Furlanische Sprache

Furlanische Sprache
Friaulisch (Furlan)

Gesprochen in

Italien
Sprecher 600.000
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache von Italien Als Minderheitensprache in Italien offiziell anerkannt (nach Gesetz 482/1999)
Sprachcodes
ISO 639-1:

-

ISO 639-2:

fur

ISO 639-3:

fur

Das Furlanische oder Friaulische oder auch Friulanische (furlanisch: furlan, italienisch: friulano) ist eine romanische Sprache. Furlanisch wird im italienischen Friaul von etwa 600.000 Menschen gesprochen und ist dort als regionale Amts- und Schulsprache anerkannt. Es wird teilweise als Literatursprache genutzt.

Nach einigen Forschern bildet das Furlanische mit dem (Dolomiten-)Ladinischen und dem Bündnerromanischen die Gruppe der rätoromanischen Sprachen. Diese Theorie ist jedoch bis heute sehr umstritten (siehe Questione Ladina).

Fast alle Sprecher des Furlanischen beherrschen auch die italienische Sprache.

Auch die in der Gegend von Görz lebenden Slowenen und die Angehörigen der kleinen deutschsprachigen Minderheit im Friaul nutzen mehrheitlich Furlanisch als Zweit- oder Drittsprache neben Slowenisch oder Deutsch und Italienisch.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Ursprünge des Friaulischen sind äußerst unklar. Ein Streitpunkt ist dabei der Einfluss des um Aquileia gesprochenen Lateins; von einigen Seiten wird behauptet, dass diverse Merkmale später ins Friaulische übernommen wurden. Allerdings weisen die in dieser Gegend gefundenen Inschriften lediglich auf Abweichungen vom Standard-Latein hin, von denen die meisten im restlichen Römischen Reich ebenfalls geläufig waren. Da die Ureinwohner des Friauls Karnier waren, war bis zur Ankunft der Römer im Jahr 181 v. Chr. diese Varietät des Keltischen am weitesten verbreitet. Der Anteil des keltischen Substrats am modernen friaulischen Wortschatz ist jedoch gering; lediglich die Ortsbezeichnungen lassen oft keltischen Ursprung erkennen (z. B. Ortsnamen auf „-acco“ oder „-icco“). Der Einfluss des Langobardischen ist auch sehr gering, woraus geschlossen werden kann, dass sich das Friaulische um das Jahr 1000 entwickelte, etwa zur selben Zeit wie andere Dialekte, die sich vom Standard-Latein abspalteten (siehe Vulgärlatein). Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen des Friaulischen sind in Verwaltungsakten des 13. Jahrhunderts zu finden. Diese Aufzeichnungen tauchen im folgenden Jahrhundert jedoch noch häufiger auf, als auch erste literarische Zeugnisse in Erscheinung treten (so z. B. die „Frammenti letterari“).

Mittelalterliche Sprachstruktur

Besonders bemerkenswert ist hier die Existenz einer Zweikasusflexion wie auch im Altfranzösischen und Altokzitanischen. Während die anderen altromanischen Sprachen (bis auf das Rumänische) die Nominalflexion völlig eliminiert haben, erhielt das Altfriaulische eine Zweikasusflexion. Diese hatte einen Fall für den Nominativ und einen weiteren für alle weiteren Kasus. Dadurch ergab sich folgende Opposition:

Zweikasusflexion
Kasus Singular Plural
Casus Rectus murs mur
Casus Obliquus mur murs

