen Orchester ab der Mitte des 20. Jahrhunderts auf ein Niveau brachte, das dem der europäischen Orchester ebenbürtig war, in spieltechnischer Hinsicht vielleicht sogar überlegen.

Seine Probenarbeit war gefürchtet. Bekannt geworden ist sein Satz: „The Cleveland Orchestra gives seven concerts a week and the public is invited to two.“ (Das Cleveland Orchestra gibt sieben Konzerte pro Woche, das Publikum ist [nur] zu zweien eingeladen). So eilte ihm der Ruf voraus, als Dirigent mit sich und seinen Musikern unerbittlich streng umzugehen. Seine autoritäre Art wurde nicht von allen Orchestern akzeptiert, führte aber nicht selten zu herausragenden Ergebnissen. Sofern sich diese seiner Meinung nach nicht einstellten, untersagte er die Veröffentlichung der Aufnahme, so geschehen bei einer Aufnahme der 4. Sinfonie von Tschaikovsky mit dem London Symphony Orchestra, die erst Jahre nach seinem Tod erschien, und als eine der besten dieses Werkes gilt.

Hörbeispiele

  • [1] Mozart: Die Entführung aus dem Serail 1. Akt
  • [2] Mozart: Die Entführung aus dem Serail 2. Akt
  • [3] Mozart: Die Entführung aus dem Serail 3. Akt

Erika Köth (Constanze), Lisa Otto (Blonde), Rudolf Schock (Belmonte), Murray Dickie (Pedrillo), Kurt Böhme (Osmin), Hannsgeorg Laubenthal (Pasha Selim), Chor der Wiener Staatsoper, Wiener Philharmoniker, George Szell

Anekdoten

Szell war nicht nur für seine autoritäre Art gefürchtet.

Rudolf Bing, der langjährige Leiter der Metropolitan Opera, meinte auf Szells Aussage hin, dass er (Szell) sich selbst sein (Szells) größter Feind sei: „Nicht, solange ich lebe“.

Berühmt geworden ist auch seine Reaktion auf die euphorische Besprechung (in den Zeitungen) der Leistungen seines Solo-Hornisten Myron Bloom anlässlich einiger Konzerte. Als er diesen danach im Fahrstuhl traf, fragt er nur kurz, ob er diesen einmal berühren dürfe. Bloom sagte Jahre später: „Klarer konnte man es nicht ausdrücken.“

Eine weitere typische Anekdote ist aus dem Jahr 1957 überliefert. In Cleveland wurde Beethovens 2. Klavierkonzert geprobt, Solist war Glenn Gould. Dieser reiste nie ohne seinen eigenen Klavierstuhl, der durch eine Federmechanik sehr sensibel auf Goulds Bewegungen reagierte. Scheinbar schraubte Gould während der Probe an seinem Stuhl herum, was Szell zu der Aussage veranlasste: „Wenn Sie vielleicht ein Sechzehntel Inch von Ihrem Allerwertesten abkratzen, Mr. Gould, könnten wir endlich mit dieser Probe fortfahren.“ Da Glenn Gloud den Satz nach eigener Aussage nicht wahrnahm, kam es zu keinerlei Zerwürfnis. Die Erinnerungen, wie deftig Szell Goulds Hintern titulierte, gehen auseinander.

(Quelle u.a.: Lexikon der Interpreten klassischer Musik im 20. Jahrhundert von Alain Paris dtv/Bärenreiter)

(Aus: Kevin Bazzana: Glenn Gould, Die Biographie. Schott, 2003)

Weblinks

 Commons: George Szell – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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