Generationen

Generationen

Eine Generation ist in der Genealogie die Gesamtheit aller Lebewesen, die zu anderen Lebewesen, in aufsteigender oder absteigender Linie durch Abstammung verbunden sind und im selben Abstand stehen. Geht man von einem Probanden oder einer Probandengeneration von Gleichaltrigen aus, dann kann man von der ersten, zweiten, dritten usw. Ahnen- oder Nachkommen-Generation eines Probanden oder einer Probandengeneration sprechen. In genealogischen Listen und Tafeln ist es üblich, die Generationen durch vorgesetzte römische Zahlen (etwa vor den Kekulé-Nummern) kenntlich zu machen.

Außerhalb der Genealogie wird der Begriff Generation auch gebraucht für alle Menschen eines bestimmten Lebensalters oder eines bestimmten geschichtlichen Zeitabschnitts, außerdem für technische Geräte einer identischen Bauweise (bzw. eines Baujahres), Kopien mit einem gleichen Abstand zum Original und Organismen mit einem bestimmten Fortpflanzungsmodus.

Inhaltsverzeichnis

Generationenabstand

Der Generationenabstand, die Generationsdauer oder die Generationenspanne ist der Durchschnitt der Altersdifferenz aller Kinder zu Vater oder Mutter in Jahren. Entsprechend den Unterschieden im mittleren Heiratsalter von Mann und Frau ist die Generationenspanne zum Vater in der Regel größer als zur Mutter. In der Mutterlinie ergibt sich deshalb in zehn Generationen etwa eine Generationenspanne mehr als in der Vaterlinie.

Vor 1800 betrug der mittlere Generationenabstand noch über 30 Jahre. G. Rümelin berechnete 1875 für Deutschland eine durchschnittliche Generationsdauer von 36,5, für Frankreich eine von 34,5 Jahren.[1] Um die Mitte des 20. Jahrhunderts sank der mittlere Generationenabstand um einige Jahre, weil die Mehrzahl der Kinder von Müttern unter 25 Jahren geboren wurde, die dann kaum noch weitere Kinder hatten. Früher waren noch zahlreiche Kinder von Müttern über 30 oder auch 40 Jahren geboren worden. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich dieser sinkende Trend in Deutschland erneut umgekehrt, und der Generationenabstand ist wieder gewachsen.

In der Demographie ist der Generationenabstand eine der Kenngrößen zur Beschreibung des Generativen Verhaltens, die auch zur Bevölkerungsprognose herangezogen werden.

Generationen in der Soziologie

Karl Mannheims „Problem der Generationen“

Für die Soziologie hat Karl Mannheim 1928 im Rahmen seiner Wissenssoziologie einen prägenden und auch auf andere Wissenschaften ausstrahlenden „Generationen“-Begriff vorgelegt, der nicht die zuvor üblicherweise genannten 30 Jahre umfasst, sondern durch gemeinsame „Generationserlebnisse“ charakterisiert wird, also prägende Ereignisse in Kindheit und Jugend, die einen Einfluss auf ganze Geburtsjahrgänge haben. Bei rapidem sozialem Wandel umfasst eine Generation demnach weniger Kohorten. Für seine soziologische Analyse des Problems der Generationen beruft sich Mannheim einerseits auf die von David Hume und Auguste Comte herkommende positivistische Richtung, die versuchte, feste, äußerlich quantifizierte Zeitabschnitte von zumeist 30 Jahren zu finden, die als Generationen aufeinander folgten. Andererseits greift Mannheim auf das romantische in der historischen Schule vorkommende Generationsverständnis zurück, das auf die qualitative, nur innerlich erfahrbare Zeit geistiger Bewegungen abzielte, wie es in der Kunstgeschichte gebräuchlich ist.[2]

Mannheim unterschied zwischen Generationslagerung, Generationszusammenhang und Generationseinheit. Generationslagerung ist dabei der Oberbegriff, der die ungefähr gleichzeitige Geburt „im selben historisch-sozialen Raume – in derselben historischen Lebensgemeinschaft“[3] bedeutet, also die Grundbedingung dafür, einem Generationszusammenhang oder einer Generationseinheit anzugehören. Ein Generationszusammenhang ist eine hinzukommende Verbindung, die in der „Partizipation an den gemeinsamen Schicksalen“ und in der Teilhabe an den geistigen Strömungen der Zeit besteht.[4] Ein Generationszusammenhang umfasst mehrere Generationseinheiten. Die Mitglieder der Generationseinheiten sind noch enger miteinander verbunden, da sie die geistigen Strömungen der Zeit in gleicher Weise verarbeiten: Sie teilen „Grundintentionen und Gestaltungsprinzipien“, die sie zu einer Gruppe sozialisieren und für eine einheitliche Reaktion auf die Zeitströmungen sorgen.[5]

Der Begriff der Generationen inflationierte in der jugendsoziologischen Forschung der späten 1980er Jahre und wurde zugleich unklarer.

Beispiele für Generationen in Deutschland und den USA

Generationen – im Sinne Mannheims mit gleichen, markant typisierenden Generationserlebnissen – wurden häufig nach den Verbindenden Ereignissen oder Erfahrungen benannt. Mannheim unterscheidet selbst den Generationszusammenhang der Jugend der Befreiungskriege. Dabei seien zwei Generationseinheiten relevant geworden, nämlich einerseits die liberal-rationalistische Richtung, die sich im Vormärz fortsetzte, andererseits die dem deutschen Konservativismus angehörige romantisch-irrationale Richtung. Weiter nennt er die Generationseinheiten der Jugendbewegung (zu Beginn des 20. Jahrhunderts) und die ihm „gegenwärtige“ Neuromantik.