Im Altfranzösischen sah die Opposition Rectus vs. Obliquus analog aus: murs/mur „die Mauer“/„die Mauern“ (Nominativ), mur/murs „der Mauer“/„den Mauern“ (Akkusativ). Das Friaulische des 14. Jahrhunderts ähnelt im Wortschatz noch stark dem Lateinischen und ist in Texten wie dem Quaderno di Foncasio da Gemona (1336-37) stark latinisiert. So finden sich hier Formen wie ego für neufriaulisch jo (dt. „ich“), filius für neufriaulisch fi (dt. „Sohn“) oder die für neufriaulisch di (dt. „Tag“). Der Wandel a > e ist ebenfalls noch nicht vollzogen, so finden sich etwa Formen wie glesia, chasa für neufriaulisch glesie, cjase („Kirche“/„Haus“). Der Artikel lautet häufig lu und im Plural li, wo heute im Standard il bzw. i stehen. Die für das Friaulische so typische Fusion von Artikel und Präposition zu Artikelpräpositionen ist noch nicht vollzogen. So finden sich etwa im Registro dei Pelliciai di Udine (zwischen 1400 und 1430 verfasst) Formen wie in lo und in lu statt neufriaulisch intal („in dem“, „im“) etc. Die schriftlichen Aufzeichnungen unterstreichen jedoch bereits die Existenz der für das Friaulische typischen Palatalisierung von /k/ vor /a/: altfriaulisch la chasa für neufriaulisch la cjase („das Haus“). Eine ähnliche Palatalisierung findet sich sonst auch im Französischen.

Beispiel für einen altfriaulischen Text (Quaderno di Odorlico da Cividale, 1360 ca., Karte 10r, Abgedruckt in Vicario (2005: 104))

  1. Item si reçeuey ady viij d-auost
  2. di Ugulin a-non di Çuany di
  3. Blas marchis -x- di dinas
  4. in prisinço di ser Çuan nodà

La questione ladina

Der berühmte Sprachforscher Graziadio Isaia Ascoli vertrat im Jahre 1871 die Vorstellung von einer Einheit zwischen Ladinisch, Bündnerromanisch und Friaulisch. Dieser Theorie zufolge gehören jene drei Sprachen derselben Familie an, die sich in der Vergangenheit von der Schweiz über Muggia bis nach Istrien erstreckte. Heutzutage lassen sich diese drei Sprachen nur noch als voneinander isolierte Inseln erkennen, wobei das Friaulische vor allem stark vom Deutschen beeinflusst worden ist. Der Sprachwissenschaftler Francescato behauptete darüber hinaus, dass das Venetische bis zum 14. Jahrhundert viele phonetische Merkmale mit dem Friaulischen und Ladinischen gemeinsam hatte. Die heute am meisten vertretene Meinung ist, dass die oben genannten Sprachen ursprünglich zwar zur selben Familie gehörten, aber sich vor vielen Jahrhunderten bereits auseinanderentwickelten. Außerdem gibt es viele Merkmale, welche von Ascoli als typisch rätoromanisch angesehen wurden, ebenfalls in norditalienischen Varietäten.

Verbreitung

Italien

Friaulisch wird heutzutage vor allem in den Provinzen Pordenone, Udine und in den karnischen Alpen gesprochen. Weit verbreitet ist es darüber hinaus in der Provinz Gorizia und im Osten der Region Venetien. In der Vergangenheit war das Friaulische jedoch noch weiter verbreitet, da es auch in Triest und Muggia gesprochen wurde.

Weltweit

Bis in die 1960er Jahre war Friaul eine Gegend, die von hoher Armut geprägt war, weshalb viele Einwohner nach Frankreich, Belgien und in die Schweiz auswanderten. Außereuropäische Emigrationsziele waren Kanada, Australien, Argentinien, Brasilien, die USA und Südafrika. Dort gibt es auch Gemeinschaften friaulischer Emigranten („Fogolâr furlan“), die ihre Traditionen und vor allem die friaulische Sprache aufrechterhalten wollen.

