Funkuhr

Funkuhr

Eine Funkuhr ist eine Uhr (meistens eine Quarzuhr), die ein von einem Langwellen-Zeitzeichensender per Funk ausgestrahltes Zeitsignal empfangen kann und dessen Uhrzeit selbständig auf die interne Quarzuhr übernimmt.

Junghans RC alarm 1, eine der ersten Funkuhren für den Endverbraucher (1988; Preis damals 149 DM, was heute ca. 119 EUR entspräche)

Die Uhrzeit erscheint meist auf Flüssigkristall-Anzeige (LCD), oft kombiniert mit Datum und weiteren Funktionen wie Wecker und Temperatur. Wand- und Standuhren empfangen das Zeitsignal meist dauernd, Armbanduhren mindestens 1x täglich.

Inhaltsverzeichnis

Funktionsweise

In Mitteleuropa wird das von den Langwellensendern DCF77 (in Mainflingen bei Frankfurt am Main) oder HBG (Schweiz) ausgestrahlte Zeitsignal verwendet. Obwohl das Zeitzeichensignal kontinuierlich gesendet wird, wird es aus Stromspargründen nur ab und zu zum Nachstellen abgefragt. Bei Uhren, die mit größeren Zellen betrieben werden, ist ein Empfang jede volle Stunde üblich, bei Armbanduhren mit Knopfzellen oder mit Solarzellen nur einmal pro Tag, meistens zwischen 2:00 und 4:00 Uhr morgens. Das reicht völlig aus, um den Gangfehler der Quarzuhr zu vernachlässigen. Ein Beispiel für Uhren, die minutengenau mit dem Funkzeitzeichen synchronisiert sind, sind die Hauptuhren der deutschen Bahnhofsuhren.

Innenansicht eines Funkweckers mit Antenne (rechts oben) und Batteriefach (rechts unten)

Eine Funkuhr läuft außerhalb des Zeitsignal-Empfangsbereiches weiter wie jede andere Uhr. Hier macht sich der Gangfehler (Uhrgang) manchmal bemerkbar, besonders bei extremen Temperaturen. Beim erneuten Empfang eines Zeitsignals stellt sich die Uhr aber sofort wieder nach. Innerhalb des Zeitsignal-Empfangsbereiches zeigt eine Funkuhr die Uhrzeit in der Regel mit einer kleinen konstanten Verspätung (Latenzzeit) an, die meist bei 0,1-0,4s liegt.

Die zum Signalempfang bei Funkuhren benutzte Ferritstabantenne ist im Bild gut zu erkennen (eingeklebt in der grünen Rückwand). Auf dem Ferritstab befindet sich links die Wicklung sowie direkt angelötet der Kondensator (rot) zur Schwingkreisabstimmung auf die Sendefrequenz. Die Antenne ist etwa so groß wie eine Zelle der Größe „Mignon“ (Vergleiche Batteriefach im Bild).

Auf der Hauptplatine der Uhr befinden sich zwei integrierte Schaltkreise (ICs). Ein Uhren-IC sorgt für die Funktionen der Uhr, das zweite „Funk“-IC wird mit dem Funksignal der Antenne versorgt und gibt die empfangenen Daten wie Sekunden, Minuten, Stunden, Datum usw. an den Uhren-IC weiter. Im grauen Gehäuse oben rechts erkennt man den kleinen runden Signalgeber für den Weckalarm. Die runden gelben Flecken auf der grünlichen Hauptplatine sind die Rückseiten der Kontaktflächen für die Bedientasten.

Varianten

Casio G-SHOCK mit Multiband-Empfang in Japan (2 Sender), den USA, Deutschland und dem Vereinigten Königreich
Funkwanduhr

Funkuhren sind als Wanduhren und Armbanduhren weit verbreitet. Eine Erweiterung der Funkuhr ist der Funkwecker, bei dem zusätzlich eine Weckfunktion integriert ist.

