Friedrich von Esmarch

Friedrich von Esmarch
Friedrich von Esmarch 1862
Friedrich von Esmarch

Johann Friedrich August von Esmarch (* 9. Januar 1823 in Tönning/Nordfriesland; † 23. Februar 1908 in Kiel) war ein deutscher Arzt und der Begründer des zivilen Samariterwesens in Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Friedrich von Esmarch stammte aus einer alten schleswig-holsteinischen Pastoren- und Juristenfamilie, sein Vater war der Amtsarzt Friedrich Caspar Esmarch. Bereits 1830 zog die Familie nach Rendsburg, wo sein Vater als Arzt tätig war. Angeblich war der Sohn nur ein mäßiger bis schlechter Schüler. Esmarch studierte Medizin in Kiel und in Göttingen bei Bernhard von Langenbeck. Hier promovierte er 1848 zum Doktor der Medizin. 1848 habilitierte er sich für Chirurgie. Seit 1854 war Esmarch in Kiel Ordinarius für Chirurgie und Augenheilkunde sowie Direktor des Friedrichshospitals in der Flämischen Straße. Sein Assistent war von 1886 bis 1890 der Chirurg August Bier.

Kriegschirurgie und Erste Hilfe bildeten die Schwerpunkte in Esmarchs beruflichem Leben. In den Kriegen 1848, 1864, 1866 und 1870/1871 konnte er vielfältige Erfahrungen sammeln, die in sein umfassendes „Handbuch der Kriegschirurgischen Technik“ von 1877 eingingen. Er führte das Verbandpäckchen und das Dreiecktuch ein, ebenso die Beinschienen und den Verbandtornister. In seiner Heimatstadt Tönning wurde er außerdem aufgrund seiner Erfindung des Eisbeutels als „Fiete Isbüdel“ bekannt. Die Erste Hilfe hatte er bereits in seiner vielfach aufgelegten Schrift „Der erste Verband auf dem Schlachtfelde“ von 1869 propagiert.

Von 1854 bis 1898 war er Direktor des Chirurgischen Universitätsklinikums, eine Stellung, die er für die Einführung vieler neuer Methoden nutzte. Gemeinsam mit dem Irrenarzt Peter Willers Jessen stellte er auf der Grundlage klinischer Studien 1857 als Erster die Vermutung auf, dass Syphilis Ursache der progressiven Paralyse sei. 1870 wurde Esmarch Generalarzt und beratender Chirurg der Armee. Er entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Unfallchirurgen des 19. Jh. Auf Esmarch geht das Dreiecktuch zur Stütze bei Armverletzungen zurück, und er entwickelte zwei wichtige Verfahren, die bis heute angewandt werden und seinen Namen tragen: den Esmarch-Handgriff und die Esmarchsche Blutleere.

Esmarch war Geheimer Medizinalrat, Ehrenmitglied zahlreicher Fachverbände des In- und Auslands sowie Träger einer Reihe von Orden. 1853 heiratete Esmarch Anna Strohmeyer, mit der er drei Kinder hatte. Seine Frau Anna erkrankte gegen Ende der 1860er Jahre an Tuberkulose und starb 1870. Zwei Jahre später verliebte sich eine Patientin in ihn, Prinzessin Henriette von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, eine Tante der späteren Deutschen Kaiserin Auguste Viktoria. Beide heirateten, und in Anerkennung seiner Verdienste wurde er 1887 von Kaiser Wilhelm I. geadelt. Knapp 10 Jahre später entschlossen sich die Tönninger, ihn am 4. Juni 1897 zum Ehrenbürger ihrer Stadt zu ernennen. 1897 erhielt er den Titel Wirklicher geheimer Rat mit dem Prädikat Exzellenz. 1903 wurde er Ehrenbürger der Stadt Kiel. Noch zu Lebzeiten und in Anwesenheit des Geehrten wurde am 5. August 1905 in Tönning das von Adolf Brütt geschaffene Standbild enthüllt.

Esmarch verstarb hochgeehrt in Kiel am 23. Februar 1908. Das Ehrengrab befindet sich in Kiel auf dem Parkfriedhof Eichhof (Feld 27, Nr. 1).

Esmarch war dafür bekannt, dass er immer in einem schwarzen Operationstalar operierte.

Esmarch als Begründer des zivilen Samariterwesens in Deutschland

Friedrich von Esmarch, Standbild von A. Brütt in Tönning (1905)
Esmarch's Erste-Hilfe-Tuch, Abbildung um 1882

Friedrich von Esmarch hatte während seiner Teilnahme am Internationalen Hygiene-Kongress in London im Jahre 1881 die Einrichtungen der dortigen „St. John Ambulance Association“ kennengelernt. Diese Rettungsorganisation war bereits 1877 gegründet worden und hatte überall in England Sanitätsschulen eingerichtet und freiwillige Helfer für den Rettungs- und Sanitätsdienst ausgebildet.

