George Frost Kennan

George Frost Kennan
George F. Kennan, 1940er

George Frost Kennan (* 16. Februar 1904 in Milwaukee, Wisconsin; † 17. März 2005 in Princeton, New Jersey) war Historiker und einer der bedeutendsten Diplomaten der USA. Sein Name ist verbunden mit dem Marshallplan sowie der Containment-Politik in der Zeit des Kalten Krieges.

Er studierte in Princeton und später in Berlin. Zwischen 1926 und 1961 arbeitete er für den US-amerikanischen diplomatischen Dienst, u.a. in Moskau, Berlin, Prag, Lissabon und London. Von 1947-1949 war George F. Kennan im Außenministeriums als Planungschef tätig.

1957 erhielt er den Pulitzerpreis, 1982 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. George F. Kennan war Mitglied des Orden Pour le mérite für Wissenschaft und Künste.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit, Jugend und Studium (1904–1926)

Kennans Mutter starb kurz nach seiner Geburt. Als Kind besuchte er die Internatsschule St. John's Northwestern Military Academy in Delafield, Wisconsin. 1912 verbringt Kennan mit seiner Stiefmutter sechs Monate in Kassel, dem damaligen Urlaubsort Kaiser Wilhelms II. Zwischen 1921 und 1925 studiert er in Princeton u.a. bei Raymond Sontag und Joseph C. Green. In diesem Jahr besteht er die Aufnahmeprüfung für den Auswärtigen Dienst. Den Sommer 1926 verbringt er in Heidelberg, Berlin und Bansin, liest Johann Wolfgang von Goethe und Oswald Spengler, um besser deutsch zu lernen.

Erster Abschnitt im Diplomatischen Dienst (1926–1928)

Kennan verbringt sieben Monate an der Foreign Service School in Washington, D.C. und wird dann nach Genf und Hamburg versetzt. Kennan beschließt, seine Bildung zu vervollkommnen. Er will zunächst aus dem Diplomatischen Dienst ausscheiden und wieder zurück an die Universität.

Ausbildung zum Russlandspezialisten (1928–1931)

1928 bietet das State Department Beamten, die bereit sind, sich zu Fachleuten für Arabisch, Russisch, Chinesisch oder Japanisch ausbilden zu lassen, eine dreijährige Rückkehr an die Universität an: Kennan nutzt – wie auch Chip Bohlen - diese Chance: Zunächst wird er ins Baltikum versetzt, das bis kurz zuvor zum Machtbereich Russlands gehört hatte. Dort war er als Vizekonsul in Tallinn tätig, wo er Privatunterricht in Russisch nahm. Zum Wintersemester 1929/30 schrieb er sich an der Universität Berlin ein. Bereits nach einem Jahr erwirbt er das Übersetzer-Diplom im Seminar für Orientalische Studien. 1930/31 studierte er Russische Geschichte an der Universität in Berlin. Dort lernt er auch die Norwegerin Annelise Soerensen kennen, die er im September im norwegischen Kristiansand heiratet.

Riga (1931–1933)

Von Herbst 1931 bis Herbst 1933 arbeitet Kennan in Riga im Russlandreferat. Er wird dort zu einem Fachmann für Wirtschaftsfragen.

Moskau (1933–1937)

Ab Winter 1933 arbeitet Kennan in Moskau. Nach dem Mord an Sergei Mironowitsch Kirow beginnt Stalins Große Säuberung mit ihren Denunziationen und den Moskauer Prozessen. Mit einer Unterbrechung von fast einem Jahr wegen Krankheit - Kennan wird nach Wien gebracht und arbeitet nach seiner Gesundung kurze Zeit unter George Messersmith - ist er wieder in Moskau und berichtet über die Prozesse. Die Machthaber versuchen gezielt, ausländische Beobachter zu hindern, zu Sowjetbürgern Kontakte zu pflegen. Die Diplomaten behelfen sich damit, im Theater, bei Sportveranstaltungen und auf Ausflügen in die Umgebung der Hauptstadt Eindrücke zu sammeln. Während in den USA die Politik des Isolationismus unter Präsident Franklin D. Roosevelt herrscht, wird Kennan zu einem scharfen Kritiker einer möglichen Zusammenarbeit zwischen USA und UdSSR. Kennans Zeit in Moskau endet, als 1937 Joseph E. Davies zum neuen Botschafter der USA ernannt wird, der Stalin gegenüber weit weniger kritisch eingestellt ist.