Friulian speaking area.png

Literatur

Die ersten Schriftzeugnisse des Friaulischen reichen bis in das 13. Jahrhundert zurück und sind meist wirtschaftlicher oder juristischer Natur. Vor allem im verwaltungstechnischen Bereich sind viele Beispiele zu finden, in denen Latein und Friaulisch nebeneinander verwendet wurden. Die ersten literarischen Erzeugnisse bestehen aus Liebesdichtung des 14. Jahrhunderts, welche wohl vom Dolce Stil Novo inspiriert worden war. Das berühmteste Werk dieser Zeit stellt „Piruç myò doç inculurit” (“Meine süße, farbige Birne”) dar, das von einem anonymen Autor aus Cividale del Friuli um 1380 verfasst worden war.

Originaltext Übertragung in modernes Friaulisch
Piruç myò doç inculurit

quant yò chi viot, dut stoi ardit

Piruç mio dolç inculurît

cuant che jo ti viôt, dut o stoi ardît

Da sich bei der Übertragung nur wenige Unterschiede ergeben, kann man davon ausgehen, dass sich die Sprache nicht über die Maßen weiterentwickelt hat. Abgesehen von obsoleten Wörtern (so z. B. dum(n) lo) hätte ein moderner Friaulisch-Sprecher keine Probleme, dieses Gedicht zu verstehen.

Die zweite wichtige Ära der friaulischen Literatur ist das 16. Jahrhundert. Die Hauptgestalt dieser Zeit ist der Autor Ermes di Colorêt; sein Gesamtwerk umfasst über 200 Gedichte. Auch Pier Paolo Pasolini schrieb Texte in furlanischer Sprache. 1944 gründete er eine Akademie für die furlanische Sprache, die Academiuta di lenga furlana aus der Widerstandshaltung gegen den Faschismus heraus, aber auch um dem katholischen Klerus nicht allein den Gebrauch des von der Linken als rückständig empfundenen Dialekts zu überlassen.[1]

Berühmte Schriftsteller

  • Ermes di Colorêt (16. Jahrhundert)
  • Pietro Zorutti (19. Jahrhundert)
  • Pier Paolo Pasolini (20. Jahrhundert)

Phonologie

Vokale

Lange Vokale sind typisch für das Friaulische, was wiederum die italienische Aussprache von Friaulern beeinflusst.

Das Friaulische unterscheidet zwischen kurzen und langen Vokalen, so dass sich aus diesem quantitativen Unterschied Minimalpaare ergeben. Lange Vokale werden durch einen Zirkumflex-Akzent gekennzeichnet.

lat (Milch)
lât (gegangen)


fis (fest, dicht)
fîs (Söhne)


lus (Luxus)
lûs (Licht)

Die Varietäten des Friaulischen lassen sich anhand ihres Umgangs mit Langvokalen unterscheiden. So werden in manchen Varietäten besagte Langvokale diphthongiert. Die folgende Grafik stellt vier Wörter aus dem Standard-Friaulischen (pît Fuß, sêt Durst, pôc ein bisschen, fûc Feuer) und ihre Realisation in vier Varietäten dar. Dabei sind Monophthonge blau und Diphthonge gelb gekennzeichnet.

Westen Codroipo Karnien Zentral
sêt [seit] [se:t] [seit] [se:t]
pît [peit] [peit] [pi:t] [pi:t]
pôc [pouk] [po:k] [pouk] [po:k]
fûc [fouk] [fouk] [fu:k] [fu:k]

Konsonanten

Die Aufzählung hier beschreibt die Aussprache der furlanischen Sprache nach der offiziellen Rechtschreibung. Folgende Konsonanten und Konsonantenkombinationen weichen in ihrer Aussprache vom Deutschen ab:

c vor e oder i tsch wie in tschüs []
c sonst k unbehaucht [k]
ch k unbehaucht [k]
cj ähnlich wie tj in tja [c]
ç tsch []
g vor e oder i dsch wie in Dschungel []
g sonst g wie in gut [g]
gh g [g]
gj wie gy im Ungarischen, ähnlich wie dj [ɟ]
gn nj wie gn in Kampagne [ɲ]
h immer stumm
n am Wortende wie n in hinken [ŋ]
p p unbehaucht [p]
r r an der Zungenspitze gerollt [r]
s s stimmlos [s]
s zwischen zwei Vokalen s stimmhaft [z]
's s stimmhaft [z]
t t unbehaucht [t]
v w wie in Wald [v]
z je nach Wort wie deutsches z, z stimmhaft oder dsch [ts], [dz], []

Doppelkonsonanten (ll, rr, etc.), wie sie im Italienischen üblich sind, sind im Friaulischen fast nicht existent.