Sofort nach seiner Heimkehr begann Esmarch Anfang 1882 mit den Vorbereitungen zu einem ersten deutschen Samariterkursus in Kiel. In diesem Zusammenhang entstand auch sein Werk „Die erste Hülfe bei plötzlichen Unglücksfällen – Ein Leitfaden für Samariter-Schulen“, das zu den bekanntesten Erste-Hilfe-Leitfäden gehörte, in den folgenden Jahrzehnten schließlich in fast 30 Sprachen übersetzt wurde und im Jahre 1931 seine 50. Auflage erlebte.

Es folgte am 5. Mai 1882 die Gründung des „Deutschen Samariter-Vereins“ in Kiel. Im Unterschied zu seinem englischen Vorbild sollte der Kieler Verein nach dem Willen seiner Begründer aber nicht die Zentrale eines über das ganze Land verbreiteten Zweigvereinswesens sein, sondern lediglich als Vorbild für ähnliche Organisationen dienen, denen man mit Lehrmitteln oder allen erforderlichen Ratschlägen zur Seite stehen wollte. Als Folge der Anregung Friedrich von Esmarchs und nach dem Vorbild des Samariter-Vereines in Kiel wurden in verschiedenen deutschen Städten in den folgenden Jahren ebenfalls Samariterkurse veranstaltet bzw. weitere Samaritervereine gegründet.

Als die Zahl der Samariterorganisationen in Deutschland zunahm, entwickelte sich das Bedürfnis, die unabhängig nebeneinander bestehenden Vereine zu einem Verband zu vereinigen, um einheitliche Grundsätze zu entwickeln und gegenüber anderen Vereinigungen und auch staatlichen Behörden und Institutionen geschlossener und kraftvoller auftreten zu können. Auf dem ersten deutschen Samariter-Tag in Berlin vom 18. bis 20. September 1896 wurde die offizielle Gründung des Deutschen Samariter-Bundes vollzogen, der ab 1908 den Namen "Deutsche Gesellschaft für Samariter- und Rettungswesen" trug.

Ein Vertreter des Samariterwesens, Sanitätsrat Dr. Leopold Henius aus Berlin, hielt am 22. Juni 1900 auf dem deutschen Ärztetag in Freiburg im Breisgau einen Vortrag über „Die Bedeutung des Samariter- und Rettungswesens für den deutschen Ärztestand“. Im Anschluss an diesen Vortrag beschloss der deutsche Ärztetag folgende Leitsätze, mit denen die deutsche Samariterbewegung seitens der deutschen Ärzteschaft erstmals offiziell eine Bestätigung dessen erfuhr, was sie selbst seit ihrer Gründung immer wieder zu den Grundsätzen ihrer Bestrebungen erklärt hatte:

„Die Ausübung der ersten Hilfe bei Unglücksfällen und plötzlichen Erkrankungen steht den Ärzten zu. Einheitliche Einrichtung des Rettungsdienstes gewährt am besten sichere und zweckmäßige ärztliche Hilfe.
Nur in denjenigen Fällen, in denen ärztliche Hilfe nicht sofort zu beschaffen ist, namentlich auf dem Lande und in kleinen Städten, ist die Hinzuziehung des Laienelements zulässig. Doch sollen sich die für die Leistung der ersten Hilfe eigens von Ärzten ausgebildeten Samariter darauf beschränken, dem Verletzten alles fernzuhalten, was ihm schaden könnte, und ihn möglichst schnell ärztlicher Versorgung zu übergeben. Die in großen Städten zu treffenden Einrichtungen zur Beschaffung erster ärztlicher Hilfe bei Unfällen oder plötzlichen Erkrankungen (Rettungswachen, Unfallstationen, Sanitätswachen) sollen von den städtischen Verwaltungen unterhalten oder finanziell sichergestellt werden. Sie entsprechen nur dann den Interessen des Publikums wie der Ärzte, wenn sie
  1. bezüglich der Einrichtung und ihres Betriebes einer ärztlichen Oberleitung unterstehen; wenn
  2. wenn auf der Wache selbst oder am Orte des Unfalles resp. der Erkrankung die Hilfe von Ärzten geleistet wird;
  3. wenn sie sich darauf beschränken, nur die erste und nur einmalige Hilfe zu gewähren;
  4. wenn die Teilnahme am Rettungsdienst sämtlichen Ärzten gestattet wird, die sich bestimmten, vertragsmäßig festzusetzenden Bedingungen unterwerfen, welche den Standesvertretungen zur Genehmigung vorgelegt werden können;
  5. wenn sie über geeignete Transportmittel verfügen, um Verletzte und Schwerkranke möglichst schnell und in zweckmäßiger Weise in ihre Wohnung oder in ein Krankenhaus zu schaffen;
  6. wenn sie außer der Gewährung erster Hilfe keinerlei Nebenzwecke verfolgen;
  7. wenn der Öffentlichkeit keinerlei Mitteilungen über Vorkommnisse bei den Verletzten und Erkrankten gemacht werden;
  8. wenn Unbemittelten die Hilfe unentgeltlich, sonstigen Patienten nach den üblichen Taxsätzen geleistet wird.“

Literatur

  • Herbert Böttger: Johannes Friedrich August von Esmarch, in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 654, Onlinefassung

Weblinks


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