George Boole

George Boole

George Boole [ˌdʒɔːdʒ ˈbuːl] (* 2. November 1815 in Lincoln, England; † 8. Dezember 1864 in Ballintemple, in der Grafschaft Cork, Irland) war ein englischer Mathematiker (Autodidakt), Logiker und Philosoph.

George Boole (um 1860)

Inhaltsverzeichnis

Leben

Boole war ursprünglich als Lehrer tätig. Auf Grund seiner wissenschaftlichen Arbeiten wurde er 1848 Mathematikprofessor am Queens College in Cork (Irland). George Boole ist der Vater der Schriftstellerin Ethel Lilian Voynich, die 1864 geboren wurde, und von Alicia Boole Stott (1860–1940), der es als Amateur-Mathematikerin ohne formale Vorbildung gelang, die regulären Polyeder in vier Dimensionen zu klassifizieren.

George Booles Haus, Bachelor's Quay, Cork City

Hauptwerk

Boole schuf in seiner Schrift The Mathematical Analysis of Logic von 1847 den ersten algebraischen Logikkalkül und begründete damit die moderne mathematische Logik, die sich von der traditionellen philosophischen Logik durch eine konsequente Formalisierung abhebt. Er formalisierte die klassische Logik und Aussagenlogik und entwickelte ein Entscheidungsverfahren für die wahren Formeln über eine disjunktive Normalform.[1] Boole nahm damit – da aus der Entscheidbarkeit der klassischen Logik ihre Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit folgt – schon gut 70 Jahre vor Hilberts Programm für ein zentrales Logikgebiet die Lösung der von David Hilbert gestellten Probleme vorweg. Aus Booles Logikkalkül wurden später die sogenannte boolesche Algebra und der boolesche Ring entwickelt.

Booles Originalkalkül

Boole benützte für seinen Logikkalkül die damals bekannte Algebra, die heute als Potenzreihen-Ring über dem Körper der reellen Zahlen präzisiert wird. In diese Algebra bettete er die klassische Logik ein, indem er die Konjunktion „x und y“ als Multiplikation xy und die Negation „nicht x“ als 1−x formalisierte. Es handelt sich dabei um eine echte Einbettung, in der nicht alle Terme einen logischen Sinn haben; für die logisch bedeutsamen Terme forderte er die Idempotenz xx=x, die in der Algebra nicht allgemein gilt, zum Beispiel nicht für die Addition x+y und negative Terme −x.

Boole entwarf seinen Kalkül primär als Klassenlogik, in dem 1 das Universum (die Allklasse) ist und die Unbestimmten x, y, z... Klassen repräsentieren. Innerhalb dieses Klassenkalküls stellte er dann die traditionelle Syllogistik dar. Die zwei grundlegenden Syllogistik-Prädikate repräsentierte er durch Gleichungen, nämlich „Alle x sind y“ durch x=xy und „Keine x sind y“ durch xy=0. Diese Gleichungen dienten ihm als Regeln, mit denen er die aristotelisch-scholastischen Syllogismen auf metalogischer Ebene herleitete.

Sekundär gebrauchte Boole seinen Kalkül auch als Aussagenlogik, in dem die Unbestimmten x, y, z... Aussagen repräsentieren. Die einschließende Disjunktion „x oder y“ formalisierte er durch den Term x+yxy und die ausschließende Disjunktion „entweder x oder y“ durch x−2(xy)+y und zwar über folgende algebraische Herleitung:

Die einschließende Disjunktion „x oder y“ definierte er als „nicht (nicht x und nicht y)“. Seine Einbettung liefert 1−(1−x)(1−y), ausmultipliziert und zusammengefasst entsteht x+yxy.
Die ausschließende Disjunktion „entweder x oder y“ definierte er als „(x oder y) und nicht (x und y)“. Seine Einbettung liefert (x+yxy)(1−xy), ausmultipliziert und zusammengefasst (mit der Idempotenz) entsteht x−2(xy)+y.