Grammatik

Morphologie

Artikel

Das Friaulische kennt zwei grammatische Geschlechter, nämlich männlich und weiblich, so z. B. il mûr (die Wand), la cjadree (der Stuhl).

Die Artikel stammen von den lateinischen Pronomen ille und unus:

Bestimmter Artikel
Numerus Maskulin Feminin
Singular il la
Plural i lis

Vor einem Vokal können il und la zu l’ abgekürzt werden. Auch der unbestimmte Artikel weist im Friaulischen zwei grammatische Geschlechter auf.

Unbestimmter Artikel
Maskulin un
Feminin une

Bei diesen Formen handelt es sich um diejenigen des Standard-Friaulischen. Örtliche Varianten umfassen el (Nordfriaul) oder al (Süd- und Westfriaul) für den bestimmten Artikel maskulin Singular. Es gibt (vor allem im Nordfriaul) darüber hinaus auch noch las oder li anstelle von lis und le anstelle von la. Der Plural des indefiniten Artikels uns, unis (der zum Beispiel auch im Spanischen vorkommt) gilt heute als veraltet.

Nomen

Wie in anderen romanischen Sprachen auch der Fall, teilen sich die friaulischen Nomen in maskuline und feminine auf.

Feminin

Die meisten femininen Namen enden auf –e. (Dieses –e wird, im Gegensatz zum Französischen, auch ausgesprochen).

Beispiele

  • cjase = Haus
  • lune = Mond
  • scuele = Schule

Einige feminine Nomen enden jedoch auf Konsonant, so auch die aus dem Lateinischen abgeleitenen Nomen auf –zion.

  • man = Hand
  • lezion = Lektion (von lateinisch „lectio, -onis“)
Maskulin

Die meisten maskulinen Nomen enden auf Konsonant oder –i.

  • cjan = Hund
  • gjat = Katze
  • fradi = Bruder
  • libri = Buch

Einige maskuline Nomen enden auf –e, wie z. B. sisteme (System) und probleme (Problem); dabei handelt es sich normalerweise um Wörter, die ihre Wurzeln im Altgriechischen haben. Man kann allerdings auch assimilierte Formen wie problem oder system finden.

Gerade heutzutage kann man immer häufiger Lehnwörter aus dem Italienischen antreffen, wie z. B. treno, obwohl das finale –o für das Friaulische äußerst untypisch ist. Viele dieser Wörter übernehmen jedoch den Friaulischen Plural auf –s (also trens). Dieser Trend trifft bei vielen Sprachpuristen auf Widerstand, die darauf bestehen „echte“ friaulische Wörter anstatt der italienischen Versionen zu verwenden. Oft wird das finale –o (als eine Art Mittelweg) schlicht und einfach weggelassen, so dass das Nomen wieder auf Konsonant endet (tren). Gerade in von Sprachpuristen dominierten Printmedien wird dieser Trend konsequent verfolgt.

Adjektive

Die friaulischen Adjektive weisen Genus- und Numerus-Kongruenz auf, so dass sich für die meisten Adjektive vier Formen ergeben; hier das Beispiel brut (hässlich):

Deklination
Numerus Maskulin Feminin
Singular brut brute
Plural bruts brutis

In nördlichen Varietäten lässt sich auch die Form brutes anstatt der Standard-Form brutis finden. Die Bildung der feminine Form eines Adjektivs folgt einigen nicht immer ganz so einfachen Regeln.

