Alcibiades

Alcibiades
Idealportrait des Alkibiades (Marmorbüste, 4. Jh. v. Chr.)

Alkibiades (gr. Ἀλκιβιάδης; * um 450 v. Chr. in Athen; † 404 v. Chr. in Phrygien) war ein bedeutender athenischer Staatsmann, Redner und Feldherr. Er stammte aus der berühmten aristokratischen Familie der Alkmaioniden, die nach dem Peloponnesischen Krieg an Bedeutung verlor, und spielte in der zweiten Hälfte des Konflikts als strategischer Berater, militärischer Befehlshaber und Politiker eine herausragende Rolle.

Während des Verlaufs des Peloponnesischen Krieges wechselte Alkibiades bei verschiedenen Gelegenheiten die Seiten. In seiner Geburtsstadt Athen sprach er sich gegen 420 v. Chr. für eine aggressive Außenpolitik aus und war ein bedeutender Befürworter der Sizilischen Expedition; nachdem seine politischen Feinde ihn des Frevels beschuldigten, floh er jedoch nach Sparta. Dort diente er als strategischer Berater, der einige größere Feldzüge gegen Athen vorschlug oder leitete. Jedoch machte sich Alkibiades in Sparta bald ebenfalls mächtige Feinde und war gezwungen, zum Feind nach Persien überzulaufen. Dort fungierte er als Berater des Satrapen Tissaphernes, bis seine politischen Verbündeten unter den Athenern seine Rückkehr bewirkten. Er diente danach für einige Jahre als athenischer General (strategos), bis seine Feinde ihn schließlich zum zweiten Mal erfolgreich verbannen konnten.

Leben

Alkibiades wurde als Sohn von Kleinias und Deinomache in Athen geboren. Letztere gehörte zu der mächtigen und umstrittenen Familie der Alkmaeoniden; Perikles und sein Bruder Ariphon waren Deinomaches Cousins. Es wird behauptet, dass man Alkibiades' Familie bis Eurysakes zurückverfolgen kann. Sein Großvater, der ebenfalls Alkibiades hieß, war ein Freund des berühmten Verfassungsreformers Kleisthenes. Nach dem Tod seines Vaters in der Schlacht von Koroneia im Jahre 447 v. Chr. wuchs Alkibiades im Hause seines Onkels Perikles auf, wo er von einer Vielzahl von berühmten Lehrern, darunter Sokrates, unterrichtet und in der Redekunst ausgebildet wurde; eine berühmte Schilderung von Alkibiades’ Verhältnis zu Sokrates gibt Platon in seinem Symposion. Alkibiades war für sein widerspenstiges Verhalten bekannt, das von den antiken griechischen Schriftstellern verschiedentlich erwähnt wird. In den Quellen werden seine körperlichen sowohl als seine geistigen Fähigkeiten herausgestellt, ebenso wie seine Liebeseskapaden geschildert werden.

Alkibiades nahm 432 v. Chr. an der Schlacht von Potidaia und 424 an der Schlacht von Delion teil. Nach Platons Darstellung rettete Sokrates bei Potidaia Alkibiades nicht nur das Leben, sondern verzichtete anschließend zu dessen Gunsten auch auf eine ihm zuerkannte Auszeichnung. Die Glaubwürdigkeit dieser Schilderung ist zweifelhaft; dass Alkibiades für seine Tapferkeit ausgezeichnet wurde, trifft jedenfalls zu, denn es wird auch von Isokrates berichtet. Alkibiades hatte ein intimes, aber (idealisierten altertümlichen Berichten zufolge) keusches Verhältnis zu Sokrates, den er bewunderte und respektierte, und der wiederum von Alkibiades' Schönheit angezogen wurde, jedoch beschloss, den jugendlichen Reizen nicht zu erliegen. Nach dem Tod des Kleon setzte er sich zunächst an die Spitze der „radikalen Demokraten“ (die gegen jede Einschränkung waren, was auch die Alimentierung der Bevölkerung betraf, siehe Attische Demokratie) und betrieb eine Politik, die die Isolierung Spartas zum Ziel hatte. Sein politischer Gegenspieler war Nikias, der zu den gemäßigten Demokraten gehörte und sich im Peloponnesischen Krieg um einen Friedensschluss zwischen Athen und Sparta bemühte, den er in dem nach ihm benannten Nikiasfrieden auch durchsetzen konnte.

Alkibiades gelang es jedoch, diese Bemühungen zu hintertreiben und als Stratege Athen zur Abkehr von dem Vertrag zu bewegen. 415 v. Chr. befürwortete er auf ein Hilfegesuch der Stadt Segesta hin den unglücklichen Feldzug gegen Syrakus und Sizilien und wurde einer seiner militärischen Führer. Kurz vor dem Auslaufen der Schiffe wurden in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 415 v. Chr. die Statuen des Gottes Hermes in Athen von unbekannter Hand verstümmelt (der so genannte Hermenfrevel). Die Schuld dafür schob man (wahrscheinlich fälschlich) auf Alkibiades. Zwar wurde die Angelegenheit zunächst wegen seiner großen Popularität verschleppt, doch nach der Ausfahrt rief man ihn zurück und klagte ihn wegen des Hermenfrevels und der Parodie der Mysterien von Eleusis der Asebie an.

