Galilei-Invarianz

Galilei-Invarianz

Das Relativitätsprinzip der Bewegung ist ein Grundpfeiler der modernen Physik. Es besagt, dass unabhängig vom Bewegungszustand die Naturgesetze für alle Beobachter dieselbe Form haben. Einfache Überlegungen zeigen, dass es aus diesem Grund unmöglich ist, einen bevorzugten oder absoluten Bewegungszustand irgendeines Beobachters oder Objekts festzustellen. Das heißt, es können nur die Bewegungen der Körper relativ zu anderen Körpern, nicht jedoch die Bewegungen der Körper relativ zu einem bevorzugten Bezugssystem festgestellt werden. Während das Prinzip in der klassischen Physik als auch in der Speziellen Relativitätstheorie nur für gleichförmige Bewegungen gültig war, wurde es im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie auch auf beschleunigte Bewegungen erweitert.

Galileo Galilei (1632) wird als der Begründer des Prinzips angesehen,[1] welches er anhand der Tatsache demonstrierte, dass ein unter Deck eines unbeschleunigten Schiffes befindlicher Beobachter aus den Vorgängen um ihn herum nicht erschließen kann, ob sich das Schiff in Bewegung befindet oder nicht. Dieses Relativitätsprinzip wurde implizit von Christiaan Huygens bei der Formulierung der Stoßgesetze eingesetzt.[2]

Inhaltsverzeichnis

Klassische Mechanik

Isaac Newton folgend wurde in der klassischen Mechanik die Existenz eines absoluten Raum vorausgesetzt. Das in dieser Mechanik implizit enthaltene Relativitätsprinzip (explizit wurde es erst im 20. Jahrhundert ausgesprochen) besagte nun, dass in gleichförmig bewegten Inertialsystemen die gleichen Gesetze (Kovarianz) der Mechanik gelten, wie im absoluten Raum selbst, und es ist nicht mehr möglich zu bestimmen, welches System nun tatsächlich ruht oder bewegt ist. Das heißt, die Formeln der klassischen Mechanik behalten ihre Gültigkeit, wenn man einem relativ zum absoluten Raum bewegten System der sogenannten Galilei-Transformation unterzieht.[3] Newton schrieb:

„Die Bewegungen von Körpern in einem gegebenen Raum sind untereinander die gleichen, ob sich der Raum in Ruhe befindet oder ob er sich konstant auf einer geraden Linie bewegt.“

Nun mündete die klassische Physik im 19. Jahrhundert in die Theorie des ruhenden Äthers, welcher als Übertragungsmedium für das Licht gedacht war und schließlich mit dem absoluten Raum Newtons identifiziert wurde. Es wurde nun versucht, den Bewegungszustand der Erde relativ zum Äther nachzuweisen, womit auch das Relativitätsprinzip widerlegt worden wäre. Jedoch waren alle entsprechenden Experimente − wie das Michelson-Morley-Experiment − erfolglos.

Spezielles Relativitätsprinzip

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts führten diese erfolglosen Experimente dazu, dass dem Relativitätsprinzip eine immer größere Bedeutung eingeräumt wurde, was auch zu klareren Begriffsdefinitionen führte. Henri Poincaré schrieb beispielsweise 1904:[4]

„Das Prinzip der Relativität, nach dem die Gesetze der physikalischen Vorgänge für einen feststehenden Beobachter die gleichen sein sollen, wie für einen in gleichförmiger Translation fortbewegten, so dass wir gar keine Mittel haben oder haben können, zu unterscheiden, ob wir in einer derartigen Bewegung begriffen sind oder nicht.“

Und Albert Einstein definierte 1905 das Relativitätsprinzip so:[5]

„Die Gesetze, nach denen sich die Zustände der physikalischen Systeme ändern, sind unabhängig davon, auf welches von zwei relativ zueinander in gleichförmiger Translationsbewegung befindlichen Koordinatensystemen diese Zustandsänderungen bezogen werden.“

Hendrik Antoon Lorentz, Poincaré, und Einstein forderten weiters die Kovarianz nicht nur der Mechanik, sondern auch der Elektrodynamik. Dies konnte erreicht werden, indem die Galilei-Transformation durch die Lorentz-Transformation ersetzt wurde. Der Hauptunterschied besteht darin, dass in der neuen Transformation die Lichtgeschwindigkeit eine unüberschreitbare Grenzgeschwindigkeit darstellt. Für Geschwindigkeiten, die klein gegenüber der Lichtgeschwindigkeit sind, geht das spezielle Relativitätsprinzip in dasjenige von Galilei über. Jedoch Newtons absoluter Raum (bzw. der Äther) stand in einem gewissen Widerspruch zum Relativitätsprinzip. Einstein zog deshalb im Rahmen seiner speziellen Relativitätstheorie den radikalen Schluss, dass man die Idee des Äthers als eines bevorzugten Bezugsystems vollständig aufgeben muss. Ebenso muss man in Folge der Lorentz-Transformation auf die Vorstellung eines absoluten Raums und einer absoluten Zeit verzichten. Hermann Minkowski führte dies weiter, indem er Raum und Zeit in eine einheitliche vierdimensionale Raumzeit zusammenfasste.