  • in den meisten Fällen reicht es, ein –e anzuhängen (curt, curte)
  • bei Adjektiven auf -c ist die feminine Form -cje, -cje, -che, oder -ghe
  • bei Adjektiven auf –f endet die feminine Form auf -ve
  • bei Adjektiven auf –p endet die feminine Form auf -be
  • bei Adjektiven auf -t endet die feminine Form auf -de

Regeln zur Pluralbildung

Nomina auf –e (egal, ob maskulin oder feminine) nehmen die Endung –is.

  • taule, taulis = Tisch, Tische
  • cjase, cjasis = Haus, Häuser
  • lune, lunis = Mond, Monde
  • scuele, scuelis = Schule, Schulen
  • sisteme, sistemis = System, Systeme

Bei fast allen anderen Nomen lässt sich der Plural bilden, in dem man –s anhängt.

  • man, mans = Hand, Hände
  • lezion, lezions = Lektion, Lektionen
  • cjan, cjans = Hund, Hunde
  • gjat, gjats = Katze, Katzen
  • fradi, fradis = Bruder, Brüder
  • libri, libris = Buch, Bücher
  • treno, trenos = Zug, Züge
  • braç, braçs = Arm, Arme
  • guant, guants = Handschuh, Handschuhe

In einigen friaulischen Varietäten gibt es viele Nomen, deren finaler Konsonant verstummt, wenn das Plural-s angehängt wird. So wird der Plural von gjat beispielsweise wie gjas ausgesprochen, obwohl die Schreibung gjats lautet. Auch Nomen mit finalem –ç (was etwas wie das deutsche tsch ausgesprochen wird) nehmen das Plural-s an, wie z. B. messaç/messaçs.

Ausnahmen

Maskuline Nomen auf –l oder –li bilden den Plural, indem diese Endungen durch –i bzw. –li ersetzt werden.

  • cjaval, cjavai = Pferd, Pferde
  • fîl, fîi = Faden, Fäden
  • cjapiel, cjapiei = Hut, Hüte
  • cjaveli, cjavei = Haar, Haare
  • voli, voi = Auge, Augen
  • zenoli, zenoi = Knie, Knie

Weibliche Nomen auf –l formen den Plural regulär:

  • piel, piels = Haut, Häute
  • val, vals = Tal, Täler

Einige masculine Nomen auf –t bilden den Plural, indem das finale –t durch –cj ersetzt wird.

  • dint, dincj = Zahn, Zähne
  • dut, ducj = jede/r/s, alle

Nomen auf –s bleiben durch die Pluralbildung unverändert:

  • vues = Knochen, Knochen
  • pes = Fisch, Fische
  • mês = Monat, Monate

Pleonastische Pronomen

Eine besondere Eigenschaft des Friaulischen sind pleonastische Pronomen, die in der Aussprache nie betont sind. Sie sind obligatorisch und stehen in Aussagesätzen vor dem Verb. In Fragesätzen und Hortativsätzen werden sie an das Verb gehängt.

Pleonastische Pronomen
Deklarativsatz Fragesatz Hortativsatz
Ich o -io -io
Du tu -tu -tu
Er al -ial -ial
Sie e -ie -ie
Wir o -o -o
Ihr o -o -o
Sie -a -o -o

Ein Beispiel: jo o lavori bedeutet „Ich arbeite.“; lavorio jo? bedeutet „Arbeite ich?“

