Gao-Reich

Gao-Reich

Das Reich von Gao oder Kawkaw, auch Gaoreich, entstand in vorislamischer Zeit am Nigerbogen. Nach Ansicht der frühesten arabischen Geographen war es mächtiger als Ghana im Westen und Kanem im Osten.

Inhaltsverzeichnis

Frühe Machtentfaltung

Seit dem 9. Jahrhundert berichten arabische Geographen von dem großen Reich Kawkaw, das sie westlich des Ghanareiches lokalisieren. Al-Yaqubi beschreibt Kawkaw 873 n. Chr. als das größte und mächtigste Reich Westafrikas. Nach al-Bakri herrschte dort ein König, der den Namen oder Titel Qanda trug.[1]

Handel und frühe Islamisierung

Wichtigster Grund für die Entstehung des Reiches von Gao war die günstige geographische Lage der Stadt am östlichen Nigerbogen weit im Norden der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Sahel. Aus Nordafrika wurden Stoffe, Pferde, Waffen, Glas und Perlen, aus der Sahara auch Salz importiert. Exportiert wurden Sklaven und Gold. Die Erhebung von Zöllen besonders auf das wertvolle Salz der Sahara erfolgte zugunsten des Königs. Al-Muhallabi erwähnt ca. 985 n. Chr., dass der Herrscher von Gao zu dieser Zeit bereits ein Muslim war.[2] Die lebhaften Handelsbeziehungen mit Tahert im Maghreb könnten zur frühen Einführung des heterodoxen Ibadi-Islam geführt haben.

Ursprung der Za-Dynastie

Traditionelle Geschichte: Übersiedlung der Za von Kukiya nach Gao ca. 800 n. Chr.

Nach den Angaben des al-Sa'dis im Ta'rikh al-Sudan wurde die Za-Dynastie von einem Flüchtling aus dem Yemen in Kukiya ca. 150 km Niger-abwärts von Gao gegründet. Za-Kosoi, der 15. Herrscher dieser Dynastie, sei 1009/10 n. Chr. zum Islam übergetreten. In vielen Darstellungen der Geschichte Songhays wird diese Lesart der Geschichte weiterhin vertreten. [3]

Gründung der Zaghe-Dynastie ca. 1087

In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts gelangte eine neue Dynastie in Gao an die Macht. Sie hat die Marmorstelen von Gao-Saney hinterlassen, auf denen die hochgepriesenen Namen des Propheten und der ersten beiden Kalifen mit Sterbedaten vom Beginn des 12. Jahrhunderts verzeichnet sind: Muhammad ibn Abd Allah (st. 1100), Umar ibn al-Khattab (st. 1110), Uthman ibn al-Quhafa (st. 1120). Dadurch wird deutlich, dass die Könige der Zaghe ihre Mission in der Verbreitung des Islam im subsaharanischen Afrika sahen und sich in dieser Beziehung auf eine Stufe mit den Begründern des arabisch-islamischen Weltreiches stellten. Die Inschriften der Stelen liefern für den dritten König auch den lokalen Namen Yama ibn Kima, der in der Liste der Za-Könige der Chroniken von Timbuktu an 18. Stelle wiederzufinden ist. Er ist daher mit dem dritten Nachfolger des ersten muslimischen Königs der Za identisch. Aus dem Synchronismus wird ersichtlich, dass die Za, wie Jean Sauvaget schon geahnt hatte, tatsächlich mit den Zaghe-Königen der Stelen gleichzusetzen sind. Die Islamisierung der Dynastie fand dementsprechend nicht um 1009/10 statt, wie es der Ta'rikh al-Sudan angibt, sondern ca. 1087. Die Zaghe-Könige müssen in Verbindung zu den Almoraviden gestanden haben, denen der Auftrag zur Herstellung der Marmorstelen im spanischen Almeria und die anschließende Herbeischaffung der Stelen am ehesten zuzutrauen ist. Zudem deutet der Auffund der Stelen in der Händlerstadt von Gao-Saney und nicht in der Königstadt Gao selbst auf einen Fremdursprung der neuen Herrscher.[4]

Die Za/Zaghe-Könige von Gao-Saney und die Almoraviden

Die Zaghe betrachteten sich offensichtlich als schwarzafrikanische Fortführer der weltgeschichtlichen Aufgabe der ersten arabischen Herrscher des Islam. Ihr vom Tarikh al-Sudan angegebener Ursprung aus Kukiya südwestlich von Gao, der vom Tarikh al-Fattash nicht bestätigt wird, ist mit ihren engen Verbindungen zu den Almoraviden nicht vereinbar. Vielmehr ist mit einer Verknüpfung des unter dem Druck der Almoraviden 1076 eingeführten Sunni-Islam in Ghana zu rechnen.[5] Es ist anzunehmen, dass der König von Ghana Yama ibn Kima sich nach dem Tod des Almoravidenführers Abu Bakr ibn Umar vor religiösen Eiferern nach Gao zurückziehen musste. Hier genoss er weiterhin den Schutz der Massufa von Tadmekka, einer Untergruppe der Almoraviden, die vermutlich die Herstellung und Herbeischaffung der Marmorstelen von Gao-Saney aus dem spanischen Almeria organisierten. [6]

Identität der Za/Zaghe Herrscher und die Geschichte von Songhay

Aus der Identifikation der Zaghe mit den Za ergeben sich somit wichtige Konsequenzen für die Geschichte des Gao-Reiches:

  • Die Za waren keine aus Kukiya stammenden Songhayherrscher (bisherge Lehrmeinung).[7]
  • Die Za können nicht als neueingesetzte schwarzfrikanische Kleinkönige angesehen werden, die als gehorsame Vasallen der Almoraviden fungierten.[8]
  • Als hochangesehene ehemalige Könige von Ghana spielten die Za/Zaghe auch in den Augen der Almoraviden eine wichtige Rolle in der Verbreitung des Sunni-Islams südlich der Sahara.

