Fritz Löhner-Beda

Fritz Löhner-Beda
Gedenkblatt von 1923 aus Anlass seines 50. Schlagers

Fritz Löhner-Beda (eigentlich Bedřich Löwy;[1] * 24. Juni 1883 in Wildenschwert, Böhmen; † 4. Dezember 1942 in Auschwitz) war ein österreichischer Librettist, Schlagertexter und Schriftsteller.

Unterschrift

Inhaltsverzeichnis

Leben

Im Jahr 1888 zog die Familie Löwy nach Wien und änderte ihren Namen in „Löhner“. Fritz Löhner-Beda studierte nach der Matura an einem Wiener Gymnasium an der Wiener Universität Rechtswissenschaften bis zur Promotion und arbeitete ab 1908 auch einige Zeit in einer Wiener Anwaltskanzlei. Während seines Studiums wurde er Mitglied der jüdischen Studentenverbindung Kadima Wien.[2][3] Er war auch Mitbegründer und Präsident des Sportvereins Hakoah.

Wirken als Schriftsteller

1910 wurde er freier Schriftsteller. Seine Leidenschaft galt der „leichten Dichtkunst“. Satiren, Sketche, Gedichte und Schlagertexte sowie zahlreiche Beiträge für Zeitungen und Zeitschriften schrieb er oft unter dem Pseudonym „Beda“, der Kurzform von „Bedřich“, der tschechischen Form von „Friedrich“. 1913 begegnete er Franz Lehár. Im Jahr 1925 heiratete er Helene Jellinek, mit ihr hatte er zwei Töchter.[4] Sie lebten in der Josefstadt. 1932 kaufte Fritz die Villa Felicitas in Bad Ischl, auch Schratt-Villa genannt, und schenkte sie seiner Frau.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs textete er patriotisch Rosa, wir fahr’n nach Lodz zum Soldatenlied um, dann schrieb er 1916 für Franz Lehár das Operettenlibretto Der Sterngucker.[1] 1918 wurde Löhner-Beda im Alter von 34 Jahren eingezogen. Er erreichte zwar den Offiziersrang, blieb aber nach seinen Kriegserlebnissen zeitlebens Antimilitarist.[5]

In den 1920er-Jahren wurde Fritz Löhner-Beda zu einem der meistgefragten Librettisten und Schlagertexter Wiens. 1922 verhalf er Hans Moser zu seinem Durchbruch als Schauspieler in Wien, indem er für ihn auf seine Bitte hin den Solo-Einakter Ich bin der Hausmeister vom Siebenerhaus schrieb. Wie in der von Georg Markus verfassten Autobiographie Mosers geschildert, konnte der damals schon über vierzigjährige Schauspieler mit diesem Stück seine ersten Erfolge verzeichnen.

Zusammen mit Ludwig Herzer als Co-Autor, Franz Lehár als Komponisten und Richard Tauber als Sänger schuf er die Operetten Friederike (1928), Das Land des Lächelns (1929), Schön ist die Welt (1930) und, mit Paul Knepler als Co-Autor, Giuditta (1934; von Lehár später dem Diktator Benito Mussolini gewidmet). Mit seinem Freund Alfred Grünwald als Co-Autor und Paul Abraham als Komponisten entstanden Viktoria und ihr Husar (1930), Die Blume von Hawaii (1931) und Ball im Savoy (1932).

Er war Vizepräsident des Österreichischen Schriftstellerverbandes und Mitarbeiter des Jüdisch-Politischen Kabaretts.

Deportation und Ermordung

Am 13. März 1938, einen Tag nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich wurde Löhner-Beda verhaftet[6] und mit dem ersten „Prominententransport“ am 1. April 1938 in das KZ Dachau gebracht. Am 23. September 1938 wurde er ins KZ Buchenwald deportiert. Dort schrieb er Ende 1938 in Zusammenarbeit mit dem gleichfalls verschleppten Komponisten Hermann Leopoldi Das Buchenwaldlied, dessen Refrain lautet:[7]

„O Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen,
weil du mein Schicksal bist.
Wer dich verließ, der kann es erst ermessen,
wie wundervoll die Freiheit ist!
O Buchenwald, wir jammern nicht und klagen,
und was auch unser Schicksal sei,
wir wollen trotzdem Ja zum Leben sagen,
denn einmal kommt der Tag, dann sind wir frei!“

