Gautschen

Gautschen
Gautschen eines Druckerlehrlings 2004 in Düsseldorf

Gautschen ist ein bis ins 16. Jahrhundert rückverfolgbarer Buchdruckerbrauch, bei dem ein Lehrling nach bestandener Abschlussprüfung im Rahmen einer Freisprechungszeremonie in einer Bütte untergetaucht und/oder auf einen nassen Schwamm gesetzt wird.

In seiner ursprünglichen Bedeutung bezeichnet der Begriff „Gautschen“ den ersten Entwässerungsschritt nach dem Schöpfen des Papiers, das Ablegen des frisch geschöpften Papierbogens vom Sieb auf eine Filzunterlage.

Inhaltsverzeichnis

Das Gautschen als alter Schriftsetzer- und Buchdruckerbrauch

Zur Gautschzeremonie eine Beschreibung aus dem 17. Jahrhundert: „Wolan es muß das groben Schwein/Mit sonderm Fleiß behobelt seyn/ Knecht/ Hilff mir lustig machen.“ Und nachdem bereits einiger Schabernack getrieben worden war: „Nun ist er heraus der böse Zahn/ Gib die Pommad' her mein Compan/ Den Bart ihn anzustreichen: Auf daß dem schönen Jungfern-Knecht Ein jeder mög' ansehen recht/ Die Hund' ihn auch beseichen.

Die Beteiligten

Zu einem Gautschakt gehören neben dem Gäutschling (auch „Kornut“ genannt) der Gautschmeister, der erste und zweite Packer so wie der Schwammhalter. Meist gibt es noch eine unterschiedliche Zahl an Zeugen oder mehrere Packer, die auch auf dem Gautschbrief ihre Anwesenheit durch Unterschrift bekunden. Nass geht es auch heute noch zu, wenn gegautscht wird. Aber nicht nur der Täufling wird nass, sondern oft auch die Packer, Zuschauer und auch Ehrengäutschlinge, welche vorher nichts von ihrem „Glück“ wissen.

Der Ablauf

Dem Lehrling wird nicht mitgeteilt, wann genau er gegautscht wird. Gelingt es ihm nämlich, den Packern und somit dem Gautschen zu entfliehen, muss er das Gautschfest nicht selber bezahlen. Auf den Ruf des Gautschmeisters „Packt an!“ wird der Jünger gefasst, in eine mit Wasser gefüllte Wanne oder, wenn die Beteiligten es weniger drastisch gestalten wollen, auf einen mit Wasser durchtränkten Schwamm gesetzt. Bei manchen Druckereien wird zur Taufe ein in der Nähe des Betriebes liegender Brunnen herangezogen. Jedenfalls muss zumindest dafür gesorgt werden, dass das Hinterteil gehörig angefeuchtet wird. Da aber der Jünger sich oft tapfer wehrt, um sich schlägt und beißt, gelingt das Anpacken oft nicht immer auf den ersten Angriff. Je mehr er sich wehrt, desto mehr wird er auch noch von oben herab begossen, sodass der Jünger am ganzen Körper pudelnass wird. Gelegentlich wird das Gautschen als symbolische Maßnahme betrachtet, um angeblich die schlechten Gewohnheiten aus der Lehrzeit abzuwaschen.

Der Gautschspruch – Das Gautschfest – Der Gautschbrief

Gautschbrief der Badenia Buchdruckerei, ca. 1930

Während des Gautschens hält der Schwammhalter eine launige Ansprache an den Jünger und das umstehende Publikum. „PAKKT AN! LASST SEINEN CORPUS POSTERIORUM FALLEN AUF DIESEN NASSEN SCHWAMM / BIS TRIEFEN BEIDE BALLEN. DER DURSTGEN SEELE GEBT EIN STURTZBAD OBEN-DRAUFF / DAS IST DEM SOHNE GUTENBERGS DIE BESTE TAUFF“

Dazu der Text eines Gautschbriefes der VEB Graphischen Kunstanstalten in Leipzig vom 28. Juni 1952. „Von Gutenbergs Gnaden thun wir Jünger Gutenbergs zu Leipzig jedem unserer Kunstgenossen kund und zu wissen / dass der Jünger der wohledlen Buchdruckerkunst Eckert, Paul nach altem Brauch und Herkommen heut mit Zuziehung der Gesellen untbenamster Offizin die Wassertauf ad posteriora erhalten hat und damit in sämtliche uns von dem Kaiser Friedrich III. verliehenene Rechte und Privilegien eingeführet ist. Kraft derselben gebieten wir allen unseren Kunstgenossen obenbenamsten Jünger Gutenbergs als ehrbaren Schwartzkünstler und rechtmäßigen Gesellen anzuerkennen.“

In einem anderen Gautschbrief aus Bern um 1900 heißt es: „Den alten Kunstgebrauch zu ehren, Thät er sich weder sträuben noch wehren. Erhielt die üblichen drei Stöße auf den Arsch. Und zappelte dabei wie ein Barsch. Darauf bezahlte er blank und bar Das altbekannte Gautschhonorar.

