Galant (Mode)

Galant (Mode)
Zwischen Roman und offener Chronique Scandaleuse: Die galante Correspondentz, 1-2 (Freyburg, H. Clement, 1712) der Anne-Marguerite Petit DuNoyer

Das Galante ist ein in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Europa aufgekommenes Mode- und Stilideal - eng verknüpft mit der gleichzeitigen Mode alles Europäischen (siehe das Stichwort Europamode 1689-1721), die hier ihr allgemein gültiges Verhalten nach französisch höfischer Manier fand. Es gehörte zum Galanten, dass es sich selbst jeder pedantischen Bestimmung entziehen sollte. Das "gewisse Etwas", das einen Menschen oder eine Sache anziehend macht, das "Je ne sais quoi (weiß nicht was)", wurde Quintessenz, eine neue Natürlichkeit und Freiheit, insbesondere im Umgang der Geschlechter miteinander. Von moralischer Leichtfertigkeit sprechen die Gegner des Galanten früh, Verantwortungslosigkeit wird dem Verhaltensideal früh nachgesagt, ohne dass sich dabei eine neue Mode vergleichbar auf einen Begriff bringen lässt. Erst die sensiblité, die Empfindsamkeit, die Mode der sensibility, der tenderness, der Zärtlichkeit schafft hier Mitte des 18. Jahrhunderts eine Gegenposition.

Zum Galanten gehört neben dem Verhalten, der "Conduite" eigener Stil, eine eigene Textproduktion "galanter Wissenschaften", "galanter Poesie", "galanter Romane", "galante Konversation" und nicht zuletzt eine Mode galanter Kompositionen in der Musik.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Das Wort Galant ist erheblich älter als die Mode des Galanten, die unter Anhängern eines verfeinerten Verhaltens im 17. Jahrhundert aufkam. Galant war ursprünglich Partizip Präsens des Verbs galer = „sich (jungmännerhaft) amüsieren, einen drauf machen (am besten mit anschließendem Besuch leichter Damen)“. In dieser Bedeutung findet man das Wort noch 1460 z. B. bei François Villon. Ende des 16. Jahrhunderts war das Verb verschwunden, und nur "galant" hatte als Adjektiv und als Substantiv überlebt. Letzteres bezeichnete nun einen routinierten Schürzenjäger, was im deutschen Begriff Galan noch restweise erhalten ist. So trug König Heinrich IV. wegen seiner zahlreichen Liebesaffären den Beinamen le vert galant (=der grüne, d. h. gut im Saft stehende Galan). Der Begriff war also im Adel angekommen, zunächst wohl noch mit leicht negativem Beigeschmack.

Galante Conduite

Nicolas de Largillière Ex-voto a sainte-genevieve, Galante Mode: Allongeperücken

Mitte des 17. Jahrhunderts kam das Galante als Mode der Conduite - des erlernten Verhaltens - in Frankreich in Mode. Dem Wort haftete nun ein selbstironischer Unterton an. Galant hatten sich im Rückblick, in den Romanen des Mittelalters die irrenden Ritter gegenüber den von ihnen verehrten hohen Frauen verhalten. Galant war jetzt untrennbar mit Adel verbunden. Wenig war aber gleichzeitig seit Beginn des 17. Jahrhunderts so lächerlich wie Ritterromane. Männer, die dem Frauenzimmer ritterlich galant begegneten, scherzten - was dem Verhalten eigene Handlungsspielräume gab: Das durchaus in dieser Form nicht ernst zu nehmende Liebesgeständnis konnte die Frau kokett abweisen, oder spielerisch annehmen, ohne dass dies Folgen haben musste - man hatte sich immerhin darauf geeinigt, dass hier mit Ironie ein galanter Umgang gepflegt wurde. Das Ideal zog als spielerisches in den Kreis Madeleine de Scudérys ein. Es bestimmte ihre Romane, und die Leben der Freunde ihres Umkreises, die in diesen Romanen selbst Romanhelden wurden.

Adelige auf Europatour, selbstironische Reflexion eines alten Ideals. Memoirs of the Life of Count de Grammont [...] translated from the French by Mr. Boyer (London, 1714), S. 32-33.

