Geiz

Geiz
Allegorie des Geizes (Jakob Matham, ca. 1587)
Marja Fjodorowna:
Der Geizhals (1890)
Pieter Bruegel der Ältere, Die sieben Todsünden – Geiz

Der Ausdruck Geiz (von mittelhochdeutsch gīt[e]: „Gier“, „Habgier“) bezeichnet eine zwanghafte oder übertriebene Sparsamkeit, damit verbunden auch den Unwillen, Güter zu teilen.

Im (katholischen) Christentum gehört die Avaritia, der Geiz, die Habsucht, als zweite zu den sieben Hauptlastern oder -sünden, die als die Wurzeln von Todsünden betrachtet werden.

Inhaltsverzeichnis

Meyers Konversationslexikon (1888) über den Geiz

Geiz kommt mit dem Erwerbstrieb darin überein, daß er auf die Vermehrung, mit der Sparsamkeit darin, daß er auf die Erhaltung des Besitzes bedacht ist, unterscheidet sich aber von beiden dadurch, daß jenes Streben nicht wie bei diesen Mittel, sondern, wie bei der Habsucht die Vermehrung und wie bei der Sparsucht die Erhaltung des Besitzes, Selbstzweck ist, daher er wie jene auch unerlaubte Erwerbsmittel nicht scheut, und wie diese auf die Befriedigung auch notwendiger Bedürfnisse Verzicht leistet. Geringerer Grad von Geiz ist die Kargheit, die sich auf das unentbehrliche Maß von Genüssen beschränkt und zur Knickerei wird, wenn sie auch wirkliche Bedürfnisse übersieht, zur Knauserei aber, wenn sie darauf ausgeht, andre auf kleinliche Weise in dem ihnen Gebührenden zu beeinträchtigen oder zu beschädigen. Der höchste Grad des Geizes, wo derselbe das Ehrgefühl des Menschen völlig ertötet und eine niedrige und verächtliche Gesinnungs- und Handlungsweise zuwege gebracht hat, heißt schmutziger Geiz oder Filzigkeit und der ihm Verfallene Geizhals. Eine Musterschilderung des Geizes (als Knauserei) hat Molière in seinem berühmten Lustspiel "L'Avare" gegeben.

Der geizige Mensch

Der Geizhals (Margret Hofheinz-Döring, 1926)
Der Geizige (Hans Holbein der Jüngere, Totentanz, 1526)

Geizhals oder Geizkragen ist eine tadelnde Bezeichnung für eine Person, die unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Lage das Hergeben von Gütern und Geld möglichst vermeidet, auch auf Kosten des eigenen Lebensstandards. Umgangssprachlich werden sie auch als "Pfennigfuchser[1], Knicker, Furzklemmer[2]" oder schweizerisch "Rappenspalter" bezeichnet.

Die Stereotype des Geizkragens sind: reich, habgierig, einen selbst gewählten ärmlichen Lebensstil führend um seine Schätze zu hüten und zu vermehren. International sind die „geizigen“ Schotten und die „sparsamen“ Holländer als Geizhälse verschrien. Innerhalb Deutschlands spricht man gern den Schwaben bzw. Preußen dieses Laster zu.

Der Geizhals dient häufig als Propagandaklischee des Kapitalisten, wie es Karikaturen des Ostblocks im Kalten Krieg belegen. Er steht als Klischee für Geschäftsleute, die durch unmoralische Geschäfte (Ausbeutung und ähnliches) einen großen Reichtum aufgehäuft haben und am Schicksal der Armen nicht interessiert sind. Im Unterschied zum Geizhals wird der Kapitalist hier aber auch als Prasser und dekadenter Verschwender dargestellt. Antisemitische Karikaturen haben Juden als Geizhälse und/oder Kapitalisten verunglimpft.

Entstehung von Geiz

Tiefenpsychologischer Sicht

Die Tiefenpsychologie bringt Geiz und individuelles Besitzstreben mit einer analen Fixierung in Verbindung. Während der analen Phase bildet der Enddarm wie die Afterschleimhaut die erogenen Zonen. Die Beziehung zur Mutter ist von den Aspekten der Entfernung und Wiederannäherung an sie geprägt. Der Kot wird als Teil des Selbst begriffen und wird als erstes Geschenk des Kindes an die Umwelt betrachtet. Die anale Lust beinhaltet Gefühle der Autonomie, der Meisterung, des Trotzes und Stolz auf das eigene Produkt. Die typischen analen Reaktions- und Charakterbildungen sind von deutlichen Abwehr- und Befriedigungshandlungen analer Impulse gekennzeichnet. Ordentlichkeit, Sparsamkeit und Eigensinn sind nach Freud die typische anale Dreiheit[3].

Behavioristische Sicht

Ein geizig-habgieriges Verhalten kann im Kontext von Erziehungs- und Lernprozessen erworben werden. Obgleich die Wurzeln für das Verhalten in der Kindheit liegen, ist das geizige Verhalten das Ergebnis eines Lernvorgangs. Das Verhalten wird durch positive Verstärker aufrechterhalten und gefestig. Eine besondere Rolle spielt hierbei die Aktivierung des Erwartungs- und Belohnungssystems, welches im Zusammenhang mit Gier auch im Interesse der Neuropsychologie und Evolutionspsychologie steht[4].

Einfluss von Genetik und Umwelt

Einer Zwillingsstudie mit 1110 koreanischen Zwillingen im durchschnittlichen Alter von 18 Jahren (Standardabweichung: 3,3) zufolge liegt die Heritabilität von Geiz bei 28%. Die umweltbedingte (72%) Variation geht der Studie zufolge nicht auf die gemeinsam erfahrene Erziehung in der Familie, sondern auf einzigartig erfahrene Umwelteinflüsse zurück.[5]

Bekannte Geizige in der Literatur

Siehe auch

Literatur

  • Matthias Wilke: Geiz ist dumm: Wege zu einer Ökonomie der Menschlichkeit. verbum, Berlin 2007, ISBN 978-3-928918-48-0.
  • Frederik Hanssen (Hrsg.): Das Spar-Buch. Eine kleine Kulturgeschichte von Tugend und Laster, Geld und Geiz. Fannei und Walz, Berlin 1998, ISBN 3-927574-40-6.
  • Volker Reinhardt: Mein Geld! Meine Seele! Die größten Geizhälse und ihre Geschichten. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-59193-8.
  • Hanna Lehmann (Hrsg.): Aldisierung: Ist Geiz geil? Oder: Die Entwicklung einer neuen Konsumkultur. Katholische Akademie der Erzdiözese Freiburg, Freiburg im Breisgau 2007, ISBN 978-3-928698-31-3.

Weblinks

 Wikiquote: Geiz – Zitate
Wiktionary Wiktionary: Geiz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. http://www.zeno.org/Adelung-1793/A/Pfennigfuchser,+der?hl=pfennigfuchser
  2. http://www.zeno.org/Wander-1867/A/Furzklemmer?hl=pfennigfuchser
  3. Hans Hopf, Evelyn Heinemann: Psychische Störungen in Kindheit und Jugend: Symptome- Psychodynamik, W. Kohlhammer Verlag, ISBN 978-3-17-020089-0 Seite 16
  4. Anton Bucher: Geiz, Trägheit, Neid & Co.- Therapie und Seelsorge: Psychologie der 7 Todsünden, Springer Verlag 2012 ISBN 978-3-642-04906-4 Seite 46f.
  5. Yoon-Mi Hur, Hoe-Uk Jeong, Julie Aitken Schermer, J. Philippe Rushton (2011): Miserliness is heritable. Personality and Individual Differences.

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