Ganzrationale Funktion

Ganzrationale Funktion

Eine ganzrationale Funktion oder Polynomfunktion ist in der Mathematik eine Summe von Potenzfunktionen mit natürlichen Exponenten. Man kann also ihren Funktionsterm in folgende Form bringen:

f(x)=a_n x^n + a_{n-1} x^{n-1} + \cdots + a_2 x^2 + a_1 x + a_0 = \sum_{i=0}^n a_i x^i

mit einer natürlichen Zahl n und reellen Zahlen a_n, a_{n-1}, \ldots, a_2, a_1, a_0, wobei a_n \ne 0 sein muss (außer im Spezialfall, dass alle ai gleich 0 sind, also die Nullfunktion f(x) = 0 betrachtet wird). Ganzrationale Funktionen gehören zu den rationalen Funktionen und enthalten ihrerseits als Spezialfälle beispielsweise die bekannten linearen Funktionen und quadratischen Funktionen.

Dieser Artikel beschäftigt sich hauptsächlich mit den in der Schulmathematik üblichen ganzrationalen Funktionen über den reellen Zahlen; weiterführende Informationen zu möglichen Verallgemeinerungen des Konzepts finden sich im Artikel Polynome.

Inhaltsverzeichnis

Begriffe

Die Zahl n heißt der Grad der Funktion, die Zahlen a_n, a_{n-1}, \ldots, a_2, a_1, a_0 sind ihre Koeffizienten; der Koeffizient an wird oft als Leitkoeffizient bezeichnet. Der gesamte Funktionsterm ist ein Polynom.

Der Summand a0 heißt auch Absolutglied, die Summanden a1x und a2x2 werden manchmal als lineares bzw. quadratisches Glied bezeichnet.

Beispiele

  • Die Funktion mit dem Term f(x) = − 2x3 + 3x2 − 5x + 4 ist eine ganzrationale Funktion vom Grad 3 mit den Koeffizienten -2, 3, -5 und 4.
  • Bei der Funktion f: x \mapsto -2x (x - 1) (x + 3)^2 muss der Funktionsterm zunächst durch Auflösen der Klammern in eine Summe umgeschrieben werden:
f(x) = − 2x(x − 1)(x + 3)2 = ( − 2x2 + 2x)(x2 + 6x + 9) = − 2x4 − 10x3 − 6x2 + 18x,

der Grad ist also 4 und die Koeffizienten sind -2, -10, -6, 18 und 0.

  • Bei einer ganzrationalen Funktion vom Grad 5 mit den Koeffizienten -1, 0, \sqrt{2}, − 2π, 0, 1 kann der Funktionsterm geschrieben werden als f(x) = -x^5 + \sqrt{2} x^3 - 2\pi x^2 + 1.

Spezialfälle

Allgemeine Eigenschaften

Die maximal mögliche Definitionsmenge besteht aus allen reellen Zahlen (bzw. allgemeiner aus allen komplexen Zahlen), je nach Anwendung kann die Definitionsmenge aber auch nur eine Teilmenge davon sein. Die Wertemenge hängt vom Verhalten der Funktionswerte für x \to\pm\infty ab; siehe dort.

Ganzrationale Funktionen sind in ihrer ganzen Definitionsmenge stetig und unendlich oft stetig differenzierbar, also glatt. Betrachtet man ganzrationale Funktionen über den komplexen Zahlen, so sind sie auch ganz. Außerdem sind sie berechenbar, wenn ihre Koeffizienten es sind.

Die Berechnung von Funktionswerten, aber auch andere Rechnungen wie beispielsweise die Polynomdivision, kann mit dem Horner-Schema erleichtert werden.

Symmetrie

(siehe auch im Artikel Kurvendiskussion den Abschnitt über Symmetrieeigenschaften)

  • Sind alle Exponenten gerade Zahlen, so ist der Graph der Funktion (achsen)symmetrisch zur y-Achse. Die Funktion heißt dann ebenfalls gerade; es gilt f( − x) = f(x).
  • Sind alle Exponenten ungerade Zahlen, so ist der Graph der Funktion (punkt)symmetrisch zum Ursprung. Die Funktion heißt dann ebenfalls ungerade; es gilt f( − x) = − f(x).
  • Treten sowohl gerade als auch ungerade Exponenten auf, so hat der Graph keine einfache Symmetrie; er kann aber dennoch symmetrisch zu anderen Achsen oder Punkten sein:
    • Gilt f(x0 + x) = f(x0x), so ist der Graph (achsen)symmetrisch zur Geraden mit der Gleichung x = x0.
    • Gilt f(x0 + x) − y0 = − f(x0x) + y0, so ist der Graph (punkt)symmetrisch zum Punkt P(x0 | y0).
    • Insbesondere gilt: der Graph jeder ganzrationalen Funktion dritten Grades ist (punkt)symmetrisch zu seinem Wendepunkt.