Washington (1937–1939)

1937 wird die seit 1924 bestehende Russland-Abteilung des Außenministeriums aufgelöst und in die Westeuropa-Abteilung integriert. Kennan sieht darin eine Abwertung der Tätigkeit der amerikanischen Russlandkenner und der von ihm in Moskau geleisteten Arbeit und zugleich den Ausdruck des Desinteresses des offiziellen Washington gegenüber der riesigen Sowjetunion. 1938-1939 verbringt Kennan als Referatsleiter Russland im Außenministerium; das Referat besteht aus einer Person.

Prag (1939)

Kurz vor Kriegsbeginn wird Kennan nach Prag versetzt. In der architektonisch schönen Residenz des Botschafters auf der Prager Kleinseite (tschech. mala strana), dem Palais Schönborn, muss er erleben, wie deutsche Truppen die Tschechoslowakei auflösen und wie machtlos die internationale Staatengemeinschaft und auch sein Land dabei sind. Im März 1939 wird die amerikanische Botschaft offiziell aufgegeben. Kennan bleibt auf Anordnung des Außenministeriums allein noch ein halbes Jahr und schreibt Bericht für Bericht.

Berlin und Internierung (1939–1942)

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges arbeitet Kennan an der Botschaft in Berlin. Die große Verantwortung für Juden und andere, die Deutschland verlassen wollen oder müssen, empfinden die Mitarbeiter der Botschaft als Zerreißprobe. Die Vertretung ist unterbesetzt, sie besitzt nicht einmal einen Wagen. In der Not kauft der Geschäftsträger Alexander C. Kirk aus eigenem Geld ein Auto. Kennan empfindet die Stimmung in der Hauptstadt als der Nazi-Diktatur gegenüber weniger engagiert als im übrigen Deutschland. Ab 1940 wird Kennan die Aufgabe übertragen, zu Helmuth James Graf von Moltke Kontakt zu halten, einem Vertreter des militärischen Widerstands, der gelegentlich so mutig ist, tagsüber in die Botschaft zu kommen. Vier Tage nach Pearl Harbor schreit Außenminister Joachim von Ribbentrop dem Geschäftsträger im Auswärtigen Amt die Kriegserklärung ins Gesicht; die Mitarbeiter der Botschaft müssen in der Nacht ihre Wohnungen auflösen und sich mit je zwei Stück Handgepäck von der Gestapo zu Gefangenen erklären lassen.

Fünfeinhalb Monate lang sind 130 Diplomaten und Journalisten in einem ehemaligen Hotel in Bad Nauheim interniert und Kennan trägt Verantwortung für sie; man hat Probleme mit Hunger und Kälte. Kennan muss regelmäßig Beschwerden über das Essen entgegennehmen und an die deutschen Verantwortlichen weiterleiten; die Amerikaner erhalten die Rationen der deutschen Zivilbevölkerung und wünschen sich, wie Kriegsgefangene verpflegt zu werden. Am Ende werden die Amerikaner in zwei Sonderzügen nach Lissabon gebracht und gegen eine Gruppe Deutscher ausgetauscht.

Lissabon (1942–1943)

Kennan verbringt dort die Zeit von September 1942 bis Oktober 1943. Die Stadt ist von Kriegsflüchtlingen überschwemmt. Seine Aufgabe: Die im Zweiten Weltkrieg neutrale portugiesische Regierung unter Ministerpräsident Dr. António de Oliveira Salazar zu überzeugen, die Azoren als Zwischenstop für die amerikanische Armee zur Verfügung zu stellen. Große Mengen von Flugzeugen für die Landung in der Normandie (Operation Overlord) sollen dort zwischenlanden. Zur gleichen Zeit finden Geheimverhandlungen zwischen Großbritannien und Portugal zum selben Thema statt und kommen zu einem positiven Ergebnis. Kennan gelingt es, Präsident Franklin D. Roosevelt in einem Vieraugengespräch zu überzeugen, dass Salazar ein Entgegenkommen für die Zeit nach der Nutzung der Militärbasen erwartet. Kennan übergibt einen persönlichen Brief des Präsidenten an Salazar und erreicht dessen Zusammenarbeit. Kennans Vorgesetzte im Außenministerium sind über sein eigenmächtiges Handeln entsetzt; er wird aus Lissabon abgezogen.

