Garabit-Viadukt

Garabit-Viadukt
Garabit-Viadukt

Der Garabit-Viadukt (frz. Viaduc de Garabit) ist eine stählerne Eisenbahnbrücke, die das Flusstal der aufgestauten Truyère in Frankreich überspannt. Erbaut wurde der Viadukt von Gustave Eiffel gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die konstruktive Durchbildung und die statische Berechnung stammt von Maurice Koechlin. Er war für 25 Jahre die höchste Eisenbahnbrücke der Welt und zählt zu den bedeutendsten Brücken des 19. Jahrhunderts[1].

Inhaltsverzeichnis

Anlass für den Bau

In den Ausläufern des französischen Zentralmassivs liegt das Département Cantal in der Auvergne. Die Gegend um das Städtchen Saint-Flour ist geprägt von tiefen Schluchten in einer Landschaft vulkanischen Ursprungs. Die Bewohner lebten im 19. Jahrhundert überwiegend von Landwirtschaft, insbesondere Rinderzucht.

Vor dem Bau der Brücke war es schwierig, die Produkte der Gegend abzusetzen. Die Tiere mussten durch das unwegsame Gelände gefahrvoll zu den Handelsplätzen getrieben werden. Vom Treck der Rinder, der für das Überleben der Menschen der damaligen Zeit lebensnotwendig war, stammt auch der Name Garabit für die Gegend. Er ist eine Abwandlung der mundartlich ausgesprochenen Worte "Garde Boeuf".

Bau der Brücke

Mit dem Bauwerk hielt der Fortschritt Einzug in die unwirtliche Region. Gustave Eiffel hatte zuvor bereits ein halbes Dutzend Brücken an verschiedenen Orten im Zentralmassiv gebaut. Sein bis dahin größtes Brückenbauwerk stand jedoch in Portugal: Der Maria-Pia-Viadukt in Porto. Nach dem Vorbild dieser Brücke entwarf der 29-jährige Leon Boyer, Ingenieur aus Marvejols, nun den Viadukt von Garabit.

1880 begannen die Bauarbeiten. Ausgeführt wurde das Projekt von der Brückenbauanstalt Eiffel&Compagnie aus Paris. Sowohl in Fachkreisen als auch in der breiten Öffentlichkeit erregte das Projekt größtes Interesse. Im Juni 1883 begann die Montage des Bogens, der im abgespannten Freivorbau errichtet wurde. Im April 1884 war der Bogen geschlossen. Die Fachwerkträger der Überbauten wurden von beiden Widerlagern aus eingeschoben.

Nach vier Jahren Bauzeit war die Brücke 1884 fertiggestellt. Bis zu 500 Arbeiter waren auf der Baustelle tätig. Der kreative Umgang mit dem Werkstoff Eisen brachte dem Konstrukteur und Unternehmer Gustave Eiffel neuen Ruhm ein. Man nannte ihn den "Eisenzauberer". Der Erfolg beim Bau seiner Brücken trug mit dazu bei, dass er den Auftrag zur Errichtung des nach ihm benannten Eiffelturmes zur Weltausstellung in Paris erhielt.

Der Garabit-Viadukt wurde schon kurz nach seiner Vollendung ein beliebtes Ausflugsziel. Viele Franzosen reisten am Wochenende nach Saint-Flour, um dieses Wunderwerk der Technik zu bestaunen.

Technische Details

Das Bauwerk überspannt mit einer Länge von fast 565 Meter in 122 Metern Höhe zwischen Talsohle und Bogenscheitel das Tal der Truyère. Die Spannweite des Bogens beträgt 165 Meter. Der Bogen selbst ist einfach statisch unbestimmt gelagert. Damit unterscheidet sich der zweigelenkige Bogen von der optisch ansonsten sehr ähnlichen Müngstener Brücke, deren gelenkloser Bogen bei fast gleichen Abmessungen dreifach statisch unbestimmt gelagert ist.

3.900 Tonnen hochwertigen Schmiedeeisens wurden benötigt. Das berechnete Gewicht beträgt 3.249 Tonnen. Zusätzlich verbaute man 18.647 Kubikmeter Mauerwerk.

Erst 25 Jahre nach Fertigstellung wurde der Garabit-Viadukt in seiner Höhe übertroffen vom Viaduc des Fades bei Clermont-Ferrand im Jahre 1909.

Entsprechend der damaligen Geschwindigkeit der Züge beträgt die zulässige Fahrgeschwindigkeit auch heute noch maximal 40 Kilometer in der Stunde. Eine Überfahrt dauert daher beinahe eine Minute.