Vergebens hoffte Fritz Löhner-Beda auf eine Fürsprache von Franz Lehár.[8][9] Für die Behauptung in der Literatur, Lehár sei eigens nach Berlin gefahren und habe Hitler gebeten, sich für die Entlassung Löhner-Bedas einzusetzen, gibt es bislang keine Belege.[10] Im Gegenteil behauptete Lehár nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Gespräch mit Peter Edel, dass er nichts gewusst habe.[11]

Am 17. Oktober 1942 wurde Löhner-Beda nach Auschwitz transportiert und dort am 4. Dezember 1942 erschlagen, nachdem eine Gruppe inspizierender I.G.-Farben-Direktoren – es handelte sich um Walter Dürrfeld, Otto Ambros, Fritz ter Meer, Carl Krauch und Heinrich Bütefisch[12] – die Arbeitsleistung des erkrankten 59-Jährigen bemängelt hatte. Die Umstände der Ermordung beschreibt Raul Hilberg in seinem Buch Die Vernichtung der europäischen Juden nach der eidesstattlichen Aussage des überlebenden Mithäftlings Raymond van den Straaten, Nürnberg 1947:[13]

„Einer der Direktoren wies auf Dr. Löhner-Beda und sagte zu seinem SS-Begleiter: ‚Diese Judensau könnte auch rascher arbeiten.‘ Darauf bemerkte ein anderer I.G.-Direktor: ‚Wenn die nicht mehr arbeiten können, sollen sie in der Gaskammer verrecken.‘ Nachdem die Inspektion vorbei war, wurde Dr. Löhner-Beda aus dem Arbeitskommando geholt, so geschlagen und mit Füßen getreten, daß er als Sterbender zu seinem Lagerfreund zurückkam und sein Leben in der I.G.-Fabrik Auschwitz beendete.“

Der Psychologe und KZ-Überlebende Viktor Frankl veröffentlichte 1946 einen Erfahrungsbericht, dessen Titel … trotzdem Ja zum Leben sagen an das Buchenwaldlied gemahnt.

Löhner-Bedas Frau Helene, der er den Text des Liedes Dein ist mein ganzes Herz aus der Operette Das Land des Lächelns gewidmet hatte, wurde am 31. August 1942 mit ihren beiden Töchtern nach Minsk deportiert und am 5. September 1942 im Vernichtungslager Maly Trostinez mitsamt ihren Töchtern Liselotte (* 1927) und Eva (* 1929) ermordet.[14]

Im Jahr 1960 wurde die Löhnergasse in Wien-Meidling nach Fritz Löhner-Beda benannt.

Werke (Auswahl)

Notenausgabe von Dein ist mein ganzes Herz
Schallplatte der deutschen Carl Lindström AG mit dem Tango Du schwarzer Zigeuner

Libretti

Schlager

  • I hab' an alten Daimler (Parodie auf das Wiener Fiakerlied, Musik: Gustav Pick)
  • Leb wohl, schwarzbraunes Mägdelein (Musik: Ralph Erwin 1922)
  • Ein feiner Vogel ist der alte Pelikan! (Foxtrot, Musik: Ralph Erwin 1923)
  • Wiedersehen (Valse boston, Musik: Ralph Erwin 1923)
  • Sonne, liebe Sonne, schenk mir einen Strahl (Musik: Ralph Erwin 1923)
  • L´Origan (Double-Foxtrot, Musik: Ralph Erwin 1924)
  • Frühlingstraum (Foxtrot-Serenade, Musik: Ralph Erwin 1923)
  • Die große Welt (Wanderlied, Musik: Ralph Erwin 1925)
  • Im Ural fiel auf´s Eis (Russischer Foxtrot, Musik: Ralph Erwin 1926)
  • Wenn ich Dich seh, da muß ich weinen (Shimmy, Musik: Artur M. Werau 1926)
  • Trink und schließ die Augen zu! (Lied und Blues, Musik: Ralph Erwin 1927)
  • Du bist die Frau, von der ich träume (Lied und Tango, Musik: Ralph Erwin 1931)
  • In der Bar zum Krokodil (Onestepp; Musik: Willy Engel-Berger; gesungen u. a. von Paul O’Montis und den Comedian Harmonists)
  • Du schwarzer Zigeuner (Tango; Adaption von Cikánka von Karel Vacek)
  • Laila (Lied) (Tango; Musik: Adolf Dauber, 1960 durch die Version der „Regento Stars“ bekanntgeworden.
  • Drunt’ in der Lobau (Musik: Heinrich Strecker)
  • Ausgerechnet Bananen (Adaption von Yes! We Have No Bananas von Frank Silver und Irving Cohn; gesungen u. a. von Josephine Baker; in den 1980er Jahren Melodiegrundlage für den Werbesong der „5-Minuten-Terrine“ von Maggi)
  • Ich hab’ mein Herz in Heidelberg verloren (zusammen mit Ernst Neubach, Musik: Fred Raymond)
  • Oh, Donna Clara (Tango; Musik: Jerzy Petersburski)
  • Wo sind deine Haare, August? (Foxtrott; Musik: Richard Fall)
  • Was machst du mit dem Knie, lieber Hans? (Paso Doble; Musik: Richard Fall)
  • Dein ist mein ganzes Herz (aus Das Land des Lächelns; zitiert im gleichnamigen Rocksong von Heinz Rudolf Kunze)
  • Freunde, das Leben ist lebenswert (aus Giuditta)
  • Meine Lippen, sie küssen so heiß (aus Giuditta)
  • Liebe Katharina, komm zu mir nach China! (Lied und Foxtrott; Musik: Richard Fall)

