Geburtsmechanik

Geburtsmechanik

Als Geburtsmechanik bezeichnet man das mechanische Zusammenspiel zwischen dem Feten und dem Geburtskanal während der Geburt.

Inhaltsverzeichnis

Anatomische Grundlagen

Messung der Conjugata vera obstetrica (rot) in der MRT bei Beckenendlage des Kindes.

Anatomie des Geburtskanals

Der Geburtskanal, also der Teil, durch den das Kind während der Geburt treten muss, um geboren zu werden, wird zum einen vom mütterlichen kleinen Becken und zum anderen aus mütterlichen Weichteilen (Gebärmutterhals, Scheide, Vulva) gebildet. Während das Weichteilgewebe bis zu einem gewissen Grad dehnbar ist, ist das knöcherne Becken relativ fest. Zwar kommt es unter dem Einfluss von Hormonen während der Schwangerschaft zu einer Lockerung der Symphyse (=Schambeinfuge), um das Becken etwas weiter zu machen, diesem Mechanismus sind jedoch enge Grenzen gesetzt. Entscheidend für die Geburtsmechanik von mütterlicher Seite sind also die knöchernen Beckenstrukturen.

Das kleine Becken wird anatomisch in vier klassische Ebenen eingeteilt:

  • Der Beckeneingang weist eine querovale Form auf (ist also breiter als tief) und wird gebildet durch das sog. Promontorium des Kreuzbeins, der Schambeinfuge und dem Darmbein. Für die Geburtsmechanik entscheidend ist der kürzeste Abstand zwischen der hinteren Symphysenfläche und dem Promontorium, welcher als Conjugata vera obstetrica bezeichnet wird.
  • Die Beckenweite wird gebildet von der Symphysenhinterwand und der Mitte des dritten Kreuzbeinwirbels. Sie ist rund und die größte Ebene des Geburtskanals.
  • Die Beckenenge wird vorne vom Unterrand der Symphyse, hinten vom Übergang vom Kreuz- zum Steißbein (Articulatio sacrococcygis) und seitlich von den Dornfortsätzen des Darmbeins gebildet. Diese Enge ist längsoval, ist also tiefer als breit.
  • Der Beckenausgang schließlich wird gebildet von Symphysenunterrand, den Sitzbeinhöckern und der Spitze des Steißbeins.

In der Geburtshilfe werden jedoch aus Gründen der Vereinfachung die parallelen Ebenen nach Hodge benutzt, welche im Abstand von jeweils 4 cm angeordnet sind und sich nach den Dornfortsätzen des Sitzbeins (Spinae iliaca) als Referenz oder Nullebene richten.

Anatomie des Fetus

Geburtsmechanisch entscheidend ist der kindliche Kopf als der Teil des Feten, der den größten Umfang besitzt. Weiterhin ist der Kopf länger als breit - der Abstand von Stirn zu Hinterkopf ist länger als der Abstand zwischen den beiden Schläfen - also längsoval. Im Gegensatz zum mütterlichen Becken ist das Kind kein starres System, sondern der Kopf kann vom Rumpf relativ frei gedreht, gebeugt oder gestreckt werden. Weiterhin sind die Schädelknochen des Kindes noch nicht fest verknöchert und somit der Kopf in einem gewissen Umfang zusammendrückbar. Nach dem Kopf sind die kindliche Schulter und das Becken die breitesten Stellen.

Geburtsverlauf

Der Durchtritt des Kindes durch den Geburtskanal ist aus kindlicher Sicht ein passiver Vorgang und passt sich entsprechend den anatomischen Gegebenheiten den jeweiligen Formen und Weiten des Geburtskanals an. Der Kopf folgt dabei dem Gesetz des geringsten Zwanges. Dabei verläuft die Geburt aus mechanischer Sicht folgendermaßen:

  1. Eintreten des Kopfes in das kleine Becken. Da der Beckeneingang queroval verläuft, stellt sich der Kopf ebenfalls quer ein. Das kindliche Gesicht weist also nach rechts oder nach links.
  2. Flexion. Der Kopf tritt tiefer in die Beckenhöhle und führt passiv eine Beugung (=Flexion) durch. Die sog. kleine Fontanelle, die am Hinterhaupt des Kindes liegt, kommt nach vorne (in die „Führungslinie“)
  3. 1. Rotation. Der Kopf gelangt nun in die Beckenenge und muss entsprechend deren Form eine 90°-Drehung vollziehen, um das Hinterhaupt nach vorne zu legen. Dieser Vorgang wird durch den mütterlichen Levatormuskel unterstützt. Das Gesicht weist jetzt nach hinten und der Kopf gelangt nun an den Beckenausgang.
  4. Streckung. Der Kopf muss nun durch einen Knick im Geburtskanal treten. Dazu stemmt er sich am Symphysenrand an und gelangt so in eine Streckhaltung. Das Hinterhaupt erscheint unter der Symphyse. Beim sog. Einschneiden treten Scheitel, Stirn und Kopf durch den Damm.
  5. 2. Rotation. Nachdem der Kopf geboren wurde, folgen die Schultern. Da diese im Gegensatz zum Kopf breiter als tief sind, muss das Kind erneut eine 90°-Drehung vollziehen, das kindliche Gesicht weist am Ende in die gleiche Richtung, wie es beim Eintritt ins Becken gewiesen hat.
  6. Geburt des Rumpfes. Dieser Vorgang erfolgt ohne Spannung. Das Kind wird dazu dem gebogenen Geburtskanal folgend um die Symphyse auf den Bauch der Mutter entwickelt.

Einstellungsanomalien des kindlichen Kopfes können diesen normalen Geburtsverlauf erschweren.

Literatur

  • Diedrich (Hrsg.): Gynäkologie und Geburtshilfe. 1. Auflage. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York 2000, ISBN 3-540-65258-2.

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