Die Generationen seit der Weimarer Republik folgten einander zunächst in recht kurzen Abständen in durchaus unterschiedlich geprägter Form. Der Generation der in den 1920er Jahren Geborenen, die als Jugendliche bereits im Zweiten Weltkrieg an die Front mussten (Helmut Schelskys „Skeptische Generation“), folgten die Jahrgänge 26-29, die noch als Oberschüler Flakhelferdienste zu leisten hatten (vgl. die „Swingjugend“). Aus den nicht mehr eingezogenen „Kriegskindergeneration“ der späten 1930er und frühen 1940er Jahre rekrutierten sich die sozialen Bewegungen der „58er“. Diese Weißen Jahrgänge wurden von keiner deutschen Armee eingezogen. Die nächste Generation, die nur den „Wiederaufbau“ erlebt hatte, war dann die der 68er.

In den USA waren 68er und Baby Boomer weitgehend deckungsgleich, die geburtenstarken Jahrgänge in Deutschland fanden aber erst 1955-1967 statt, während in den USA bereits von der Generation Jones gesprochen wurde. Die späteren amerikanischen Jahrgangsgruppen beigelegte Bezeichnung Generation X (in den USA 1960-1970) deckt sich nur teilweise mit der deutschen Zuordnung. Ende der 60er bis Mitte der 70er Jahre wurde hier bereits die Geburt der westdeutschen Generation Golf postuliert. Die westliche MTV-Generation der 80er Jahrgänge waren durch die aufkommenden Musiksender und Videoclip-Ästhetik beeinflusst. In den 90ern kam die Generation Praktikum nur schwer ins gesamtdeutsche Berufsleben.

Generationen technischer Geräte

Der Begriff einer Generation kann nicht nur bei Lebewesen, sondern im übertragenen Sinn auch auf verschiedene, aufgrund weiterentwickelter Eigenschaften deutlich unterscheidbare Entwicklungsstufen technischer Geräte, z. B. verschiedene „Generationen“ bei Rechnern Anwendung finden.

Generationen bei Kopien

Bei Vervielfältigungstechniken, in denen von einer Kopie weitere Kopien gezogen werden können, wie z.B. Film, Magnetband, Fotokopie, spricht man von Generationen. Das Original ist stets die 1. Generation, die Kopie die 2. Generation, die Kopie der Kopie die 3. Generation usw. Üblicherweise wird die Anzahl der Generationen möglichst klein gehalten, um den Kopierverlust zu minimieren, also den Verlust von Information durch technische Unvollkommenheiten des Prozesses.

Generationen in der Biologie

Auch in der Biologie beschreibt der Begriff Generation – wie in der Genealogie – stets die einzelnen Glieder einer Abstammungslinie (vergl. Parentalgeneration). Jedoch kann hier als Besonderheit ein Generationswechsel auftreten, bei dem auf eine sich zweigeschlechtlich vermehrende Generation eine sich ungeschlechtlich vermehrende Generation folgt und nach dieser wieder eine sich zweigeschlechtlich vermehrende Generation. Oft geht ein Generationswechsel mit einem Kernphasenwechsel einher. In solchen Fällen kann selbst dann von einer „neuen Generation“ gesprochen werden, wenn diese infolge ungeschlechtlicher Vermehrung entstand, also aus genetischer Sicht ein Klon der Vorgängergeneration ist.

Einzelnachweise

  1. Karl Mannheim: Das Problem der Generation. In: Karl Mannheim: Wissenssoziologie. Auswahl aus dem Werk. Hg. von Kurt H. Wolff, Luchterhand, Neuwied 1964, S. 512. Rümelin addierte hierzu das mittlere Heiratsalter der Männer und die halbe Dauer der mittleren ehelichen Fruchtbarkeit.
  2. Vgl. Mannheim: Generationen, S. 509-522.
  3. Mannheim: Generationen, S. 542.
  4. Mannheim: Generationen, S. 542f.
  5. Mannheim: Generationen, S. 544–547. Zur dreigliedrigen Unterscheidung vgl. insgesamt Mannheim: Generationen, S. 541–555.

Weblinks

Literatur

  • Karl Mannheim: Das Problem der Generation. In: Karl Mannheim: Wissenssoziologie. Auswahl aus dem Werk. Hg. von Kurt H. Wolff, Luchterhand, Neuwied/Berlin 1964, S. 509–565.
  • Elisabeth Noelle-Neumann; Edgar Piel (Hrsg.): Eine Generation später. Bundesrepublik Deutschland 1953–1979. Saur, München u.a. 1983, ISBN 3-598-10475-8 (zum Symposium „Eine Generation Später“ Bonn 1981).
  • Heinz Bude: Deutsche Karrieren. Lebenskonstruktionen sozialer Aufsteiger aus der Flakhelfer-Generation. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-518-11448-4 (zugleich: Dissertation, TU Berlin 1986).
  • Kurt Lüscher, Franz Schultheis (Hrsg.): Generationenbeziehungen in `postmodernen`Gesellschaften. In: Rudolf Fisch, Kurt Lüscher (Hrsg.) Konstanzer Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Forschung, Universitätsverlag Konstanz, Konstanz 1993, ISSN 0933-1190, ISBN 3-87940-408-9
  • Heinz Bude: Das Altern einer Generation. Die Jahrgänge 1938 bis 1948. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995.
  • Sigrid Weigel u.a. (Hrsg.): Generation. Zur Genealogie des Konzepts – Konzepte von Genealogie. München 2005.
  • Stefan Kirchgraber: Was kann gemeinwesenorientierte Sozialarbeit zur Generationenfrage beitragen?. Rubigen 2007 (www.soziothek.ch).

Siehe auch


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