Georg Ferdinand Duckwitz

Georg Ferdinand Duckwitz
Georg Ferdinand Duckwitz (1960)

Georg Ferdinand Duckwitz (* 29. September 1904 in Bremen; † 16. Februar 1973 ebenda) war ein deutscher Diplomat, zuletzt Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Während des Zweiten Weltkriegs wurden durch seine Initiative 7000 Juden in Dänemark vor dem Abtransport in die Vernichtungslager bewahrt, siehe: Rettung der dänischen Juden.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Duckwitz stammt aus einer alteingesessenen Bremer Kaufmannsfamilie, sein Urgroßvater war der Bremer Kaufmann und Bürgermeister Arnold Duckwitz. Er war als junger Mann Soldat in einem Freikorps. Er begann nach dem Abitur Nationalökonomie zu studieren, schloss sich in Freiburg dem Corps Rhenania Freiburg an, brach das Studium aber ab und trat 1927 in die Firma Kaffee Hag ein, für die er 1928 als Niederlassungsleiter nach Kopenhagen ging. Zunächst war er von den Ideen Hitlers begeistert und wurde schon 1932 Mitglied der NSDAP. Er arbeitete seit 1933 im „Außenpolitischen Amt“ (APA) der NSDAP, das von dem NS-Chefideologen Alfred Rosenberg geleitet wurde. Dort war er als Skandinavienreferent tätig. Nach Seraphim sei Duckwitz einer der dienstältesten Mitarbeiter Rosenbergs im APA gewesen.[1] Nach der als „Röhm-Putsch“ bemäntelten Mordaktion der NSDAP-Führung gegen innerparteiliche Opponenten begann Duckwitz sich innerlich von der Partei abzuwenden, ohne aber auszutreten. 1935 quittierte er den Dienst für die NSDAP und wechselte ins Reedereigeschäft, was zum Umzug nach New York City führte, wo er für die Hamburg-Amerika-Linie arbeitete.

Zum 1. September 1939 trat Duckwitz in den Dienst des Reichsverkehrsministeriums ein, das ihn in Kopenhagen als Schifffahrtssachverständigen einsetzte. 1941 wechselte er in den Zuständigkeitsbereich des Auswärtigen Amts. Im Rahmen dieser Tätigkeit gab er im September 1943 sein Wissen über deutsche Pläne, Juden aus Dänemark zu deportieren, weiter, wobei er seine Kontakte zu dänischen Reedern nutzte. Er half durch seine Verhandlungspolitik Juden, nach Schweden zu fliehen. Nachdem der Deportationsbefehl am 18. September 1943 beim deutschen Gesandten in Kopenhagen Werner Best eingegangen war und der den Termin einer geplanten Verhaftungsaktion gegenüber Duckwitz hatte durchsickern lassen, verhandelte Duckwitz unter Duldung Bests[2] bereits drei Tage später in Stockholm mit der schwedischen Regierung über die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge. Damit konnten 7.000 dänische Juden vor der Deportation gerettet werden, ca. 500 wurden in das KZ Theresienstadt abtransportiert, wovon 90 % überlebten.

Duckwitz bekam über Paul Kanstein, den stellvertretenden Gesandten in Kopenhagen, Kontakt zu den Widerstandskämpfern des 20. Juli 1944, insbesondere zu Ulrich von Hassell, Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg und anderen Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes. Wäre der Staatsstreich erfolgreich gewesen, so hätte Duckwitz als neuer Gesandter (er hätte Best ablösen sollen) das Besatzungsregime in Dänemark und Norwegen abwickeln sollen.

Duckwitz wohnte während und nach dem Zweiten Weltkrieg im Landhaus Frieboeshvile, Lyngby Hovedgade 2, Kongens Lyngby, Lyngby-Taarbæk Kommune. Es gibt dort heute eine entsprechende Gedenktafel.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte Duckwitz zunächst nicht nach Deutschland zurück, sondern blieb in Kopenhagen, das ihm inzwischen eine zweite Heimat geworden war und arbeitete dort als Vertreter der westdeutschen Handelskammern an der Knüpfung wirtschaftlicher Kontakte. Bei der Wiedergründung des Auswärtigen Amtes wurde er dort eingestellt und begann seine Tätigkeit beim Generalkonsulat in Kopenhagen als Leiter der Wirtschaftsabteilung, bevor er 1953 als Konsul nach Helsinki wechselte. 1955 kehrte er nach Kopenhagen zurück und wurde dort Botschafter der Bundesrepublik Deutschland. 1958 wurde er Leiter der Ostabteilung des Auswärtigen Amtes in Bonn. Er forderte, die Hallstein-Doktrin nicht auf die vom Deutschen Reich überfallenen Staaten wie Polen und auch nicht auf Israel anzuwenden. Man müsse hier moralische vor politische Kategorien stellen. Als er sich mit dieser Ansicht nicht durchsetzen konnte, wechselte er auf den Posten des deutschen Botschafters in Indien nach Neu-Delhi. 1965 wurde er auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzt.

