Genfer Protokoll

Genfer Protokoll
Vertragsstaaten des Genfer Protokolls

Das Genfer Protokoll (mit vollem Titel: Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege) ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der am 17. Juni 1925 in der Schweizer Stadt Genf unterzeichnet wurde. Es verbietet den Gebrauch chemischer und biologischer Waffen, enthält allerdings keine Vorgaben zu deren Entwicklung, Herstellung und Lagerung. Aus diesem Grund wurden mit der Biowaffenkonvention (1972) und der Chemiewaffenkonvention (1993) zwei weitere Verträge abgeschlossen, die entsprechende Regelungen zu Rüstungsbeschränkungen und Abrüstungsverpflichtungen enthalten. Dem Genfer Protokoll, dessen Bestimmungen zuvor bereits als Völkergewohnheitsrecht galten, sind bisher 137 Vertragsparteien beigetreten.

Inhaltsverzeichnis

Historische Informationen

Die erstmalige großflächige Anwendung chemischer Waffen in einem Krieg erfolgte während des Ersten Weltkrieges, als durch deutsche Truppen in der Nähe der belgischen Stadt Ypern Chlorgas eingesetzt wurde. Dies stellte bereits zum damaligen Zeit einen Bruch bestehenden Völkerrechts dar, da der Einsatz von Gift als Mittel zur Kriegsführung sowohl explizit durch die 1899 und 1907 abgeschlossene Haager Landkriegsordnung als auch durch das Völkergewohnheitsrecht verboten war.

Nach dem Ersten Weltkrieg enthielt der 1919 abgeschlossene Friedensvertrag von Versailles ein Verbot für Deutschland, chemische Waffen zu produzieren oder zu importieren. Ähnliche Beschränkungen galten auch für die anderen Mittelmächte, also Österreich, Bulgarien und Ungarn. Die in der Triple Entente verbündeten Staaten handelten darüber hinaus im Jahre 1922 den Washingtoner Flottenvertrag aus. Aufgrund von Einwänden Frankreichs gegen die Regelungen zum Einsatz von U-Booten trat der entsprechende Vertrag, der auch eine Ächtung von Giftgas enthielt, jedoch nicht in Kraft.

Bei der vom 4. Mai bis zum 17. Juni 1925 stattfindenden Genfer Konferenz zur Überwachung des internationalen Waffenhandels schlug Frankreich die Verabschiedung eines Protokolls zum Verbot des Einsatzes chemischer Waffen vor. Auf Anregung der polnischen Delegation wurde der Geltungsbereich des Abkommens auf bakteriologische Waffen ausgeweitet. Das entsprechende Protokoll wurde am 17. Juni 1925 unterzeichnet und trat am 8. Februar 1928 in Kraft.

Inhalte und Akzeptanz

Der Text des Protokolls nimmt hinsichtlich des Verbots des Einsatzes von erstickenden und giftigen Gasen und vergleichbaren Flüssigkeiten oder anderen Stoffen ausdrücklich Bezug auf deren zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung bereits akzeptierte gewohnheitsrechtliche Ächtung, indem für die Verurteilung des Gebrauchs dieser Substanzen die „allgemeine Meinung der zivilisierten Welt“ als Maßstab erwähnt wird. Darüber hinaus wird das „Gewissen und das Handeln der Nationen“ als Grundlage des Verbots genannt. Das Protokoll verpflichtet die Vertragsparteien explizit zur Anerkennung dieses Verbots sowie zur Ausdehnung auf bakteriologische Waffen. Die Unterzeichnerstaaten sind zudem angehalten, andere Staaten zum Beitritt zu veranlassen.

Mit Stand vom September 2011 sind 136 Staaten und der Heilige Stuhl Vertragspartei des Abkommens, darunter mit den Vereinigten Staaten, Russland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und der Volksrepublik China alle fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Depositarstaat des Abkommens ist Frankreich. Österreich trat dem Abkommen am 9. Mai 1928, Deutschland am 25. April 1929 und die Schweiz am 12. Juli 1932 bei. Der bisher letzte Beitritt erfolgte am 17. März 2009 durch Costa Rica. Das Genfer Protokoll zählt damit im Bereich des humanitären Völkerrechts zu den am längsten unverändert gültigen Verträgen.

Literatur

  • Dietrich Schindler, Jiří Toman (Eds.): The Laws of Armed Conflicts: A Collection of Conventions, Resolutions, and Other Documents. Dritte revidierte Ausgabe. Sijthoff & Noordhoff International Publishers, Alphen aan den Rijn 1988, ISBN 90-247-3306-5, S. 116

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Genfer Abkommen von 1949 — Originaldokument der ersten Genfer Konvention, 1864 Die Genfer Konventionen, auch Genfer Abkommen genannt, sind zwischenstaatliche Abkommen und eine wichtige Komponente des humanitären Völkerrechts. Sie enthalten für den Fall eines Krieges… …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Konvention — Originaldokument der ersten Genfer Konvention, 1864 Die Genfer Konventionen, auch Genfer Abkommen genannt, sind zwischenstaatliche Abkommen und eine wichtige Komponente des humanitären Völkerrechts. Sie enthalten für den Fall eines Krieges… …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Recht — Originaldokument der ersten Genfer Konvention, 1864 Die Genfer Konventionen, auch Genfer Abkommen genannt, sind zwischenstaatliche Abkommen und eine wichtige Komponente des humanitären Völkerrechts. Sie enthalten für den Fall eines Krieges… …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Konventionen — Originaldokument der ersten Genfer Konvention, 1864 Die Genfer Konventionen, auch Genfer Abkommen genannt, sind zwischenstaatliche Abkommen und eine essentielle Komponente des humanitären Völkerrechts. Sie enthalten für den Fall eines Krieges… …   Deutsch Wikipedia

  • Protokoll von Kyoto — Die japanische Stadt Kyōto, der Verhandlungsort des nach ihr benannten Klimaschutz Protokolls Das Kyoto Protokoll (benannt nach dem Ort der Konferenz Kyōto in Japan) ist ein am 11. Dezember 1997 beschlossenes Zusatzprotokoll zur Ausgestaltung der …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Flüchtlingskonvention — Parteien des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge: ██ Parteien des Abkommens von 1951 ██ Parteien des Protokolls von 1967 …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Internationales Zentrum für Humanitäre Minenräumung — Das Genfer Internationale Zentrum für Humanitäre Minenräumung ist eine internationale Organisation, die sich für die Beseitigung von Antipersonenminen und den humanitären Auswirkungen anderer Landminen und explosiver Kriegsmunitionsrückstände… …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Internationales Zentrum für humanitäre Minenräumung — Das Genfer Internationale Zentrum für Humanitäre Minenräumung ist eine internationale Organisation, die sich für die Beseitigung von Antipersonenminen und den humanitären Auswirkungen anderer Landminen und explosiver Kriegsmunitionsrückstände… …   Deutsch Wikipedia

  • Genfer Seerechtskonventionen — Bei den Genfer Seerechtskonventionen der Vereinten Nationen handelt es sich um vier am 29. April 1958 zum Abschluss der ersten UN Seerechtskonferenz geschlossene internationale Abkommen zur Regelung des Seevölkerrechts: Übereinkommen über das… …   Deutsch Wikipedia

  • Kioto-Protokoll — Die japanische Stadt Kyōto, der Verhandlungsort des nach ihr benannten Klimaschutz Protokolls Das Kyoto Protokoll (benannt nach dem Ort der Konferenz Kyōto in Japan) ist ein am 11. Dezember 1997 beschlossenes Zusatzprotokoll zur Ausgestaltung der …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”