London (1944)

Kennan wird Botschaftsrat und politischer Berater des Botschafters in London. Die Alliierten hatten beschlossen, eine Europäische Beratende Kommission zu schaffen (Moskauer Konferenz vom Oktober 1943); die Engländer – unter Sir William Strang wollen weitgehende Kompetenzen für dieses Gremium, der amerikanische Außenminister Cordell Hull will das nicht; die Generäle sollen das Sagen haben. Man plant für die bevorstehende Niederlage Deutschlands: Es geht um Kapitulationsbedingungen und Besatzungszonen. Großbritannien macht einen Vorschlag, zu dem weder der sowjetische noch der amerikanische Vertreter eine Alternative anzubieten haben und so nimmt man ihn an.

Moskau (1944–1945)

Kennan arbeitet unter Botschafter Averell Harriman als Gesandter in Moskau; er ist für die gesamte zivile Abteilung zuständig. Er leidet darunter, dass amerikanische Diplomaten trotz des gemeinsamen Krieges in Europa als gefährliche Feinde behandelt werden. An Wochenenden fährt Kennan beispielsweise im völlig überfüllten Vorortzug aufs Land, um alte Kirchen zu zeichnen und sich selbst ein Bild vom Leben der Zivilbevölkerung zu machen.

Er erlebt den Besuch der polnischen Exilregierung in London unter Stanisław Mikołajczyk mit. Seine Einschätzung der sowjetischen Position gegenüber Polen ist, dass man dort keinen eigenen Weg des Landes in der Nachkriegszeit erlauben werde; man wolle unbedingt einen Vasallen aus dem Land machen.

Er rät auch Harry Hopkins dazu, die Sowjetunion in diesem Sinne nicht zu unterstützen. 1944 finden die Gespräche von Dumbarton Oaks statt, um die Vereinten Nationen zu gründen. Kennan kritisiert die amerikanische Position als Legalismus und den falschen Glauben, einen status quo erhalten zu können. Im Winter 1944/45 erleben die Diplomaten alle paar Tage Kanonendonner und Feuerwerke, wenn irgendwo an der langen russischen Front ein Sieg zu feiern ist. Kennan muss erleben, wie überall auf dem Balkan die neu eingesetzten provisorischen Regierungen von der Sowjetunion dominiert werden. 1946 entwirft Kennan sein berühmtes „langes Telegramm“. Es beantwortet die Frage des Finanzministeriums, wieso die Sowjetunion sich weigere, die neu gegründete Weltbank zu unterstützen. Er antwortet mit 5.300 Wörtern in fünf Abschnitten und stellt dar, wie er die Grundzüge des sowjetischen Verhaltens seit Kriegsende sieht. Kennan schreibt, es gebe keinen modus vivendi mit der UdSSR. Das offizielle Washington diskutiert über diese Äußerung, da nun auch vielen anderen klar wird, dass man sich auf Stalin als treuen Bundesgenossen nicht wird verlassen können. Später veröffentlicht Kennan sein Telegramm unter dem Pseudonym „X” in der Zeitschrift Foreign Affairs und erzielt damit eine deutliche Breitenwirkung.

Washington (1946–1950)

Kennan wird an die neu gegründete Nationale Kriegsakademie versetzt. Er plant und leitet die außenpolitischen Kurse und hält darüber hinaus Vorträge für das Außenministerium im ganzen Land. Er erhält Einladungen an die Universitäten von Yale und Princeton.

Am 12. März 1947 wird die so genannte Truman-Doktrin verkündet, die beinhaltet, dass die USA den „freien” Völkern der Welt – hier gemeint Griechenland und die Türkei – Unterstützung zur Verfügung stellen solle. Kennan bereitet das Papier des Außenministeriums mit vor, protestiert später aber gegen die dem Präsidenten vorgelegte Rede, weil sie ihm zu bombastisch formuliert erscheint. Kennan legt vor der Kriegsakademie dar, was er für sinnvoll hält: Eine Hilfe für Griechenland liegt innerhalb der wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten der USA; eine günstige Entwicklung über das Land hinaus ist zu erwarten; würden die USA nicht handeln, könnte der Gegner außergewöhnlich leichte Erfolge erringen.

