Fritz Muliar

Fritz Muliar
Fritz Muliar (links) kommt zum Dreh einer Tatort-Episode.
(Natürlich nicht, ohne zunächst ein wenig zu blödeln.) Wien ~1974.

Fritz Muliar (* 12. Dezember 1919 in Wien; † 4. Mai 2009 ebenda; gebürtig Friedrich Ludwig Stand) war ein österreichischer Schauspieler und Regisseur.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Muliar wurde als uneheliches Kind geboren und wuchs in Wien-Neubau auf. Sein leiblicher Vater Maximilian Wechselbaum war ein Tiroler k.u.k. Offizier, der sich um seinen Sohn nicht kümmerte und später Nationalsozialist wurde. Muliars Mutter Leopoldine Stand dagegen, die als Sekretärin bei der Oesterreichischen Kontrollbank arbeitete, war eine überzeugte Sozialdemokratin. 1924 lernte sie den russisch-jüdischen Juwelier Mischa Muliar kennen und heiratete ihn. Fritz Muliars familiärer Hintergrund war damit multikulturell geprägt: Seine Großeltern waren erzkatholisch und deutschnationaler Gesinnung, seine Mutter eine engagierte Linke und sein Stiefvater Jude.

Privatleben

Nachdem seine erste Ehe mit Gretl Doering kurz zuvor gescheitert war, heiratete Muliar 1955 Franziska Kalmar, die erste Fernsehsprecherin Österreichs. Mit ihr hatte er die Söhne Alexander (* 1957) und Martin (* 1959). Sein Sohn Hans aus erster Ehe mit Gretl Doering starb 1990.

Muliar war Ensemblemitglied des Theaters in der Josefstadt und feierte 2006 sein 70. Bühnenjubiläum. Er lebte mit seiner Frau in Groß-Enzersdorf in der Nähe der Lobau bei Wien.

Muliar war engagierter Sozialdemokrat und unterstützte regelmäßig Wahlkampagnen der SPÖ. Er war bekennender Freimaurer und gehörte einer Wiener Freimaurerloge an[1]; ebenso war Fritz Muliar Mitglied im parteilosen und überreligiösen Österreichischen Pfadfinder- und Pfadfinderinnen-Bund.

Karriere

Mit 16 Jahren beendete Fritz Muliar die Schule und begann ein Schauspielstudium am Neuen Wiener Konservatorium. Seine ersten kabarettistischen Auftritte erfolgten 1937 in Stella Kadmons Kleinkunstbühne „Der liebe Augustin“, später auch im „Simpl“, wo er allerdings, nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938, nur noch harmlose Opernparodien und Bauernschwänke spielen durfte. Nebenher arbeitete er als Vertreter für Babykosmetik, um Geld für den Lebensunterhalt auch für seine Mutter zu verdienen, nachdem der Stiefvater im März 1938 vor den Nazis in die USA geflohen war.

Im April 1940 wurde Muliar zur Wehrmacht eingezogen. 1942 saß er sieben Monate wegen „Wehrkraftzersetzung“ und Betätigung zur Wiederherstellung eines freien Österreichs in Einzelhaft. Er wurde sogar zum Tode verurteilt. Jedoch wurde das Urteil in eine fünfjährige Haftstrafe umgewandelt, die zur sogenannten „Frontbewährung“ in einer Strafeinheit an der Ostfront ausgesetzt wurde. Das Kriegsende verbrachte er in englischer Kriegsgefangenschaft.

1946 fing er als Sprecher bei Radio Klagenfurt der Sendergruppe Alpenland an, wo er seine spätere Frau Gretl Doering kennenlernte. Doering brachte ihren vierjährigen Sohn Heinz mit in die Ehe, aus der kurze Zeit nach der Hochzeit Sohn Hans hervorging. Muliar arbeitete als Schauspieler und Regisseur in Graz bei „Der Igel – das kleine Zeittheater“. Er wechselte an das Steirische Landestheater, wo er sogar ein Angebot als Theaterdirektor hätte annehmen können.

Ehrengrab von Fritz Muliar auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 33G, Nr. 42)

Stattdessen kehrte er 1949 zurück nach Wien ans Raimundtheater, wo er als Operettenbuffo mit Größen wie Johannes Heesters und Marika Rökk auftrat, zeitweise aber auch als Conférencier im Nachtclub Moulin Rouge arbeitete. Von 1952 bis 1965 spielte er im „Simpl“ an der Seite von Karl Farkas und Ernst Waldbrunn, aber mit der Zeit auch an allen bedeutenden Bühnen Wiens, im Theater in der Josefstadt, im Volkstheater, ab Mitte der 1970er Jahre auch am Wiener Burgtheater, ab 1994 wieder in der „Josefstadt“. In den Sommerpausen trat er regelmäßig bei den Salzburger Festspielen auf.

Vor der Kamera stand Muliar das erste Mal 1940, in dem Film „Herz ohne Heimat“ mit seiner damaligen Partnerin Friedl Hoffmann und dem seinerzeit noch eher unbekannten Curd Jürgens.

Nach dem Krieg spielte er in mehr als 100 Fernsehfilmen und -serien mit. Daneben widmete er sich in vielen Vortragsabenden der Rezitation. Mit zahlreichen Schallplatten-, Rundfunk- und Bühnenprogrammen zum jüdischen Witz etablierte er sich überdies als äußerst populärer Interpret Jüdischer Witze im deutschen Sprachraum.

