Genrefilm

Genrefilm

Unter einem Filmgenre wird eine Gruppe von Filmen verstanden, die unter einem spezifischen Aspekt Gemeinsamkeiten aufweisen. Diese Gemeinsamkeiten können insbesondere in einer bestimmten Erzählform oder Grundstimmung, hinsichtlich des Themas der Handlung oder in historischen oder räumlichen Bezügen bestehen.

Inhaltsverzeichnis

Definitionsansätze

Bestandsaufnahmen haben ergeben, dass im Laufe der Zeit mindestens für eine hohe dreistellige Zahl verschiedener Filmgruppen eigene Genrebezeichnungen kreiert worden sind. Dieses Ergebnis ist zu großen Teilen damit zu erklären, dass Filmkritik und Kinowerbung sich häufig auf andere Filme beziehen, und dieses Bedürfnis immer wieder neue Genrebezeichnungen generiert. Eine Tendenz, die dadurch begünstigt wird, dass Filme häufig die Merkmale mehrerer Genres (s. Genresynkretismus) in sich tragen und die jeweiligen Kombinationen gern als neue Genres ausgerufen werden. Diese Vorgehensweise wird nicht von der filmwissenschaftlichen Genretheorie gestützt. Diese definiert einzelne Genres insbesondere über enge Produktionszusammenhänge, ein Repertoire konventionalisierter Formen und ein stabiles Verständnis, das sowohl seitens der Produzenten als auch beim Publikum vorhanden ist.

Wie strittig Definitionsansätze sein können, illustriert das Beispiel des Film noir, bei dem sich die Filmwissenschaftler nicht einig sind, ob von einem Filmgenre oder einer Stilrichtung gesprochen werden sollte.

Herausbildung des Filmgenrebegriffs

Die Herausbildung des Filmgenrebegriffs ging in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts einher mit der zunehmenden Bedeutung des Films als Wirtschaftsfaktor. Angelehnt an Genredefinitionen, die im 19. Jahrhundert für einzelne Sparten massenhaft produzierter Unterhaltungsliteratur (s. Trivialliteratur) entwickelt worden waren, ging die Filmindustrie zunehmend dazu über, Handlungen, Sujets, Stimmungen, Erzählformen und andere Einflussfaktoren zu schematisieren. Ähnlich gelagerte Produktionen wurden mit Genrebezeichnungen etikettiert, deren vorrangige Funktion darin bestand, Marketingbotschaften an die Erwartungshaltungen des Publikums zu senden. Dies insbesondere dann, wenn sich ein vorheriger Film als kommerziell einträglich erwiesen hatte und mit weiteren Produktionen nach dem entsprechenden Strickmuster an diesen Erfolg angeknüpft werden sollte. Zum einen entwickelten sich Filmgenres damit auch zu mehr oder minder verlässlichen Kalkulationsfaktoren. Insbesondere im Studiosystem des damals bereits führenden Filmlandes USA bildeten sich in den 1920er und 1930er Jahren außerdem Production Units heraus, die jeweils auf die Herstellung von Filmen eines bestimmten Genres spezialisiert waren. Hauptsächlich repräsentierten Western, Komödien, Gangsterfilme und Horrorfilme in dieser Zeit die ersten abgegrenzten Filmgenres. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang aber auch Musikfilme, die zu Beginn der Tonfilmära ein erfolgreiches eigenständiges Genre bildeten, sowie Produktionen, deren Sujet eine Liebesbeziehung war und die unbedingt mit einem Happy End ausgehen mussten. Als feste Größe etablierte sich der Genrefilm spätestens im Zeitraum von 1930 bis 1950. Im US-Studiosystem manifestierte er sich unter anderem in Gestalt der B-Filme, die jeweils ein bestimmtes Genre bedienten, mit dem das Publikum klar umrissene Erwartungen verband.

Abgrenzung gegenüber anderen Filmgattungen und Stilrichtungen

Trotz aller Definitions- und Abgrenzungsschwierigkeiten ist zumindest weitgehend unstrittig, dass der Genrebegriff nicht auf die „Großgattungen“ des Films angewendet wird. Dazu gehören insbesondere die Gattungen Spielfilm, Dokumentarfilm, Experimentalfilm, Nachrichtenfilm, Kulturfilm, Lehrfilm, Werbefilm/Propagandafilm und Wirtschaftsfilm.

