Gelenkbus

Gelenkbus
VÖV-Stadtbus (Gelenkbus von MAN), betrieben von der BSAG
Niederflur-Gelenkbus von MAN
Freigelegte Gelenkkonstruktion bei einem Bus in San Francisco

Ein Gelenkbus, Gelenkwagen, Gelenkzug (GLZ) oder Gliederbus (umgangssprachlich oft auch als „Schlenki“, "Schlenker" oder „Ziehharmonikabus“ bezeichnet) ist ein Omnibus, der als Gelenkfahrzeug gebaut ist, um trotz seiner Länge auch in engen Straßen einsetzbar zu sein. Das Gegenstück ist der sogenannte Solobus.

Ein Gelenkbus besteht aus dem zwei- oder dreiachsigen Vorderwagen mit einem ähnlich großen oder etwas kleineren Radstand als ein Solobus, dem Gelenk mit Faltenbalg und dem ein- oder zweiachsigen Nachläufer oder Hinterwagen, der sich über das Gelenk auf dem Vorderwagen aufstützt. Motor und Antrieb können sich im Vorderwagen oder im Nachläufer befinden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Gerade im Stadtverkehr ist die Länge von Bussen wegen enger Kurven nur sehr begrenzt steigerbar. Um trotzdem auf stark nachgefragten Streckenabschnitten genügend Kapazität bieten zu können, ohne dass zusätzliche Busse eingesetzt werden müssen, wurden früher Busanhänger zur Personenbeförderung eingesetzt. Später gab man den Anhängerbetrieb fast überall zugunsten von Gelenkbussen auf. Teilweise ist die Personenbeförderung mit Anhängern auch gesetzlich verboten worden, so beispielsweise in Westdeutschland gemäß der StVZO seit dem 1. Juli 1960. In der DDR hingegen war diese bis zuletzt erlaubt, wenngleich kaum noch davon Gebrauch gemacht wurde. Heute werden Anhänger noch in anderen Ländern verwendet, in Deutschland gibt es seit kurzem wieder Versuche mit Ausnahmegenehmigung.

In Deutschland konstruierten daher mehrere Hersteller ein- bzw. tandemachsige Anhänger, die durch ein Gelenk mit dem Zugfahrzeug verbunden waren. Das Gelenk zwischen den Wagenkästen wird dabei mit einem Faltenbalg vor Wettereinflüssen geschützt. Die Karosseriebauunternehmen, die diese Gelenkbusse unter Verwendung üblicher Omnibus-Fahrgestelle herstellten, waren unter anderem Gaubschat (Berlin), Göppel Bus (Augsburg), Emmelmann (Hannover), Vetter (Fellbach) und Ludewig (Essen).

Konstruktionen

Gelenkbus Ikarus Typ 280 in Kattowitz (Stadt- und Überlandverkehr)

Es gibt verschiedene Gelenkbus-Konstruktionen. Früher war es üblich, bei Gelenkbussen die zweite von drei (oder vier) Achsen im Vorderwagen anzutreiben. Dies konnte geschehen durch einen Unterflurmotor in der Mitte des Vorderwagens, der eine ebenfalls im Vorderwagen liegende Achse antrieb (Nachteil: Schlechte Zugänglichkeit des Motors für Wartungsarbeiten, hoher Fahrzeugboden und damit viele hohe Einstiegsstufen, bei höheren Geschwindigkeiten Schlingerbewegungen bei fehlender Stabilisierung). Eine Weiterentwicklung stellt der Gelenkbus mit Heckmotor, aber Antrieb im Vorderwagen dar, der als Alternative zum Schubgelenkbus angeboten wurde. Konstruktiver Nachteil war hier, dass neben einer aufwändigen Gelenkwellenführung durch den Faltenbalg die Antriebsachse bei leerem Bus nur gering belastet wurde, womit die Gefahr des Durchdrehens der Antriebsräder bestand.

Schubgelenkbus

Seit Ende der 1970-Jahre ist in Deutschland am häufigsten der Schubgelenkbus (Pusher) anzutreffen, dessen Heckmotor die Achse(n) des Nachläufers antreibt. Erstes Serienfahrzeug war der Bus des Typs O 305 G von Daimler-Benz. Dieses Fahrzeug wurde erstmalig beim Städtischen Verkehrsbetrieb Esslingen am Neckar eingesetzt als dieser ab 1978 im Auftrag der END Verkehrsgesellschaft die Bedienung der heutigen Linien 119 und 120 übernahm.