Den Gautschbrief, der seine Taufe als Jünger Gutenbergs bestätigt, erhält der Gäutschling erst am Gautschfest, zu welchem er seine Betriebskollegen nach der Gautschete einzuladen hat. Es soll Betriebe geben, die einen neuen Mitarbeiter bei Stellenantritt nach seinem Gautschbrief fragen und sofern er keinen vorweisen kann, muss das Gautschen nachgeholt werden.

Gautschen heute

In der Gegenwart werden außer Setzern und Druckern ebenfalls Druckvorstufentechniker und eventuell auch Mediengestalter hin und wieder noch gegautscht, obschon sie alltäglich nicht mehr mit Druckerschwärze in Berührung kommen, so z. B. bei der Mainzer Johannisnacht, der Leipziger Gutenbergschule,[1] der HTWK Leipzig, der Beuth Hochschule für Technik Berlin[2], der Macromedia Akademie München (Berufsfachschule)[3]und dem BSZ Bau und Technik in Dresden.[4]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gutenbergschule Leipzig: Gautschfest 2010 Abgerufen am 5. August 2011.
  2. Gautschen an der Beuth Hochschule Berlin Abgerufen am 5. August 2011.
  3. Macromedia Akademie München: Wassertaufe als Medienkünstler – die Gautschfeier 2011 vom 11. Juli 2011. Abgerufen am 5. August 2011
  4. [1]Informationen über das Gautschfest des BSZ Bau und Technik Dresden

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  • Gautschen — Gautschen, in der Papierfabrikation das Übertragen des frisch geschöpften Bogens auf den Filz (s. Papier); dann soviel wie gaukeln, hänseln. Buchdrucker g. hier und da den Neuling, indem sie ihn auf einen nassen Schwamm setzen, worauf ihm eine… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Gautschen — (Kautschen), die Arbeit der Entwässerung des noch aus losen, stark mit Wasser gemengten Fasern bestehenden Papierbogens oder auch der Papierbahn in der Maschine durch Anpressen an eine Filzplatte oder mit Filz überzogene Walze, also durch… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Gautschen — Gautschen, verb. reg. act. eben daselbst, die Bogen aus der Form nehmen, und auf das vorhin gedachte Bret legen. Anm. Dieses alte sonst veraltete Wort bedeutet eigentlich legen, und ist zugleich die Mutter oder Tochter des Franz. coucher, welches …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • gautschen — gaut|schen 〈V. tr.; hat〉 schaukeln ● die nasse Papierbahn gautschen zw. zwei Walzen einlegen u. auspressen; einen Lehrling gautschen den Lehrling in eine Bütte mit Wasser tauchen, damit er zünftig wird; er erhält den Gautschbrief u. muss die… …   Universal-Lexikon

  • gautschen — gautschen1 Vsw schaukeln, wiegen per. Wortschatz wobd. (15. Jh.) Stammwort. Andernorts auch gauken, gaukeln, so daß wohl ein altes * gūkezzen o.ä. vorausliegen wird. Das Wort ist aber in alter Zeit nicht bezeugt. deutsch d. gautschen2 Vsw per.… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • gautschen — gaut|schen (Papier zum Pressen ins Gautschbrett legen; auch Buchdrucker, Setzer nach altem Buchdruckerbrauch nach der Ausbildung aufnehmen; südwestdeutsch für schaukeln); du gautschst …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Gautschen — * Sie gautscht daher, wie die Ent im Dreck. (Nürtingen.) – Haug …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • Gautschling — Gautschen eines Druckerlehrlings 2004 in Düsseldorf Ein Gautschling oder Kornut ist ein ausgelernter Lehrling des Druckerhandwerks, der aber den Gesellenbrief noch nicht erhalten hat. Um als Mitglied der Druckerzunft für würdig befunden zu werden …   Deutsch Wikipedia

  • Kornut — Gautschen eines Druckerlehrlings 2004 in Düsseldorf Ein Gautschling oder Kornut ist ein ausgelernter Lehrling des Druckerhandwerks, der aber den Gesellenbrief noch nicht erhalten hat. Um als Mitglied der Druckerzunft für würdig befunden zu werden …   Deutsch Wikipedia

  • Papier [1] — Papier (hierzu Tafel »Papierfabrikation I III«), ein blattförmiges, durch Verfilzung seiner Fäserchen entstandenes Fabrikat, das in den verschiedensten Größen (Formaten) und Dicken hergestellt wird. Bis zu der Dicke, bei der es, ohne zu brechen,… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

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