Verben

  • Es gibt vier Konjugationen im Friaulischen, die sich durch die Verbalendungen im Infinitiv unterscheiden: -â, -ê, -i, -î. Werden diese Endungen weggenommen, so erhält man den Stamm, der für die Bildung der restlichen Formen verwendet wird. Darüber hinaus gibt es auch einige irreguläre Verben, von denen die häufigsten wohl jessi (sein), (haben), podê (können) und (gehen) sind.
Verben, Präsens, Deklarative Form
Person fevelâ (sprechen) lâ (gehen) jessi (sein)
Jo o fevel-i o v-oi o soi
Tu tu fevel-is tu v-âs tu sês
Lui al fevel-e al v-a al è
o fevel-ìn o l-in o sin
o fevel-ais o v-ais (l-ais) o sês
Lôr a fevel-in a v-an a son

Adverbien

Indem man an die feminine Form eines Adjektivs die Endung –mentri anhängt, erhält man das entsprechende Adverb, z. B. lente, lentementri (langsam). Eine Ausnahme bilden die Adjektive auf –il, welche die maskuline Form zur Adverbbildung verwenden: facil, facilmentri (einfach). Diese Adverbbildung ist jedoch ein Italianismus. Das Friaulische kennt anstelle dieser Adverbbildung zahlreiche Umschreibungen des Typs a ... vie („auf ... Art“) z. B. a stupit vie („dummerweise“). Wie die meisten romanischen Populärsprachen, das Rumänische und das Sardische wird ansonsten das maskuline Adjektiv auch als Adverb verwendet.

Vokabular

Der Wortschatz des Friaulischen basiert zum Großteil auf dem Lateinischen, wobei sich hier natürlich einige phonologische und morphologische Veränderungen abgespielt haben. Viele Wörter sind daher anderen romanischen Sprachen gemein. Es gibt jedoch auch andere Sprachen die zum friaulischen Wortschatz beigetragen haben:

  • Vor allem im Mittelalter fanden deutsche Wörter ihren Weg in das Friaulische. Gerade während der Zeit des Patriarchats von Aquileia war der Einfluss dieser Kultur besonders stark (so z. B. bussâ, küssen; crot < Kröte, Frosch; cramar < Krämer, Vertreter,). Wie schon im Beispiel cramar zu sehen, stammen die Worte aus dem angerenzenden Kärntner Dialekt oder basieren auf dessen Aussprache, noch deutlicher ist dies etwa in den Wörtern ziruc „zurück“ < Kärntnerisch zruck und slofen < Kärntnerisch „schlåfn“ in der Redewendung lâ a slofen „zu Bett gehen“ zu sehen: die Friaulischsprecher hörten hier von den Deutschsprechenden ein o und kein a, weshalb das Wort „slofen“ und nicht „slafen“ lautet.
  • Slawische Wörter wurden von Einwanderern ins Land gebracht, die dazu gebraucht wurden, um Friaul wieder zu bevölkern, da im Zuge der ungarischen Invasionen des 10. Jahrhunderts ein Großteil der Bevölkerung umgekommen war. (daher cjast, Scheune; zigâ, schreien, 'zave, Kröte). Vor allem Ortsnamen weisen oft slawischen Ursprung auf.
  • Viele Wörter weisen germanischen (wahrscheinlich langobardischen Ursprungs) oder keltische Wurzeln auf. Für erste Kategorie sind als Beispiele hier folgende zu nennen: sbregâ, ziehen; sedon, Löffel; taponâ, bedecken; für letztere troi, Weg; bregons, Hose.
  • Auch das Venetische übte auf den friaulischen Wortschatz einen Einfluss aus: canucje, Stroh.
  • Wissenschaftliche Termini haben (wie so oft) griechischen oder arabischen Ursprung, so z. B. lambic, ruhig.
  • Einige französische Ausdrücke drangen auch in den friaulischen Wortschatz ein, beispielsweise pardabon, wirklich und gustâ, Mittagessen.