With those Thoughts they begun their Journey, not unlike AMADIS, or DON GALOR, after they had been dubb’d Knights, in quest of Adventures, whether amorous or warlike, and Inchantments. Nor were they less worthy than those two Brothers: For tho’ they were not much used to splintering Giants in twain, hamstringing harness’d palfreys; and carrying behind them (On Horseback) fair Damsels, without saying any thing to them: They had, however, skill at Cards and Dice, in which the other two were meer Ignoramuses. They arrived at Turin, were kindly entertain’d and received with Distinction at Court. How could it be otherwise? Since they were young and handsome; had Wit at command; and spent high. What Country is there in the World where a Man does not shine with such Advantages? Turin being, at that time, the Seat of Love and Gallantry, two Foreigners like our Adventurers, who were sworn Enemies to Melancholy and Dullness, could not but please the Court-Ladies. Übersetzung

An Frankreichs Hof gewann das Galante zur selben Zeit neue Bedeutung: Es schuf hier eine eigene Oberfläche des geschliffenen Umgangs zwischen den Geschlechtern, der mit dem neuen Ideal in das Zentrum jeden Austauschs geriet, selbst wenn der Hof de facto der Ort politischer Interessenvertretung war. Als Ideal klugen höflichen (höfischen) Verhaltens nach der französischen Mode - statt nach dem steifen spanischen Zeremoniell - breitete sich das Ideal in den 1670ern in ganz Europa aus. Ratgeber zu galanter Conduite, wie sie im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert eine gängige Ware auf dem deutschen Buchmarkt wurden, notieren die Vorteile des galanten Verhaltens: Es ging mit ihm keineswegs darum, dass hier ernsthaft Liebesaffären in den Mittelpunkt der Interaktion gerieten. Wer sich galant verhielt, beließ es bei einer "Scherz-Liebe", er kokettierte mit seinem angeblich allein auf Liebesdinge ausgerichteten Verhalten, bewies dabei Flexibilität, Geschmack an den neuesten Moden, er besuchte aus gar keinem anderen Grund die Feste, besah sich die Opern, genoss die Gesellschaft - insbesondere die, bei der die Geschlechter zusammenkamen. Galant sein hieß, zu öffentlichen Anlässen eine Frau vor aller Augen "bedienen". Die politischen Ziele, die man gleichzeitig bei Hof verfolgen mochte, blieben unangesprochen im Hintergrund. Unfein wäre es gewesen, offen und aufdringlich nach Karrieren zu streben. Der 'galant homme' machte allenfalls nebenbei Karriere als Mensch, der überall beliebt war. Die Kunst sich beliebt zu machen wurde demzufolge als das wesentliche Ingredienz der galanten Conduite ergründet: Welche Gespräche musste man beherrschen, wie gab man Komplimente, wie parierte man sie? Wie verhielt man sich gegenüber galanteren in einer Runde? Wie gegenüber Mächtigen, wie gegenüber Menschen niederen Standes (ohne Hochmut doch überlegen).

In den 1680ern erreichte das Ideal in Deutschland - und hier wurde es zu einer ganz besonderen Mode der Studentenschaft. Christian Thomasius stieß die Mode maßgeblich an mit seiner gefeierten ersten Vorlesung deutscher Sprache, die er dem Thema der Nachahmung der Franzosen widmete und in der er gerade nicht tat, was man erwarten hätte können: Er zog nicht gegen diejenigen zu Felde, die alle fremden Moden übernahmen. Er plädierte stattdessen für das französische Verhalten als verfeinertes europäisches, für den Roman der Scudérie als Quelle dieses Verhaltens, für einen Bruch mit aller steifen deutschen Gelehrsamkeit und für eine Blickwendung auf Europas Presse und Öffentlichkeit.

Mit den politischen Ereignissen der Jahre 1689-1721, die im deutschsprachigen Raum eine eigene Europamode erzeugten, war Thomasius politisch akzeptabel. Frankreichs Intellektuelle zu schätzen, hieß unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen vor allem Intellektuelle zu schätzen, die ihrem eigenen Land kritisch gegenüberstanden und Europa als kommende Alternative in ihren Schriften ausmalten.