Mit Gleichungen erfasste er die Wahrheit und Falschheit von Aussagen, nämlich „x ist wahr“ durch x=1 und „x ist falsch“ durch x=0. Er benutzte hier also 0 und 1 als Wahrheitswerte. Sein logisches Entscheidungsverfahren über eine Normalform ergänzte er durch ein gleichwertiges semantisches Entscheidungsverfahren mit Modulen einer Funktion, das sind Wahrheitswert-Einsetzungen in boolesche Funktionen, die jedem belegten logischen Term einen Wahrheitswert zuordnen. Dieses Verfahren entspricht dem Entscheidungsverfahren mit Wahrheitstafeln, das zur Ermittlung von Tautologien dient.

Modifikationen von Booles Kalkül

Booles Originalkalkül lässt sich so modifizieren, dass keine logisch sinnlosen Terme mehr vorkommen, nämlich als Potenzreihenring über dem idempotenten Körper aus den Bits {0,1} mit Booles Idempotenzgesetz xx=x. Dabei entsteht ein sogenannter boolescher Ring, den Iwan Iwanowitsch Schegalkin 1927 einführte und dem Marshall Harvey Stone 1936 den Namen gab. In ihm kann man auf das Minuszeichen verzichten, da er selbstinvers ist und −x=x und x+x=0 gelten; dies macht die Addition synonym zur ausschließenden Disjunktion „entweder x oder y“. Boolesche Ringe sind rechnerisch elegant, weil hier die schulbekannten Rechenregeln gelten. Die zur Entscheidbarkeit einer Formel notwendige Normalform entsteht hier einfach durch distributives Ausmultiplizieren und Streichen doppelter Faktoren und Summanden mit xx=x und x+x=0.

Unter der booleschen Algebra wird heute nicht Booles originale Algebra verstanden, sondern der sogenannte boolesche Verband, der gleichwertig zum booleschen Ring ist, aber schon früher von Boole-Nachfolgern entwickelt wurde, besonders von Ernst Schröder 1877 und Giuseppe Peano 1888. Der boolesche Verband ist in der Aussagenlogik und Mengenlehre weit verbreitet und arbeitet mit der Konjunktion, Negation und einschließenden Disjunktion.

Anwendungen

In vielen Programmiersprachen sind Datentypen für logische Variablen – das heißt Variablen für Wahrheitswerte – nach Boole benannt, zum Beispiel boolean in Pascal und Java oder bool in C++.

Siehe auch: Boolesche Variablen, Boolescher Operator, Boolesches Retrieval, Boolesche Funktion

Ehrungen

Von der Royal Society wurde er 1844 mit der Royal Medal ausgezeichnet. 1857 wurde er zum Mitglied („Fellow“) der Royal Society gewählt.

Schriften

  • George Boole: The mathematical analysis of logic: being an essay towards a calculus of deductive reasoning, 1847
    • Aus dem Englischen übertragen, kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Tilman Bergt: Die mathematische Analyse der Logik. Hallescher Verlag 2001. pp 195. ISBN 3-929887-29-0
    • gekürzt und aus dem Englischen übertragen abgedruckt in Karel Berka, Lothar Kreiser: Logik-Texte. Kommentierte Auswahl zur Geschichte der modernen Logik, Berlin: Akademie 4. Aufl. 1986, Seite 25-28
  • George Boole: An Investigation of The Laws of Thought, London 1854.
    • George Boole: An Investigation of The Laws of Thought, New York: Dover 1958 ISBN 0-486-60028-9.

Literatur

  • James Gasser (Hrsg.): A Boole Anthology. Recent and Classical Studies in the Logic of George Boole, Kluwer Academic Publishers Dordrecht 2000, ISBN 0-7923-6380-9. Aktueller Forschungsstand
  • Marshall Harvey Stone: The Theory of Representations for Boolean Algebras. In: Transactions of the American Mathematical Society. Band 40. 1936, S. 37–111
  • Desmond MacHale: George Boole: His Life and Work. Boole Press, Dublin 1985
  • P. D. Barry (Hrsg.): George Boole: a miscellany. Cork 1969
  • R. Harley: George Boole: an essay, biographical and expository. London 1866
  • G. C. Smith: The Boole-De Morgan correspondence, 1842–1864. New York 1982

Weblinks

 Commons: George Boole – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. „[...] it is interesting to see that the methods Boole introduced can be applied in a mechanical fashion. In effect he has given what is now called a decision procedure“ (William und Martha Kneale: The Development of Logic. Oxford: Clarendon Press 1962, Taschenbuchausgabe 1984, ISBN 0-19-824773-7, Seite 240)

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