George-Kreis

George-Kreis

George-Kreis wird die Gruppe um den Dichter Stefan George genannt. Schon in den 1890er Jahren hatte sich eine lockere Gruppe um Georges Zeitschrift Blätter für die Kunst gebildet, die sich – allerdings mit nur wenigen personellen Kontinuitäten – etwa um die Jahrhundertwende zu einem festen Anhängerkreis Georges verdichtete. George war ihr Mittelpunkt und wurde als „Meister“ und charismatischer Führer von seinen Anhängern tief verehrt. In den 1910er und 1920er Jahren erreichte der Kreis über die geistes- und kulturgeschichtlichen Veröffentlichungen seiner Mitglieder sowie deren Lehrtätigkeit an deutschen Universitäten auch Einfluss auf die deutsche akademische Jugend. Mit Georges Tod im Dezember 1933 fand der eigentliche Kreis sein Ende, die ehemaligen Mitglieder perpetuierten den Mythos des Dichters aber noch bis in die Bundesrepublik hinein.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen und Genese

Stefan George, geboren 1868, veröffentlichte seit 1890 Gedichte, die sich zunächst vor allem am französischen Symbolismus orientierten. 1892 gründete er gemeinsam mit seinem Freund Carl August Klein die Zeitschrift Blätter für die Kunst. Zur Voraussetzung dafür, dass George junge Dichter in der Zeitschrift veröffentlichen ließ, wurde in der Folgezeit vor allem deren Bewunderung für seine eigenen Gedichte. Zu regelmäßigen Mitarbeitern wurden mit der Zeit der Belgier Paul Gérardy, der Pole Wacław Rolicz-Lieder, der Holländer Albert Verwey, wenig später auch etwa Karl Wolfskehl und Richard Perls. Sie ordneten sich George vor allem künstlerisch unter. Zu Georges Umkreis zählten um die Jahrhundertwende schließlich auch die Münchner Kosmiker Alfred Schuler und Ludwig Klages.

Zu einem ersten Wendepunkt wurde Georges Bekanntschaft mit dem jungen Friedrich Gundolf 1899. Mit ihm verband ihn nicht nur dessen künstlerische Bewunderung und ein intensiver intellektueller Austausch, sondern auch eine persönliche Liebe und, damit fast untrennbar verbunden, eine persönliche Unterordnung Gundolfs unter seinen Mentor. In der Folgezeit suchte sich George immer wieder neue Jünglinge, die er in seinen Bann zog. Um 1905 stießen Ernst Morwitz und Robert Boehringer dazu. Eine weitere Bekanntschaft war Maximilian Kronberger, den er 1902 in München kennenlernte. 1904 verstarb Kronberger im Alter von 16 Jahren an einer Krankheit. Dieses Ereignis stilisierte George von nun an zu einem der wichtigsten Mythen des Kreises: Der Junge wurde unter dem Namen „Maximin“ zu einem Gott erhoben, George widmete ihm zahlreiche Gedichte.

Der Maximin-Mythos wurde von nun an zu einem zentralen Identifikations- und Integrationsmerkmal des Kreises. Hiermit gelang es George auch, sich endgültig von den „Kosmikern“ Schuler und Klages abzusetzen und ein unabhängiges Projekt zu verwirklichen.[1]

Struktur

Der George-Kreis hatte keine klar benannte Struktur oder Definition seiner Mitglieder, sondern er entwickelte sich aus der Gruppe um die von George 1892–1919 herausgegebenen Blätter für die Kunst. Bestand die Gruppe zunächst aus einer Sammlung von Schülern um den Dichter, so wurde der George-Kreis im Laufe der Jahre zu einer Gruppierung elitär denkender junger Literaten. Zentrum, Heilsbringer und Bewerter war Stefan George mit seinen Publikationen. Eine wichtige Rolle spielte die gemeinsame Rezitation von Texten sowie eine kultische Verehrung: So erfuhr Maximilian Kronberger, der in jungem Alter an einer Meningitis gestorben war, durch George und den inneren Kreis eine intensive Ehrung.