Heutige Bedeutung

Die Einwohner der umliegenden Ortschaften sind immer noch sehr stolz auf ihr einst so bedeutendes Bauwerk. Aufgrund seiner hohen Materialqualität und der für die damalige Zeit bahnbrechenden Konstruktion ist die Brücke auch heute noch in einwandfreiem Zustand. Mit seiner schlanken, eleganten Form wirkt der Viadukt ausgesprochen filigran und fügt sich trotz der Massivität des Baumaterials erstaunlich harmonisch in die schroffe Felslandschaft ein.

Blaue Stunde

Die ursprünglich graue Farbe wurde erst vor einigen Jahren durch einen gut sichtbaren roten Anstrich ersetzt, der die Eleganz des Bauwerkes unterstreicht. Nachts wird der Viadukt von Scheinwerfern angestrahlt und bietet dann weit sichtbar einen beeindruckenden Anblick.

Garabit entwickelte sich schon frühzeitig zum Ausflugsziel für Touristen und ist dies auch bis heute geblieben. Früher verkehrten täglich mehr als ein Dutzend Züge auf der Nord-Südstrecke. Die eingleisige, elektrifizierte SNCF-Ligne des Causses verbindet Clermont-Ferrand über Millau mit Béziers. Heute befährt im Personenverkehr nur noch ein Zugpaar täglich die Strecke, der Aubrac (Schnellzug Paris – Béziers), dazu ein Paar von Regionalzügen am Freitag Abend und ein Regionalzug ohne Gegenzug am Sonntag. Die zahlreicheren parallel zur Bahnstrecke verkehrenden Busse der SNCF brauchen zwischen Saint-Flour und Saint-Chély-d’Apcher nur zwei Drittel so viel Zeit wie die Züge. Im Sommer verkehrt zusätzlich ein Zug speziell für Touristen, aus Aurillac kommend. Ab Anfang März 2007 war die Strecke zwischen Neussargues und Saint-Chély-d’Apcher wegen Baufälligkeit gesperrt und es verkehrte Schienenersatzverkehr, so dass eine Überfahrt nicht möglich war. Nach Beendigung der Ausbesserungsarbeiten wurde der Verkehr am 18. Juli 2007 wieder aufgenommen.

1992 bekam die alte Brücke Gesellschaft in Form einer Autobahnbrücke. Das letzte Teilstück der A 75, der Nordsüd-Autobahn, wurde fertiggestellt. Damit wurde das Tal der Truyère ein zweites Mal überwunden. Die Autobahnbrücke ist 311 Meter lang und ein modernes, zweckmäßiges Bauwerk aus Spannbeton, über das der Verkehr nun an Garabit vorbei geführt wird.

1976 kam die Brücke zu Filmehren; im Katastrophenthriller Treffpunkt Todesbrücke war sie als einsturzgefährdete "Kassandrabrücke" zu sehen, die laut Handlung allerdings in Polen stehen sollte.

Bereits im Sommer 1964 hatte der französische Regisseur Henri-Georges Clouzot hier mit Romy Schneider und Serge Reggiani Aufnahmen für den Film L'Enfer "Die Hölle" gemacht. Die Dreharbeiten wurden jedoch abgebrochen, als der Regisseur nach einigen Wochen einen Herzinfarkt erlitt. Der mit aufregenden visuellen Innovationen experimentierende Film wurde nie fertiggestellt. Erst 2009 veröffentlichte der Filmhistoriker Serge Bromberg Teile des von ihm wiederentdeckten 14-stündigen Materials in seinem bei den Filmfestspielen von Cannes präsentierten Dokumentarfilm "Die Hölle von Henri-Georges Clouzot". Brombergs Dokumentation bekam 2010 den französischen Filmpreis "César" als bester Dokumentarfilm.

Ein Bildband zu dem sagenumwobenen Projekt mit dem Titel Romy - Die unveröffentlichten Bilder aus Inferno ist 2010 bei Schirmer/Mosel München erschienen (ISBN 978-3-8296-0462-8).

Weblinks

Weitere Bilder

Einzelnachweise

  1. Gerhard Mehlhorn, Masaaki Hoshino:Brückenbau auf dem Weg vom Altertum zum modernen Brückenbau. In:Handbuch Brücken, Gerhard Mehlhorn (Hrsg.), S.47, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007. ISBN 978-3-540-29659-1
44.9752777777783.1775

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