Am 28. April 1947 kommt General Marshall voller Zorn aus Europa zurück; er will verhindern, dass Europa „vor die Hunde” gehe. Kennan wird zum Chef des Planungsstabes (policy planning staff, PPS) ernannt. Am 5. Juni 1947 stellt der Außenminister seinen Plan für einen Wiederaufbau Europas (European Recovery Program, ERP oder auch Marshallplan) bei einer Rede an der Harvard University vor. Dazwischen liegen wenige Wochen, in denen Kennan die Aufgabe hat, einen Plan zu skizzieren, was man für Europa tun könne. Marshall ermahnt ihn mit den Worten: „Meiden Sie Belangloses!”. In wenigen Tagen sucht Kennan sich ein Team aus Mitarbeitern (u. a. Joseph Jones, Charles Hatwell Bonesteel III, Jacques Reinstein), und präsentiert am 23. Mai 1947 folgendes Modell: 1) Die europäischen Länder sollen sich einigen, wo die Schwerpunkte liegen sollen, die USA unterstützen sie dann darin, 2) der europäische Steinkohlebergbau ist zu fördern, 3) das Programm soll so angelegt sein, dass dem amerikanischen Steuerzahler klar wird, dass es für lange Zeit die letzte Hilfsmaßnahme für Europa sein wird, 4) eine spätere Rückzahlung in fast allen Fällen wird gefordert.

Kennans Rolle für die Truman-Doktrin

Anfang Januar 1947 hält Kennan einen Vortrag vor der Gesellschaft für Auswärtige Politik (engl. Council on Foreign Relations). Hamilton Fish Armstrong, Chefredakteur der Zeitschrift Foreign Affairs, fragt ihn nach dem Manuskript, aber Kennan hat frei gesprochen. Es existiert aber eine andere Aufzeichnung, die für den Marineminister Forrestal bestimmt war. Dieser gibt seine Zustimmung und auch das Auswärtige Amt stimmt einer Veröffentlichung routinemäßig zu. Ende Juni erscheint der Aufsatz ohne Nennung eines Verfassers (Mr. X.). Als Arthur Krock in der New York Times Vermutungen über den wahren Verfasser des „X-Artikels” anstellt, spricht sich in der Hauptstadt herum, dass es Kennan ist, der Chef des Planungsstabes. Für Presse und Öffentlichkeit wird der Begriff der „Eindämmung” (engl. containment, aber nicht der Rückschlag mit allen militärischen Mitteln = counterstrike) zum Kern der kurz zuvor veröffentlichten Truman-Doktrin. Kennan kommt es vor, als habe er ungewollt eine Lawine ausgelöst, und auch George C. Marshall ist entsetzt. Die Weltöffentlichkeit geht nun von der Annahme aus, die USA wollten die UdSSR zurückdrängen. Das eine Missverständnis ist also, dass die USA militärische Kräfte für eine Eindämmung einsetzen könnten; das andere liegt darin, die USA fühlten sich weltweit durch die UdSSR vital bedroht. Kennan geht es im Gegenteil um die innere Lage der UdSSR: Er glaubt, wenn die USA nur geduldig genug seien, werde der Zeitpunkt kommen, wo sich die Truppen der Roten Armee aus Polen, Tschechien u. a. zurückzögen und zugleich die USA auch aus Westeuropa.

Empfehlungen für das Nachkriegsjapan

Kennan sieht auch in Japan großen Handlungsbedarf. Wie in Deutschland befindet sich dort ein großes industrielles Zentrum und das einzige potentielle Rüstungsarsenal des Fernen Ostens. Auch dort tragen die USA Verantwortung als Konsequenz aus der Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation (engl. unconditional surrender); fast 90.000 Angehörige des US-Militärs sind dort eingesetzt; über Hunderttausend Japaner arbeiten für sie; ein Drittel des Staatshaushalts verschlingen die Besatzungskosten; 700.000 Personen befinden sich in der Überprüfung (ein Verfahren entsprechend der Entnazifizierung in Deutschland).