Auf dem politischen Parkett war das galante Verhalten in den 1670ern verpflichtend geworden - hier hatte es den Stoizismus abgelöst, der noch mit Weltabkehr liebäugelte, wo immer der Hof mit seinen Intrigen zur Qual wurde. Das galante Ideal ließ Weltabkehr nicht zu, es forderte Geschmeidigkeit, Natürlichkeit, Freiheit im Umgang, die Fähigkeit, beliebige Fehlschläge mit Humor wegzustecken und dem eigentlichen Ziel, der Liebe, treu zu bleiben.

In den 1690ern hatte sich die Studentenschaft das Ideal so weit zu eigen gemacht, dass sie es nun selbst propagierte. Ihr versprach es Karrieren bei Hof und ein in jeder Intrige erfolgreiches Verhalten. Das Galante war gleichzeitig attraktiv als Ideal, das mit Musik, mit der Oper, mit dem neuen Roman verbunden war und das den Umgang mit dem anderen Geschlecht nicht verpönte. In den Universitätsstädten wurde es Mode, dass Studenten junge Töchter der Städte "galant bedienten", Leipzig entwickelte sich zur "galantesten Stadt Deutschlands", so das Urteil der Zeitgenossen.

Ende des ersten Jahrzehnts des 18. Jahrhunderts kam das Ideal in seine erste Krise: Die Frage war, ob hier nicht einem oberflächlichen und dem Sittenverfall Vorschub leistenden Ideal der Weg bereitet worden war. Uneheliche Beziehungen galten als "galant". Die Fürsprecher des Galanten versuchten die Verteidigung. Nach 1710 war sie nicht mehr so einfach: Romanautoren, die sich der Kritik stellten, mieden das Wort, während eine nächste Generation von Studenten es weit klarer zum Etikett des Skandalösen und der Verantwortungslosigkeit machte. Eine Alternative bestand bis in die 1730er hinein nicht. Sie kam am Ende mit dem empfindsamen Verhalten auf – einem Verhalten, das sich vor allem dadurch auszeichnete, dass es Spiel und Verstellung, Geheimnisse und scherzhafte Liebe nicht kennen sollte, sondern allein ernsten Empfindungen Rechnung trug, einem unverstellten und gleichzeitig gehemmten, ängstlichen Umgang mit den eigenen Wünschen.

Galante Romane

Galant, ein Liebesgeständnis. Kupfer Seite 22 zu Adamantes, Die wohlprobirte Treue (Franckfurt/ Leipzig, 1716).

Galanterie ließ sich in Ratgebern galanter Conduite lehren. Das effektivere Medium war jedoch nach Anschauung aller, die das Ideal propagierten, der Roman, der keine Lehrsätze aufbot, sondern das neue Verhalten in Aktion zeigte. Galante Helden tauchten hier neben weniger galanten, weniger geschmeidigen, unbeliebteren, gehemmteren, von persönlichen Schwächen klarer gezeichneten Helden auf und machten Karrieren bei den Frauen wie bei Hofe.

Die erste Welle galanter Romane kam über den französischen Markt nach Europa. Die Romane der Scudérie boten die erste Welle. In der zweiten erschien 1678 die Princesse de Clèves Marie-Madeleine de La Fayettes (deren Name noch unbekannt war). Der Mercure Gallant wurde zur führenden unterhaltsamen Zeitschrift Europas, gefüllt mit Klatsch in romanhaften Erzählungen sowie mit allem, was der neuen Mode diente. Politische Skandalromane, mehr oder minder fingierte Briefsammlungen, Spionageromane mit galanten Helden folgten Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts hauptsächlich vertrieben über den niederländischen Markt französischer Sprache.

