Galaktosialidose

Galaktosialidose
Klassifikation nach ICD-10
E77.8 Sonstige Störungen des Glykoproteinstoffwechsels
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Galaktosialidose (auch Goldberg-Syndrom oder Neuraminidase-β-Galaktosidase-Mangel), ist eine sehr seltene autosomal-rezessiv vererbte lysosomale Speicherkrankheit aus der Gruppe der Oligosaccharidosen.

Inhaltsverzeichnis

Ätiologie

Die Ursache für die Galaktosialidose ist eine stark verminderte Aktivität der Enzyme α-D-Neurominidase und β-Galactosidase, die durch einen Defekt des bi-funktionalen Proteins Protective Protein/Cathepsin A (PPCA) („Schutzprotein“) verursacht wird. Zusammen mit der Neuraminidase und der β-Galaktosidase bildet das PPCA einen Multienzymkomplex, wobei das PPCA diese beiden Enzyme im sauren Milieu stabilisiert und so ihre Aktivität im Lysosom gewährleistet. Das PPCA reguliert den intrazellulären Transport.[1][2] Die Stabilisierung der β-Galaktosidase erfolgt durch eine Aggregation der einzelnen β-Galaktosidase-Einheiten in hochmolekulare Multimere. Mutationen in dem das PPCA kodierenden PPGB-Gen bewirken einen Funktionsverlust, beziehungsweise eine Einschränkung der Funktion, des Genproduktes PPCA.Es handelt sich dabei meist um Missense-Mutationen. Es wurde aber abnormales Spleißen der mRNA durch Modifikation der Spleißstellen als Ursache beschrieben.[1][3][4] Das betroffene PPGB-Gen befindet sich auf Chromosom 20 Genlocus 13.1.[5]

Symptomatik und Diagnose

In der klinischen Praxis unterscheidet man drei Phänotypen der Galaktosialidose:

  • die kongenitale oder früh-infantile Form
  • die spät-infantile
  • die juvenile/adulte Form

Die kongenitale oder früh-infantile Form ist durch Ödeme, Bauchwassersucht (Aszites), Vergrößerung der Leber und Milz (Hepatosplenomegalie), chronisches Nierenversagen, verschiedene neurologische Symptome (beispielsweise geistige Retardierung), Deformationen des Gesichts und Fehlbildungen des Skeletts gekennzeichnet. Auf der Makula befindet sich meist ein kirschroter Fleck Die Krankheit führt zu einer frühen Erblindung. Pränatal manifestiert sich die Galaktosialidose als Hydrops fetalis. Die Lebenserwartung beträgt bei diesem Phänotyp ein Jahr und weniger.

Bei der spät-infantilen Form sind die psychischen Fähigkeiten kaum oder überhaupt nicht eingeschränkt. Die betroffenen Kinder erreichen oft nur die zweite Lebensdekade.

Bei der juvenilen/adulten Form, die im Wesentlichen in Japan auftritt, ist der Krankheitsverlauf langsam progredient. Deformationen des Gesichts, Dysostosis multiplex und Angiokeratome sind hier neben Hornhauttrübungen und dem kirschroten Fleck in der Makula die primären Symptome. Patienten mit diesem Phänotyp erreichen das Erwachsenenalter.

Die betroffenen Patienten scheiden erhöhte Mengen an Oligosacchariden über den Urin aus. Diese lassen sich dünnschichtchromatografisch nachweisen. Die Aktivität der betroffenen Enzyme lässt sich in Fibroblasten und Trophoblasten (pränatal) bestimmen.

Therapie und Prognose

Es ist derzeit keine kausale Therapie bekannt. Die Behandlung erfolgt symptomatisch.

Erstbeschreibung

Die Galaktosialidose wurde erstmals 1971 von dem US-amerikanischen Ophthalmologen Morton F. Goldberg beschrieben.[6] Das Goldberg-Syndrom ist vom Shprintzen-Goldberg-Syndrom zu unterscheiden, das eine andere – dem Marfan-Syndrom sehr ähnliche – Krankheit ist.

Einzelnachweise

  1. a b R. Kreutzer: Charakterisierung des genetischen Defektes der GM1-Gangliosidose beim Alaskan Husky. Dissertation, Justus-Liebig-Universität Gießen, 2005
  2. H. Morreau u. a.: Human lysosomal protective protein: glycosylation, intracellular transport, and association with beta-galactosidase in the endoplasmic reticulum. In: J. Biol. Chem. 267, 1992, S. 17949–17956. PMID 1387645
  3. M.Shimmoto u. a.: Protective protein gene mutations in galactosialidosis. In: J. Clin. Invest. 91, 1993, S. 2393–2398.
  4. K. Takiguchi u. a.: Structural and functional study of K453 mutant protective protein/cathepsin A causing the late infantile form of galactosialidosis. In: J. Hum. Genet. 45, 2000, S. 200–206.
  5. J. Wiegant u. a.: The gene encoding human protective protein (PPBG) is on chromosome 20. In: Genomics 10, 1991, S. 345–349. PMID 2071143
  6. M. F. Goldberg u. a.: Macular cherry-red spot, corneal clouding, and beta-galactosidase deficiency: clinical, biochemical, and electron microscopic study of a new autosomal recessive storage disease. In: Arch. Intern. Med. 128, 1971, S. 387–398. PMID 4999185

Literatur

Fachbücher

  • J. Cervós-Navarro u. a.: Spezielle pathologische Anatomie. Verlag Springer, 1991, ISBN 3-540-52873-3 S. 73–75.
  • G. F. Hoffmann: Stoffwechselerkrankungen in der Neurologie Georg Thieme Verlag, 2004, ISBN 3-131-36321-5 S. 54–57.

Review-Artikel

  • Y. Okamura-Oho u. a.: The biochemistry and clinical features of galactosialidosis. In: Biochim Biophys Acta 1225, 1994, S. 244–254. PMID 8312369
  • D. Landau u. a.: Hydrops fetalis in four siblings caused by galactosialidosis. In: Isr J Med Sci 31, 1995, S. 321–322. PMID 7759227

Fachartikel

PMID 3142815

Weblinks


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