Die Treffen des George-Kreises hatten einen rituell-kultischen Charakter und nur Ausgewählte durften teilnehmen. Als nach dem Ersten Weltkrieg der Kreis sechs seiner Mitglieder verloren hatte, lud Stefan George 1919 zum sogenannten Pfingsttreffen nach Heidelberg ein. In der vom 7. bis zum 9. Juni 1919 andauernden Klausur, zu der zwölf Jünger geladen waren, erfolgte auch die Aufnahme von Percy Gothein in den George-Kreis.

Mit dem Anwachsen der Organisation wurde die Gemeinschaft in weitere Kreise aufgeteilt, welche intern die Struktur des eigentlichen George-Kreises kopierten. Auffällig war eine männerbündische Konstante: Frauen hatten keinen Zugang zum inneren Kreis, und nur sehr wenige – meist Ehefrauen anderer Jünger – konnten sich am Rand der Gruppe behaupten. Nach der Machtübernahme im Januar 1933 und dem Tod Georges im Dezember 1933 haben Percy Gothein und Wolfgang Frommel zunächst noch in Deutschland und dann im Exil in Amsterdam die Tradition des George-Kreises im Castrum Peregrini zu erhalten versucht.

Ein Außenstehender der Schwabinger Bohème, Otto Julius Bierbaum machte sich bereits 1900 über die Verehrung Stefan Georges lustig „Feierlich sein ist alles! Sei dumm wie ein Thunfisch, temperamentlos wie eine Qualle, stier besessen wie ein narkotisierter Frosch, aber sei feierlich, und du wirst plötzlich Leute um dich sehen, die vor Bewunderung nicht mehr mäh sagen können“ (Otto Julius Bierbaum[2])

Inhalt

Inhaltlich versuchte George unter dem Titel eines Geheimen Deutschlands eine bündische Struktur mit klaren Hierarchien aufzubauen, die sich durch ästhetische Überlegenheit kennzeichnen und von der Realität abgrenzen sollte. Es ging ihm offenbar um eine mystisch fundierte, antimoderne Gesellschaft. Nach 1945 wurde das Geheime Deutschland mehrmals als ein mögliches Widerstandsmodell gegen den Nationalsozialismus bezeichnet. Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein: Im George-Kreis wird ein Fundus für die nationalsozialistische Ideologie vermutet. Aufgrund seiner Naturmystik, seiner Ablehnung der Zivilisation und seines elitären Gestus gehört der George-Kreis aber auch in den Einflussbereich der konservativen Revolution.

Mitglieder

Vom Kreis im engeren Sinn sind die wohl bekanntesten: Friedrich Gundolf, Friedrich Wolters, Robert Boehringer, Claus Graf Schenk von Stauffenberg und seine älteren Brüder Alexander und Berthold, Karl Wolfskehl, Max Kommerell, Henry von Heiseler, Edgar Salin, Ernst Kantorowicz und Percy Gothein. Ferner gehörten Paul Gerardy, Karl Gustav Vollmoeller, Alfred Schuler, Ludwig Thormaehlen, Oskar Kohnstamm und Ludwig Klages dazu.

Literatur

Weblinks

Anmerkungen

  1. So insbesondere Stefan Breuer, Ästhetischer Fundamentalismus. Stefan George und der deutsche Antimodernismus, Darmstadt 1995, ISBN 3534126769, S. 39–44.
  2. zitiert nach Bierbaums Steckbriefen von 1900, S. 122 in Aufbrüche, Seitenpfade, Abwege: Suchbewegungen und Subkulturen im 20. Jahrhundert ; Festschrift für Ulrich Linse, Autoren Ulrich Linse, Judith Baumgartner, Bernd Wedemeyer-Kolwe, Herausgeber Ulrich Linse, Judith Baumgartner, Bernd Wedemeyer-Kolwe, Verlag Königshausen & Neumann, 2004, ISBN 382602883X

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