Der deutschsprachige galante Roman begann mit den Titeln August Bohses, alias Talanders, die zum einen den Klatsch Europas in Romanform boten, zum anderen jedoch eine besondere, der Oper nahe Produktion "asiatischer Romane" hervorbrachten, die vor allem beim weiblichen Publikum beliebt wurden. Man erhielt hier Titel von 600-800 Seiten in handlichen kleinen Büchern, die man bequem mit sich mitnehmen konnte. Die Stoffe waren in die Antike gelegt: Persische, Libysche oder Zypriotische Prinzessinnen mussten fliehen, um sich vor bösen Intrigen zu retten und mussten dann - beliebtes Ingredienz: in Männerkleidung - zu neuen Ehren kommen, zurück in eine Position, in der sie ihre angestammten Ansprüche verteidigen konnten. Hier wurde Platz für Identifikationen und Raum für Abenteuerliche Reisen geboten.

Die zweite Welle galanter Romane eröffnete mit Christian Friedrich Hunolds, alias Menantes, Verliebter und galanter Welt (1700) - einem Roman, in dem der Autor, selbst ein abgebrochener Student, sich und seine Amouren als die galante Materie par excellence feierte. Der galante Roman eroberte den privaten Raum und die Gegenwart.

Die dritte Welle galanter Romane setzte noch vor 1710 ein mit Romanen von Studenten, die unter Pseudonymen wie Sarcander, Adamantes, LeContent und L'Indifferent Menantes nacheiferten. Mit ihnen wurde der galante Roman Teil eines privaten Skandalgeschäfts um Reputationen und Prahlerei vor den Altersgenossen.

Eine langfristige Überlebenschance hatten diesen Titeln gegenüber vor allem die französischen, die bei politischen Skandalen blieben. Die Mémoires de la vie du comte de Grammont; contenant particuliérement l'histoire amoureuse de la cour d'angleterre, sous le regne de Charles II. (Cologne: Pierre Marteau, 1713) - Anthony Hamilton zugeschrieben - wurden zum Lieblingsbuch des späteren 18. und 19. Jahrhunderts unter allen, die in der galante Zeit nun eine Epoche besonderer Freiheiten und eines nun vergessenen Lebensgefühls sehen wollten.

Galante Poesie

Christian Hofmann von Hofmannswaldau, postum 1695

So soll der purpur deiner lippen
Itzt meiner freyheit bahre seyn?
Soll an den corallinen klippen
Mein mast nur darum lauffen ein,
Daß er an statt dem süssen lande,

Auff deinem schönen munde strande?
Ja, leider! es ist gar kein wunder,
Wenn deiner augen sternend licht,
Das von dem himmel seinen zunder,
Und sonnen von der sonnen bricht,

Sich will bey meinem morrschen nachen
Zu einen schönen irrlicht machen.
Jedoch der schiffbruch wird versüsset,
Weil deines leibes marmel-meer,
Der müde mast entzückend grüsset,

Und fährt auff diesem hin und her,
Biß endlich in dem zucker-schlunde
Die geister selbsten gehn zu grunde.
Nun wohl! diß urthel mag geschehen,
Daß Venus meiner freyheit schatz

In diesen strudel möge drehen,
Wenn nur auff einem kleinen platz,
In deinem schooß durch vieles schwimmen,
Ich kan mit meinem ruder klimmen.
Da will, so bald ich angeländet,

Ich dir ein altar bauen auff,
Mein hertze soll dir seyn verpfändet,
Und fettes opffer führen drauff;
Ich selbst will einig mich befleissen,
Dich gött- und priesterin zu heissen.

Die Ausbildung eines "galanten Stils" kam vor allem auf dem Gebiet der Poesie auf den Weg. Fast wichtiger als eine typische Handhabung der Sprache wurde dabei das Interesse an den kleinen Gattungen - die Abkehr vom Projekt des heroischen Epos oder der Tragödie in Versen. Die galante Poesie florierte mit den Opern mit ihrer Mischung aus kurzen Rezitativen und Arien. Das Lied stand im Mittelpunkt der galanten Poesie, das Carmen, die Kantate als ohne Theater auskommende Miniaturform der Oper.