Im engeren Sinne zählen dazu auch nicht die Gattungen, die sich durch spezifische technische Merkmale auszeichnen (z. B. Stummfilm, Schwarzweißfilm, 3D-Film und Trick-/Animationsfilm).

Obwohl teilweise auch im Zusammenhang mit bestimmten Produktionsbedingungen (z. B. Independentfilm) oder mit einer bestimmten Länge von Filmen (z. B. Kurzfilm) von eigenständigen Filmgenres gesprochen wird, handelt es sich dabei im engeren Sinne nicht um solche. Dies gilt auch im Zusammenhang mit Zielgruppen, an die sich Filme vorrangig richten (z. B. Kinderfilm und Jugendfilm).

Vergleichsweise schwierig gestaltet sich die Abgrenzung gegenüber bestimmten Stilrichtungen und Bewegungen. Obwohl Strömungen wie die Nouvelle Vague oder der Italienische Neorealismus von großer filmgeschichtlicher Bedeutung sind, werden sie mehrheitlich nicht als Genres aufgefasst. Und zwar deshalb, weil sich die einzelnen Produktionen u. a. in ästhetischer Hinsicht zu unterschiedlich darstellen.

In der praktischen Terminologie der Filmkritik erkennt man auch oft die Nähe zur Literaturwissenschaft (siehe auch Text).

Klassifizierung bedeutender Filmgenres

In ihrer Gesamtheit sind Filmgenres bisher (noch) nicht systematisiert worden. Dies auch wegen des Bedeutungswandels, den Filmgenres häufig im Laufe der Zeit durchgemacht haben. Aber auch deshalb, weil Genrebezeichnungen in verschiedenen kulturellen oder sprachlichen Zusammenhängen unterschiedlich verstanden werden können. So wird zum Beispiel im englischsprachigen Raum unter einem Filmdrama weitgehend ein Film verstanden, der sich durch eine ausgeprägte Darstellung einzelner Persönlichkeiten auszeichnet, während das Merkmal dieser Filmgattung nach dem Verständnis im deutschsprachigen Raum in einer Handlung im Sinne des klassischen Dramas oder in einem besonders erregenden bzw. tragischen Verlauf der Handlung besteht.

Unter Berücksichtigung der eingangs erwähnten Gruppierungsaspekte lassen sich aber zumindest folgende bedeutende Filmgenres unterscheiden:

Erzählform

Stimmung

Handlung

Zeitgeschichtlicher, räumlicher oder sozialer Bezug

Weitere Filmgattungen und Stilrichtungen

Unter weiteren Aspekten können u. a. folgende Filmgattungen, Stilrichtungen und Strömungen gruppiert werden:

Technische Merkmale

Stilrichtungen und Strömungen

Produktionsbedingungen

Zielgruppe

Trivia

Nach einer stark vereinfachenden, aber sehr griffigen Genretheorie des Satirikers Robert Gernhardt entsprechen die (postulierten) fünf Genres Horror, Porno, Melodram, Spannung und Komik „fünf Körperausscheidungen: Erbrochenes, Sperma, Tränen, Schweiß und Urin“, und er führt aus: „Das ist der Unterschied zur Hochkunst: Alle fünf Genres wollen den Konsumenten eindeutig außer Gefecht setzen.“[1]

Literatur

  • Jörg Schweinitz: „Genre“ und lebendiges Genrebewusstsein – in Montage/AV 3, 1994, Heft 2
  • Thomas Koebner (Hrsg.): Reclams Sachlexikon des Films. Ditzingen, 2002, ISBN 3-15-010495-5
  • Liz-Anne Bawden (Hrsg.): Buchers Enzyklopädie des Films. München, 1989, ISBN 3-7658-0422-3
  • Rainer Rother (Hrsg.): Sachlexikon Film. Reinbek, 1997, ISBN 3-499-16515-5
  • Rick Altman: Film/Genre. London, 2000, ISBN 0-85170-717-3
  • Barry Keith Grant: Film Genre Reader. Austin, 2003, ISBN 0-292-70184-5 und ISBN 0-292-70185-3

Einzelnachweise

  1. Katja Thimm: Mensch, lass locker. In: Der Spiegel 9/2006. 25. Februar 2006. Abgerufen am 13. Februar 2009.

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