Friedrich Melchior Grimm

Friedrich Melchior Grimm
Friedrich Melchior Baron von Grimm

Friedrich Melchior Baron von Grimm (* 25. September 1723 in Regensburg; † 19. Dezember 1807 in Gotha) war ein deutscher Schriftsteller und Diplomat.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Melchior Grimm war der Sohn des Regensburger Pastors Johann Melchior Grimm und dessen Ehefrau Sibylle Koch. Der spätere Regensburger Superintendent Ulrich Grimm war sein Bruder, der Präsident der deutschen Kolonialgesellschaft Karl von Grimm sein Nachfahre.

Bereits als Gymnasiast versuchte sich Grimm als Lyriker und begann einen längeren Briefwechsel mit Johann Christoph Gottsched und dessen Ehefrau. Mit 19 Jahren dramatisierte Grimm den Roman Die asiatische Banise von Heinrich Anselm von Ziegler und Kliphausen. Begeistert veröffentlichte Gottsched im darauffolgenden Jahr das Stück in seiner Deutschen Schaubühne. Die Inszenierung war ein wirtschaftlicher wie künstlerischer Misserfolg. Fortan verlegte sich Grimm mehr auf die Interpretation, Kritik und Übersetzung von französischen Werken. Ein Schwerpunkt wurde hier bald das Werk von Voltaire.

Fast nebenbei studierte Grimm von 1742 bis 1745 an der Universität Leipzig Jura, Literatur und Philosophie. Unter anderem wurde er Schüler von Johann August Ernesti. Letzterem verdankte er vor allem seine kritische Wertschätzung der klassischen Literatur. 1745 kehrte Grimm nach Regensburg zurück, wo er eine Anstellung als Hauslehrer beim Vater eines Schulfreundes, dem Grafen von Schönborn, bekam. Später wechselte Grimm in gleicher Stellung zu anderen Adelsfamilien in Regensburg. Als Haushofmeister begleitete er seine Schüler auch auf Reisen.

Mitte 1748 unternahm Grimm mit seinem Schüler Gottlob Ludwig von Schönberg eine Reise nach Paris. Zum Jahreswechsel 1748/49 wechselte Grimm in den Haushalt des Herzogs Friedrich von Sachsen-Gotha und wurde dessen Vorleser. Später avancierte Grimm zum Sekretär des Grafen August Heinrich von Friesen. Durch seinen Dienstherrn, der ein Neffe des Marschall von Sachsen, Moritz Graf von Sachsen, war, wurde Grimm schon bald in die Gesellschaft eingeführt.

Als 1752 in Paris der Buffonistenstreit zwischen Anhängern von Giovanni Battista Pergolesi und Jean-Baptiste Lully ausbrach, verteidigte Grimm mit seiner Satire Le petit prophète de Boehmisch-Broda die italienische Oper. Man vermutet heute, dass der Ursprung von Grimms Begeisterung für die italienische Kunst bei der Schauspielerin und Primadonna Marie Fel zu suchen ist.

Bei Hofe oder in den Klubs der politischen und künstlerischen Avantgarde war Grimm schon bald ein gern gesehener Gast. Wegen seines übertrieben weiß gepuderten Gesichtes und seiner Vorliebe für Ironie und Klatsch nannte man ihn bald den weißen Tyrann. Seine Streitgespräche mit Paul Heinrich Dietrich von Holbach fanden immer begeisterte Zuhörer.

Gerade über die Musik kam Grimm mit den Enzyklopädisten in Kontakt. Angeregt von Denis Diderot und Jean-Baptiste le Rond d’Alembert verfasste Grimm in der folgenden Zeit mehrere Artikel für die Encyclopédie. 1753 lernte er Nouvelles littéraires von Abbé Guillaume Thomas François Raynal kennen und begann, diesem Beispiel folgend, seine Correspondance littéraire zu publizieren. Diese wurde anfangs alle zwei Wochen veröffentlicht und wurden zu einer der wichtigsten Zeitschriften des 18. Jahrhunderts. Sie wurden mit der Hand geschrieben und unkontrolliert durch Diplomatenpost zu den Abonnenten gebracht. Zu den Lesern gehörten neben fast allen deutschen Fürsten, die Zarin Katharina die Große, Friedrich der Große, Gustav III. von Schweden, Stanislaw II., Johann Wolfgang von Goethe und weitere.