Die galante Poesie eroberte den Roman - sowohl mit kompletten Operntexten, die mit allen ihren Rezitativen und Arien in Romane integriert wurden (dort, wo etwa eine Oper die Romanhandlung bei einem schönen Fest am Ende krönte). Wichtiger war hier jedoch die Auflockerung des Prosatexts durch das Einstreuen kurzer "Poesien", vornehmlich Liebeslieder, deren Text dort gegeben wurde, wo jemand dieses Lied sang oder mit einem Brief verschickte.

Die galante Dichtung kam drittens mit einem offeneren Bekenntnis zur Gelegenheitsdichtung zu eigenen Moden. Unter den Sammlungen galanter Gedichte wurde Benjamin Neukirchs in mehreren Folgen aufgelegte Anthologie berühmt, die Hochzeitsgedichte, Trauergedichte, Glückwunschgedichte sortierte - Gedichte nach den Anlässen der kommerziellen Produktion an Gelegenheitsgedichten. Neukirchs Sammlung wurde stilbestimmend durch die Gedichte Christian Hofmann von Hofmannswaldaus, die hier postum ihr erstes größeres Publikum fanden. Mitte des 17. Jahrhunderts waren sie in vertraulichen Zirkeln entstanden, veröffentlicht zeigten sie nun eine ganz neue Leichtigkeit und eine spielerische sexuelle Anstößigkeit.

Christian Friedrich Hunold gewann unter den lebenden Autoren den ersten Rang mit neuen galanten Gedichten. Johann Christian Günther bescherte der Produktion eine eigene Auseinandersetzung mit dem persönlichen Erleben. Die Gedichte von Friedrich Rudolf Ludwig von Canitz wurden 1700 und 1719 postum veröffentlicht und standen für eine strengere am französischen Stil orientierte Mode, Johann von Besser folgte hier als Hofpoet in preußischen Diensten mit einer eigenen zweigleisigen, mal mehr galanten, mal mehr zur Repräsentation taugenden Poesie.

Die Tage der galanten Poesie waren mit der Veröffentlichung der Critischen Dichtkunst Gottscheds 1730 gezählt, mit der das Projekt einer deutschen, an der aristotelischen Poetik geschulten Dichtung aufkam. Gottsched forderte im selben Moment ein Bewusstsein für die Poesie deutscher Sprache ein, Verantwortung des Dichters gegenüber der Nation - ein Rahmen, der in der europäischen Moden unterliegenden galanten Dichtung keine Rolle spielte und sie schnell in die Trivialität abdrängte.

Galante Kompositionen in der Musik

Über "galante Musik" lässt sich im Rückblick nicht mehr so einfach sprechen: Opern des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts setzten galante Musik im französischen, im italienischen und im mischenden deutschen Stil voraus. Suiten waren galant mit ihren Mischungen europäischer Tanzformen von der Courante, der Allemande bis hin zur Sarabande. Fremdes wurde ausgekostet, Anklänge an türkische Musik. Jean-Philippe Rameau schrieb 1735 Les Indes galantes. André Campras L'Europe galante war 1699 mit dem europäischen Sujet vorangegangen.

In der Musikkritik des achtzehnten Jahrhunderts entsteht auch der Begriff des galanten Styls oder der freien Schreibart in Abgrenzung zur kontrapunktischen strengen oder gebundenen Schreibart. Musik ist also dann galant, wenn sie homophon ist; bestimmte Freiheiten in der Dissonanzbehandlung, vor allem in Kadenzen, können ebenfalls als galant gelten. Der Stilbegriff wurde somit sehr weit gefasst und auf keine Gattung, auch auf keinen bestimmten Charakter eingeschränkt. Da polyphone Techniken wie Fuge und Kanon vor allem mit dem 17. Jahrhundert assoziiert wurden, wird der Begriff galant oft gleichbedeutend mit modern verwendet.

Corelli, Vivaldi, Händel, Telemann, Marais und Rameau wurden von der späteren Musikwissenschaft zu Barockkomponisten gemacht. Der Begriff eines galanten Stils in der Musik wurde auf Musik des mittleren 18. Jahrhunderts verlegt und verengt.