Bereits in den frühen 1970er-Jahren entwickelte die FFG Fahrzeugwerkstätten Falkenried eine elektronisch geregelte, lenkwinkelabhängige Knickwinkelsteuerung, die ein ungewolltes Einknicken des Busses verhindert. Durch die Verwendung eines Gelenkes mit dieser Knickwinkelsteuerung war es möglich, die hintere Hälfte eines üblichen (zweiachsigen) Standard-Busses mit einem, um das Heck verkürzten, weiteren Standardbus zu einem Schubgelenkbus zu verbinden. Vorteil war, dass die Bushersteller (insbesondere der erste Nutzer dieser Konstruktion Daimler-Benz) nun in der Lage waren, Gelenkbusse komplett selbst herzustellen und anzubieten. Die bisher erforderlichen Aufbauhersteller wie Vetter oder Göppel mussten nicht mehr in Anspruch genommen werden. Weitere Vorteile sind der einfachere Zugang zum Motor für Wartungsarbeiten und die niedrigere Bauweise insbesondere des Vorderwagens. Außerdem begünstigt der Heckmotor die Niederflurbauweise.

Konkurrenten wie MAN und Magirus-Deutz bauten mangels Lizenzrechten an der Knickwinkelsteuerung Ende der 1970er Jahre den eingangs erwähnten Typ, bei dem der Motor zwar ebenfalls im Heck lag, aber über eine durch das Gelenk führende, homokinetische Welle die zweite Achse im Vorderwagen antrieb. Die Achse im Nachläufer war als einzelbereifte und gelenkte Nachlaufachse ausgebildet. Diese Fahrzeuge waren in der Regel einen Meter kürzer und durch die nachgelenkte Achse auch wendiger, was ihnen gegenüber Schubgelenkbussen einen kleinen Vorteil verschaffte, der jedoch die erwähnten, konstruktiven Nachteile nicht aufwog. Nachdem auch MAN Mitte der 1980er-Jahre Schubgelenkbusse in das Programm aufnehmen konnte, wurden eine Zeit lang beide Varianten (MAN SG 242 Schubgelenkbus und MAN SG 242 H mit Mittelachsantrieb) parallel angeboten. Die Wahl der Kunden fiel jedoch relativ eindeutig auf den Schubgelenkbus, wodurch das herkömmliche Modell schon nach kurzer Zeit aus dem Programm genommen wurde. Lediglich Sonderserien, wie die bei Gräf & Stift gefertigten Salzburger O-Busse (auf Basis der MAN-Niederflurreihe A 11) weisen noch diese Konfiguration aus Heck-Hilfsmotor (allerdings als Generator und damit ohne aufwändige Gelenkwellenführung), angetriebener Mittelachse und gelenkter Nachlaufachse auf.

Einige Bushersteller wie Berkhof oder Van Hool setzen weiterhin auf Motor und Antrieb im Vorderwagen, wobei der Motor in diesen Niederflur-Gelenkbussen als seitlich angeordneter Turmmotor konstruiert ist. Damit kann das Fahrzeug durchgehend niederflurig gebaut und auf Podeste verzichtet werden.

Doppelgelenkbusse

Doppelgelenkbusse in Curitiba
Doppelgelenkbus von Van Hool
Doppelgelenkbus von Van Hool (Länge: 24,8 m)

Doppelgelenkbusse werden seit einigen Jahren in Südamerika eingesetzt. In Europa fahren sie in Frankreich (Bordeaux, inzwischen ausgemustert), Deutschland (Aachen, Hamburg), Luxemburg (Luxemburg (Stadt)), den Niederlanden (Utrecht), Ungarn und Schweden (Göteborg). Es handelt sich um Fahrzeuge der Hersteller Marcopolo, Ciferal, Renault, Van Hool und Ikarus.

Der deutsche Hersteller MAN stellte auf der „Transport '82“ in München im Juni 1982 einen fast 24 Meter langen Doppelgelenkbus des Typs MAN SGG 280 vor, der 225 Fahrgäste aufnehmen konnte. Bei diesem Modell handelte es sich um einen mittelflurigen VÖV-Standard-Bus der ersten Generation.

Heute fahren Doppelgelenkbusse als niederflurige Konstruktionen in den Niederlanden, Deutschland, Schweden und Luxemburg. Dabei werden vor allem Fahrzeuge des belgischen Herstellers Van Hool, darunter vor allem der Typ AGG 300, eingesetzt.

Als erstes deutsches Verkehrsunternehmen testete die ASEAG in Aachen bereits im Jahr 2003 Doppelgelenkbusse des Herstellers Van Hool. Im September 2005 setzte die ASEAG zwei eigene Fahrzeuge auf den Linien 5 und 45 zwischen Uniklinik und Brand ein und anschließend, im Februar 2008, sechs weitere Fahrzeuge, die in Aachen die mundartliche Bezeichnung Öcher Long Wajong haben.