Beispiele:

  • Der Graph der Funktion f: x \mapsto -2 x^6 + 3 x^4 - x^2 ist symmetrisch zur y-Achse (nur gerade Exponenten: 6, 4 und 2).
  • Der Graph der Funktion f: x \mapsto x^7 + x ist symmetrisch zum Ursprung (nur ungerade Exponenten: 7 und 1).
  • Der Graph der Funktion f: x \mapsto x^3 + 1 hat keine einfache Symmetrie (ungerade und gerade Exponenten: 3 und 0), ist aber symmetrisch zu seinem Wendepunkt W(0|1).

Grenzverhalten

Allgemein wird das Verhalten für x \to \pm\infty durch den Summanden mit der höchsten, das Verhalten für x \to 0 durch die Summanden mit den niedrigsten Exponenten bestimmt.

Verhalten für sehr große und sehr kleine x-Werte

Alle ganzrationalen Funktionen divergieren für x \to \pm\infty. Das genaue Verhalten hängt davon ab, ob der Grad n gerade oder ungerade ist, und welches Vorzeichen der Leitkoeffizient an hat; der Graph verhält sich dabei genauso wie der Graph einer Potenzfunktion mit dem Term g(x) = anxn. Angegeben ist im Folgenden außerdem die daraus folgende Wertemenge \mathbb{W} für den Fall, dass die Definitionsmenge \mathbb{D}=\mathbb{R} ist.

n gerade n ungerade
an > 0 Der Graph verläuft von links oben nach rechts oben, also:
f(x) \to \infty für x \to \pm\infty
\mathbb{W} ist nach unten beschränkt (durch das absolute Minimum der Funktion)
Der Graph verläuft von links unten nach rechts oben, also:
f(x) \to -\infty für x \to -\infty und f(x) \to \infty für x \to \infty
\mathbb{W} = \mathbb{R}
an < 0 Der Graph verläuft von links unten nach rechts unten, also:
f(x) \to -\infty für x \to \pm\infty
\mathbb{W} ist nach oben beschränkt (durch das absolute Maximum der Funktion)
Der Graph verläuft von links oben nach rechts unten, also:
f(x) \to \infty für x \to -\infty und f(x) \to -\infty für x \to \infty
\mathbb{W} = \mathbb{R}

Verhalten für x-Werte nahe Null

Alle ganzrationalen Funktionen sind für x \to 0 endlich. Genauer gilt: der Graph schneidet die y-Achse bei a0, die Steigung an dieser Stelle ist durch a1 gegeben. Die Tangente im Schnittpunkt mit der y-Achse hat also immer die Gleichung y = a1x + a0

Beispiel

Der Graph der Funktion f: x \mapsto - 2 x^5 + 4 x^3 - 3 x + 1 verläuft für x\to\pm\infty wie der Graph der Funktion g: x \mapsto - 2 x^5, also von links oben nach rechts unten (Grad n = 5 ungerade, Leitkoeffizient a5 = -2 < 0). Für die Funktionswerte gilt also: f(x) \to \infty für x \to -\infty und f(x) \to -\infty für x \to \infty. Für  x \to 0 verläuft er dagegen wie der Graph von h(x) = − 3x + 1, er schneidet die y-Achse also bei 1 und hat dort die Steigung -3.


Nullstellen

Hauptartikel: Nullstelle

Linearfaktorzerlegung

Ist der Funktionsterm einer ganzrationalen Funktion als Produkt von linearen Faktoren (von denen manche auch mehrfach auftreten können) und evtl. einer ganzrationalen Funktion g ohne Nullstellen gegeben, also

f(x) = (x - x_1)^{k_1} \cdot (x - x_2)^{k_2} \cdot \ldots \cdot (x - x_m)^{k_m} \cdot g(x),

so sind x1, x2, ..., xm die Nullstellen. Die natürlichen Zahlen k1, k2, ..., km heißen die Vielfachheiten der Nullstellen.