Momentaner Zustand des Friaulischen

Straßenschilder auf Italienisch und Friaulisch
Gedenktafel an den Papstbesuch in Artegna auf Friaulisch

Das Friaulische ist in Italien durch das Gesetz 482/1999 offiziell als Minderheitensprache anerkannt. So wurde Friaulischunterricht in vielen Grundschulen eingeführt, aber nur als Wahlfach. Darüber hinaus gibt es Online-Zeitungen und viele friaulische Musikgruppen, die diese Sprache auch in ihren Texten verwenden. Vor kurzem wurden auch zwei Filme auf Friaulisch (Tierç lion, Lidrîs cuadrade di trê) herausgebracht und stießen dabei in italienischen Zeitungen auf positive Kritik. Zweisprachige (italienisch und friaulisch) Ortsschilder trifft man in ca. 40 Prozent der Gemeinden der Provinz Udine an. Seit 2004 werden auch einsprachig-italienische Straßenwegweiser sukzessive durch zweisprachige ersetzt. Es existiert ebenfalls eine friaulische Übersetzung der Bibel. Der Dichter und Schriftsteller Ermes Culos hat verschiedene Literaturwerke wie z. B. Miguel de Cervantes Don Quijote ins Furlanische übersetzt. Außerdem hat er Dantes Göttliche Komödie ins Furlanische übertragen und sie ist im Project Gutenberg [1] frei verfügbar. Die größte Organisation zur Erhaltung des Friaulischen ist die Societât filologjiche furlane, die im Jahre 1919 in Görz gegründet wurde.

Ortsbezeichnungen

Jeder Ort Friauls besitzt sowohl einen friaulischen als auch einen italienischen Namen. Da das Italienische jedoch die offizielle Staatssprache ist, sind analog auch die italienischen Ortsbezeichnungen offiziell. Es wird jedoch erwartet, dass auch die friaulischen Versionen in naher Zukunft in offiziellen Kontexten Anerkennung finden; zwei Beispiele: die friaulische Bezeichnung für Udine lautet Udin, diejenige von Tolmezzo Tumieç.

Standardisierung

Wie andere Minderheitensprachen stellt sich dem Friaulischen auch die Problematik der Standardisierung, was nicht nur die Schaffung einer Standardsprache, sondern auch ein einheitliches Schriftsystem betrifft. In der Regel wird das Zentralfriaulische als Standard anerkannt, was allerdings immer noch als kontrovers betrachtet wird.

Varietäten des Friaulischen

Die vier größeren Dialektgruppen des Friaulischen unterscheiden sich in erster Linie anhand der Endvokale von Nomen oder Adjektiven:

  • Zentralfriaulisch, gesprochen in der Provinz Udine
    • Wörter enden auf -e
    • Verwendung in vielen offiziellen Dokumenten, als Standard erachtet
  • Nordfriaulisch, gesprochen in Karnien
    • Wörter können auf -o, -e, oder –a enden, was jedoch in einigen Tälern variieren kann.
  • Südost-Friaulisch, gesprochen in Bassa Friulana und in der Gegend um den Fluss Isonzo
  • Westfriaulisch, gesprochen in der Provinz Pordenone
    • Wörter enden auf -a
    • großer Einfluss des Venetischen

So entsprechen dem zentralfriaulischen cjase in anderen Gegenden die Versionen cjasa oder cjaso. Der wohl bekannteste Vertreter des Friaulischen im 20. Jahrhundert, Pier Paolo Pasolini, verfasste seine Werke auf Westfriaulisch, das er von seiner Mutter erlernt hatte. ([2]), in der Nähe von Pordenone.

Die ersten literarischen Werke aus dem 13. Jahrhundert basieren auf dem Friaulischen, das um Cividale del Friuli gesprochen wurde, das zur damaligen Zeit die wichtigste Stadt Friauls gewesen war; so findet sich hier interessanterweise sehr häufig der Endvokal –o, was heutzutage nur noch auf einige Dörfer in Karnien beschränkt ist. Udine, wo die Endung –a am häufigsten war, löste später Cividale del Friuli als bedeutendste Stadt im Friaul ab. Erst ab dem 16. Jahrhundert findet sich die Endung –e.