Galante Wissenschaften

Das Spektrum des Galanten bliebe unvollständig ohne einen Blick auf die "Galanten Wissenschaften". Die Begriffsfassung kam als das erste Äquivalent für die französische Bezeichnung der "belles lettres" auf, als neben dem Markt der Literatur (der akademischen Gelehrsamkeit) ein neuer Markt eleganter Bildungsgüter geschaffen wurde. Romane, Gedichte, Memoires, Reiseberichte in den Landessprachen gehörten in das Feld, das als internationaler Markt der Belletristik bis heute fortlebt, nach 1730 jedoch in den gesellschaftsweiten Debatten gegenüber der Nationalliteratur als Diskussionsgegenstand unterlag. (Siehe hierzu ausführlicher das Stichwort Literatur).

Rezeption

Paul Verlaine, Fêtes galantes (1869)

Mandoline

Les donneurs de sérénades
Et les belles écouteuses
Échangent des propos fades
Sous les ramures chanteuses.
C'est Tircis et c'est Aminte,
Et c'est l'éternel Clitandre,

Et c'est Damis qui pour mainte
Cruelle fait maint vers tendre.
Leurs courtes vestes de soie,
Leurs longues robes à queues,
Leur élégance, leur joie
Et leurs molles ombres bleues

Tourbillonnent dans l'extase
D'une lune rose et grise,
Et la mandoline jase
Parmi les frissons de brise.

Das Galante geriet früh unter den galanten Autoren in Kritik, die durchaus keinen Konsens darüber schufen, was denn wirklich galant sein sollte. Die führenden Autoren gaben der Mode die viel dramatischere Wendung, als sie sich von ihr nach 1710 offen distanzierten. Christian Friedrich Hunold hatte 1706 sein Leben mit der Veröffentlichung des Satyrischen Romans riskiert - intime Angriffe gegen eine Hamburger Opernsängerin hatten deren Beschützer auf den Plan gerufen, er hatte Hamburg verlassen müssen. 1713 vor der bürgerlichen Karriere stehend sagte er sich offen von seinen Jugendsünden los - seinen ersten galanten Roman hatte er im Jahre 1700 als gerade Zwanzigjähriger geschrieben. Johann Leonhard Rost alias Meletaon folgte Menantes 1714 mit seiner öffentlichen Reuebekundung. Den jüngeren Autoren blieb nichts anderes übrig, als entweder trotzdem galant zu schreiben und die Mode zu radikalisieren, oder eine Abkehr von dem Ideal einzuleiten.

Franz von Bayros, typische ins Zeitalter der Allongeperücken zurükverlegte Erotik

Die massive Abkehr erfolgte in den 1730er mit der Kritik Gottscheds. Die Generation Lessings sagte sich zwar von Gottscheds Generation Mitte des Jahrhunderts wieder los, eine Renaissance des Galanten leitete das jedoch nicht ein. Die Empfindsamkeit war als Mode neuer Natürlichkeit und ernsterer Wahrhaftigkeit mit den 1720ern in ihre Formulierungsphase gekommen. Mitte des 18. Jahrhunderts hatte sie an der Marktreform größten Anteil, die einen seriöseren Markt spezifisch bürgerlicher Verantwortung aufkommen ließ.