Beispiel: Die Funktion

f: x \mapsto -0,01 \cdot x^3 \cdot (x - 2) \cdot (x + 3)^2 \cdot (x^2 + 1)

hat die dreifache Nullstelle x1 = 0, die einfache Nullstelle x2 = 2 und die doppelte/zweifache Nullstelle x3 = − 3; die Faktoren -0,01 und x2 + 1 können dagegen für kein x zu Null werden, liefern also keine weiteren Nullstellen.

Die Linearfaktorzerlegung einer ganzrationalen Funktion kann man beispielsweise mit Hilfe der Polynomdivision bestimmen. Aus dem Fundamentalsatz der Algebra folgt, dass sich so jede ganzrationale Funktion über den komplexen Zahlen in ein Produkt aus Linearfaktoren zerlegen lässt. Hat die Funktion nur reelle Koeffizienten, so folgt, dass mit jeder komplexen Nullstelle auch die jeweils konjugiert komplexe Zahl eine Nullstelle ist. Damit ergibt sich: jede ganzrationale Funktion über den reellen Zahlen kann (bis auf die Reihenfolge) eindeutig als ein Produkt aus linearen und quadratischen Termen dargestellt werden.

Die Vielfachheit von Nullstellen hängt auch direkt mit den Ableitungen der Funktion zusammen: genau dann, wenn gilt f(x_0) = f'(x_0) = \ldots = f^{(k)}(x_0) = 0 und f^{(k+1)}(x_0) \ne 0, ist x0 eine k-fache Nullstelle von f.

Verlauf des Graphen bei den Nullstellen

  • Bei jeder Nullstelle von ungerader Vielfachheit schneidet der Graph die x-Achse; bei einfachen Nullstellen wird die x-Achse steil geschnitten, ab dreifacher Vielfachheit zunehmend flacher. Die Funktionswerte wechseln dort also ihr Vorzeichen. Bei jeder Nullstelle ungerader Vielfachheit größer gleich drei hat der Funktionsgraph einen Terrassenpunkt.
  • Bei jeder Nullstelle von gerader Vielfachheit berührt der Graph die x-Achse. Die Funktionswerte wechseln dort also ihr Vorzeichen nicht. Bei jeder solchen Nullstelle hat der Funktionsgraph einen Extrempunkt.

graphische Veranschaulichung:

einfache Nullstelle drei-, fünf-, ...fache Nullstelle doppelte, vier-, ...fache Nullstelle
Einfache Nullstelle.jpg Dreifache Nullstelle.JPG Doppelte Nullstelle.jpg

Berücksichtigt man außerdem noch das Verhalten für x\to\pm\infty, so ergibt sich für das obige Beispiel f(x) = − 0,01x3(x − 2)(x + 3)2(x2 + 1) folgender Graph:

Beispielgraph

Methoden zur Berechnung der Nullstellen

Um Nullstellen zu bestimmen, muss die algebraische Gleichung f(x) = 0 gelöst werden. Dafür gibt es (unter anderem) folgende Methoden:

  • Lineare Gleichungen können direkt durch Äquivalenzumformungen gelöst werden. Die Nullstellen sind dann immer einfach.
  • Für quadratische Gleichungen gibt es verschiedene Lösungsmethoden; siehe im entsprechenden Artikel. Dabei gilt: gibt es zwei verschiedene Lösungen, so sind beide einfach; gibt es nur eine Lösung, so ist diese doppelt.
  • Oft kann der Funktionsterm durch Ausklammern von Potenzen von x und/oder durch Anwenden der binomischen Formeln direkt faktorisiert werden. Die Vielfachheiten können dann direkt in der Linearfaktorzerlegung abgelesen werden.
  • Wenn nur an und a0 ungleich Null sind, also bei Funktionen mit Termen der Form f(x) = anxn + a0, ergeben sich die Nullstellen einfach mit Hilfe der n-ten Wurzel. Diese Nullstellen sind dann immer einfach.
  • Bei manchen Gleichungen, insbesondere biquadratischen, hilft die Substitutions-Methode. Dabei gilt: Hat man nach der Substitution eine (positive!) einfache bzw. doppelte Lösung der entsprechenden quadratischen Gleichung, so ergeben sich daraus jeweils zwei einfache bzw. doppelte Nullstellen der Funktion selbst.
  • Kann man eine Nullstelle durch Probieren herausfinden, so kann man den zugehörigen Linearfaktor mit Hilfe einer Polynomdivision herausdividieren und erhält eine algebraische Gleichung niedrigeren Grades. Die Vielfachheiten der Nullstellen ergeben sich hier einfach, indem man abzählt, wie häufig eine Nullstelle jeweils in der Rechnung herauskommt. Für das Finden einer Nullstelle durch Probieren sind dabei folgende Sätze hilfreich:
    • Sind alle Koeffizienten ganzzahlig, so sind alle ganzzahligen Nullstellen Teiler des Absolutglieds a0 (beachte: zusätzlich kann es auch noch nicht-ganzzahlige Nullstellen geben). Sind die Koeffizienten alle rationale Zahlen, so kann man durch Multiplizieren mit dem Hauptnenner immer erreichen, dass alle Koeffizienten ganzzahlig werden.
    • Haben alle Koeffizienten dasselbe Vorzeichen, so können die Nullstellen nicht positiv sein.
  • Bei ganzrationalen Funktionen dritten Grades kann man die Cardanischen Formeln verwenden; bei ganzrationalen Funktionen vierten Grades gibt es ähnliche Formeln für quartische Gleichungen.
  • Man kann Nullstellen auch näherungsweise, beispielsweise mit dem Newton-Verfahren, bestimmen.