Schriftsysteme

Das offizielle Schriftsystem, das von der Provinz Udine in offiziellen Dokumenten verwendet wird, besteht aus dem lateinischen Alphabet und dem c-Cédille (ç). Der Buchstabe q wird nur für Eigennamen und historische Ortsnamen verwendet und wird in allen anderen Fällen durch c ersetzt. Die Buchstaben k, x, w und y kommen lediglich in Lehnwörtern vor. Sie werden nicht als Teil des Alphabets gesehen:

   Aa Bb Cc Çç Dd Ee Ff Gg Hh Ii Jj Ll Mm Nn Oo Pp Qq Rr Ss Tt Uu Vv Zz

Darüber hinaus existieren auch Gravis-, Lenis- und Zirkumflex-Akzent, wobei letzterer einen Langvokal anzeigt, um so Minimalpaare zu unterscheiden, so z. B. lât vs. lat.

Sprachbeispiele

  • Hallo, ich heiße Jakob!
    Mandi, jo mi clami Jacum!
  • Heute ist es sehr heiß!
    Vuê al è propite cjalt!
  • Ich muss jetzt wirklich gehen, bis dann!
    O scugni propite lâ cumò, ariviodisi
  • Ich kann heute Abend nicht ausgehen, ich muss lernen.
    No pues vignî fûr usgnot, o ai di studiâ
  • Weitere Beispiele, Musik und Texte

Das Vaterunser auf Friaulisch

Pari nestri che tu sês in cîl,
che al sedi santifiât il to nom,
che al vegni il to ream,
che e sedi fate la tô volontât
sicu in cîl cussì ancje in tiere.
Danus vuê il nestri pan cotidian
e pardoninus i nestris debits
sicu ancje nô ur ai pardonìn ai nestris debitôrs
E no stâ menânus in tentazion
ma liberinus dal mâl.
To al è il ream, tô e je la potence, tô e je la glorie tai secui dai secui.
Amen.

Literatur

  • Die hier erklärte Grammatik basiert auf
    • R. Pontisso: "An introduction to Friulian".
  • Weitere Informationen:
    • Georg Pagitz: Friaulisch Wort für Wort, Bielefeld: Reise Know-How, 2007. 192 Seiten.
    • Fausto Zof: Gramatiche pratiche de lenghe furlane, Udine: Leonardo, 2002. 255 Seiten.
  • Wissenschaftliche Literatur:
    • Paola Bennincà: "Friulanisch/ Friulano: Interne Sprachgeschichte I. Grammatik - Evoluzione della grammatica" in: Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt: (edd.): Lexikon der romanistischen Linguistik, Band III: Die einzelnen romanischen Sprachen und Sprachgebiete von der Renaissance bis zur Gegenwart. Rumänisch, Dalmatisch / Istroromanisch, Friaulisch, Ladinisch, Bündnerromanisch, Tübingen: Niemeyer, 1989, Seite 563-585.
    • Günter Holtus, Michael Metzeltin, Christian Schmitt (edd.): Lexikon der Romanistischen Linguistik (LRL), Tübingen, Niemeyer, 1988-2005 (12 Bände); Band III: Die einzelnen romanischen Sprachen und Sprachgebiete von der Renaissance bis zur Gegenwart. Rumänisch, Dalmatisch / Istroromanisch, Friaulisch, Ladinisch, Bündnerromanisch, 1989.
    • Federico Vicario: Lezioni di linguistica friulana. Udine: Forum, 2005.
  • Zur Zweikasusflexion im Altfriaulischen:
    • Laura Vanelli: "La formazione del plurale in friulano e la ricostruzione diacronica" in: Laura Vanelli: I dialetti italiani settentrionali nel panorama romanzo. Rom: Bulzoni, 1998, Seite 153-168.

Einzelnachweise

  1. Pier Paolo Pasolini - Vita

Weblinks

Einzelnachweise


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