Funkuhren für PCs

Auch die Uhr eines PCs kann über eine Funkuhr synchronisiert werden. Diese kann entweder im Gerät eingebaut sein oder extern angeschlossen werden. Eine Variante ist zum Beispiel eine kleine batteriebetriebene Funkuhr, die sich wie ein Dongle im Druckerkabel befindet und die per Befehl oder in festen Zeitabständen die Zeit der PC-Uhr einstellt. Alternativ stehen Funkuhren für den Anschluss an USB zur Verfügung, um die Uhr des PCs unabhängig vom Internet zu synchronisieren. Diese Technik ist heute weitgehend durch NTP (siehe unten) abgelöst worden, jedoch immer noch nützlich für nicht dauerhaft mit dem Internet verbundene stationäre und mobile Rechnersysteme. [1]

Funksolaruhr

Inzwischen gibt es auch mit Solarzellen betriebene Armbanduhren (Junghans, Casio und Citizen), bei denen der Austausch der Knopfzelle entfällt. Die Funksolaruhr wurde maßgeblich von Karl Diehl und Karl Gebhardt entwickelt. Über eine oder mehrere Solarzellen wird ein Energiespeicher mit Energie versorgt, solange die Uhr dem Tageslicht oder künstlichem Licht ausgesetzt ist. Der Energiespeicher gibt die Energie gemäß dem Bedarf des Funkuhrwerkes an dieses ab. Der Energiespeicher ermöglicht den Lauf und die Zeitanzeige der Funkuhr auch bei Dunkelheit („Dunkellaufzeit“).

Erste Funksolaruhren hatten noch einen relativ hohen Energieverbrauch und relativ schwache Solarzellen. Daher konnte es zu ungenügender Energieversorgung kommen. Moderne Funksolaruhren erreichen als Herrenarmbanduhr Dunkellaufzeiten von zwei Jahren. Zur Ladung des Energiespeichers genügt heutzutage Kunstlicht.

Vor- und Nachteile

Die Vorteile einer Funkuhr sind, dass immer eine sehr genaue Uhrzeit angezeigt wird, kein Nachstellen von Hand nötig ist und die Umstellung zwischen der normalen Zonenzeit und Sommerzeit automatisch erfolgt.

Manche Funkuhren lassen sich allerdings nicht manuell stellen, so dass sie die Genauigkeit einer herkömmlichen Quarzuhr haben und bei Stromausfall oder Batteriewechsel unbrauchbar werden, wenn man sie in ein nicht mit dem erforderlichen Zeitsignal versorgtes Gebiet bringt.

Obwohl die Funkuhr im Normalfall durch ihre Präzision besticht, gibt es zumindest bei handelsüblichen Exemplaren gelegentlich Fehlfunktionen. Diese führen dann leicht zu einer um Stunden falschen Anzeige. Begünstigt wird das durch eine nur schwache Prüfungsmöglichkeit des Zeitsignals auf Empfangsfehler (siehe DCF77) und die Tatsache, dass das Langwellensignal leicht durch alle möglichen technischen Geräte beeinträchtigt werden kann. Außerdem ist in Stahlbetongebäuden der Empfang häufig nur in der Nähe der Fenster möglich.

Geschichte

Historische militärische Funkuhr aus der DDR, die von der NVA und der Stasi benutzt wurde (Hersteller: VEB Steremat „Hermann Schlimme“)

Die digital kodierte Zeitübertragung für Funkuhren wurde 1967 von Wolfgang Hilberg bei der Firma Telefunken erfunden und zum Patent angemeldet.[2] Nach seiner Berufung als Professor der Elektrotechnik der TH Darmstadt im Jahr 1972 entwickelte er die ersten Prototypen und wesentlichen Bestandteile dieses Uhrentyps.

Mikroprozessorgesteuerte Funkuhr, Uhrenmuseum Furtwangen

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig begann 1973 damit, Cäsiumuhren-Zeitsignale (einschließlich Kalenderangaben und Informationen über die Sommerzeit) über den Sender DCF77 abzustrahlen. Großuhren mit einem entsprechenden Empfangsteil konnten sich ab 1973 selbsttätig hochpräzise darauf einstellen. Zu DCF77 kompatibel ist der in der Schweiz 1966 errichtete Sender HBG, der jedoch mit einer Trägerfrequenz von 75 kHz arbeitet.