Nichts deutet somit auf eine relatif späte Machtübernahme der aus Kukiya stammenden Songhay. Es ist vielmehr anzunehmen, dass die Songhay schon in ältester Zeit in Gao ansässig waren. Insbesondere die frühen Qanda Könige scheinen aus ihnen hervorgegangen zu sein. Die Yemen-Tradition, der Songhay-Name und der vormalige königliche Dongo/Shango Kult liefern darüber hinaus Hinweise auf eine frühe Einwanderung as dem alten Vorderen Orient.[9]

Maliherrschaft über den Nigerbogen (1300-1430)

Weit im Süden von Ghana und Gao kam es in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts unter Sunjata am oberen Niger zur Gründung und Islamisierung des Malireiches. Zur Konsolidierung ihrer Herrschaft riefen die Za/Zaghe die Keita-Könige von Mali zu Hilfe. Sie standen unter dem Druck der Sonni, die im Namen des Islam nach der Macht strebten. Aufgrund des Zweckbündnisses zwischen den Za und den Keita, mussten sich die Sonni vor der Übermacht der Verbündeten nach Kukiya Niger-abwärts zurückziehen. Das Bündnis war einerseits auf dem gemeinsamen Ghana-Erbe und andererseits auf der verbindenden Mande-Identität der Za und der Keita gegründet. Dennoch spielten die Za im erweiterten Malireich nur eine untergeordnete Rolle.

Im späten 14. Jahrhundert wurde die innere Stabilität Malis durch dynastische Wirren erschüttert. Ohne die Rückendeckung durch die Keita konnten die Za dem Druck der Sonni nicht standhalten. Mit Unterstützung der Songhai-Reiterkrieger vertrieben die Sonni die Za aus Gao und errichteten ihre eigene Herrschaft. So entstand auf den Trümmern des nordöstlichen Malireiches das Songhaireich.

Einzelnachweise:

  1. Levtzion/Hopkins, Corpus, 21, 87.
  2. Levtzion/Hopkins, Corpus, 174
  3. Rouch, Contribution, 169-173; Levtzion, in: Fage (Hg.), Cambridge History of Africa, Bd. II, 1978, 677-8; Hunwick, Timbuktu, XXXIII-XXXV.
  4. Lange, Kingdoms, 503.
  5. Al-Zuhri (schr. 1154) in Levtzion/Hopkins, Corpus, 98.
  6. Lange, Kingdoms, 498-509.
  7. Rouch, Contribution, 169-173; Levtzion, in: Fage (Hg.), Cambridge History of Africa, Bd. II, 1978, 677-8; Hunwick, Timbuktu, XXXIII-XXXV.
  8. Hunwick, "Gao," 413-430; Lange, "Gao-Sané", 264-9.
  9. Lange, Kingdoms, 563.

Siehe auch

Literatur

Darstellungen:

  • John O. Hunwick: Timbuktu and the Songhay Empire, Leiden 2003.
  • Dierk Lange: Ancient Kingdoms of West Africa, Dettelbach 2004 (hier S. 495-544).
  • Nehemia Levtzion, "Gao and the Songhay", in: J. D. Fage (Hg.), Cambridge History of Africa, Bd. II, Cambridge 1978, 677-9;
  • Jean Rouch: Contribution à l'histoire songhay, Dakar 1953.

Schriftquellen:

  • al-Sa'di: Tarikh al-Sudan, hgg. und übers. von O. Houdas, Paris 1898, 1900 (engl. Übers. J. O. Hunwick: Timbuktu and the Songhay Empire, 2003)
  • Mahmud Ka'ti/Ibn al-Mukhtar: Tarikh al-Fattash, hgg. und übers. von O. Houdas und M. Delafosse, Paris 1913.
  • Nehemia Levtzion and J. F. P. Hopkins, eds. and trans. (1981): Corpus of Early Arabic Sources for West African History, Cambridge 1981.
  • Jean Sauvaget: "Les épitaphes royales de Gao", Bulletin de l'IFAN, Serie B, 12, 1950, 418-440.
  • Paolo Moraes Farias: Arabic Medieval Inscriptions from the Republik of Mali, Oxford 2003.

Archäologie:

  • Timothy Insoll: Islam, Archaeology and History: Gao Region (Mali) ca. AD 900 - 1250, Oxford 1996.

Ethnographie:

  • Jean Rouch: Religion et magie songhay, Paris 1960.
  • Olivier de Sardan: Concepts et conceptions songhay-zarma, Paris 1982.

Weblinks:


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