Gehirnerschütterung

Gehirnerschütterung
Klassifikation nach ICD-10
S06.9 Schädelhirntrauma
ICD-10 online (WHO-Version 2006)
Ausgedehntes subdurales Hämatom mit vollständiger Komprimierung des Ventrikelsystems auf der Trauma-Seite

Als Schädel-Hirn-Trauma (auch SHT) bezeichnet man jede Verletzung des Schädels mit Hirnbeteiligung, aber keine reinen Schädelfrakturen oder Kopfplatzwunden. Wegen der Gefahr von Hirnblutungen oder anderer Komplikationen wird für jeden Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma (auch „nur“ Gehirnerschütterung) die Beobachtung im Krankenhaus empfohlen.

Inhaltsverzeichnis

Einteilungen

Man unterteilt das Schädel-Hirn-Trauma in

  • gedecktes SHT
  • offenes SHT (Zerreißung der Dura-Mater-Hirnhaut).

Es erfolgt weiterhin eine Einteilung in drei Schweregrade, die sich an der Dauer der Bewusstlosigkeit, der Rückbildung der Symptome und den Spätfolgen orientieren:

  • SHT 1. Grades (commotio cerebri oder Gehirnerschütterung): Ist als eine leichte, gedeckte Hirnverletzung ohne Bewusstlosigkeit bzw. mit Bewusstlosigkeit bis zu 15 Minuten definiert. Sie heilt in zirka 5 Tagen vollständig aus. Die Patienten haben in der Regel lediglich eine retrograde Amnesie und Übelkeit zu beklagen.
  • SHT 2. Grades (contusio cerebri oder Gehirnprellung): Bewusstlosigkeit länger als 15 Minuten. Spätfolgen sind von der Lokalisation der Hirnschädigung abhängig. Keine Perforation der Dura.
  • SHT 3. Grades (compressio cerebri oder Gehirnquetschung): Bewusstlosigkeit länger als 30 Minuten, verursacht durch Einklemmung des Gehirns durch Blutungen, Ödeme oder ähnliche Vorgänge. Hierbei sollte man bedenken, dass das Gehirn der einzige große Körperteil des Menschen ist, der fast vollständig von Knochen umgeben ist. Dieser besondere Schutz kann jedoch bei solchen raumfordernden Prozessen gleichzeitig zur Gefahr werden, da somit das gesamte Gehirn unter dem Druckanstieg und der folgenden Einklemmung leiden kann. Die Folge ist oftmals ein lang andauerndes Koma (das oft künstlich verlängert wird), ein komaähnlicher Zustand, oder gar der Tod. Zur Druckentlastung kann eine temporäre Entfernung eines Teils der Schädeldecke (einige Monate) angewandt werden. Dauerhafte Schäden sind zu erwarten, aber nicht zwangsläufig.

Die Einteilung ist sehr schematisch. Z. B. tritt bei einer traumatischen Verletzung des Frontalhirns nicht unbedingt eine Bewusstlosigkeit auf, kann aber zu einer dauernden Schädigung führen (Frontalhirnsyndrom). Meist wird heute nur noch zwischen leichtem, mittelschwerem und schwerem Schädel-Trauma differenziert.

Heute erfolgt die Einteilung jedoch über die Glasgow Coma Scale:

  • leichtes SHT: GCS 13-15
  • mittelschweres SHT: GCS 9-12
  • schweres SHT: GCS 3-8

Symptome

Die folgenden Symptome können auf ein Schädel-Hirn-Trauma hindeuten. Es gilt zu beachten, dass sich einige der genannten Symptome teilweise deutlich nach dem Trauma entwickeln können. Dies wird als Latenz oder Latenzzeit (Zeitraum zwischen Auftreten des Traumas und des Symptoms) bezeichnet.

  • Bewusstseinsstörung, evtl. mit zunehmender Eintrübung
  • Kopfschmerzen
  • Schwindel und Gleichgewichtsstörungen
  • Schielen
  • Pupillendifferenz (unterschiedlich große Pupillen)
  • Krämpfe oder sonstige neurolog. Ausfallerscheinungen
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Bewusstlosigkeit
  • Erinnerungslücken (Amnesie)
  • visuelle Halluzinationen (Photopsien)

Dabei müssen die Pupillendifferenz (Anisokorie) und zunehmende Bewusstseinsstörungen als besondere Warnzeichen betrachtet werden, da sie Hinweise auf eine Blutung innerhalb des Schädels sein können.