Kennan meint, dass die Möglichkeiten einer Steuerung der Entwicklung durch Washington sehr gering seien, da der US-Militärbefehlshaber (Supreme Commander Allied Powers, SCAP), General of the Army Douglas MacArthur dort de facto allein regiert. Die Situation im Sommer 1947: Abschluss der Entmilitarisierung; Beginn der Reparationen; MacArthur befürwortet den Abschluss eines Friedensvertrages. Kennan kämpft dagegen, das Land in diesem Zustand sich selbst zu überlassen. Am 14. Oktober 1947 legt Kennan einen Vorschlag vor und der Minister entscheidet, dass Kennan nach Japan reisen solle; dies geschieht im Februar/März 1948. Kennan befürwortet den Wiederaufbau einer gewissen japanischen Stärke, die es vor einer denkbaren russischen Invasion schützt und auch einen Wiederaufbau seiner Industrie.

Die Situation: MacArthur und Marshall sind persönlich verfeindet; die Ostasienabteilung des Ministeriums bezweifelt jede Chance auf den Erfolg der Mission; im Verteidigungsministerium herrscht Angst vor MacArthur und es stellt Kennan einen eigenen Vertreter zur Seite, General Cortlandt van Rensselaer Schuyler. Die Verhandlungen mit MacArthur gelingen jedoch gut und Kennan legt dem Minister seine Empfehlungen vor: Ermutigung zur Eigenverantwortlichkeit für die japanische Regierung; wirtschaftlicher Wiederaufbau; Auslaufen der Säuberungen; Senkung der Kosten der Besatzung; schnelle Entscheidungen über Eigentumsfragen. Ende 1948 sind die meisten Vorschläge vom Präsidenten gebilligt und in Befehle an SCAP umgesetzt.

Gründung der NATO

Kennan erlebt während seiner Zeit in Washington die Gründung der NATO mit. Anfang 1948 beraten die Außenminister des Vereinigten Königreiches und Frankreichs über die politischen und militärischen Strukturen in Europa und der britische Außenminister Ernest Bevin lässt die USA am 13. Januar wissen, man wolle gemeinsam mit den Benelux-Staaten handeln. Frankreich steht unter zweifachem Druck: Es ist von durch Kommunisten mitorganisierten Streiks betroffen; gleichzeitig sieht man in Paris mit Besorgnis, dass die USA im Rahmen des Marshallplans die deutsche Industrie wieder aufbauen wollen. Am 22. Januar fordert Bevin die Gründung einer Westeuropäischen Union; schon am 16. März wird die Brüsseler Union gegründet und Präsident Truman sichert ihr seine Unterstützung zu. Am 11. Juni verabschiedet der Senat die sogenannte Vandenberg-Resolution, die besagte, dass jedes europäische Land für die Zusage der USA, es zu verteidigen, auch zusagen müsse, die USA zu verteidigen. Kennan befürchtet, nun werde es zu einem multilateralen Bündnis-Vertrag kommen; er sieht darin keinen Sinn. Am 23. November legt er ein Memorandum vor, in dem er warnt, man dürfe den militärischen Fragen nicht zuviel Gewicht beimessen und solle keine Länder außerhalb des Nordatlantik (also weder Italien, Griechenland noch die Türkei) auffordern, dem entstehenden Bündnis beizutreten. Da das Verteidigungsministerium jedoch in allen drei Ländern Stützpunkte einrichten will, wird Kennans Standpunkt nicht übernommen.

Spätere Karriere

1952 wird er zum amerikanischen Botschafter in der Sowjetunion ernannt, im Oktober desselben Jahres jedoch zur persona non grata erklärt und abberufen. Er hatte die Sowjetunion mit Nazi-Deutschland verglichen.

1953 verlässt er den Staatsdienst und wird 1954 Professor in Princeton.