Weitere Veröffentlichungen

  • Getaufte und Baldgetaufte (Satiren), Wien 1908
  • Israeliten und andere Antisemiten (Satiren), Huber & Lahme, Wien 1909
  • Die milde Marie und andere Gemeinheiten (Satiren und Chansons), Bondy, Berlin 1910
  • Neue Satiren, 1912
  • Der Gerüchterstatter und anderes, Löwit-Verlag, Wien 1915
  • Wie man sich trefft im Ampezzotal, Löwit-Verlag, Wien 1916
  • Bomben und Granaten (Sammlung satirisch-humoristischer Gedichte), Wiener Sonn- und Montagszeitung/Steinmann, Wien 1916
  • Die Muse im Negligee, Löwit-Verlag, Wien 1919
  • Ecce ego! (Lieder und Gedichte), Löwit-Verlag, Wien 1920

Literatur und Medien

  • Robert Dachs: Sag beim Abschied … Kapitel über Löhner-Beda im Katalog Historisches Museum der Stadt Wien, 1992
  • Robert Dachs: Sag beim Abschied … Verlag der Apfel, 1994
  • Barbara Denscher, Helmut Peschina: Kein Land des Lächelns. Fritz Löhner-Beda 1883–1942. Residenz, Salzburg 2002. ISBN 3-7017-1302-2
  • Ulrike Schmitzer, Matthias Widter: Die Causa Löhner - Der verzweifelte Kampf einer Frau, ORF/3sat, 2011
  • Günther Schwarberg: Dein ist mein ganzes Herz. Die Geschichte von Fritz Löhner-Beda, der die schönsten Lieder der Welt schrieb, und warum Hitler ihn ermorden ließ. Steidl, Göttingen 2000. ISBN 3-88243-715-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Siglinde Bolbecher, Konstantin Kaiser: Lexikon der österreichischen Exilliteratur. Deuticke, Wien 2000, S. 452 f.
  2. Harald Seewann: Zirkel und Zionsstern: Bilder und Dokumente aus der versunkenen Welt des jüdisch-nationalen Korporationswesens: ein Beitrag zur Geschichte des Zionismus auf akademischem Boden, Volume 3. 1994, S. 25ff
  3. Sophie Lillie: Was einmal war: Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens (Bibliothek des Raubes Volume 8). Czernin 2003, ISBN 978-3-7076-0049-0, S. 703
  4. Österreichisches Kabarettarchiv, ebd.
  5. Günther Schwarberg: Dein ist mein ganzes Herz. Steidl-Taschenbuch, Göttingen [2002], ISBN 3-88243-892-4, S. 33.
  6. Günther Schwarberg: Dein ist mein ganzes Herz. Steidl-Taschenbuch, Göttingen [2002], S. 82.
  7. Ursula Härtl: Geschichte des Buchenwaldliedes, MDR.DE Kultur, 27. Dezember 2004
  8. Wollheim Memorial: Fritz Löhner-Beda.
  9. Rudolf Augstein: Meine Kultur war jüdisch. In: Der Spiegel. Nr. 47, 2000 (mit Verweis auf Günther Schwarbergs Löhner-Beda-Biographie, online).
  10. Günther Schwarberg: Dein ist mein ganzes Herz. Steidl-Taschenbuch, Göttingen [2002], S. 125, sowie S.12.
  11. Günther Schwarberg: Dein ist mein ganzes Herz. Steidl-Taschenbuch, Göttingen [2002], S. 183.
  12. Otto Köhler: Vom Land des Lächelns nach Auschwitz. In: Die Zeit, Nr. 30/1996, S. 42
  13. Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden; Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch, 1990; S. 994
  14. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 374.

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