Muliar galt als Volksschauspieler. Besonders gut konnte er Menschen darstellen, die Jiddisch sprechen oder „bähmakln“.

Am Sonntag, dem 3. Mai 2009, stand der 89-Jährige zum letzten Mal auf der Bühne der Josefstadt als Baron von Ciccio in Peter Turrinis Stück „Die Wirtin“[2] nach Carlo Goldoni. In der Nacht auf Montag verstarb er, nachdem er in seiner Wohnung zusammengebrochen und in das Allgemeine Krankenhaus der Stadt Wien gebracht worden war. Am 12. Mai 2009 wurde Fritz Muliar in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 33G, Nr. 42) beigesetzt.[3]

Zitat

„Ich bin ein Darsteller des kleinen Mannes – ein jüdischer Bankier, das ist noch drinnen, den Othello muß ich nicht unbedingt spielen. Den Lear – nur in einer Musicalfassung.“

Rollen (Auswahl)

Veröffentlichungen

Druckwerke

  • Damit ich nicht vergesse, Ihnen zu erzählen. Jiddische Geschichterln und Lozelachs. Matari Verlag, Hamburg 1967. Neuauflage: Der Apfel, Wien 2004, ISBN 978-3-85450-162-6.
  • Streng indiskret! Aufgezeichnet von Eva Bakos. Mit 13 Zeichnungen von Rudolf Angerer. Zsolnay, Wien/Hamburg 1969.
  • Jiddische Witze und Geschichten, Fontana 1973
  • Das Beste aus meiner jüdischen Witze- und Anekdotensammlung. 2. Auflage. Heyne, München 1974, ISBN 3-45300-387-X.
  • Wenn Sie mich fragen … Aufgezeichnet von Trude Marzik. Zsolnay, Wien 1972; Neuauflage zuletzt Zsolnay, Wien 1990, ISBN 3-55202430-1.
  • Die Reise nach Tripstrill und zurück. Nachwort von György Sebestyén. Verlag Mundus, Wien 1978, ISBN 3-851-90102-9.
  • Österreich, wohin man schaut. Athenäum, Königstein/Taunus 1983.
  • Liebesbriefe an Österreich. Ueberreuter, Wien 1986, ISBN 3-800-03232-5.
  • Nachwort zu William Novak und Moshe Waldoks: Das große Buch des jüdischen Humors. Athenäum, Königstein/Taunus 1982.
  • An Herrn Bundespräsidenten Kurt Waldheim. In: Milo Dor (Hrsg.): Die Leiche im Keller. Dokumente des Widerstands gegen Dr. Kurt Waldheim. Picus, Wien 1988, ISBN 3-854-52205-3, S. 133ff.
  • Von A bis Z. Unaussprechliches ausgesprochen. Paul Zsolnay, Wien 1989, ISBN 3-552-04140-0.
  • Das ist mein Kaffee. Das Kaffeebuch für Genießer. Pichler Verlag, Wien 1994, ISBN 3-85431101-X.
  • Strich drunter: Bevor es wieder zu spät ist. 3. Auflage. Kremayr & Scheriau, Wien 1996, ISBN 3-218-00626-0.
  • Das muss noch gesagt werden! Kremayr & Scheriau, Wien 1999, ISBN 3-218-00665-1.
  • War’s wirklich so schlimm? Erinnerungen. Reihe Ein Bekenntnis (Band 4). Edition Va Bene, Wien 1994, ISBN 3-85167-027-2.
  • Ein Urlaub bei Freunden? Edition Va Bene, Wien 2002, ISBN 3-85167134-1.
  • Melde gehorsamst, das ja! Meine Lebenserinnerungen. Styria, Graz 2003, ISBN 3-222-13129-5.
  • Denk ich an Österreich. Residenz Verlag, St. Pölten - Salzburg 2009, ISBN 978-3-7017-3142-8.

Tonträger

  • Der jüdische Witz, dargeboten von Fritz Muliar, Preiser 1959
  • Kabarett aus Wien Nr. 31. Bonkes und Chalosches erzählt von Fritz Muliar, Preiser 1960
  • Fritz Muliar erzählt jüdische Witze. Preiser o.J.
  • Damit ich nicht vergess', Ihnen zu erzählen! Jüdische Witze 2. Folge. Preiser o.J.
  • Fritz Muliar erzählt zum 3. x Jüdische Witze. o.J.
  • Fritz Muliar erzählt Witze, natürlich jüdische. o.J.
  • Neue jüdische Witze und Geschichten. Live-Aufnahme. Philips 1968
  • Jiddische Witze und Geschichten. Fontana 1973
  • … da lachen nicht nur die Jidden. Live-Aufnahme, Fontana o.J.
  • Fritz Muliar liest Alfred PolgarEgon FriedellAlexander Roda Roda. Preiser CD PR90011, 1999
  • Die Briefe des Menachem Mendel. Von Scholem Alejchem. Preiser CD PR90384, 1999
  • Sibirien. Von Felix Mitterer. Hörbuch. Preiser CD PR90538, 2002
  • Fritz Muliar und Michael Dangl: Besuch bei Mr. Green. Von Jeff Baron. Preiser CD PR90561, 2003
  • Fritz Muliar erzählt Geschichten von Roda Roda. Preiser CD PR90752, 2007

Auszeichnungen (Auszug)

Filmografie

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://oe1.orf.at/inforadio/105607.html
  2. http://oe1.orf.at/inforadio/101715.html?filter=5
  3. Fritz Muliar in Ehrengrab beigesetzt (Kleine Zeitung, 12. Mai 2009)

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