Friedrich Max Müller

Friedrich Max Müller
Porträt Müllers 1894/95 von George Frederic Watts

Friedrich Max Müller (in Großbritannien als Max Müller und in Indien als Max Mueller bekannt; * 6. Dezember 1823 in Dessau; † 28. Oktober 1900 in Oxford) war ein deutscher Sprachforscher, Religionswissenschaftler und einer der Begründer der Sanskrit-Forschung. Unter seiner Leitung erschienen die Sacred Books of the East, eine 50-bändige Reihe von englischen Übersetzungen asiatischer heiliger Bücher.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Max Müller als junger Mann

Müller war ein Sohn des Dichters Wilhelm Müller, dessen Texte unter anderem von Franz Schubert in den Liederzyklen Die schöne Müllerin und Winterreise vertont wurden. Er besuchte die Nikolaischule in Leipzig und anschließend die dortige Universität Leipzig, wo er Philologie und Philosophie studierte, sich daneben aber auch mit Arabisch und Sanskrit beschäftigte. Hier veröffentlichte er bereits eine Übersetzung des Hitopadeca (Leipzig 1844). Anschließend ging er nach Berlin. Im Wintersemester 1844/45 studierte er dort, zusammen mit Paul de Lagarde, Persisch bei Friedrich Rückert. 1845 zog es Müller nach Paris sowie im Jahr darauf nach England.

Hier veröffentlichte er im Auftrag der Englischen Ostindien-Kompanie den Rigveda mit einem ausführlichen Kommentar des Sāyaṇa (6 Bde., London 1849–1874). Daneben gab er auch eine Ausgabe ohne Kommentar heraus (London, 1877) sowie den ersten Band einer Übersetzung Rig-Veda'-Sanhità, the sacred hymns of the Brahmans (London 1869). Er überzeugte die Ostindien-Kompanie mit dem Argument, dass man zunächst die ältesten Sanskrit-Texte untersuchen müsse, um einen Einblick in die Entwicklung der indischen Religionsgeschichte erhalten zu können.

Seit 1850 arbeitete Müller in Oxford, wo er den Auftrag erhielt, an der Universität Vorlesungen über Literaturgeschichte und Vergleichende Grammatik zu halten. 1851 wurde er Ehrenmitglied der Universität und des Christ Church College. 1854 erhielt er eine ordentliche Professur für neue Sprachen und Literaturen. 1856 trat er in das Kuratorium der Bodleian Library ein, wo er zwischen 1865 und 1867 auch als Bibliothekar der orientalistischen Abteilung arbeitete. 1858 wurde er zum Fellow des All-Souls-College gewählt. 1868 gründete die Universität Oxford eine Professur für vergleichende Religionswissenschaft und ernannte Müller zum ersten Professor dieses Lehrstuhls. Dies erzeugte viel Unruhe in der Kirchenhierarchie, die das Fach als potentielle Gefahr für den Anspruch des Christentums auf Universalität ansah.

Müller analysierte Mythologien und Mythen als Bewusstwerdung natürlicher Phänomene, eine Art primitive Vorwissenschaft innerhalb der kulturellen Entwicklung der Menschheit. Er vertrat eine darwinistische Auffassung von der Entwicklung der Kulturen. Nach der Auffassung Müllers begannen die „Götter“ zunächst als abstrakte Begriffe zu wirken, mit denen man Ideen austauschte oder ausdrückte. Erst später wurden sie personifiziert. So seien für den indogermanischen „Vatergott“ viele verschiedene Namen entstanden: Zeus, Jupiter, Dyaus Pita. Doch könne man alle diese Formen auf das Wort dyaus zurückführen, das er als „Erscheinung“ oder „Strahlung“ auffasste. Dieses Wort führe auf deva, deus und theos als Begriffe für Gott und zu den Eigennamen Zeus und Jupiter (als deus-pater). Diese Vorstellung beeinflusste später Friedrich Nietzsche.

Im Sommer 1872 hielt er Vorlesungen in Straßburg. 1875 legte er seine Professur nieder, blieb aber an der Universität, um eine Reihe von Übersetzungen der heiligen Bücher des Orients herauszugeben. Bis 1896 kamen 41 Bände heraus. Im Mai 1896 wurde Müller zum Mitglied des Privy Councils ernannt. Friedrich Max Müller starb am 28. Oktober 1900 in Oxford.

Seine Werke werden noch immer von Studenten der Indologie und der Sanskrit-Forschung in aller Welt benutzt. In Indien ist Max Müller bis heute populär – darum firmieren die deutschen Goethe-Institute in Indien unter dem Namen „Max Mueller Bhavan“. Als einer der ersten Sprachwissenschaftler befürwortete er eine Plansprache wie Esperanto.