Anzahl

Mit Hilfe der Polynomdivision kann man zeigen, dass eine ganzrationale Funktion vom Grad n höchstens n Nullstellen haben kann (Vielfachheiten mitgezählt).

Betrachtet man zusätzlich auch noch das Verhalten des Graphen für x\to\pm\infty, das Verhalten an den Nullstellen (Vorzeichenwechsel) und die Stetigkeit, so folgt außerdem: ist der Grad gerade bzw. ungerade, so ist die gesamte Anzahl der Nullstellen (Vielfachheiten mitgezählt) gerade bzw. ungerade. Insbesondere folgt: Jede ganzrationale Funktion von ungeradem Grad hat mindestens eine Nullstelle.

Außerdem gibt es noch andere, weiterführende Regeln für die Anzahl der Nullstellen wie beispielsweise die Vorzeichenregel von Descartes und die sturmsche Kette.

Ableitung und Stammfunktion

Ganzrationale Funktionen lassen sich mit Hilfe der Faktor-, Summen- und Potenzregel leicht ableiten.

Beispiel: für die Funktion mit dem Term

f(x) = 2x3 − 4x2 + 5x − 1

ergibt sich die Ableitungsfunktion mit dem Term

\begin{align}
f'(x) & = (2 x^3 - 4 x^2 + 5x - 1)' \\ & = (2 x^3)' - (4 x^2)' + (5x)' - 1'
\\ & = 2 (x^3)' - 4 (x^2)' + 5 (x^1)' - 1 (x^0)' \\ & = 2 \cdot 3x^2 - 4 \cdot 2x + 5 \cdot 1x^0 - 1 \cdot 0
\\ & = 6 x^2 - 8 x + 5
\end{align}

Ebenso kann man mit Hilfe der entsprechenden Integral-Regeln leicht Stammfunktionen bestimmen; Beispiel:

\int (2 x^3 - 4 x^2 + 5x - 1) dx = \frac{1}{2} x^4 - \frac{4}{3} x^3 + \frac{5}{2} x^2 - x + c

Extremstellen

(siehe auch im Artikel Kurvendiskussion den Abschnitt über Extrempunkte)

Zur Bestimmung der Extremstellen müssen zunächst die Stellen mit waagrechter Tangente, also die Nullstellen der ersten Ableitung, berechnet werden. Die erste Ableitung ist wieder eine ganzrationale Funktion, allerdings vom Grad n-1; es können also dieselben Methoden wie bei der Nullstellenberechnung benutzt werden.

Allgemeine Regeln

  • Hat die Funktion selbst eine Nullstelle gerader Vielfachheit, so hat ihr Graph dort einen Extrempunkt (siehe oben bei Nullstellen).
  • Wechselt die erste Ableitung an einer Stelle ihr Vorzeichen von - nach +, so ist dort eine Minimalstelle; wechselt es von + nach -, so ist dort eine Maximalstelle; wechselt das Vorzeichen nicht, so ist dort keine Extremstelle (aber ein Terrassenpunkt).
  • Ist die zweite Ableitung bei einer Nullstelle der ersten Ableitung positiv bzw. negativ, so wechselt die erste Ableitung dort ihr Vorzeichen von - nach + (Minimalstelle) bzw. von + nach - (Maximalstelle). Ist die zweite Ableitung gleich Null, so kann an dieser Stelle dennoch eine Extremstelle sein, es kann dort aber auch ein Terrassenpunkt sein. Zur Unterscheidung sind dann andere Mittel als die zweite Ableitung nötig.
  • Hat eine Nullstelle der ersten Ableitung ungerade Vielfachheit, so hat die Funktion selbst dort eine Extremstelle; hat sie dagegen gerade Vielfachheit, so hat die Funktion an dieser Stelle einen Terrassenpunkt.