Er floh daraufhin nach Sparta, wo er die Pläne des Feldzuges verriet und einem Bündnis aus Spartanern und Syrakusern half, die Athener zu besiegen. Er empfahl den Spartanern außerdem die Besetzung und Befestigung Dekeleias in Attika – ein schwerer Schlag für seine alte Heimatstadt. Für diesen Verrat wurde er in Athen in Abwesenheit zum Tode verurteilt, sein Eigentum wurde beschlagnahmt. 412 v. Chr. zog Alkibiades mit den Spartanern gegen die Insel Chios, wo er die Ionier zu einem Aufstand gegen die Athener aufstachelte. Probleme mit den spartanischen Führern – er soll u. a. die Frau des spartanischen Königs Agis II. verführt haben – führten dazu, dass Alkibiades deren Gunst verlor.

Alkibiades erfuhr jedoch rechtzeitig davon und floh zu dem persischen Provinzstatthalter Tissaphernes. Bei diesem versuchte er, zunächst recht erfolgreich, Athen und Sparta gegeneinander auszuspielen und ihn auf die Seite der Athener zu ziehen, wobei dies jedoch misslang. Daraufhin bot Alkibiades den Kommandeuren der athenischen Flotte auf Samos, die mit der Politik ihrer Heimatstadt unzufrieden waren und einen Umsturz der radikaldemokratischen Ordnung anstrebten (siehe dazu auch: Oligarchischer Umsturz in Athen unter der Herrschaft des Rates der Vierhundert), seine Hilfe und die Persiens an – wenigstens machte Alkibiades die Kommandeure glauben, er könne die persische Unterstützung garantieren; im Gegenzug wollte er nach Athen zurückkehren dürfen, um dort erneut eine führende Rolle zu spielen. Die Kommandeure der athenischen Flotte gingen auf Alkibiades' Vorschlag zunächst ein, wobei sie sich jedoch von ihm distanzierten, als er nicht in der Lage war, sein Versprechen bezüglich persischer Hilfe einzulösen. Während der Umsturz in Athen selbst gelang, stieß er in der Flotte auf Samos (diese war als Bürgerflotte unterhalb der Kommandeursebene bis hin zu den Ruderern demokratisch gesinnt) auf erfolgreichen Widerstand. Alkibiades, ganz Opportunist, bot nun den Demokraten seine Hilfe an, die ihn schließlich zum Strategen wählten. Die Oligarchie in Athen wurde bereits Ende 411 v. Chr. beseitigt und im folgenden Jahr die Demokratie wieder eingeführt. Bevor Alkibiades nach Athen zurückkehrte, errang er noch einige wichtige Siege für die Athener, u.a. schlug er die spartanische Flotte unter Mindaros in der Seeschlacht bei Kyzikos (heute Balıkesir in der Türkei).

Als er nach Athen heimkehrte, wurde er mit allgemeiner Begeisterung aufgenommen, von allen Beschuldigungen freigesprochen und zum strategos autokrator („bevollmächtigter Stratege“) gewählt. Als jedoch 407 v. Chr. während seiner Abwesenheit ein athenisches Flottenkontingent bei Notion in der Nähe von Ephesos eine Niederlage gegen den mit den Persern verbündeten spartanischen Flottenführer Lysander erlitt, gelang es seinen politischen Gegnern, seine Absetzung zu erreichen.

Alkibiades begab sich zunächst auf seine Besitzungen nach Thrakien und flüchtete nach der Niederlage Athens vor den Spartanern zu dem persischen Satrapen Pharnabazos, wo er jedoch auf Betreiben des spartanischen Befehlshabers Lysander und seiner Gegner in Athen 404 v. Chr. ermordet wurde. Die Hetäre Timandra soll ihn bestattet haben.

Literatur

  • Walter M. Ellis: Alcibiades. London-New York 1989.
  • Jean Hatzfeld: Alcibiade. Paris 1951.
  • Donald Kagan: The Peloponnesian War. New York u.a. 2003.
  • Gustav A. Lehmann: Alkibiades Nr. 3. In: Der Neue Pauly, Bd. 1 (1996), Sp. 500–502.
  • Wolfgang Schuller: Alkibiades. In: Große Gestalten der griechischen Antike. Hrsg. von K. Brodersen, München 1999, S. 337–346 und 481f.
  • David Gribble: Alcibiades and Athens: A Study in Literary Presentation. Clarendon Press, Oxford 1999. ISBN 0-19-815267-1 (Rezension: [1]).

Weblinks


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