Außerdem stammt aus seiner Feder der Roman (der von einigen eher als Langdichtung gesehen wird) Deutsche Liebe (kor. Dogilin-eui sarang), der bemerkenswerterweise in Korea zur meistgelesenen deutschen Literatur zählt. In Deutschland ist der Roman dagegen völlig unbekannt.

Als junger Sprachforscher hatte Müller das Sanskritwort „Arier“ Mitte des 19. Jahrhunderts als Bezeichnung einer Indo-Germanischen Sprachgruppe eingeführt, doch durch das Buch Essai sur l’Inégalité des Races Humaines Arthur de Gobineaus (1816–1882) wurde es zum Synonym für die überlegene nordische Herrenrasse.[1]

Schliemann und Troja

Müller ging es in der wissenschaftlichen, damals nannte man es vergleichende Mythologie, nicht um einen Wirklichkeitsbezug, sondern um die immanenten Formgesetze von Mythen der verschiedenen Völker und Traditionen. Bei Homers Ilias meinte Müller als eigentliches Thema einen Kampf der Sonne mit den Wolken sehen zu können und verglich die Ilias mit dem Nibelungenlied, dem er ebenfalls einen historischen Kern absprach. Auch bei Homers Ilias liege kein historischer Kern vor, der von einem nicht-realen Stoff verbrämt worden sei. Vielmehr sei ein nicht-realer Stoff von Homer nachträglich mit einem historischen Ort in Verbindung gebracht worden.[2]

Als sich Müller und Heinrich Schliemann in London begegneten, hatte Schliemann dessen Vorlesungen über die Wissenschaft der Sprache bereits gelesen. Schritt um Schritt gelang es Schliemann, Müllers Abneigung gegen die Historizität von Homers Troja abzubauen, auch wenn letzte Vorbehalte blieben. Müller machte im Gegenzug Schliemann in der wissenschaftlichen Welt Englands salonfähig.[2]

Werke

Müller um 1898
  • Letter to Chevalier Bunsen on the classification of the Turanian languages. London 1854
  • Deutsche Liebe. Aus den Papieren eines Fremdlings. Brockhaus, Leipzig 1857
  • Essay on comparative mythology. London 1858
  • History of ancient Sanskrit literature. London 1859
  • Lectures on the science of language, 2 Serien. London 1861–64
    • deutsche Ausgabe: Vorlesungen über die Wissenschaft der Sprache. 2 Bände. Mayer, Leipzig 1863/66; 3. A. Klinkhardt, Leipzig 1870/75
  • Chips from a German workshop, 4 Bände. London 1868–1875
  • Introduction to the science of Religion: Four Lectures. London 1873
    • deutsche Ausgabe: Einleitung in die vergleichende Religionswissenschaft. Trübner, Straßburg 1874
  • Lectures on the origin and growth of religions as illustrated by the religions of India. London 1878
    • deutsche Ausgabe: Vorlesungen über den Ursprung und die Entwickelung der Religion. Trübner, Straßburg 1880
  • Selected essays, 2 Bände. London 1881
  • India what can it teach us? London 1883
    • deutsche Ausgabe: Indien in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung. Engelmann, Leipzig 1884
    • Teilausgabe: Was kann Indien uns lehren. Lotos, Berlin 2000, ISBN 3-86176-005-3
  • Science of Thought. London 1887
    • deutsche Ausgabe: Das Denken im Lichte der Sprache. Engelmann, Leipzig 1888; Reprint: Minerva, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-86598-299-9
  • Natural Religion. London 1889
    • deutsche Ausgabe: Natürliche Religion. Engelmann, Leipzig 1890
  • Physical Religion. London 1891
    • deutsche Ausgabe: Physische Religion. Engelmann, Leipzig 1892
  • Anthropological Religion. London & New York 1892
    • deutsche Ausgabe: Anthropologische Religion. Engelmann, Leipzig 1894; Reprint: VDM, Saarbrücken 2007, ISBN 978-3-8364-2417-2
  • Theosophy, or psychological Religion. London 1893; Reprint: VDM, Saarbrücken 2007, ISBN 978-3-8364-2418-9
    • deutsche Ausgabe: Theosophie oder Psychologische Religion. Engelmann, Leipzig 1895
  • Contributions to the science of mythology. 2 Bde. London 1897
  • The six systems of indian Philosophy. London 1899
  • My autobiography. A Fragment. New York 1901
    • deutsche Ausgabe: Aus meinem Leben. Fragmente zu einer Selbstbiographie. Perthes, Gotha 1902

Literatur

Weblinks

 Wikisource: Friedrich Max Müller (ADB) – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Alexander Bein: Der moderne Antisemitismus und seine Bedeutung für die Judenfrage. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Heft Nr. 4/1958. S. 342
  2. a b Flügge 2001. S. 237 ff.



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