Anzahl

Aus dem Satz über die Anzahl der Nullstellen einer ganzrationalen Funktion folgt, dass eine ganzrationale Funktion vom Grad n höchstens n-1 Extremstellen haben kann.

Betrachtet man zusätzlich auch noch das Verhalten des Graphen für x\to\pm\infty und das Verhalten an den Nullstellen (Vorzeichenwechsel), so folgt außerdem: ist der Grad gerade bzw. ungerade, so ist die gesamte Anzahl der Extremstellen ungerade bzw. gerade.

Insbesondere folgt: Jede ganzrationale Funktion von geradem Grad hat ein absolutes Minimum oder Maximum (je nachdem, ob der Leitkoeffizient an positiv oder negativ ist).

Wendestellen

(siehe auch im Artikel Kurvendiskussion den Abschnitt über Wendepunkte)

Zur Bestimmung der Wendestellen müssen zunächst die Nullstellen der zweiten Ableitung, die sogenannten Flachstellen, berechnet werden. Die zweite Ableitung ist wieder eine ganzrationale Funktion, allerdings vom Grad n-2; es können also dieselben Methoden wie bei der Nullstellenberechnung benutzt werden.

Allgemeine Regeln

  • Hat die Funktion selbst eine Nullstelle ungerader Vielfachheit größer gleich drei, so hat ihr Graph dort einen Terrassenpunkt, also auch einen Wendepunkt (siehe oben bei Nullstellen).
  • Wechselt die zweite Ableitung an einer Stelle ihr Vorzeichen, so ist dort eine Wendestelle.
  • Ist die dritte Ableitung bei einer Nullstelle der zweiten Ableitung ungleich Null, so wechselt die zweite Ableitung dort ihr Vorzeichen (Wendestelle). Ist die dritte Ableitung gleich Null, so kann an dieser Stelle trotzdem eine Wendestelle sein, muss aber nicht. Zur Unterscheidung sind dann andere Mittel als die dritte Ableitung nötig.
  • Hat eine Nullstelle der zweiten Ableitung gerade Vielfachheit, so hat die Funktion selbst dort keine Wendestelle; hat die Nullstelle der ersten Ableitung dagegen ungerade Vielfachheit, so hat die Funktion selbst dort eine Wendestelle. Ist zusätzlich auch die erste Ableitung an dieser Stelle gleich null, so hat der Graph der Funktion dort einen Terrassenpunkt.
  • Insbesondere bei Funktionen dritten Grades gilt:
    • Hoch- und Tiefpunkt (wenn vorhanden) liegen immer symmetrisch zum Wendepunkt (dies folgt, da die Graphen von Funktionen dritten Grades immer symmetrisch zu ihrem Wendepunkt sind, siehe oben).
    • Hat die Funktion selbst drei (nicht notwendigerweise verschiedene) reelle Nullstellen, so ergibt sich die Wendestelle als ihr Mittelwert, gewichtet mit den Vielfachheiten. (Gibt es dagegen nur eine reelle Nullstelle, so müssen bei der Mittelwertbildung auch die komplexen Nullstellen mit berücksichtigt werden.)

Anzahl

Aus dem Satz über die Anzahl der Nullstellen einer ganzrationalen Funktion folgt, dass eine ganzrationale Funktion vom Grad n höchstens n-2 Wendestellen haben kann.

Betrachtet man zusätzlich auch noch das Verhalten des Graphen für x\to\pm\infty und das Verhalten an den Nullstellen (Vorzeichenwechsel), so folgt außerdem: ist der Grad gerade bzw. ungerade, so ist die gesamte Anzahl der Wendestellen gerade bzw. ungerade.

Insbesondere folgt: Jede ganzrationale Funktion von ungeradem Grad größer gleich drei hat mindestens eine Wendestelle.