Das Galante wurde in denselben Entwicklungen zum Objekt genießerischer Kennerschaft und Lebenskunst. Giacomo Casanova lebte Ende des 18. Jahrhunderts noch das Leben galanter Helden des frühen Jahrhunderts. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich das Galante zu einer heimlichen Protestform gegen den bürgerlichen Kulturbetrieb. Ästhetizisten wie Paul Verlaine entdeckten die nun fremd wirkende Vergangenheit - und schrieben Gedichtzyklen wie die Fêtes galantes. In England gab es "Annists", Fans der Regierungszeit von Queen Anne, die sich bei privaten Treffen nach Moden des frühen 18. Jahrhunderts kleideten - keine andere Zeit hatte so üppige Perücken hervorgebracht. Im Jugendstil wie unter den Naturalisten - Arno Holz schrieb nach galanter Mode Gedichte - kam ein spezielles Interesse an der Ästhetik des Galanten auf: Rokoko wurde der eingehender Stilbegriff. In den 20er Jahren wurde das Galante in Deutschland zum Begriff für zensurverdächtige Publikationen sexueller Freizügigkeit. In der Literaturwissenschaft erhielt es eigene Bedeutung bei der Frage nach den Jahren 1680-1730, die in Geschichten der deutschen Literatur in aller Regel weitgehend ausgeblendet werden. Die Frage wurde hier, ob das Galante eine eigene Epoche gewesen sei, das Ende des Barock oder der Anfang der Aufklärung. Gegen die Epochenthese wird sprechen, dass sie den Blick auf die Vielfalt der Strömungen und Moden, die zwischen 1680 und 1730 bestanden, verengt. Das Wort schafft hier zudem Probleme, da es mittlerweile in allen Bereichen von der Musikgeschichte über die Kunst- zur Literaturgeschichte nicht mehr einheitlich gebraucht wird - Corelli und Händel werden nicht mehr zu galanten Komponisten. Hier entsteht durch heutige Entscheidungen für differenzierte Wortverwendungen im Nachhinein der Eindruck, die Künste hätten sich nicht in einem Zusammenspiel entwickelt. Den Blick auf das 17. und 18. Jahrhundert wird man komplexer und offener halten, wenn man das Galante im wesentlichen als Mode erfasst, auf die zu ganz unterschiedlichen Zeiten von Kritikern und Befürwortern angespielt wurde.

Literatur

  • Herbert Singer: Der galante Roman (Stuttgart: Metzler, 1961).
  • Herbert Singer: Der deutsche Roman zwischen Barock und Rokoko (Köln: Böhlau, 1963).
  • Thomas Borgstedt/ Andreas Solbach: Der galante Diskurs : Kommunikationsideal und Epochenschwelle (Dresden: Thelem, 2001). - ISBN 3-933592-38-0
  • Olaf Simons: Marteaus Europa oder der Roman, bevor er Literatur wurde: eine Untersuchung des deutschen und englischen Buchangebots der Jahre 1710-1720 (Amsterdam: Rodopi, 2001). - ISBN 90-420-1226-9
  • Sylvia Heudecker/ Dirk Niefanger/ Jörg Wesche: Kulturelle Orientierung um 1700 (Tübingen: Niemeyer, 2004). - ISBN 3-484-36593-5
  • Olaf Simons: "Zum Corpus 'galanter' Romane zwischen Bohse und Schnabel, Talander und Gisander" - in: Günter Dammann (Hrsg.): Das Werk Johann Gottfried Schnabels und die Romane und Diskurse des frühen 18. Jahrhunderts (Tübingen: Niemeyer, 2004). - ISBN 3-484-81025-4
  • Jörn Steigerwald: Galanterie als kulturelle Identitätsbildung: Französisch-deutscher Kulturtransfer im Zeichen der Querelles (Dominique Bouhours - Christian Thomasius - Benjamin Neukirch). In: German Literature, History and the Nation. Papers from the Conference 'The fragile Tradition', Cambridge 2002, Vol. 2. Hg. v. Christian Emden / David Midgley. Oxford 2004, S. 119-141
  • Manfred Windfuhr: Christian Hofmann von Hofmannswaldau, Gedichte. (Ditzingen: Reclams Universal - Bibliothek, 1986). - ISBN 3-15-008889-5
  • Jörn Steigerwald: Galante Liebesethik: Jean-François Sarasins Dialogue s’il faut qu’un jeune homme soit amoureux. In: Liebe und Emergenz. Neue Modelle des Affektbegreifens im französischen Kulturgedächtnis um 1700. Hg. v. Dietmar Rieger / Kirsten Dickhaut. Tübingen 2006, S. 33-54.
  • Florian Gelzer: Konversation, Galanterie und Abenteuer. Romaneskes Erzählen zwischen Thomasius und Wieland (Tübingen: Niemeyer, 2007). ISBN 978-3-484-36625-1
  • Alain Viala: La France galante. Paris 2008
  • Jörn Steigerwald: L’appropriation culturelle de la galanterie en Allemagne: Christian Thomasius lecteur de Madeleine de Scudéry. In: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte. Heft 1/2 2008, S. 31-46

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