Diagnostik

Um das Ausmaß der Hirnschäden festzustellen, ist eine umfassende Diagnostik durchzuführen. Schäden im Gehirn können durch folgende Untersuchungsmethoden festgestellt werden:

  • Die klinisch-neurologische Untersuchung: Ein Neurologe prüft mögliche Störungen an Auge, Ohr und den Gesichtsnerv und kontrolliert Funktionen wie Schlucken, Kauen, Würgereiz, Sprache und Sprechen. Darüber hinaus untersucht er den Patienten auf Bewegungsstörungen.
  • Die Computertomographie (CT) des Kopfes: Mittels des Röntgenverfahrens kann festgestellt werden, ob und wo Blutungsherde, Gewebsschäden oder Hirndruckzeichen vorhanden sind.
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Hier werden elektromagnetische Impulse gemessen. Die Bilder lassen bereits kleine Schäden an verschiedenen Hirngebieten erkennen. Voraussetzung für diese Untersuchung ist die Ruhelage des Patienten.
  • Das Elektroenzephalogramm (EEG): Damit werden die Hirnströme, also die Funktion des Gehirns gemessen, d. h. es kann die Frage beantwortet werden, ob die gesamte Hirnfunktion oder nur einzelne Teile betroffen sind (Differentialdiagnose zu epileptischen Anfällen; EEG zeigt epileptische Aktivität der Hirnströme).
  • Evozierte Potentiale: Nervenbahnen werden auf ihre Durchlässigkeit überprüft. Auge, Ohr und Haut werden elektrisch gereizt. Reaktionen darauf lassen auf Störungen an bestimmten Schaltstellen schließen.
  • Die Analyse des Proteins S100 aus dem Blut wird zur Ausschlussdiagnose des leichten Schädel-Hirn-Traumas verwendet.
  • Der augenärztliche Befund: Dieser untersucht die Funktionen der inneren und äußeren Augenmuskeln, des Gesichtsfeldes und der Sehnerven.
  • Nachuntersuchungen: Schäden außerhalb des Kopfbereiches vor, z. B. Knochenbrüche; Nierenprellungen

Behandlung

Die frühzeitig einsetzende aggressive Therapie vermindert Sekundärschäden und ist ausschlaggebend für den Erfolg. Jeder Patient mit SHT sollte 48 Stunden im Krankenhaus überwacht werden (auch wenn „nur“ eine Gehirnerschütterung vermutet wird)[1].

Die Rückbildung der Symptome bei Gehirnerschütterung kann 10 bis 25 Tage dauern, sie wird unterstützt durch Ruhe, Vermeiden von Fernsehen, Lärm und Stress.

Kinder mit Schädel-Hirn-Trauma, deren Körper auf 33 Grad Celsius künstlich abgekühlt wird, haben schlechtere Heilungschancen als Kinder mit Schädel-Hirn-Trauma, die bei normaler Körpertemperatur behandelt werden[2].

Im Rahmen des SHT können verschiedene Komplikationen auftreten, deren Therapie jeweils in dem entsprechenden Wikipedia-Artikel beschrieben sind: Bewusstlosigkeit, Hirndruck, Epiduralblutung, Subduralblutung, Schädelbasisbruch.

Quellen

  1. Kolodziejczyk D. Das einfache Schädel-Hirn-Trauma (Diagnostische Fallen und Komplikationen). Unfallchirurg 2008. 111:486-92
  2. Hutchison, J S. Hypothermia Therapy after Traumatic Brain Injury in Children. New England Journal of Medicine 2008, 358, 2447-2456

Literatur

  • Leichtes Schädel-Hirn-Trauma - Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. in: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie; 3. überarbeitete Auflage 2005, ISBN 3-13-132413-9; Georg Thieme Verlag, Stuttgart
  • Schweres Schädel-Hirn-Trauma - Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. in: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie; 3. überarbeitete Auflage 2005, ISBN 3-13-132413-9; Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Weblinks

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