Aufstellen von Funktionsgleichungen

Oft ist ein Problem folgender Art zu lösen: Gegeben sind einige Punkte und evtl. zusätzliche Bedingungen (wie beispielsweise Steigungen in diesen Punkten), und es ist eine ganzrationale Funktion gesucht, deren Graph durch diese Punkte verläuft. Um diese ganzrationale Funktion zu finden, stellt man zunächst den Funktionsterm in der allgemeinst möglichen Form auf (der Grad ist entweder direkt gegeben oder muss aus den anderen gegebenen Angaben ermittelt werden), bildet evtl. notwendige Ableitungen der Funktion in dieser allgemeinen Form und setzt dann die gegebenen Bedingungen ein. Dies führt auf ein lineares Gleichungssystem für die Koeffizienten der Funktion; diese bezeichnet man statt an, an − 1 usw. hier meist mit a, b usw. Durch Lösen dieses Gleichungssystems erhält man dann den Term der gesuchten Funktion.

Beispiel: Gesucht ist eine ganzrationale Funktion möglichst niedrigen Grades, deren Graph symmetrisch zur y-Achse ist und im Wendepunkt W(1|3) die Steigung 2 hat.

  • Da der Graph symmetrisch zur y-Achse sein soll, muss der Grad gerade sein, und der Funktionsterm kann nur gerade Exponenten enthalten.
  • Da es einen Wendepunkt geben soll, kann der Grad nicht 2 sein (eine Funktion zweiten Grades hat keinen Wendepunkt); der niedrigst mögliche Grad ist also 4.
  • Der Funktionsterm in allgemeinster Form ist also:
f(x) = ax4 + bx2 + c
  • Da hier von einem Wendepunkt die Rede ist, benötigt man zwei Ableitungen:
f'(x) = 4ax3 + 2bx
f''(x) = 12ax2 + 2b
  • Der Graph verläuft durch den Punkt W, also gilt (x- und y-Koordinate in f einsetzen)
3 = a \cdot 1^4 + b \cdot 1^2 + c
  • Der Graph hat dort die Steigung 2, also gilt (x-Koordinate und Steigung in f' einsetzen)
2 = 4 a \cdot 1^3 + 2 b \cdot 1
  • Der Punkt W ist ein Wendepunkt, also gilt (f'' muss bei Wendestelle gleich 0 sein)
0 = 12 a \cdot 1^2 + 2 b
  • Insgesamt ergibt sich also das lineare Gleichungssystem
a + b + c = 3
4a + 2b = 2
12a + 2b = 0
  • Lösen dieses Gleichungssystems ergibt a = -0,25; b = 1,5; c = 1,75. Der Term der gesuchten Funktion ist also:
f(x) = − 0,25x4 + 1,5x2 + 1,75

Anwendungsbeispiele

  • Viele in Natur und Technik vorkommende Kurven kann man durch ganzrationale Funktionen relativ gut beschreiben, beispielsweise Geländeformationen, Sprungschanzen oder die Durchbiegung von Balken.
  • In geometrischen Anwendungen tauchen öfters ganzrationale Funktionen auf. Beispiele:
    • Schneidet man an den Ecken einer rechteckigen Pappe (Länge l, Breite b) jeweils Quadrate der Seitenlänge x aus und faltet die Pappe dann zu einer oben offenen Schachtel, so ist das Volumen der Schachtel V(x) = 4x3 − 2(l + b)x2 + lbx.
    • Stapelt man Kugeln (z. B. Orangen im Supermarkt) zu einer dreiseitigen Pyramide auf, wobei entlang einer Grundkante n Kugeln liegen, so enthält die Pyramide insgesamt \frac{1}{6} (n^3 + 3 n^2 + 2 n) Kugeln.
  • Steuertarife werden häufig durch ganzrationale Funktionen beschrieben ([1]).
  • In wirtschaftlichen Anwendungen ist die Erlösfunktion häufig eine ganzrationale Funktion dritten Grades.
  • Da ganzrationale Funktionen besonders einfach sind, werden oft kompliziertere Funktionen durch ganzrationale angenähert (vgl. Polynominterpolation, Taylorreihe und Approximationssatz von Weierstraß).
  • Alternativ kann man komplizierte Funktionen auch stückweise durch ganzrationale Funktionen annähern; man spricht dann von Splines.

Literatur

  • H. Schneider und G. Stein: Mathematik 11 und Mathematik 12: Analysis für nichttechnische Ausbildungsrichtungen der Fachoberschule.
  • R. Schöwe, J. Knapp, R. Borgmann: Analysis: Kaufmännisch-wirtschaftliche Richtung für Fachoberschule.
  • Analysis Eins, Lambacher Schweizer Mathematik.

Weblinks


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