Allgemeines Relativitätsprinzip

Während das spezielle Relativitätsprinzip nur für gleichförmig bewegte Inertialsysteme gilt, führte Einstein die Forderung ein, dass alle Bezugssysteme (egal ob beschleunigt oder unbeschleunigt) gleichbereichtigt sein müssen. In der Allgemeinen Relativitätstheorie ist diese Forderung erfüllt. Einstein schrieb 1916:[6]

„Die Gesetze der Physik müssen so beschaffen sein, daß sie in Bezug auf beliebig bewegte Bezugssysteme gelten. [...] Die allgemeinen Naturgesetze sind durch Gleichungen auszudrücken, die für alle Koordinatensystem gelten, d. h. die beliebigen Substitutionen gegenüber kovariant (allgemein kovariant) sind.“

Diese Gedanken stehen in engem Zusammenhang mit dem (starken) Äquivalenzprinzip, welches besagt, dass man durch kein Experiment feststellen kann, ob man sich in der Schwerelosigkeit fernab von Massen befindet oder im freien Fall nahe einer Masse - wobei dieses Prinzip allerdings nur lokal gültig ist. Dabei musste die Vorstellung aufgegeben werden, dass der Raum euklidisch ist. Stattdessen musste eine Nichteuklidische Geometrie zur Beschreibung von Raum und Zeit als Raumzeit verwendet werden.

Galileis Schiff

Hier ein Auszug aus der Beschreibung von Galilei:[1]

S. 197ff: Schließt Euch in Gesellschaft eines Freundes in einen möglichst großen Raum unter dem Deck eines großen Schiffes ein. Verschafft Euch dort Mücken, Schmetterlinge und ähnliches fliegendes Getier; sorgt auch für ein Gefäß mit Wasser und kleinen Fischen darin; hängt ferner oben einen kleinen Eimer auf, welcher tropfenweise Wasser in ein zweites enghalsiges darunter gestelltes Gefäß träufeln läßt. Beobachtet nun sorgfältig, solange das Schiff stille steht, wie die fliegenden Tierchen mit der nämlichen Geschwindigkeit nach allen Seiten des Zimmers fliegen. Man ward sehen, wie die Fische ohne irgend welchen Unterschied nach allen Richtungen schwimmen; die fallenden Tropfen werden alle in das untergestellte Gefäß fließen. Wenn Ihr Euerem Gefährten einen Gegenstand zuwerft, so braucht Ihr nicht kräftiger nach der einen als nach der anderen Richtung zu werfen, vorausgesetzt, daß es sich um gleiche Entfernungen handelt. Wenn Ihr, wie man sagt, mit gleichen Füßen einen Sprung- macht, werdet Ihr nach jeder Richtung hin gleichweit gelangen. Achtet darauf, Euch aller dieser Dinge sorgfältig zu vergewissern, wiewohl kein Zweifel obwaltet, daß bei ruhendem Schiffe alles sich so verhält. Nun laßt das Schiff mit jeder beliebigen Geschwindigkeit sich bewegen: Ihr werdet — wenn nur die Bewegung gleichförmig ist und nicht hier- und dorthin schwankend — bei allen genannten Erscheinungen nicht die geringste Veränderung eintreten sehen. Aus keiner derselben werdet Ihr entnehmen können, ob das Schiff fährt oder stille steht. [...] Die Ursache dieser Übereinstimmung aller Erscheinungen liegt darin, daß die Bewegung des Schiffes allen darin enthaltenen Dingen, auch der Luft, gemeinsam zukommt. Darum sagte ich auch, man solle sich unter Deck begeben, denn oben in der freien Luft, die den Lauf des Schiffes nicht begleitet, würden sich mehr oder weniger deutliche Unterschiede bei einigen der genannten Erscheinungen zeigen.

Einzelnachweise

  1. a b Galilei, Galileo: Dialog über die beiden hautsächlichsten Weltsysteme, das Ptolemäische und das Kopernikanische, S. 197-198, Leipzig: B.G. Teubner 1891
  2. Feynman, Richard: Vorlesungen über Physik, 1, S. 217-219, München: Oldenbourg 2001, ISBN 3-486-25680-7
  3. Born, Max: Die Relativitätstheorie Einsteins, S. 57-59, Berlin-Heidelberg-New York: Springer 2003, ISBN 3-540-00470-x
  4. Poincaré, Henri: L'état actuel et l'avenir de la physique mathématique. In: Bulletin des sciences mathématiques. 28, Nr. 2, 1904, S. 302-324. Deutsche Übersetzung in Poincaré, Henri: Der Wert der Wissenschaft. Berlin: Xenomos 2003, ISBN 3-936532-23-0
  5. Einstein, Albert: Zur Elektrodynamik bewegter Körper. In: Annalen der Physik. 322, Nr. 10, 1905, S. 891-921
  6. Einstein, Albert: Die Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie. In: Annalen der Physik. 354, Nr. 7, 1916, S. 769-782

Siehe auch


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