Ähnlich arbeitende Zeitsignalsender befinden sich im Vereinigten Königreich, in Japan und den USA. Diese verwenden jedoch andere Frequenzen sowie eine andere Kodierung, wodurch eine Funkuhr, die für einen europäischen Sender konstruiert ist, dort in der Regel nicht funktionieren wird. Einige Uhren, z. B. moderne G-Shock-Funkuhren der Firma Casio, können jedoch Signale verschiedener Sender auswerten.

Funkuhren wurden in den 1970er Jahren nur in relativ geringen Stückzahlen für den professionellen und semi-professionellen Einsatz gebaut, z. B. von Hopf.[3] 1986 wurde von Telefunken (heute Atmel) der erste Funkuhren-IC (U2775B) vorgestellt. Auf Basis dieses ICs war es erstmals möglich, preiswerte Funkuhren für den Massenmarkt zu bauen. Die ersten Anbieter waren Kundo in St. Georgen im Schwarzwald und Junghans. Ein Armbanduhren-fähiges IC kam 1990 auf den Markt[4], welches von Junghans in die erste Funkarmbanduhr der Welt, die MEGA 1 eingebaut wurde.

Hersteller von industriellen Funkuhren bzw. Synchronisationssoftware sind beispielsweise Gude, Hopf, Linum oder Meinberg.

Erste Funk-Armbanduhr der Welt: JUNGHANS MEGA (analoge Ausführung) mit Antenne im Armband

Bei Armbandfunkuhren waren anfänglich Antennen aus amorphen Bändern im Inneren der Lederarmbänder integriert, was jedoch gelegentlich zu Kontaktproblemen im Übergangsbereich vom Armband zum Uhrengehäuse führte. Später wurden deshalb Miniatur-Ferritstab-Antennen in die Uhrengehäuse eingebaut, die aber nun aus Kunststoff oder Keramik hergestellt werden mussten, weil Metalle die Funkwellen abschirmen.

Alternativen

RDS

Ferngesteuerte Zeiteinstellung ist auch per Radioempfang (RDS) möglich. Hierbei wird von Rundfunksendern parallel zum Programm ein Zeitsignal gesendet, womit eine im Radio integrierte Uhr sich automatisch einstellen kann. Eine häufige Anwendung sind Uhren in Personenkraftwagen, die im Allgemeinen mit dem Radio gekoppelt sind und bei Radioempfang z. B. die Umstellung auf Sommerzeit automatisch vornehmen.

GPS

Das Navigationssystem GPS beruht auf dem Empfang hochgenauer Zeitsignale von Satelliten. Damit steht automatisch eine exakte Zeit zur Verfügung, welche im GPS-Empfänger angezeigt werden kann. Praktisch gibt es hier aber bei manchen GPS-Geräten Abweichungen der Zeitanzeige bis in den Minutenbereich, offensichtlich weil die Geräte nicht für den Gebrauch als Uhr optimiert wurden.

NTP/PTP

Über das Network Time Protocol (NTP) können an das Internet angeschlossene Geräte mit einer Genauigkeit deutlich unter einer Sekunde synchronisiert werden. Da NTP-Server unter anderem von amtlich als time keeper tätigen Institutionen angeboten werden, ist jedermann eine Synchronisation mit der offiziellen Zeit möglich. Über das Precision Time Protocol (PTP) kann für lokal begrenzte Netzwerke eine Genauigkeit im Bereich von Nanosekunden erreicht werden.

Einzelnachweise

  1. DCF77-Empfänger an USB für Funkamateure. Abgerufen am 10. Oktober 2010.
  2. Patent DE1673793: Verfahren zur laufenden Übermittlung der Uhrzeit.
  3. hopf Elektronik GmbH
  4. Zeitschrift elektronik industrie 7- 2009, Seite 17

Weblinks

 Commons: Funkuhren – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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