Fritz Hartnagel

Fritz Hartnagel

Fritz Hartnagel, eigentlich Friedrich Hartnagel (* 4. Februar 1917 in Ulm; † 29. April 2001 in Stuttgart) war ein deutscher Berufsoffizier und Jurist. Er war der Verlobte von Sophie Scholl.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Seine Eltern, Friedrich Hartnagel (1879–1957) und Barbara Hartnagel geb. Strobl (1878–1945), kamen aus bescheidenen Verhältnissen. Sein Vater hatte eine kleine Firma aufgebaut. Fritz Hartnagel selbst meldete sich im Frühjahr 1936 nach einem vorgezogenen Abitur freiwillig für eine Offizierslaufbahn und war bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Berufsoffizier.

Er lernte 1937 bei einer Tanzveranstaltung Sophie Scholl kennen. Unter ihrem Einfluss und nach Erlebnissen an der Front (unter anderem in der Schlacht von Stalingrad) wandelte sich Hartnagel vom begeisterten Soldaten zum Gegner von Krieg und NS-Diktatur. Er unterstützte die Widerstandsaktivitäten mit Nachrichten über Kriegsverlauf und Kriegsverbrechen und mit Geldbeträgen (unter anderem 1000 Reichsmark), ohne in sie eingeweiht zu sein. Hartnagel stand der Familie Scholl auch nach der Hinrichtung von Hans Scholl und Sophie Scholl am 22. Februar 1943 bei. Zunächst kamen die Eltern Robert und Magdalena sowie die Schwestern Inge und Elisabeth in Sippenhaft. Im Mai 1943 wurde Robert Scholl wegen Hörens ausländischer Sender zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Fritz Hartnagel hatte zuvor vergebens ein Gnadengesuch für ihn eingereicht und zeigte sich trotz des erheblichen Drucks der Ulmer Kreisleitung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) mit der Familie Scholl in der Öffentlichkeit und unterstützte sie finanziell. Fritz Hartnagel hatte ernsthaft überlegt, sich nach der Hinrichtung der Geschwister Scholl in den Mannschaftsstand versetzen zu lassen, dies hat ihm jedoch insbesondere Robert Scholl ausgeredet, da dieser befürchtete, dass ihm dies als schlechter Einfluss auf Fritz Hartnagel angelastet werden könnte.

Am 14. April 1945 stellte er sich in Halle (Saale) den US-amerikanischen Streitkräften und war bis September 1945 in US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Im Oktober 1945 heiratete er in Ulm Elisabeth Scholl (* 1920), eine Schwester der hingerichteten Sophie Scholl. Das Ehepaar Hartnagel bekam vier Söhne: Thomas (* 1947), Jörg (* 1949), Klaus (* 1952) und Martin (* 1956).

Fritz Hartnagel wurde im Rahmen der Entnazifizierung von der Spruchkammer Ulm-Stadt zunächst als „Mitläufer“ eingestuft und zu einer Geldbuße von 200 Reichsmark verurteilt. Dies hätte ihn vom Jura-Studium ausgeschlossen, das er bereits im April 1946 an der Ludwig-Maximilians-Universität München begonnen hatte. Er legte Einspruch dagegen ein und brachte eine ausführliche schriftliche Stellungnahme vor, in der er unter anderem detailliert auf seine Rolle als aktiver Offizier sowie seine Freundschaft zu Sophie Scholl und ihrer Familie einging. Die Spruchkammer nahm aufgrund dieser Stellungnahme sowie einer Reihe von Zeugenaussagen ihren Bescheid zurück und sprach Hartnagel frei. In der Begründung hieß es:

„Der Betroffene hat Widerstand geleistet, wo persönlicher Mut, Einsatz und Opferbereitschaft dazu gehörten. Sein Widerstand war nicht darin erschöpft zu kritisieren, zu meckern und abfällige Bemerkungen über die nationalsozialistische Gewaltherrschaft fallenzulassen, sondern er hat durch die Tat seine weltanschauliche Gegnerschaft dargetan.“[1]

Nunmehr konnte er sein Jura-Studium weiterführen und abschließen. Von 1949 bis 1952 arbeitete Hartnagel zunächst als Referendar, dann als Assessor am Amtsgericht Ulm. 1952 wurden Fritz und Elisabeth Hartnagel Mitglieder der SPD. Er engagierte sich insbesondere gegen die Wiederbewaffnung und baute die Organisation Internationale der Kriegsdienstgegner zur Beratung von Kriegsdienstverweigerern mit auf. Er wirkte zuletzt als Vorsitzender Richter am Landgericht Stuttgart. Hartnagel engagierte sich aktiv und vielfältig in der Friedensbewegung. Der Richter im Ruhestand nahm im September 1983 an einer längeren gewaltfreien Blockade gegen die in Mutlangen stationierten US-amerikanischen Pershing-II-Raketen teil. Dafür wurde er wegen Nötigung angezeigt und vom Amtsgericht Schwäbisch Gmünd zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt. Sein Schlusswort ist auch sein politisches Vermächtnis: „Ich habe ein gutes Gewissen. Es wäre zu pathetisch, wenn ich sagen würde, ich bin stolz darauf. Aber es gibt mir ein Gefühl der Befriedigung und Erleichterung, mit dabei gewesen zu sein bei den vielen, die ihrem ohnmächtigen Protest gegen den Wahnsinn des atomaren Wettrüstens durch ein sichtbares Zeichen Ausdruck gegeben haben.“ Hartnagel schließt mit dem Appell: „Hören Sie auf, die Friedensbewegung zu kriminalisieren, sprechen Sie frei!“

Anlässlich des 60. Todestages von Sophie Scholl wurde der Briefwechsel zwischen ihr und ihrem Verlobten Fritz Hartnagel veröffentlicht.

Literatur

  • Hermann Vinke: Fritz Hartnagel. Der Freund von Sophie Scholl, Arche, Zürich-Hamburg 2005, ISBN 3-7160-2341-8
  • Thomas Hartnagel (Hrsg.): Sophie Scholl, Fritz Hartnagel: Damit wir uns nicht verlieren. Briefwechsel 1937–1943, Fischer, ISBN 3-10-000425-6
  • Hermann Vinke: Hoffentlich schreibst du recht bald. Sophie Scholl und Fritz Hartnagel. Eine Freundschaft 1937–1943, Ravensburger Buchverlag, ISBN 3-473-35253-5
  • Jakob Knab: Fritz Hartnagel, Vom Wehrmachtsoffizier zum Ostermarschierer, in: Detlef Bald, Wolfram Wette (Hrsg.): Alternativen zur Wiederbewaffnung. Friedenskonzeptionen in Westdeutschland 1945–1955. Reihe Frieden und Krieg, Beiträge zur Historischen Friedensforschung, Band 11, Essen 2008, ISBN 978-3-8375-0013-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Aus: Begründung der Spruchkammer Ulm-Stadt, 23. September 1947, Blatt 4, zitiert nach: Hermann Vinke: Fritz Hartnagel. Der Freund von Sophie Scholl, 2005, Seite 232

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