Duckwitz hatte aus seiner Zeit als Leiter der Ostabteilung des Auswärtigen Amtes enge Kontakte zum damaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin Willy Brandt, mit dem er die Auffassung von der Notwendigkeit einer neuen Ostpolitik teilte. Als Brandt 1966 Bundesaußenminister wurde, holte er schon im Oktober 1967 Duckwitz als Staatssekretär in den aktiven Dienst zurück, ein Amt, das er auch unter Walter Scheel behielt. Nachdem der Warschauer Vertrag über die deutsch-polnischen Beziehungen - hier war Duckwitz der Verhandlungsführer der Bundesrepublik Deutschland - unterzeichnet worden war, trat er endgültig in den Ruhestand. Er starb am 16. Februar 1973 und wurde auf dem Riensberger Friedhof in Bremen beigesetzt (Grablage: V 101, Koordinaten: 53° 5′ 37,2″ N, 8° 51′ 36,3″ O53.0936611111118.8600861111111).

Sein Neffe, der Botschafter Edmund Duckwitz (* 1949), ist seit Oktober 2010 deutscher Botschafter in Mexiko und sieht sich in der Nachfolge der außenpolitischen Tradition seines Onkels.[3]

Ehrungen

Veröffentlichungen

  • Erindringer om et hus i Lyngby, Lyngby 1966
  • Die Wende im Osten, in: Außenpolitik, Jg. 1970, Heft 1.

Literatur

  • Johannes Dose: Georg Ferdinand Duckwitz in Dänemark. 1943–1945. 2. erweiterte Auflage. Auswärtiges Amt – Referat 012-9, Bonn 1992 (Reihe Berichte und Dokumentationen. ISSN 0172-7575).
  • Therkel Straede: Oktober 1943 – die dänischen Juden – Rettung vor der Vernichtung. Herausgegeben vom Königliches Dänisches Ministerium des Äußeren. Danmark – Udenrigsministeriet, Kopenhagen 1993.
  • Therkel Straede: Die Menschenmauer. Dänemark im Oktober 1943. Die Rettung der Juden vor der Vernichtung. Tiderne Skifter, Kopenhagen 1997, ISBN 87-7445-592-3.
  • Maria Keipert (Red.): Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Herausgegeben vom Auswärtigen Amt, Historischer Dienst. Band 1: Johannes Hürter: A–F. Schöningh, Paderborn u. a. 2000, ISBN 3-506-71840-1.
  • Boris Ruge (Red.): Zum Gedenken an Georg Ferdinand Duckwitz 1904–1973. Auswärtiges Amt, Berlin 2004, ISBN 3-937570-15-2 (PDF-Download).
  • Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik. Karl Blessing Verlag, München 2010, ISBN 978-3-89667-430-2.

Film

  • Die Schindlers - Retter mit Diplomatenpass, TV-Dokumentation (ZDF) u.a. über Duckwitz, von Dietmar Schulz, 2007.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Georg Ferdinand Duckwitz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hans-Günther Seraphim (Hrsg.): Das politische Tagebuch Alfred Rosenbergs. 1934/35 und 1939/40. Dokumentation. München 1964, S. 52. (Der Herausgeber war der Bruder von Peter-Heinz Seraphim.)
  2. Sebastian Werner: Der völkische Ideologe, in: Ronald Smelser, Enrico Syring, Rainer Zitelmann (Hrsg.), Die Braune Elite 2. 21 weitere biographische Skizzen, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2. aktualisierte Auflage 1999, S.23
  3. Ohne meinen Onkel wäre ich nicht Diplomat

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