Grimms Freunde, unter anderem Denis Diderot und Louise d’Épinay, sorgten während seiner zeitweiligen Abwesenheiten für eine kontinuierliche Erscheinungsweise. Bis 1775 lag die Correspondance in Grimms Hand, bis 1790 war es dann eher die Federführung seines Sekretärs Jacob Heinrich Meister. Dieser schrieb ganz im Stil Grimms und änderte nur die Erscheinungsweise auf eine monatliche.

Wahrscheinlich wurde Grimm 1754 von Jean-Jacques Rousseau Madame d’Epinay vorgestellt, deren Liebhaber er bald wurde. Dies führte zum Bruch mit Rousseau, was sich dann auch in einem völlig falschen Bild Grimms in Rousseaus Confessions niederschlug.

Als 1755 sein Freund Friesen plötzlich starb, avancierte Grimm zum Kabinettssekretär von Louis-Philippe-Joseph, Herzog von Orléans. Als solcher begleitete er auch Louis-Charles-César Le Tellier, duc d’Estrées in den Jahren 1756/57 auf dessen Feldzug nach Westfalen.

Anfang 1759 ernannte man Grimm zum Gesandten der Stadt Frankfurt am Main am französischen Hof. Als er im August desselben Jahres die Ernennung Herzogs Victor-François de Broglie zum Marschall in einem Brief - der durch König Ludwig XV. abgefangen wurde - kritisierte, verlor er sofort diesen Posten. Dies schadete aber seiner Karriere nicht. 1777 erhielt er von Kaiser Joseph II. das Baronat, und so konnte er Prinzessin Wilhelmina Luisa von Hessen-Darmstadt nach Sankt Petersburg begleiten. Die Prinzessin reiste nach Russland, um dort Zar Paul zu heiraten.

Im November 1763 führte ein Empfehlungsschreiben einer Frankfurter Kaufmannsfrau den Salzburger Vicekapellmeister Leopold Mozart, der mit seinen Wunderkindern durch Europa reiste, zu Grimm nach Paris. Am 1. Dezember 1763 veröffentlichte Grimm in seiner »Correspondance literaire« einen außerordentlich eindrucksvollen Brief, in dem er als Augenzeuge die kaum fassbaren Fähigkeiten der Kinder (Nannerl 11 Jahre und Wolfgang 6 Jahre) im Klavierspiel beschrieb. Grimm wird in dieser Zeit zu einem der wichtigsten Förderer Mozarts. Als Wolfgang Amadeus Mozart jedoch im Jahre 1777, lediglich in Begleitung seiner Mutter, erneut in Paris auf der Suche nach einer passenden Anstellung ist und auf die Unterstützung von Grimm hofft, bleiben diese Erwartungen weitestgehend unerfüllt[1]

Ab 1776 vertrat Grimm die Interessen von Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg in Paris so wie Johann Friedrich Reiffenstein Agent des Herzogs in Rom war. Im darauffolgendem Jahr reiste Grimm auf Einladung von Katharina der Großen nach St. Petersburg. Zurück in Paris begann Grimm, im größeren Stil für die Zarin Kunst zu kaufen.

1792 musste auch Grimm als einer der letzten Ausländer aus Frankreich fliehen. Er ließ sich im Jahr darauf in Gotha nieder. Seine Armut wurde durch eine kleine Rente des russischen Hofes gemildert. 1796 erreichte Grimm den Höhepunkt seiner diplomatischen Karriere, als er durch die Zarin zum russischen Staatsrat ernannt wurde. Bis zum Tod der Zarin im selben Jahr vertrat er ihre Interessen beim niedersächsischen Kreis in Hamburg. Anschließend zog er sich ins Privatleben zurück und wohnte bei der auch aus Frankreich geflohenen Gräfin Bueil geb. Emilie de Belsunce in Gotha, einer Enkelin von Mme d’Epinay.

Im Alter von nahezu 84 Jahren starb Friedrich Melchior Grimm fast erblindet am 19. Dezember 1807 in Gotha und wurde am 23. Dezember 1807 auf dem Kirchhof zu Siebleben bei Gotha begraben.

Obwohl nur Bruchteile vom literarischen Schaffen Grimms übersetzt wurden, gilt er in Deutschland als großer Essayist und steht in einer Reihe neben Charles-Augustin Sainte-Beuve oder Karl Hillebrand.