Nach einjähriger Testphase werden seit Dezember 2005 auch von der Hamburger Hochbahn eine große Anzahl leicht abgewandelter Doppelgelenkbusse von Van Hool im Linienbetrieb auf der stark belasteten Metrobus-Linie 5 eingesetzt. Die vierachsigen Busse bieten auf einer Gesamtlänge von 24,8 m Sitz- und Stehplätze für etwa 180 Personen. Dieser Typ wurde auch in Dresden auf der Linie 61 getestet.

Auch der schwedische Hersteller Volvo hat mit dem Modell V7500 einen Doppelgelenkbus entwickelt. Er wird seit 2005 in Göteborg eingesetzt.[1]

Doppeldecker-Gelenkbus

Der größte im öffentlichen Verkehr eingesetzte Bus ist der zweistöckige Gelenkbus Jumbocruiser, der Firma Neoplan.

Einzelgelenkbusse über 18,75 m

In den meisten Staaten Europas ist die maximal zulässige Länge für Straßenfahrzeuge auf 18,75 m begrenzt. Busse mit einer größeren Länge benötigen Ausnahmegenehmigungen. Jedoch bieten Mercedes-Benz sowie MAN jeweils Einzelgelenk-Busse mit einer größeren Länge an. Durch den dadurch gewonnenen Raum, sowie durch das höhere zulässige Gesamtgewicht aufgrund der zusätzlichen vierten Achse haben diese Busse eine deutlich höhere Kapazität.

EvoBus hat mit dem Mercedes-Benz CapaCity im November 2005 einen Prototyp vorgestellt, der bei einer Gesamtlänge von 19,54 m 193 Personen Platz bietet. Der Bus hat nur ein Gelenk, aber im hinteren Teil befindet sich hinter der Antriebsachse eine weitere, einfach bereifte, mitgelenkte Achse, so dass eine größere Nutzlast erreicht wird. Das Fahrzeug soll in der Schleppkurve eines normalen Gelenkbusses bleiben und ist – im Gegensatz zu einem Doppelgelenkbus – ohne Probleme rückwärtsfahrfähig. Nach Herstellerangaben schwenkt der Nachläufer nur bis zu 40 cm aus.

Mercedes-Benz CapaCity Gelenkbus mit langem zweiachsigem Nachläufer (Gesamtlänge 19,5 m)

Ein Bus dieses Typs fuhr – nach einem zunächst einwöchigen Probebetrieb vom 27. November bis zum 3. Dezember 2006 – ebenfalls bei der Aachener ASEAG auf den stark frequentierten Linien 5 und 45. Da für 2007 die Anschaffung mehrerer Großraumbusse geplant war, wollte man dort testen, ob der CapaCity eine Alternative zu den Doppelgelenkbussen des Unternehmens Van Hool darstellen kann. Die ASEAG entschied sich dennoch für sechs weitere Van Hool AGG 300. Auch die VHH PVG testete den CapaCity in der Metropolregion Hamburg.[2] Die Auslieferung einer Serie von 50 Fahrzeugen für Istanbul begann Ende 2007.[3] Als erstes Unternehmen in Deutschland setzen die Stuttgarter Straßenbahnen AG seit dem 4. August 2008 den CapaCity im regulären Linienverkehr ein.[4]

Im Programm der MAN befand sich seit 2007 der Lion's City GXL, ein vierachsiger Gelenkbus, der in der Konstruktion und der Kapazität dem CapaCity ähnlich ist. Als erster und einziger Kunde wurden die Verkehrsbetriebe St. Gallen (VBSG) mit dem neuen Bus beliefert.[5] Allerdings wurde die weitere Entwicklung des Lion's City GXL eingestellt.[6]

Weitere Entwicklungen

Wenn Gelenkbusse spurgeführt betrieben werden, können ähnliche Leistungen wie mit einer Straßenbahn erbracht werden. Man spricht dann von einer Busbahn.

Die Türen im Nachläufer, die nicht immer vom Busfahrer eingesehen werden können, sind meist mit Licht-/Radarschranke gesichert und werden automatisch geschlossen. Oft wird das Schließen akustisch angekündigt.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Pressemitteilung von Volvo
  2. Noch eine Nummer größer: CapaCity im Test bei VHH und PVG. In InKürze. 12/2006, S.2f.
  3. stadtbus.de Magazin: Mercedes Omnibus-Tage 2007
  4. Bundesweit einmalig: Capacity-Busse in Stuttgart
  5. Erste Lion's City GXL gehen in die Schweiz
  6. "Stadtverkehr", Ausgabe 11/08, Seite 8

Weblinks

 Commons: Gelenkbusse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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