Zitate

“We must be very careful when we speak of exercising "leadership" in Asia. We are deceiving ourselves and others when we pretend to have answers to the problems, which agitate many of these Asiatic peoples. Furthermore, we have about 50% of the world's wealth but only 6.3 of its population. This disparity is particularly great as between ourselves and the peoples of Asia. In this situation, we cannot fail to be the object of envy and resentment. Our real task in the coming period is to devise a pattern of relationships, which will permit us to maintain this position of disparity without positive detriment to our national security. To do so we will have to dispense with all sentimentality and daydreaming; and our attention will have to be concentrated everywhere on our immediate national objectives. We need not deceive ourselves that we can afford today the luxury of altruism and world benefaction... In the face of this situation we would be better off to dispense now with a number of the concepts which have underlined our thinking with regard to the Far East. We should dispense with the aspiration to 'be liked' or to be regarded as the repository of a high-minded international altruism. We should stop putting ourselves in the position of being our brothers' keeper and refrain from offering moral and ideological advice. We should cease to talk about vague — and for the Far East — unreal objectives such as human rights, the raising of the living standards, and democratization. The day is not far off when we are going to have to deal in straight power concepts. The less we are hampered by idealistic slogans, the better.”

„Wir müssen sehr vorsichtig sein, von unserer "Führungsrolle" in Asien zu sprechen. Wir betrügen uns und andere, wenn wir vorgeben, eine Lösung für jene Probleme zu besitzen, die die meisten dieser asiatischen Menschen bewegen. Wir besitzen etwa 50 % des Reichtums dieser Welt, stellen aber nur 6,3 % seiner Bevölkerung. Dieser Unterschied ist im Verhältnis zwischen uns und den Völkern Asiens besonders groß. In einer solchen Situation kommen wir nicht umhin, Neid und Mißgunst auf uns zu lenken. Unsere eigentliche Aufgabe in der nächsten Zeit besteht darin, eine Form von Beziehungen zu finden, die es uns erlaubt, diese Wohlstandsunterschiede ohne ernsthafte Abstriche an unserer nationalen Sicherheit beizubehalten. Um das zu erreichen, werden wir auf alle Sentimentalitäten und Tagträumereien verzichten müssen; und wir werden unsere Aufmerksamkeit überall auf unsere ureigensten, nationalen Vorhaben konzentrieren müssen. Wir dürfen uns nicht vormachen, daß wir uns heute den Luxus von Altruismus und Weltbeglückung leisten könnten... [...] Wir sollten aufhören von vagen — und für den Fernen Osten — unrealistischen Zielen wie Menschenrechten, Anhebung von Lebensstandards und Demokratisierung zu reden. Der Tag ist nicht mehr fern, an dem unser Handeln von nüchternem Machtdenken geleitet sein muss. Je weniger wir dann von idealistischen Parolen behindert werden, desto besser.“

George Kennan: Chefplaner im US-Außenministerium, 1948

Schriften

  • American Diplomacy, 1900–1950 (1951), dt. Amerikas Außenpolitik, Zürich, Stuttgart, Wien (Europa-Verlag) 1952, ISBN B0000BK3OS
  • Russia, the Atom, and the West (1958), dt. Russland, der Westen und die Atomwaffe, Ullstein-TB. 1958, ISBN B0000BKOV
  • Russia and the West under Lenin and Stalin (1961)
  • Memoirs, 1925-1950 (1967), dt. Memoiren eines Diplomaten, München (dtv) 1971, ISBN 3-423-10096-6
  • From Prague after Munich: Diplomatic Papers, 1938-1940 (1968)
  • The Marquis de Custine & His „Russia in 1839” (1971)
  • Memoirs, 1950-1963 (1972), dt. Memoiren 1950-1963, Frankfurt (Goverts) 1973, ISBN 3-7740-0440-4
  • The Decline of Bismarck's European Order: Franco-Russian Relations, 1875-1890 (1979), dt. Bismarcks europäisches System in der Auflösung, Berlin (Propyläen) 1981, ISBN 3-549-07622-3
  • The Nuclear Delusion: Soviet-American Relations in the Atomic Age (1982)
  • The Fateful Alliance: France, Russia, and the Coming of the First World War (1984), dt. Die schicksalhafte Allianz, Köln 1990.
  • Sketches from a Life (1989), dt. Impressionen eines Lebens, Düsseldorf 1990.
  • Around the Cragged Hill: A Personal and Political Philosophy (1993)
  • At a Century's Ending: Reflections 1982-1995 (1996)
  • An American Family: The Kennans--The First Three Generations (2000)

Weblinks


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