Werke

  • Briefe an Johann Christoph Gottsched. Röhrig, St. Ingbert 1998 ISBN 3-86110-142-4
  • Maurice Tourneux (Hg.): Correspondance littéraire, philosophique et critique, adressée à un Souverain d’Allemagne. Kraus, Nendeln-Liechtenstein 1968 (Repr. d. Ausg. Paris 1877-1882)
  • Eine kleine Betrachtung über die großen Modesträußer. Hemmerde, Halle 1750
  • Der kleine Prophet aus Böhmisch-Broda. s. n., Paris 1753
  • Jakov Grot (Hg.): Mémoire Historique sur l’origine et les suites de mon attachement pour l’impératrice Catherine II jusqu’au décès de sa majesté impériale. Historische Gesellschaft, Moskau 1880
  • Paris zündet die Lichter an. Literarische Korrespondenz. Hanser, München 1977 ISBN 3-446-12349-0
    • in Französisch: Ulla Kölving (Hg.): Correspondance littéraire de F. M. G. Centre international d’étude du XVIIIe siècle, Ferney-Voltaire 2007, derzeit 4 Bände = Jahr 1753f. (geplant 20 Bde.). Online lesbar
      • Rezension: Marie Leca-Tsiomis, in: Zs. Recherches sur Diderot et sur l’Encyclopédie Numéro 43, Varia, [1]

Literatur

  • V. Boven (Hrsg.): Lettres inédites de Grimm à la reine-mère de Suède, in: Revue de litterature comparée, 32 (1958), S. 565-572
  • Louise d’Épinay: Mémoires et correspondance, Charpentier, Paris 1863
  • Karl A. Georges: Friedrich Melchior Grimm als Kritiker zeitgenössischer Literatur in seiner „Correspondance littéraire“, Bär & Hermann, Leipzig, 1904
  • Ulla Kölving und andere (Hrsg.): Inventaire de la correspondance littéraire de Grimm et Meister, Voltaire Fondation, Oxford, 1984, 3 Bände, ISBN 0-7294-0316-5
  • Jean-Jacques Rousseau: Bekenntnisse, Winkler, München 1999, ISBN 3-538-05282-4
  • Charles Augustin Sainte-Beuve: Causeries du lundi, Garnier, Paris, Bd. 7
  • Edmond H. Scherer: Melchior Grimm. L’homme de lettres, le factotum, le diplomate, Slatkine, Genf 1968 (Reprint der Ausgabe Paris 1887)
  • Friedrich Melchior Grimm: Briefe von Johann Christoph Gottsched. Im Anhang: Vier Briefe an Luise Gottsched. Mit Erläuterungen und einem Nachwort hrsg. von Jochen Schlobach und Silvia Eichhorn-Jung, St. Ingbert 1998
  • Sergueï Karp: "L'anoblissement de Grimm: quelques précisions", in: L'Allemagne et la France des Lumières. Deutsche und französische Aufklärung. Mélanges offerts à Jochen Schlobach par ses élèves et amis, éd. M. Delon et J. Mondot, Paris 2003, S. 205-210.
  • Philipp Blom: Das vernünftige Ungeheuer. Diderot, d’Alembert, de Jaucourt und die Große Enzyklopädie. (= Die Andere Bibliothek; Band 243). Eichborn, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-8218-4553-8
  • Andreas Urs Sommer: Skeptische Wahrnehmung fremder Intoleranz bei Friedrich Melchior Grimm. Eine mikrologische Studie in denkgeschichtlichem Kontextualismus, in: A. Beutel / V. Leppin / U. Sträter und M. Wriedt (Hrsg.), Aufgeklärtes Christentum. Beiträge zur Kirchen- und Theologiegeschichte des 18. Jahrhunderts, Leipzig 2010, S. 257-268.
  • Grimm, Friedrich Melchior. In: Gottlob Schneider: Gothaer Gedenkbuch, Bd. 1, Gotha 1906, S. 90f.
  • Richter: Grimm, Friedrich Melchior. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 9, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 676–678.
  • Wilmont Haacke: Grimm, Friedrich Melchior Frhr. von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, S. 86–88.

Weblinks

 Commons: Friedrich Grimm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Otto Erich Deutsch u. Joseph Heinz Eibel: Mozart Dokumente seines Lebens, dtv, München, 1991, ISBN 3-423-02927-7, S. 19-20.

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